Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
XIV. Band.
1862.
Mit vierzehn Tafeln.
Berlin, 1862.
Bei Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung).
Behren - Strasse No. 7.
,334
550. Ute
Inhalt.
Seile
A. Verhandlungen der Gesellschaft . . . 1.236.533.681
B. Briefliche Mittheilungen
der Herren v. Richthofen und F. Peters 247
der Herren G. v. Helmersen und K. v. Fritsch 541
Zur Erinnerung an Carl Johann Zincken, von Herrn Rammels-
berg in Berlin 251
C. Aufsätze
Th. Scheerer. Die Gneuse des Sächsischen Erzgebirges und
verwandte Gesteine, nach ihrer chemischen Constitution
und geologischen Bedeutung 23
D. Gerhard. Ueber lamellare Verwachsung zweier Feldspath-
Species 151
Senft. Der Gypsstock bei Kittelsthal mit seinen Mineral-
Einschlüssen. (Hierzu Tafel I.) 160
F. Roemer. Bericht über eine geologische Reise nach Russ-
land im Sommer 1861 178
A. Mitsch erlich. Untersuchung des Alaunsteines und des
Löwigites 253
Roth. Ueber die Zusammensetzung von Magnesiaglimmer und
Hornblende 265
Karsten. Die geognostische Beschaffenheit der Gebirge von
Caracas. (Hierzu Tafel II.) 282
H. Eck. Ueber den opatowitzer Kalkstein des oberschlesischen
Muschelkalks 288
H. Fischer. Ueber den Pechstein und Perlstein 312
Ferd. Freiherr v. Richthofen. Bericht über einen Ausflug in
Java . 327
— Ueber das Vorkommen von Nummulitenformation auf Ja-
pan und den Philippinen 357
— Bemerkungen über Siam und die hinterindische Halbinsel 361
G. vom Rath. Geognostisch-min eralogische Beobachtungen im
Quellgebiete des Rheins. (Hierzu Tafel Ilbis — V.) . . 369
H. R. Göppert. Ueber die in der Geschiebeformation vorkom-
menden versteinten Hölzer 551
— Neuere Untersuchungen über die Stigmaria ficoides Brong-
NIART 555
IV
Seite
C. Rammelsderg. Ueber den letzten Ausbruch des Vesuvs vom
8. December 1861 567
F. Roemer. Ueber die Diluvial-Geschiebe von nordischen Se-
dimentär-Gesteinen in der norddeutschen Ebene und im
Besonderen über die verschiedenen durch dieselben ver-
tretenen Stockwerke oder geognostischen Niveaus der pa-
laeozoischen Formation 575
— Die Nachweisung des Keupers in Oberschlesien und Polen 638
G. vom Rath. Skizzen aus dem vulkanischen Gebiete des
Niederrheins. (Hierzu Tafel VI.) 655
Ruth. Ueber eine neue Weise die quantitative mineralogische
Zusammensetzung der krystallinischen Silikatgesteine zu
berechnen 675
v. Cotta. Die Erzlagerstätten Europas 686
v. Albert. Vorkommen von Kohlenkalk-Petrefakten in Ober-
schlesien . 689
J. G. Bornemann. Ansichten von Stromboli. (Hierzu Tafel VII
bis X.) 696
Clemens Schlüter. Die Macruren Decapoden der Senon- und
Cenoman-Bildungen Westphalens. (Hierzu Tafel XI— XIV.) 702
C. Rammelsberg. Analysen einiger Phonolithe aus Böhmen
und der Rhön 750
— Ueber den Glimmer von Gouverneur, nebst Bemerkungen
üder Natron- und Barytglimmer 758
F. Roemer. Notiz über die Auffindung einer Senonen-Kreide-
bildung bei Bladen unweit Leobschütz in Oberschlesien . 765
Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
1. Heft (November, December 1861, Januar 1862).
A. Verhandlungen der Gesellschaft.
1. Protokoll der November - Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 6. November 1861.
Vorsitzender: Herr Mitscherltch.
Das Protokoll der August-Sitzung wird verlesen und ange-
nommen.
Der Gesellschaft ist als. Mitglied beigetreten:
Herr ßergwerksbesitzer Dr. Preussner in Misdroy,
vorgeschlagen durch die Herren Mitscherlich, G.
Rose und Tamnau.
Ein Schreiben des Herrn Hamblin in Negaunee, Lake Su-
perior, mit dem Anerbieten Mineralien der dortigen Gegend zu
liefern wurde mitgetheilt.
Für die Bibliothek sind eingegangen :
A. Als Geschenke:
G. Sandberger: Wiesbaden und seine Thermen. Wies-
baden 1861.
H. Trautschold: Couche jurassique de Mniovniki. Se-
paratabdruck.
A. Pebrey: Note sur les tremblements de terre en 1857.
Separatabdruck.
Delesse, Beaulieu et Tvert : Rapport sur Vinondation
souterraine dans les quartier s nord de Paris en 1856. Neuilly,
1861. Geschenk des Herrn Delesse.
Dawson: Additional notes on the postpliocene deposits of
the St. Lawrence Valley. — On the Silurian and Devonian
rocks of Nova Scotia.
Zeits, d. d. geol.Ges. XIV. 1, 1
2
Tyson: First report of the State Agricultural Chernist to
the House of Delegates of Maryland. Jinnapolis 1860.
Ch. Norton: Litterary Letter. 1859, No. 4. 1860,
No. 1.
Statistical report on the thickness and mortality in the
army of the United States from January 1855. — January
1860. 'Washington, 1860.
B. Im Austausch:
Geologische Specialkarte des Grossherzogthums Hessen,
Sektion Dieburg. Darmstadt, 1861.
Staring: Geologische Kaart van Nederland. Blad 19
en 20.
Jahrbücher des Vereins für Naturkunde in Nassau XV.
1860 und Beilage dazu. Odernheiiy!ER : das Festland Austra-
lien. Wiesbaden 1861.
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 38. I u. II.
Sitzungsberichte der k. Bayerischen Akademie der Wis-
senschaften. 1861. I. Heft 2 u. 3.
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 1860.
Januar — December, Bd. XV u, XVI.
Acht und dreissigster Jahresbericht der Schlesischen Ge-
sellschaft für vaterländische Kultur 1860. Abhandlungen, Ab-
theilung für Naturwissenschaft und Medizin, 1861, Heft 1 u. 2.
Philosophisch -historische Abtheilung', Heft 1. und F. Roemer:
die fossile Fauna der silurischen Diluvialgeschiebe von Sadewitz
bei Oels. Breslau 1861.
Mittheilungen aus J. Perthes' geographischer Anstalt.
1861. Heft 8, 9, 10 und Ergänzungsheft No. 6.
Wochenschrift des Schlesischen Vereins für Berg- und Hüt-
tenwesen. III. No 40.
Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubün-
dens. VI. Chur, 1861.
Archiv für Landeskunde in Mecklenburg. 1861. VI, VII.
Vierter Jahresbericht des Naturhistorischen Vereines in
Passau für 1860. Passau 1861.
Abhandlungen, herausgegeben von der Senckenbergischen
Naturforschenden Gesellschaft, Bd. III, Lieferung 2- Frankfurt
a. M. 1861.
Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur -Vereins für das
Königreich Hannover. Bd. VII. Heft 3,
s
Abhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins in Ham-
burg. Bd. IV. Abth. 2. Hamburg 1860.
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien.
1860. No. 2.
Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien.
IV. 1860.
Notizblatt des Vereines für Erdkunde. No. 32 — 60. 1859
bis 1861.
Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland. Bd. 20.
Heft 3 u. 4.
Memoires de V Acade'mie Imperiale des sciences a St. Pe~
tersbourg. XII. Serie. Tom. 3. No. 2 — 9, Bulletin Tome IJ%
No. 4—8. Tome III. No. 1 - 5.
Bulletin de la Societe Imperiale des naturalistes de Mos-
cou. 1861. No. 41
Annales des sciences physiques et naturelles publiees
par la Socicte Imperiale d \dgriculture etc. de Lyon. III. Serie.
Tom. 3 u. 4.
Memoires de V Academie Imperiale des sciences etc. de
Lyon. Tome 7, 8, 9, 10.
Bulletin de la Societe Geologique de France. II. Serie.
Tom. 17, Feuilles 53 — 56. Tom. 18. Feuilles 13 — 43.
Annales des mines. Tome XIX. Livraison 2 — 3.
Annales de la Societe d? agriculture etc. du Puy. Tom. XX.
Le Puy 1859.
Bulletin de la Societe Linneenne de Normandie. Volume
5. Caen, 1861.
Memoires de V Academie Imperiale des sciences de Dijon.
II. Ser. Tom. 8. Dijon, 1861.
The Canadian Naturalist and Geologist. Vol. VI. No.
1 —5. Montreal, 1861.
Quarterly Journal of the Geological Society. XVIII. No.
67. London.
American Journal of science and arts. XXXII. No. 95.
Transactions of the Academy of science of St. Louis.
Vol. I. No. 4. St. Louis, 1860.
Smithsonian Contributions to knowledge. Vol. XII und
Smithsonian Report 1859.
D. D. Owen: Second and Third Report of the Geologi-
cal Survey in Kentucky. Frankfort 1857.
1*
4
Second Report of a geological Reconnoissance of Arkan-
sas. Philadelphia 1860.
Journal of the Academy of natural Sciences of Phila-
delphia. Vol. 4. Part 4. und Proceedings. 1860, pag. 97 —
580; 1801, pag. 1 — 96.
Report on history and progress of the American Coast
Survey up to the year 1858.
Der Vorsitzende erstattete sodann Bericht über die Ver-
handlungen der Gesellschaft bei der allgemeinen Versammlung
in Speyer.
Derselbe bemerkte, dass mit der heutigen Sitzung ein neues
Geschäftsjahr beginne und forderte unter Abstattung eines Dan-
kes von Seiten des Vorstandes für das demselben von der Ge-
sellschaft geschenkte Vertrauen zur Neuwahl des Vorstandes auf.
Auf Vorschlag eines Mitgliedes erwählte die Gesellschaft durch
Acclamation den früheren Vorstand wieder. Stimmzettel von
auswärts waren nicht eingegangen.
Herr H. Rose berichtete über seine Untersuchung eines blauen,
von Herrn Krug von Nidda mitgetheilten Steinsalzes von Stass-
furt, das reich an Chlorkalium sein sollte. Das blaue Steinsalz
ist von sehr heller blauer Farbe; die Würfel des blauen Salzes
sind indessen nicht gleichmässig gefärbt; es liegen blau gefärbte
Theile in einem farblosen Salze. Neben diesen Würfeln befinden
sich Würfel von einem vollkommen farblosen durchsichtigen, und
von einem röthlichbraun gefärbten Salze, die nicht die mindeste
Einmengung von dem bläulich gefärbten enthalten; die farblosen,
die braunröthlich gefärbten und die blauen Würfel sind scharf
begrenzt.
Die bläulich gefärbten Würfel bestehen nur aus Chlorna-
trium (mit einer sehr geringen Menge von schwefelsaurem Na-
tron verunreinigt); die farblosen und die röthlichbraunen hin-
gegen enthalten sehr viel Chlorkalium. Die farblosen Würfel
bestehen aus einer Verbindung von 2 Atomen Chlorkalium und
1 Atom Chlornatrium, enthalten also 73 pCt. Chlorkalium.
Ein ähnliches Verhalten findet sich bei dem blauen Stein-
salz von Kalucz in Galizien. Auch bei diesem grenzen blau ge-
färbte Würfel scharf an völlig farblose. Jene bestehen nur aus
5
Chlornatrium, diese sind reines Chlorkalium, ohne Einmengung
von Chlornatrium. Dabei finden sich Würfel, die äusserst schwach
bräunlich gefärbt sind; diese enthalten indessen kein Chlorkalium,
und bestehen aus reinem Chlornatrium.
Die Thatsache, dass die farblosen Würfel, welche an blau
gefärbte Würfel von Steinsalz grenzen, entweder sehr viel Chlor-
kalium enthalten, oder ganz daraus bestehen, während das blaue
Salz frei davon ist, findet indessen ihre Bestätigung nicht bei
jedem Vorkommen des blauen Salzes. Bläulich gefärbtes Stein-
salz von Hallstadt wurde zwar rein von Chlorkalium befunden
(bisweilen enthielt er sehr geringe Spuren davon); aber die an
dasselbe grenzenden farblosen Würfel bestanden ebenfalls aus
Chlornatrium. Etwas Aehnliches zeigte sich auch bei einem
schwach bläulich gefärbten Steinsalz von Wieliczka.
Das blaue Steinsalz löst sich wie das farblose Steinsalz im
Wasser auf, und bildet wie dieses eine ganz farblose Lösung,
die nicht alkalisch reagirt. Man könnte vermuthen, dass das
blaue Salz seine Farbe einer niedrigeren Chlorstufe des Natriums
oder eines anderen alkalischen Metalles verdanke, wie solche
Chlorverbindungen Bunsen in neuerer Zeit dargestellt hat. Aber
das blaue Salz , selbst wenn es ziemlich intensiv blau gefärbt
ist, wie das von Kalucz, löset sich im Wasser ohne die mindeste
Entwickelung von Wasserstoffgas auf.
Herr Barth sprach über das Zinkbergwerk bei Torre la
Vega, S. von Santander, in Spanien, in der Vereinigung des
Thaies der Besaya mit der Seja. Er machte zuerst darauf auf-
merksam , dass die Eisenbahn , die das Hochland mit der Nord-
küste verbindet, nicht im letztern Thale vom Randgebirge her-
abstürzt, wie neuere Karten darstellen , sondern im ersteren und
zwar mit einer grossen Wendung nach Westen. Das Bergwerk
erstreckt sich von Reosin im Westen nach Torres im Osten und
bis nach Baguerra im Süden. Es ist eine regellose, durch Tage-
bau gewonnene Galmeimasse im braunen Dolomit zwischen Bän-
ken von taubem Gesteine eingeschlossen. Das Erz liegt im Do-
lomit zwischen Kalk und Sandstein. Streichen Ost -West mit
nördlichem Einfallen. Da nach dem Spanischen Gesetz jedes
Jahr in jeder Grube mit 8 Mann gearbeitet werden muss , so
war die Gesellschaft bis jetzt gezwungen in einem grösseren
Gebiet zu arbeiten, als sie zur fortlaufenden Ausbeutung thun
6
würde. Sie arbeitet mit nur 800 Mann, von denen der grösste
Theil Montanes, Bewohner des nahen Gebirges, der kleinere
Basken ist; denn obgleich die Basken im Ganzen für industriö-
ser gelten , so erweisen sich die Montanes als williger. Der
Lohn beträgt 2 — 2j Pezzetten (4 — | Franc). Man unterhält
35 Pferde. Da das taube Gestein sehr mächtig ist, so geht die
Arbeit sehr unregelmässig vorwärts. Im Durchschnitt schafft
man täglich 300 Cubikmeter tauber Erde heraus durch Maschinen
von 20 Pferdekraft und zur leichteren Beförderung benutzt man
300 eiserne Wägelchen, welche die Kompagnie zu je 500 Francs
angekauft hat. Bis jetzt ist der Galmei 3500 Meter weit ver-
folgt und bis auf eine Tiefe von 12 — i 4 Meter. Bei der Arbeit
folgt man dem Kalk, der durchschnittlich mit 26 — 27 Grad,
dann aber plötzlich sehr steil einfällt. Steinblöcke erscheinen
von 80 — 100 Centner Gewicht, Blei nur nesterweise. Es finden
sich Pseudomorphosen von Galmei nach Kalkspath. Der ursprüng-
liche Finder des Erzes, welcher 1 Real per Tonne erhält, soll
schon an 100,000 Duros (a 20 Real) erhalten haben. Auch bei
Udias und Conillas kommt Galmei vor.
Herr Preussker sprach über die geognostische Beschaffen-
heit der Insel Wollin. Die Insel Wollin gehört zur Kreidefor-
mation. Am ausgeprägtesten tritt das obere Glied derselben,
die weisse Kreide an einzelnen Punkten in der Nähe des Haffes
bei den Dörfern Kalkofen, Lebbin und Stengow auf. Die Kreide
erscheint hier deutlich mit Feuersteinbänken geschichtet und hat
eine Mächtigkeit von 60 — 70 Fuss, wie dies die angestellten
Bohrungen ergeben haben. Im Allgemeinen stimmt sie hinsicht-
lich ihrer Reinheit mit der auf Rügen bei Stubbenkammer über-
ein, und enthält sie auf Wollin ungleich mehr Versteinerungen
Am häufigsten finden sich Echiniten und oft in solcher Menge,
dass sie bei dem Auswerfen der Kreide von den Arbeitern zu
Dutzenden an einem Tage gefunden werden. Ebenso finden sich
häufig Terebrateln, hin und wieder Bruchstücke fingerdicker
Inoceramus-Schaalen und Fischzähne
In der Tiefe von 60 — 70 Fuss wird die Kreide sehr tho-
nig und glimmerig, so dass der Kalkgehalt nur noch 50 pCt.
beträgt. Diese Schichten sind aber nirgend entblösst, sondern
ihr Vorhandensein ist nur aus Bohrungen bekannt. Die Lage-
rung der Kreide ist sehr ungleich, die Schichten sind vielfach
7
zerrissen und streichen von Süd-West nach Nord-Ost mit dem
Abfall nach Norden. Technisch findet die Kreide hier Verwen-
dung als Schlemmkreide, sowie zur Kalkbrennerei und Cement-
Fabrikation.
Am kleinen Vietziger See tritt die Kreide wieder auf, aber
sehr mit Sand verunreinigt und mit einem Thongehalt von 50 pCt.,
in ihrer Zusammensetzung also den unteren Schichten bei Lebbin
entsprechend. Dann findet sich die Formation nochmals aufge-
geschlossen bei Misdroy in der Nähe des Kirchhofes auf einem
der höchsten Punkte etwa 150 Fuss über dem Meere. Sie ist
deutlich geschichtet ohne Feuersteine und Versteinerungen mit
so überwiegendem Thongehalt, dass der Kalk nur 35 pCt. beträgt.
Eine Stunde entfernter, nordöstlich von hier, tritt die For-
mation dann wieder deutlich auf und zwar an der Meeresküste
beim sogenannten Swinerhöft und Jordänsee. Die Ufer erheben
sich hier in einer Höhe von 150-^-200 Fuss mit ziemlich stei-
lem Absturz nach der See. An der steilen Uferwand lässt sich
nun in weiter Erstreckung die Verbreitung erkennen. An den
höchsten Punkten erhebt sich die Formation etwa 50 Fuss über
den Meeresspiegel. Ein unmittelbar am Meeresspiegel ange-
setztes Bohrloch wurde bis zu einer Tiefe von 120 Fuss nieder-
dergebracht, ohne die Schichten zu durchsinken. Man kann also
mit ziemlicher Gewissheit eine Mächtigkeit von 200 Fuss an-
nehmen. Die Substanz ist sehr thonig, von blau-grauer Farbe
und vielfach mit Inoceramus- Schalen erfüllt, die aber so zer-
brechlich sind, dass es fast unmöglich . ist sie ganz zu erhalten.
Besonders interessant ist das Vorkommen von Schwefelkies in
dieser Schicht. Vorherrschend ist es Speerkies, weniger Eisen-
kies , er liegt in Form von Platten, Adern und Knollen und so
häufig, dass er bergmännisch gewonnen wird. Die Bohrarbeiten
haben ihn noch in einer Tiefe von 94 Fuss unter dem Meeres-
spiegel nachgewiesen. Bei dem Grubenbau hat sich ein deut-
liches Streichen der Schichten von Süd-West nach Nord-Ost mit
einem Abfall nach Norden herausgestellt. Deutlich erkennbar ist
das Auftreten der Formation in einer Erstreckung von 500 Lach-
ter längs der Meeresküste.
Die Kreideformation ist überlagert von einem schwarzen
sandigen Thon, der in einer Mächtigkeit von 80 — 100 Fuss
auftritt, viele granitische, Jura- und Kreide-Geschiebe enthält und
Diluvial-Bildung zu sein scheint. Die Jurageschiebe dieses Tho-
8
nes sind reich an den Gattungen Trigonia, Astarte, Phola-
domya, Mytilus und schönen Ammoniten ; kürzlich fand sich auch
ein schön erhaltener damenbrettsteinartiger Ichthyosauren- Wirbel.
Nicht selten finden sich auch Versteinerungen der silurischen
Formation, so namentlich 3—4 Fuss lange Orthoceratiten.
Eigenthümlich ist, dass die ganze Gegend von Swinerhöft
eine grosse Disposition zur Schwefelkiesbildung zu besitzen scheint.
Denn überall finden sich Gesteine der verschiedensten Art mit
Schwefelkies überzogen, und die heterogensten Dinge damit ge-
wissermassen zusammengekittet und cementirt ; sehr häufig sind
verkieste Hölzer. Vielleicht hat dies seinen Grund in der Zer-
setzung der den Strand und Seeboden bedeckenden Schwefelkies-
massen aus der Kreideformation, so dass diese nach erfolgter
Zersetzung, Vitriolisirung und Auflösung wieder als Schwefelkies
niedergeschlagen werden.
Ferner berichtete Herr Preussner über ein interessantes
Vorkommen silurischer Bildungen bei Regenwalde in Hinter-
Pommern. Redner fand dieselben hier in einem Thale, welches im
Umfange von mehreren Meilen den tiefsten Punkt bildet und den
Namen »die Maische« führt. Zur Trockenlegung des Torfmoors
wurde hier ein tiefer und langer Kanal gezogen. Sehr häufig
stiess man dabei auf felsigen Boden, der die Arbeiten erschwerte.
Das losgebrochene Gestein lässt deutlich zwei Arten erkennen.
Die eine Art erscheint schwarzgrau, ist deutlich schiefrig und
in sehr grosser Menge von dem für silurische Schichten so
charakteristischen kleinen Battus pisiformis erfüllt. Die andere
Art erscheint ebenfalls schwarzgrau von Farbe, enthält wenig
Versteinerungen, ist dagegen ganz erfüllt von fein eingesprengtem
Schwefelkies, weshalb das Gestein beim Liegen an der Luft sich
durch Oxydation röthlich färbt. Es besteht ziemlich zu gleichen
Theilen aus Kalk und Thon und lässt beim Reiben den pene-
tranten durchdringenden Geruch des sogenannten Stinkkalkes
wahrnehmen.
Redner wagt nun zwar noch nicht mit Gewissheit auszuspre-
chen, dass das Gestein wirklich anstehend und nicht etwa zu
den silurischen Geröllen zu zählen ist; allein der Umstand, dass
sich das Gestein in ziemlich weiter Erstreckung vorfindet und
ihm anderseits bei seinen vielfachen Untersuchungen der Ge-
schiebe in Pommern niemals ähnliche vorgekommen sind, die si-
lurischen Geschiebe auch durch ihre so übereinstimmenden Ein-
9
schlösse und Farbe sich sehr bestimmt von den in Rede ste-
henden unterscheiden, lässt mit Wahrscheinlichkeit auf ein wirk-
liches Anstehen der silurischen Formation schliessen, und würde
diese Beobachtung, wenn sie durch noch näher anzustellende
Untersuchungen sich bestätigt, allerdings ein ganz neues Licht
auf die geognostischen Verhältnisse Pommerns werfen.
Herr Roth berichtete über die Studien aus dem Ungarisch-
Siebenbürgischen Trachytgebirge des Herrn v. Richthofen, in-
dem er an den in seinem Buche über die Gesteinsanalysen aus-
gesprochenen Ansichten festhielt.
Herr Beyrich sprach über zwei aus deutschem Muschel-
kalk noch nicht bekannte Avicula- artige Muscheln. Die eine
gehört zu der Abtheilung der sogenannten Aviculae gryphaeatae
der alpinen Triasgebilde. Goldfuss hatte sehr gut erkannt,
dass diese sogenannten Aviculae sich sehr eigenthümlich von
andern Avicula-Formen unterscheiden und erklärte, sie schienen
eine eigene Gattung zu bilden, zu deren Feststellung aber die
Beobachtung der wahrscheinlich auch eigenthümlichen Bildung
des Schlosses erforderlich wäre. Graf Muenster beschränkte
sich nachher hierauf, sie unter dem Namen der Gryphaeatae
als eine besondere Abtheilung unter Avicula zusammenzufassen.
Redner schlägt vor, diese Formen als eine besondere Gattung
C assianella von Avicula zu trennen. Die Cassianella^ de-
ren Typus die Avicula gryphaeata von St. Cassian ist, unter-
scheidet sich abgesehen von den allgemeinen Form- Charakteren,
die Muenster allein aufgefasst hatte , von Avicula durch gänz-
liches Fehlen eines vorderen Byssus-Ohres der rechten Klappe.
Dadurch steht sie der Gervillia näher, von welcher sie die ein-
fache Ligament - Grube unterscheidet. Das Schloss besteht aus
ein paar kleinen Zähnen unter den Wirbeln , und einem langen,
leistenförmigen, hinteren, und einem kürzeren vorderen Seitenzahn,
mittelst deren die beiden Klappen ausserordentlich fest anein-
andergefügt sind und deshalb auch gern zweiklappig gefunden
werden. Charakteristisch ist überdies eine innere Scheidewand
in der gewölbten linken Klappe unterhalb der Grenze des vor-
deren Ohrs. Die fragliche Art hat sich zu Mikultschütz in Ober-
schlesien gefunden und ist ident mit der Cassianella {Avicula)
tenuistria Muenst., Goldf. t. 116. fig. 11, von St. Cassian.
10
Sie tritt in die Reihe der in derselben Schicht vorkommenden
oberschlesischen, mit alpinen Formen übereinstimmenden Muschel-
kalk-Arten, wie Rhynchonella decurtata, Spirifer Mentzeli
und andere.
Die zweite Art, aus L. V. Buch's Sammlung, von Schwer-
fen bei Gommern hat einige Aehnlichkeit mit der Avicula con-
torta der Kössener Schichten, ohne übereinzustimmen; die Erhal-
tung erlaubt keine vollständige Vergleichung. Avicula contorta
ist keine Cassianella^ während die begleitende schöne Avicula
speciosa der Alpen dieser Gattung zufällt. Avicula contorta
gehört in die Reihe der ungleichklappigen Avicula -Arten i die
mit der Avicula speluncaria des Zechsteins beginnt, und sehr
irrig vielfach mit der Monotis Bronn's verbunden wurde. Die
Monotis (Typus M. salinarid) ist fast gleichklappig, ohne Bys-
sus-Ohr. Die ungleichklappigen wahren Aviculae der bezeichne-
ten Verwandtschaft können als Untergattung Pseudo- M onotis
genannt werden, woran sich die Aucella als eine andere nahe
stehende , durch gänzliche Verkümmerung der hinteren flügei-
förmigen Ausbreitung ausgezeichnete Form der Avicula zunächst
anschliessen würde.
Redner legte ferner das Probeblatt der Sektion III. der geogno-
stischen Karte von Nieder-Schlesien vor und gab Erläuterungen zu
demselben.
Herr V. Carnall sprach im Anschluss an den letzten Vor-
trag über das Auftreten von Eisensteinen bei Willmannsdorf,
2 kleine Meilen westlich Jauer, im Gebiete des Urthonschiefers,
welcher stellenweise Grünstein und Grüne Schiefer einschlies-
send den Höhenzug bildet, der sich in nordwestlicher Richtung
bis in die Nähe von Goldberg erstreckt, an seinem nordöstlichen
Fusse aber von jüngeren, theils tertiären, theils diluvialen Bil-
dungen bedeckt erscheint. Diese nehmen in Verbindung mit
grösseren und kleineren Basalt-Erhebungen die Niederung zwi-
schen Jauer und Liegnitz ein. Die Schichten des Schiefergebir-
ges sind meistens sehr steil fallend, eine vorherrschende Streich-
und Falirichtung hat sich darin noch nicht feststellen lassen.
Die Lagerstätten von Eisenstein sind entschieden gang-
artige, indem ihr Streichen und Fallen von demjenigen des ein-
schliessenden Gebirges abweicht. Dieselben wurden vor 4 Jahren
zuerst an ihrem Ausgehenden erschürft, und zwar theils in dem
11
Dorfe Willraannsdorf, theils an dem Eingange der nördlich des
Dorfes sich in der Richtung nach Seichau herabziehenden Thal-
schlucht. In letzterer liegt die Grube Carl, deren Gang bis
jetzt am weitesten aufgeschlossen ist. Man hat daselbst aus dem
Thale einen querschlägigen Stollen angesetzt und damit bis 30
Lachter Länge den Gang angefahren, denselben von da ab nach
beiden Weltgegenden mit streichenden Strecken verfolgt, süd-
wärts auf 85 Lachter und nordwärts auf 64 Lachter Länge.
Auf der südlichen Strecke steht bis 21 Lachter Länge der 10|-
Lachter. tiefe Carlschacht, aus welchem der Gang auch noch mit
oberen streichenden Strecken verfolgt wurde. Vor dem Orte der
südlichen Stollenstrecke ist ein neuer 14 Lachter tiefer Schacht
abgesunken. Ein am Ende der nördlichen Strecke geschlagener
Schacht (Bruno) wurde wegen Abfall des Tagegebirges bis auf
die Stollensohle nur b\ Lachter tief, man ist aber damit noch
6 Lachter tiefer niedergegangen und aus seiner Sohle nach Nor-
den streichend aufgefahren. Am Brunoschachte ist das Ausge-
hende durch einen Tagebau erschlossen. In circa 50 Lachter
weiterer nördlicher Entfernung, und zwar in der verlängerten
Streichlinie des Ganges erschürfte man nahe bei einander zwei
Ausgehende, welche demselben Gange angehören und dessen
Fortsetzung beweisen dürften. Dieser Aufschluss begreift eine
streichende Länge von reichlich 220 Lachter. Bemerkenswerth
ist noch, dass bei dem Carlschachte der Gang auf einer Länge
von fast 20 Lachtern in zwei Trummen vorgefunden ward, welche
durch ein Mittel von Gebirgsgestein in 2 Lachter Abstand ge-
trennt erscheinen. Auch auf einem zweiten Punkte fand man ein
Nebentrumm, von dem sich annehmen lässt, dass es sich süd-
wärts mit dem Hauptgange vereinigt. Bei einem von Norden
nach Süden gerichteten Streichen hat dieser ein sehr steiles
(80 — 85 Grade betragendes) westliches Einfallen. Seine Mäch-
tigkeit beträgt zwischen 2 und 8 Fuss, vor der südlichen Stol*
lenstrecke sogar bis nahe 10 Fuss. In der nördlichen Stollen-
strecke kommen zwar einige Verdrückungen vor, doch ist bei
Brunoschacht der Gang wieder mächtiger, ein dortiger Tagebau
3^ bis 6 Fuss stark. In Berücksichtigung der Nebentrumme,
in denen der Gang auf ziemliche Längen gleichsam doppelt, lässt
sich eine durchschnittliche Eisensteinmächtigkeit von mindestens
5 Fuss annehmen , bei welcher das Quadratlachter Gangfläche
wenigstens 300 Centner Eisenstein schütten wird. Danach enthält
12
das bis jetzt aufgeschlossene Feld 1 Million Ctr. Eisenstein.
Von dem nordöstlichen Abhänge der Höhen l.ässt sich aber mit
geringen Kosten ein tieferer Stollen einbringen , womit nahe
30 Lachter Saigerhöhe trocken zu legen sind, bis auf welche Sohlen
hinab das ganze Feld über 3 Millionen Ctr. Eisenstein liefern
kann, oder über 5 Millionen Ctr., wenn der Gang, wie es höchst
wahrscheinlich, im Fortschreiten nach beiden Weltgegenden wei-
ter aushält. Auch werden einem demnächstigen Tiefbau unter
der Stollensohle keine besonderen Schwierigkeiten entgegentreten,
indem das ganze Gebirge nur mässige Wasser erwarten lässt.
Ebenso ist bei dem gegenwärtigen Abbau sowohl als auch bei
dem künftigen tieferen Betriebe auf niedere Gewinn- und Förder-
kosten zu rechnen, etwa 2j bis 3 Sgr. p. Ctr.
Die Gangmasse besteht ganz vorwaltend aus reinem Eisen-
stein, und zwar ist es theils Eisenglanz, theils rother
Glaskopf, theils dichter R oth eis en st ei n in meistens sehr
compacten Stücken und grossen bis zu 20 Ctr. schweren Wän-
den. Eine mit einer grösseren Menge angestellte Analyse er-
gab 92,68 pCt. Eisenoxyd mit Spuren von Mangan, 2,80 pCt.
Thon- und 4,52 pCt. Kieselerde. Hiernach berechnet sich ein
Eisengehalt von 60 pCt. Als mittlerer Gehalt können wenigstens
50 pCt. angenommen werden.
Der Redner bemerkte, wie der Eisenglanz und Rotheisen-
stein von Wißmannsdorf von anderen bekannten Vorkommnissen
dieser Art sich nicht wesentlich unterscheidet, daher er es nicht
für nöthig erachtet habe, davon Handstücke mitzubringen, dage-
gegen legte er einige dergleichen mit Afterkrystallen des Eisen-
glanzes in den Formen des Kalkspathes (Drei- und Dreikantner
und schwache Rhomboeder) zur Ansicht vor, so wie eine Gang-
druse von Spatheisenstein oder Braunspath etc. Einzeln zeigt
sich Schwarzmanganerz; etwa nur einige ganz isolirte Partien
von Schwerspath ausgenommen finden sich keine Beimengungen,
welche für die Beschaffenheit des daraus zu erzeugenden Eisens
Von schädlichem Einfluss sein könnten.
Von dem gewonnenen Eisenstein sind verschiedene Quan-
titäten nach Vorwärtshütte bei Waldenburg , sowie nach
einem Hohofenwerk der Minerva - Gesellschaft in Oberschlesien
geliefert und mit 6 Sgr. p. Ctr. bezahlt worden. Das Aus-
bringen und die Beschaffenheit des daraus dargestellten Eisens
13
war sehr befriedigend. Gegenwärtig befindet sich auf der Grube
ein Haldenbestand von ca. 100,000 Ctr. Eisenstein.
Die Grube Friedrich liegt auf einem zweiten Rotheisen-
stein-Gange in etwa 100 Lachter querschlägigem Abstände von dem
Carl-Gange, und zwar westlich, also im Hangenden vom Carl.
Man hat dort einen Schacht darauf abgesunken und aus diesem
nach Norden und Süden Strecken getrieben. Die Mächtigkeit
dieses Ganges beträgt 2 bis 3 Fuss. Das Erfc ist fester, zum
Theil milder Rotheisenstein.
Die dritte Grube — Gustav genannt — liegt inmit-
ten des Dorfes Willmannsdorf auf einem , durch ein Abteufen
und durch Strecken untersuchten Gange, dessen Mächtigkeit mit
demjenigen auf Friedrich übereinstimmt, während die Beschaffen-
heit des Eisensteins eine vorzüglichere ist. Ob dieser Gang ein be-
sonderer, oder mit demjenigen von Carl -Grube identisch, ist
ungewiss, ersteres aber wahrcheinlicher als letzteres.
Bemerkenswerth ist, dass auf allen 3 Gruben das die Gänge
einschliessende Schiefergebirge in ansehnlicher Breite eine dun-
kelrothe Färbung zeigt. Dergleichen Färbungen, welche sich
der aufliegenden Fruchterde mittheilten, kommen auch noch bei
vielen anderen Punkten der Gegend vor und können als Anzei-
gen von Gängen angesehen werden. Auf einer solchen Stelle
hat man auch bei Pömbsen (südlich Willmannsdorf) feste Roth-
eisensteinbruchstücke angetroffen , welche die Nähe eines Gang-
Ausgehenden annehmen lassen.
Das ganze Vorkommen ist in industrieller Hinsicht von
grosser Wichtigkeit, dies aber um so mehr, als bei der gut-
artigen Beschaffenheit des Eisensteins darauf zu rechnen ist, dass
das daraus erzeugte Roheisen sich zur Stahlfabrikation eignen
wird. Man wird die Eisensteine entweder nach den Kohlengru-
ben bei Waldenburg zu schaffen, oder in der Nähe von Jauer
eine eigene Hohofenhütte anzulegen haben. In dem einen wie
im andern Falle kommt dem Unternehmen die Eisenbahn-Ver-
bindung zu statten.
Herr von Carnall legte ferner einige Handstücke von
der Braunkohlengrube Schwarz-Minna bei Hennerdorf vor. Diese
liegt in der auf Section Liegnitz angegebenen Braunkohlenge-
birgs- Partie. Man hat dort zusammenhängende Braunkohlen-
flötze nicht aufgeschlossen , sondern nur Fragmente bituminösen
Holzes, welche in einem mergelartigen Basalttuff (Trass) ein-
14
brechen. Die vorgelegten Stücke sind aber verkieseltes
Holz; andere Stücke bestehen aus jenem Tuff mit inliegenden
Blätter -Abdrücken. Auf dem Kunstschachte der Grube,
auf dem man eine 50pferdekräftige Dampfmaschine errichtete,
wird gegenwärtig ein grösserer Abbau auf dem hier mehrere
Lachter mächtigen Trass eingerichtet. Dieser Trass hat sich
bereits einen guten Ruf erworben und wird auch schon nach
entfernteren Gegenden verfahren.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. o.
MlTSC HERLICH. BEYRICH. ROTH.
2. Protokoll der December- Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 4. December 1861.
Vorsitzender: Herr Mitscherlich.
Das Protokoll der November-Sitzung wird verlesen und ge-
nehmigt.
Der Gesellschaft sind als Mitglieder beigetreten:
Herr Dr. Keirel in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren G. Rose, Beyrich,
Mitscherlich.
Herr Bergexspectant Eck in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren F. Roemer, Roth,
Beyrich.
Für die Bibliothek der Gesellschaft sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
Fr. Rolle : Ueber einige neue oder wenig gekannte Mol-
luskenarten aus Tertiär-Ablagerungen. Separat-Abdruck,
A. Favre: Notice sur la reunion extraordinaire de la
Societe geologique de France a Saint- Jean de Maurienne. Se-
parat-Abdruck.
B. Im Austausch:
Sitzungsberichte der k. k. Akademie der Wissenschaften in
Wien. Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse. Erste Abth.
Bd. 43. Heft 1 bis 5. Zweite Abth. Bd. 43, Heft 2 bis 3.
15
Wochenschrift des Schlesischen Vereins für Berg- und Hüt-
tenwesen. III. 31 bis 39, 41 bis 48.
Sitzungsberichte der k. Bayerischen Akademie der Wissen-
schaften zu München. 1861. I. Heft 4.
Sitzungsberichte der k. Böhmischen Gesellschaft der Wis-
senschaften in Prag. 1860. Juli bis December. 1861. Januar
bis Juni.
46. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft in Em-
den J861 und
Kleine Schriften. VIII. Emden 1861.
Zweiter Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde.
1861.
Von der k. Universität zu Christiania: Eine Broncemedaille
geschlagen zur 50jährigen Jubelfeier der Universität.
Monrad : Det kongelige Norske Frederiks Universitets
Stiftelse — Mohn: Om kometbanernes indbyrdes beliggenhed
— Guldberg: Om Cirklers beröring — Sars: Om Siphono-
dentalium vitreum.
Memoires de la Societe de physique et d'histoire naturelle
de Geneve. Tome XVI. Premiere Partie 1861.
Bulletin de la Societe' Imperiale des Naturalistes de Mos-
cou 1861. No. 2.
American Journal of Science and arts. Vol. XXX IL
No. 96, :
Herr von Bennigsen - Foerder sprach über die geogno-
stischen Verhältnisse des Kreises Salzwedel , welche in sehr
bestimmter Weise den bleibenden agronomischen Werth des
Bodens bedingen , so dass auch hier eine geognostische Karte
von der Verbreitung der tertiären, diluvialen und alluvialen For-
mationen zugleich eine Bodenfruchtbarkeitskarte darstellt. Fer-
ner hob Redner hervor, dass die Kenntniss der Alluvionen
(nicht Alluvium im engern Sinn) der verschiedenen geologischen
Formationen zwar für wissenschaftliche Vervollständigung des
Scbichtenbestandes in allen Epochen der Erdbildung von grosser
Wichtigkeit sei, jedoch im Gebiete des jüngern Schwemmlandes
den eigentlichen Schlüssel zum Verständniss bilde. Die mangel-
hafte Kenntniss solcher Alluvionen der Tertiär-Gebilde haben
den Redner vor mehreren Jahren verleitet, regenerirte Ablage-
rungen an der Teufelsbrücke bei Potsdam für normale anzu-
16
sehen und neuerlichst sei die Unkenntniss der Alluvionen des
Diluviums die Ursache zu den divergirenden Meinungen über das
Alter menschlicher Kunstprodukte, welche in England und
Frankreich gefunden werden, und worüber Redner in einem frü-
heren Vortrage gesprochen. Eine andere und grössere Schwie-
rigkeit, welche das Studium der Geologie des Schwemmlandes
nächst dem häufigen Mangel an Leitversteinerungen darbietet,
besteht in der Unkenntniss der Gestalt- und Niveau-Verhältnisse
des Bodens zur Tertiärzeit und während der drei Hauptepochen
des Diluviums ; die Entstehung der dem Kreise Salzwedel eigen-
tümlichen Melm-Gebilde und eines kreideartigen Alluvial-Kal-
kes bei Neuendorf, westlich von Calbe, kann aus diesem-Grunde
nur hypothetische Erklärungen hervorrufen.
Herr Beyrich machte Mittheilungen aus einem Briefe des
Herrn Bernüullt in Betreff des Vorkommens von metallischen
Verbindungen in Steinkohlen, namentlich von Zink und Kupfer-
erzen. Sodann berichtete derselbe über seine neueren geognosti-
schen Beobachtungen, betreffend die Lagerung des Vilser Kalk-
steins in der näheren Umgebung von Vils in Tyrol.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. o.
MlTSCHERLICH. BEYRICH. ROTH.
3. Protokoll der Januar - Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 8. Januar 1662.
Vorsitzender: Herr G. Rose.
Das Protokoll der December-Sitzung wird verlesen und an-
genommen.
Der Gesellschaft ist als Mitglied beigetreten:
Herr Professor Dr. Jules Gossel et in Bordeaux,
vorgeschlagen durch die Herren Beyrich, Roth,
F. Roemer.
Herr Generallieutenant von Gansauge in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren G. Rose, Ewald,
von Bennigsen-foerder.
17
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
A. von Langrehr : Der Lauenburgische Grund und Boden.
Ratzeburg 1861. Geschenk des Verlegers Herrn Linsen.
W. Haidinger : Ansprache, gehalten in der Jahressitzung
der geologischen Reichsanstalt in Wien am 19. November 1861.
B. v. Cotta : Ueber das Kupfererzvorkommen von Totos
in der Marmaros. (Berg- und Hüttenmännische Zeitung. 1862.
No. 1.)
Sir R. J. Murchison: On the inapplicabüity of the new
term „Dyas" to the „Permian" Group of rocks as proposed
by Dr. Geinitz. — Adress tho the Geological Section of the
British Association at Manchester 1861.
B. Im Austausch:
Erster, zweiter, dritter Jahresbericht der Gesellschaft von
Freunden der Naturwissenschaften in Gera 1858 bis 1860.
Bericht über die Thätigkeit der St. Gallischen naturwissen-
schaftlichen Gesellschaft für 1860 und 1861.
Jahrbuch des Schlesischen Vereins für Berg- und Hütten-
wesen. Bd. I. 1859. No. 1 bis 52. Bd. III. No. 49 bis 52.
Abhandlungen der mathematisch-physicalischen Klasse der
k. Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. IX. Abth. 1.
— Verzeichniss der Mitglieder der k. Bayerischen Akademie der
Wissenschaften 1860. — A.Wagner: Denkrede auf G. H. von
Schurert. München 1861.
Mittheilungen aus J. Perthes' geographischer Anstalt 1861.
XI. XII. Ergänzungsheft No. 7.
Schriften der Physicalisch - Oekonomischen Gesellschaft zu
Königsberg. II. Jahrg. 1. Abth. 1861.
Me'moires de V Academie Imperiale des sciences de St. Pe-
tersbourg. Ser. VII. Tom. III. No. 10, 11, 12. Bulletin
Tom. III No. 6, 7, 8. Tom. IV. No. 1, 2.
Annales des mines (5) XX. Livrais. 4, 5.
Bulletin de la Societe Vaudoise. Tom. VII. No. 48.
Quarterly Journal of the Geological Society. Vol. XVII.
Part. 4. London.
Atti della Societa Italiana. Vol. III Fase. 3.
Herr H. Karsten sprach über die von Matthieu zu-
erst in dem Kreidetuff von Mastricht beobachteten und be-
Zcits. d, d. geoi. Ges. XIV. 1 . 2
18
schri ebenen geologischen Orgeln Neu - Granada's, die
auch in der weissen Kreide Englands bei Nor wich und in
dem Grobkalke von Paris vorkommen. Es sind dies cylindrische
mehr oder weniger tiefe, senkrecht die Kalkfelsen durchsetzende
Gruben, natürliche zu Tage ausgehende Schachte. Bei Mastricht
variirt ihr Durchmesser zwischen einigen Zollen bis 12 Fuss,
sie reichen über 200 Fuss in noch unbekannte Tiefe hinab.
Die in der Norwich-Kreide vorkommenden Löcher beschrieb
Lyell, ihr Durchmesser schwankt gleichfalls zwischen einigen
Zollen und 12 Fuss; erstere reichen nur selten über 12 Fuss
tief unter die Oberfläche hinab, letztere bis auf 60 Fnss. Es
sind verschiedene Erklärungen der Entstehung dieser senkrecht
die Kalkfelsen durchsetzenden Köhren versucht worden. Quellen
und Meeresstrudel wurden für diesen Zweck in Anspruch ge-
nommen. Nach der Meinung des Redners reichen diese jedoch
nicht aus die Erscheinung zu erklären ; es wäre vielmehr wahr-
scheinlicher, dass langsam wachsende, im Meeresschlamm lebende
Schwrammpolypen während des allmälig erfolgenden Absatzes
der Kreide diese senkrechte Höhlung in derselben aufgebaut,
wenn nicht die von ihm in Neu-Granada beobachteten Thatsa-
chen Zweifel auch gegen diese Erklärungsweise zuliessen. An
dem südlichen Abhänge des Gebirges von St. Marta wurden
nämlich von demselben 12 Fuss weite und gegen 60 Fuss tiefe,
senkrechte, cylindrische Löcher in Kalksteinschichten der jüngeren
Kreide beobachtet, welche letztere unter einem Winkel von c. 30 Gr.
geneigt waren, wo man also um jene Erklärung aufrecht zu erhal-
ten annehmen müsste, dass erstens die Kalkschichten dem Ab-
hänge eines Berges parallel abgesetzt seien und zweitens, dass
diese Berge dann durchaus senkrecht über die Meeresoberfläche
gehoben seien.
Bei Velez in der Nähe von Bogota kommen ähnliche cylin-
drische Gruben vor, die circa 320 Fuss tief und ebenso breit
sind, gleichfalls an dem Abhänge eines zur Kreideformation ge-
hörenden Berges belegen.
Die unteren Enden dieser Schachte, die in Neu-Granada
Ojös del aire genannt werden, wurden daselbst nicht erkannt, da
sie mit Erde bedeckt sind.
Herr von Bennigsen-Foerder überreichte für die Biblio-
thek der deutschen geologischen Gesellschaft eine von ihm kürz-
19
lieh veröffentlichte Broschüre : „Anleitung zur leicht ausführba-
ren Erforschung und Abschätzung der Ackerkrume und des Un-
tergrundes etc.,u und sprach über Verbesserungen für die nahe
bevorstehende zweite Auflage dieser Anleitung, sowie über zweck-
mässige Vereinfachungen und Aenderungen an dem einen der
von ihm construirten beiden Apparate, welche ohne Anwendung
der Waage und ohne chemische Vorkenntnisse hinreichend
genaue Auskunft über procentischen Gehalt eines Bodens an
Kalk, Thon, Sand und Humus gewähren und welche auch zu
geologisch -mineralogischen Voruntersuchungen auf Reisen anzu-
wenden sind. Der für die schwierige Bestimmung des procenti-
schen Thon-, Humus- und Sandgehalts eines Bodens construirte
Abschlemmapparat bedarf jetzt einiger Verbesserungen ; auf ihn
haben nachstehende Erläuterungen Bezug.
1) Um die mittelst der geregelten Ablagerungsthätigkeit
im Apparate hervortretenden Volumen-Procente, so viel als es
bei der unbegrenzten Mannigfaltigkeit der Art und Zusammen-
setzung der zu bestimmenden Naturkörper möglich ist, mit den
Gewichts-Procenten in Uebereinstimmung zu bringen, sind nicht
10 Kubikcentimeter , sondern nur 7,5 als mittleres Volumen für
10 Gramm Ackererde nach Vorschi ift abzumessen und in Ar-
beit zu nehmen; nur thonreiche, kreideartige, feinkörnige Bo-
den- und besonders Mergelarten , deren genaue Prüfung dem
Redner bei Construction des Kalkbestimmungs - Apparats oblag,
haben 9 bis 10, und torfartige Ackererde noch mehr Kubikcen-
timeter Volumen für 10 Gramm.
2) Nachdem 7,5 Kubikcentimeter des zu prüfenden Bodens
durch den Apparat abgeschlemmt worden, haben sich zwei oder
drei Hauptgemengtheile : Sand, Humns, Thon in den dazu be-
stimmten, mit einer Volumen-Scala für 10 Kubikcentimeter bis-
her versehen gewesenen Abschlemmröhren nach ihrem Gewicht
im Wasser geordnet, übereinander abgelagert; diese drei nach
allen Richtungen hin von einander verschiedenen Substanzen
nehmen als solche auch ungleiche Volumina für gleiche Ge-
wichtsmengen ein, dürfen daher nicht mit einer und derselben
Volumen-Scala gemessen werden. Die an den Abschlemmröhren
schon vorhandene zehntheilige 10 Kubikcentimeter - Scala ist
nothwendig für Ablesen und Berechnen des Procent-Gehalts des
Bodens an Thon und Humus ; für das richtige und zugleich
directe Ablesen des Sandgehalts dagegen, welches die wichtigste
2*
20
und zugleich die einfachste Aufgabe des Verfahrens bildet, sind
noch zwei Scalen erforderlich ; denn ebenso wesentlich wie für
die Productionskraft eines Ackerbodens, ebenso deutlich unter-
scheidet sich feiner Sand von grobem Sand in Volumen und in
Volumen-Ausdehnung beim Abschlemmen ; für groben Sand ent-
steht die zehntheilige, seinen Gewichts-Procenten entsprechende
Scala, wenn von dem 10 Kubikcentimeter-Maasstab der Ab-
schlemmröhren 6,5 Kubikcentimeter daneben abgesetzt und in
zehn gleiche Theile zerlegt werden; für die im Volumen sich
auffallend unterscheidenden feinsten, normalen und regenerirten
Glimmer- und Formsande sind 8,5 Kubikcentimeter in zehn gleiche
Theile zu theilen.
3) Für das Ablesen und Berechnen der Abschlemm-Resul-
tate gelten folgende Regeln :
Wenn in einer geprüften Acker- oder Untergrundserde nur
Sand und Humus, oder nur Sand und Thon, oder ausser diesen
Substanzen noch Kalk auftreten, so ergiebt sich neben Anwen-
dung des Kalkbestimmungs - Apparats nach Verlauf von kaum
einer halben Stunde auf Grund der direct abzulesenden Sand-
und Kalkbeimengung die Zusammensetzung des Bodens nach
Gewichts-Procenten scharf. Wenn aber Thon und Humus zu-
sammen in einem Boden vorhanden sind , so ist auch hier wie
im chemischen Laboratorium die Berechnung des Procentgehalts
für jede der beiden, glücklicherweise sich in Rücksicht ihres
Werthes für die physikalischen Eigenschaften eines Ackerbodens
ziemlich gleichstehenden Substanzen sehr schwierig und oft nur
in den Grenzen einer Schätzung möglich.
Aus den angestellten Versuchen geht hervor, dass zwischen
Kulturboden-Humus und Urboden-Humus (tiefgründigen, schwar-
zen, fein zertheilten, verkohlten und nicht durch Düngung ent-
standenen) zu unterscheiden ist ; ersterer nimmt beim Abschlemmen
nach Ablauf einer Stunde ein Volumen in Kubikcentimetern ein,
deren Anzahl sein Gewichts-Procent fünfmal übertrifft; die Anzahl
der von ihm gefüllten Kubikcentimeter der einfachen, oder durch
Kautschukschläuche verbundenen gläsernen Abschlemmröhren
muss daher mit 5 dividirt werden, um den Gewichts-Procentge-
halt zu ermitteln ; für Urboden-Humus ist 4 der Divisor. Diese
beiden Hauptarten von Humus behalten das nach einer Stunde
eingenommene Volumen ; selbst der Druck von auflagerndem
21
Thon bewirkt nach einer Stunde keine weitere Volumen-Ver-
minderung.
In Betreff des Thones zeigen die Versuche, dass wegen sei-
ner successiven und stets im Verhältniss zu seiner Gewichts-
menge stattfindenden Zusammenziehung erst nach 24 Stunden
ein geeigneter Divisor und zwar die Zahl 3 für die verschiede-
nen Gewichtsmengen hervortritt; nach 3 Wochen beträgt die
Ausdehnung des Thones etwa noch das Doppelte seines Gewichts-
Procents. Wenn also in einer Ackererde Thon und Humus
zusammen vorkommen, so kann ersterer nicht wohl vor Ablauf
von 24 Stunden bestimmt werden.
4) Bodenarten, welche reich an Urboden-Humus und Thon,
zeigen aber nach dem Abschlemmen öfters keine zur Berech-
nung hinreichend scharfe Grenze zwischen beiden Substanzen;
eine mehr oder minder starke Beimengung von intensiver
Gummi-gutti-Farbe hilft diesem Mangel ziemlich ab; ist andern
Falls die Grenze zwischen Thon und feinem Sande nicht deut-
lich genug, so bewirken mehrere Tropfen blauer Saftfarbe eine
deutliche Scheidung.
5) Das bisher vor dem Abschlemmen angewendete Zerrei-
ben des Bodens mittelst Porzellan-Pistille oder Pinsel, selbst
mittelst eines Reibers von Kautschuk zeigt sich nicht so wirk-
sam und schützt weniger vor Zermalmen der Sandkörner in
staubartige Partikel als ein weniger Zeit in Anspruch nehmen-
des Schütteln des abgemessenen Bodenquantums in einer beson-
deren Abschlemmungsflasche, bei Zusatz von 1 Kubikcentimeter
Schrotkörner, deren Volumen bei der Berechnung zu subtrahiren
ist und welche in ihre Zwischenräume 0,25 Kubikcentimeter
(d. h. 2~ Procent) feinen und mittleren Sand aufnehmen.
Diese Abschlemmflaschen haben die Grösse und Gestalt der
Gasentwicklungsflaschen des Kalkbestimmungs - Apparats , sind
aber mit einem 1 Fuss langen, cylindrischen , cubicirten Halse
von der Weite der Abschlemmröhren versehen; sie ver-
treten nicht nur diese, sondern auch mehrere andere Ge-
räthe des Apparats und gewähren den besonders wichtigen Vor-
theil, dass sie während des Niedersinkens der Substanzen in den
nach unten gehaltenen, verkorkten Hals so in der Hand bewegt
werden können, wie es nöthig ist um den lebhaften Strömungen
des Wassers, welche oft leichtere, dabei aber voluminösere Hu-
muspartikel zwischen den Sand hinabreissen wollen , entgegen
22
zu wirken; auch sind etwa misslungene Abschlemmversuche leicht
sofort zu erneuen.
6) Gelangt man zwar -durch Anwendung solcher Ab-
schlemmnaschen in kürzerer Zeit und auf weniger kostspie-
lige Weise bei der Prüfung schwieriger Bodenarten zu bessern
Resultaten als nach dem bisherigen Verfahren , so bleibt doch
die Anwendung von Trichtern und von verbesserten mit 3 Sca-
len zu versehenen Abschlemmröhren und namentlich das Auf-
stellen der abgeschlemmten Bodenarten im Stativ für verglei-
chende Untersuchungen dem praktischen Landwirth sehr empfeh-
lenswerth.
Auch bei Anwendung dieser neuen Abschlemmflaschen
muss die Entwickelung der Kohlensäure des etwa im Boden
vorhandenen Kalkes, welche durch die zur leichtern Trennung
von Thon, Sand und Humus zugesetzte Salzsäure bewirkt wird,
abgewartet werden, bevor das Abschlemmen erfolgt.
Die Anwendung der Salzsäure muss selbstredend beim Ab-
schlemmen von Bodenarten unterbleiben, welche aus der Ver-
witterung von kalkigen oder kreidigen Gesteinen hervorgegangen
sind und welche' man in Rücksicht der Beimengung von Kalk-
sand prüfen will.
An dem Kalkbestimmungs - Apparat Veränderungen vorzu-
nehmen lag keine Veranlassung vor, da er sich in der Praxis
bewährt hat.
Herr G. Rose theilte den Bericht des Herrn P. von Tschi-
katschef über den Ausbruch des Vesuvs im December 1861
mit (s. Bd. XIII. S. 453).
Herr Beyrich berichtete über den Inhalt der von Sir
R. J. Murchison für die Bibliothek der Gesellschaft einge-
sendeten Schrift betreffend den Gebrauch der Benennung „Dyas"
für die Formation des Rothliegenden und des Zechsteins in dem
neuerlich über diese Ablagerungen erschienenen Werke des
Herrn Geinitz.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. o.
G. Rose. Beyrich. Roth.
23
B. Aufsätze.
1) Die Gneuse des Sächsischen Erzgebirges und
verwandte Gesteine, nach ihrer chemischen Con-
stitution und geologischen Bedeutung.
Von Herrn Th. Scheerer in Freiberg.
Die Untersuchungen , welche die Grundlage der vorliegen-
den Abhandlung bilden, hatten zunächst den Zweck, über fol-
gende fragliche Punkte Aufschluss zu geben.
1) Besitzt ein krystallinisches Silicatgestein in seiner ganzen
Verbreitung, in welcher es mit gleicher petrographischer
Beschaffenheit auftritt, durchaus dieselbe chemische Zusam-
mensetzung, wenn hierbei die gegenseitige Vertretung —
und daher wechselnde Menge — isomorpher Bestand-
teile als unwesentlich angesehen wird?
2) Angenommen, dass dies der Fall ist: kommt alsdann dem
Freiberger grauen Gneuse eine entschieden andere chemi-
sche Zusammensetzung zu als dem rothen Gneuse dieser
Gegend ?
3) Zeigt ein krystallinisches Silicatgestein, soweit seine che-
mische Mischung sich gleichbleibt, stets auch einen sich
gleichbleibenden petrographischen Charakter? Kommen
also z. B. im Sächsischen Erzgebirge Silicatgesteine von
der chemischen Zusammensetzung des grauen und des
rothen Gneuses vor, die aber gleichwohl die normalen
äusseren Charaktere eines dieser Gneuse nicht an sich
tragen ?
4) Giebt es solchenfalls dennoch entweder sichere äussere
Kennzeichen für solche chemisch gleiche, aber petro-
graphisch verschiedene Gesteine, oder lässt sich ihre che-
mische Zusammengehörigkeit wenigstens auf irgend eine
andere Art leicht ermitteln? Kann man also z. B. Ge-
24
steine von der chemischen Zusammensetzung des grauen
oder des rothen Gneuses leicht und sicher erkennen, auch
wenn dies durch petrographische Merkmale nicht mög-
lich ist?
5) Ist ein bestimmter Feldspath für den grauen Gneus, und
ein anderer Feldspath für den rothen Gneus charakte-
ristisch ?
6) Sind grauer und rother Gneus durch besondere Glim-
merarten charakterisirt und dadurch von einander zu un-
terscheiden ?
7) Giebt es ausser grauem und rothem Gneus noch andere,
mit eigenthümlicher chemischer Constitution auftretende
Gneuse im Sächsischen Erzgebirge?
Die Frage 2 war durch langjährige, besonders durch Herrn
Obereinfahrer Mueller gemachte Erfahrungen angeregt worden,
welche herausgestellt hatten, dass die hiesigen Erzgänge nur im
grauen Gneuse erzreich, im rothen Gneuse aber erzarm und erz-
los sind; ein Verhältniss, das am Entschiedensten bei solchen
Erzgängen nachgewiesen wurde, die in beiden Arten des Gneu-
ses zugleich auftreten. Nur insofern stellten sich hierbei Ano-
malien heraus, als die Farbe der Gneuse, welche eben zu ihrer
Benennung Veranlassung gegeben hatte, sich oftmals trügerisch
bei der Unterscheidung dieser Gesteine erwies. Herr Oberberg-
hauptmann Freiherr v. Beust knüpfte hieran die Ansicht, dass
diese Abhängigkeit der Erzführung vom Nebengestein — jeden-
falls zum Theil — auf einer vom zufälligen äusseren Habitus
unabhängigen, verschiedenen chemischen Constitution der beiden
Gneuse beruhen müsse. In Folge davon wurde ich vom König-
lich Sächsischen Oberbergamte beauftragt, die erforderlichen che-
mischen Untersuchungen hierüber anzustellen und an das ge-
nannte Oberbergamt zu berichten. Dies ist nun bereits seit
einer Reihe von Jahren geschehen, und die betreffenden Berichte
sind in dem Jahrbuch für den Sächsischen Berg- und Hütten-
mann (Jahrgang 1858, Seite 210 bis 223; Jahrgang 1861,
Seite 252 bis 27 5 und Jahrgang 1862, Seite 188 bis 213) ab-
gedruckt worden.
Das durch die Schärfe und unerwartete Einfachheit der Re-
sultate gesteigerte Interesse, welches ich an diesen Untersuchun-
gen nahm, bewog mich zu einer weiteren und umfassenderen
25
Verfolgung des Gegenstandes, als sie dem ursprünglichen Zwecke
vorlag.
A. Die chemische Constitution des grauen
Gne u s e s.
Fast wohl bei allen bisher vorgenommenen Analysen krystalli-
nischer Silicatgesteine hat man stillschweigend vorausgesetzt,
dass es zur Ermittelung der chemischen Constitution derselben
genüge, ein charakteristisches Handstück davon einer sogenann-
ten Bausch-Analyse zu unterwerfen. Ob aber eine, wenn auch
auf chemischem Wege entstandene , doch als mechanisches Ge-
menge auftretende Gebirgsart in ihrer ganzen Verbreitung wirk-
lich von gleicher stöchiometrischer Mischung sei, kann nur
durch eine Reihe sich auf verschiedene Localitäten beziehender
Analysen ausgemacht werden. Ausserdem wird es zur Erreichung
eines genauen Resultates bedingt , dass die an diesen Localitä-
ten mit erforderlicher Kritik entnommenen Gesteinstücke eine
hinreichende Masse besitzen, um nach ihrer Zerkleinerung un-
fehlbar das Material zur Ermittelung des wahren Durchschnitts-
Gehaltes zu bieten; ferner, dass man dieselben nicht blos in der
Nähe der Erdoberfläche, sondern wo möglich auch an tiefer lie-
genden Punkten entnehme. Erwägt man endlich, dass derartige
chemische Gesteins-Untersuchungen nicht immer mit so grosser
Sorgfalt ausgeführt worden sind wie die Analysen der Mineral-
species, so gelangen wir zu dem berechtigten Schlüsse, dass un-
sere Kenntniss der chemischen Constitution krystallinischer Sili-
catgesteine noch mit manchen Unsicherheits-Coefficienten behaftet
sein dürfte ; um so mehr, als noch einige andere — am Schlüsse
dieser Abhandlung zu berührende — Umstände hinzukommen,
welche diese Unsicherheit erhöhen.
Somit möge man es meiner Vorsicht zu Gute halten, dass
ich die Frage 1 aufwarf, deren bejahende Beantwortung Man-
chem vielleicht längst als ausgemacht gilt.
Bei jedem der hier untersuchten grauen — und rothen —
Gneuse verschiedener Localitäten wurden daher zunächst normale
Stücke bis zu Gewichtsmengen von 20 bis 25 Pfund ausge-
wählt und darauf gröblich gepulvert. Von dem gemengten Pul-
ver wurde etwa j bis 1 Pfund feiner gerieben und hiervon
endlich eine Quantität von einigen Lothen abgesondert, welche
26
als Material zu den verschiedenen Versuchen diente. Da jenes
erste gröbliche Zerkleinern in einem eisernen Mörser geschehen
rausste, so wurde die nöthige Vorsicht angewendet, um durch
unvermeidliche Abnutzung desselben den Eisengehalt des Ge-
steins nicht irrthümlich zu gross zu finden.
Was die in Anwendung gebrachte analytische Methode be-
trifft, so habe ich mich über hierbei angebrachte wesentliche Ver-
besserungen bereits in einigen früheren Aufsätzen*) ausgespro-
chen. Namentlich machten die in allen grauen Gneusen con-
stant auftretenden kleinen Titansäuremengen eine genaue Be-
stimmungsart, besonders eine scharfe Trennungsart von Eisen-
oxyd, nothwendig.
Die von mir, meinem ehemaligen Assistenten Herrn Robert
Richter (jetzigem Professor an der Bergakademie zu Leoben)
und meinem jetzigen Assistenten Herrn Dr. Rübe ausgeführten
Analysen grauer Gneuse ergaben folgende Resultate, bei wel-
chen vorläufig die Eisengehalte als Oxydul in Rechnung ge-
bracht wurden.
Ia.
Ib.
II.
III.
IV.
Kieselsäure
65,32
65,06
66,42
64,83
65,64
Titansäure
0,87
1,11 nicht best.
1,38
0,86
Thonerde
14,77
15,11
14,76
14,50
14,98
Eisenoxydul
6,08
6,80
7,50
6,32
5,86
Manganoxydul
0,14
Spur
0,58
0,18
Kalkerde
2,51
3,50
2,20
4,65
2,04
Magnesia
2,04
1,30
1,80
1,41
2,08
Kali
4,78
4,91
3,52
5,07
3,64
Natron
1,99
1,11
1,75
0,93
2,56
Wasser
1,01
1,06
1,85
0,92
1,18
Summa 99,51**) 99,96 99,80 100,59 99,02***)
*) Quantitative Bestimmung kleiner Titansäuremengen in Silicaten;
Nachrichten der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen.
1859. No. 16. S. 172. — Analytische Methode zur Bestimmung der
Magnesia und der Alkalien. Ebendaselbst S. 171.
**) Nebst 0,09 Schwefelkies, 0,13 Magnetkies, 0,002 Kupfer und
0,0015 Blei. Letztere wurden, unter Anwendung grösserer Quantitäten
des Gneuses, besonders bestimmt.
***) Nebst 0,26 Schwefelkies, einer Spur Kupfer und Spuren von
Ceroxyd und Yttererde.
27
V.
VI.
VII.
VIII.
Kieselsäure
64,17
64,70
64,90
64,22
Titansäure
1,60
1,18
1,45
1,30
Thonerde
13,87
14,09
15,70
14,34
Eisenoxydul
6,40
6,03
6,27
6.94
Manganoxydul
Spur
Spur
Spur
Spur
Kalkerde
2,74
3,11
2,27
3,20
Magnesia
2,21
4,17
2,00
2,5b
Kali
5,25
4,09
2,79
3,98
Natron
2,38
2,20
3,18
2,82
Wasser
1,01
1,48
1,90
1,01
Summa
99,63
99,05*)
100,46
100,37
Die Analysen Ia und IV wurden von mir ausgeführt. Die
Analyse II ist von Professor Richter und die Analysen Ib,
III, V bis VIII sind von Dr. Rlbe.
Die diesen Analysen entsprechenden Sauerstoff-Proportionen
Si + Ti:R-f- (R)
ergeben sich — wenn 3 At. H isomorph mit 1 At. R gesetzt,
also j vom Sauerstoff des Wassers zum Sauerstoff der fixen Ba-
sen R addirt wird — wie folgt:
Si+Ti:R + (R)
Ia
34,26
: 11,44
3 :
1,00
Ib
34,22
: 11,52
3 :
1,01
II
34,48
: 11,52
3 :
1,00
in
34,21
: 11,57
3 :
1,02
IV
34,42
: 11,39
3 :
0,99
V
33,96
: 11,38
3 :
1,01
VI
34,06
: 11,38
3 :
1,00
VII
34,28
: 12,05
3 :
1,05
VIII
33,86
: 11,87
3 :
1,05
Eine derartige nahe Uebereinstimmung der Sauerstoff-Pro-
portionen macht es, in noch höherem Grade als die nahe Ueber-
einstimmung der procentischen Zusammensetzung, augenfällig,
dass alle diese Gneuse wesentlich eine und dieselbe chemische
*) Nebst 0,46 Kupferkies.
28
Constitution besitzen. Es haben diese Gneuse folgende Beschaf-
fenheit und wurden folgenden Localitäten entnommen.
Ia Grauer Gneus aus dem Klemm'schen Steinbruche bei
Kleinwaltersdorf, | geographische Meile in Nordwest
von Freiberg. Weisser Feldspath und Quarz mit
schwarzem Glimmer, in der dem Freiberger Normal-
Gneuse gewöhnlichen flasrigen Struktur. Die zur Un-*
tersuchung angewendeten Stücke, obwohl wenige Fusse
unter der Erdoberfläche entnommen, hatten einen durch-
aus frischen Habitus. Das Pulver brauste nicht mit
Säuren.
Ib. Grauer Gneus aus demselben Steinbruch und von
gleicher Beschaffenheit.
II. Grauer Gneus aus dem Kleinschirmaer Walde (Stein-
bruch an der Freiberg-Oederaner Chaussee) , j geogr.
Meile in West von Freiberg. Von derselben petrographi-
schen Beschaffenheit wie der vorige, doch vielleicht nicht
so vollkommen frisch. Derselbe Gneus wurde früher
von G. Quincke*) analysirt, und folgendermaassen zu-
sammengesetzt gefunden :
Kieselsäure
66,46
Thonerde
16,20
Eisenoxydul
5,81
Kalkerde
2,82
Magnesia
2,17
Kali
3,98
Natron
3,20
Wasser
1,59
102,23
Dass der graue Gneus Titansäure enthält, war damals noch
nicht bekannt.
III. Grauer Gneus aus dem Ludwigschachte der Grube
Himmelfahrt, £ geographische Meile in Ost von Frei-
*) Woehler und v. Liebig's Annalen, Bd. 99. Heft 2. S. 232. So
viel mir bekannt, wurde zu dieser Analyse eine schwerlich genügende
Quantität des Gneuses angewendet.
29
berg. Aus einer Schachttiefe von etwa 300 Fuss un-
ter der Erdoberfläche. Ganz von der normalen
Beschaffenheit des grauen Gneuses.
IV. Grauer Gneus aus dem Abrahamer Kunst- und
Treibeschacht der Grube Himmelfahrt, j geographische
Meile in Südost von Freiberg. Die betreffenden Stücke
wurden beim Abteufen dieses senkrechten Schachtes in
einer Tiefe von 1708 Fuss Rheinl. (268 Lachter)
unter der Erdoberfläche losgesprengt, und zwar
mitten im normalen grauen Gneuse fern von durchset-
zenden Erzgängen.
V. Grauer Gneus, 300 Lachter in Nordost vom Mund-
loche des Michaelisstollens, ij geographische Meile in
Nord von Freiberg. Vom normalen grauen Gneus sich
durch Grobflasrigkeit und zum Theil schwarze Farbe
unterscheidend. Letztere scheint von feinen Glimmertheilen
herzurühren, die dem Feldspathe stellenweise beigemengt
geblieben sind, während sie sich im normalen Gneuse
vollkommen ausgeschieden haben.
VI. Borstendorfer Gneus aus dem Steinbruche am
Brechhausberge, nahe bei und nördlich von Gahlenz,
lj geographische Meilen in Südwest von Freiberg. Be-
sonders durch Kleinkörnigkeit und lichtere Farbe des
Glimmers von den vorigen Gneusen abweichend.
VII. Müdisdörfer Gneus aus der Nähe, oberhalb des
Schwarzen Teiches, östlich von Deutsch-Einsiedel an der
Böhmischen Grenze, 4 geographische Meilen in Süd von
Freiberg. Durch seine geognostische Stellung für eine
obere — jüngere — Abtheilung des grauen Gneuses
in Anspruch genommen, obwohl sich in seinem Aeusseren
keine hervorstechende Verschiedenheit von letzterem zu
erkennen giebt. Bei der Analyse desselben macht sich
jedoch ein etwas grösserer Natrongehalt geltend.
VIII. Drehfelder Gneus von der Emanueler Wäsche, am
rechten Gehänge des Muldenthaies, ij geographische
Meile in Nord von Freiberg. Ein grobflasiger soge-
nannter Augengneus, mit fleischrothem und weissem
Feldspath. Dem Ansehen nach also erheblich vom
grauen Gneuse verschieden. Auch bei dieser Varietät
30
tritt zufolge der Analyse ein etwas höherer Natronge-
halt auf.
Somit haben diese 8 Gneusproben, welche an verschiedenen
Fundstätten entnommen wurden, die bis zu 5{ geographische Mei-
len von einander entfernt sind und sich bis auf eine Tiefe von
1708 Fuss Rheinl. unter der Erdoberfläche erstrecken, im We-
sentlichen eine und dieselbe chemische Constitution ergeben. Auch
der Gehalt an chemisch gebundenem Wasser — bei dem Gneuse
aus 1708 Fuss Tiefe 1,18 Procent betragend — schwankte nur
zwischen den Grenzen 1,01 und 1,90 Procent. Er gehört daher
zu den wesentlichen Bestandtheilen des grauen Gneu-
ses, und sein Auftreten darin wird , wie wir später sehen wer-
den, durch die chemische Constitution des diesem
Gneuse eigenthüm liehen Glimmers bedingt.
Diese analytischen Resultate geben inzwischen noch kein voll-
kommen scharfes Bild von der chemischen Constitution des
grauen Gneuses, indem wir ohne Aufschlüsse darüber blieben,
in welcher Oxydationsstufe das darin vorhandene Eisen auftritt.
Da hierüber angestellte Versuche ergaben, dass der graue Gneus
keinesweges blos Eisenoxydul, sondern zugleich auch Eisenoxyd
enthält, so bestimmte ich die relative Menge derselben bei den
von mir analysirten Gneusen Ia und IV, deren vollständige pro-
centische Zusammensetzung sich hiernach folgendermaassen ge-
staltet:
Ia.
65,32
0,87
14,77
3,33
3,08
0,!4
2,51
2,04
4,78
1,99
Sauerstoff.
Kieselsäure
Kali
Natron
Wassei;
Titansäure
Thonerde
Eisenoxyd
Eisenoxydul
Manganoxydul
Kalkerde
Magnesia
1,01(1*0,90)
99,84
11,77
31
IV.
Sauerstoff.
Kieselsäure
65,64
34,08 1
Titansäure
0,86
0,34 /
Thonerde
14,98
7,00)
Eisenoxyd
2,0'>
0,79 /
Eisenoxydul
3,50
0,78 v
Manganoxydul
0,18
0,04 J
Kalkerde
2,04
0,58 [
Magnesia
U,öa V
Kali
3,64
0,62 [
Natron
2,56
0,66 1
Wasser
1,05) 0,35 ]
99,28
34,42
7,79 v
I 11,65
3,86 ]
Es ergeben sich daraus die Sauerstoff-Proportionen:
Si, Ti :S : (R)
bei Ia = 34,26 : 7,90 : 3,87
bei IV = 34 42 : 7,79 : 3,86
im Mittel = 34,34 : 7,845 : 3,865
berechnet = 34,34 : 7,64 : 3,82 — 9:2:1
Aus diesem Sauerstoff Verhältnisse 9:2:1 folgt das Atom-
Verhältniss
Si, Ti :R : (R) =9:2:3
welches sich durch die chemische Formel
3(R) Si + 2 R Si3
ausdrücken lässt. Die Sauerstoffmenge der Kieselsäure (nebst
Titansäure) ist darin 3 mal so gross als die sämmtlicher Basen
R -f- (R)» un<^ die Sauerstoffmenge der Basen R ist 2 mal so
gross als die der Basen (R). Der graue Gneus, als eine ho-
mogene chemische Verbindung gedacht, ist folglich als ein neu-
trales Silicat zu betrachten.
B. Die chemische Constitution des rothen
G n eus e s.
Da die vorhergehenden Untersuchungen die constante und
gesetzmässige chemische Constitution des grauen Gneuses mit
so grosser Evidenz dargethan hatten , so konnte eine geringere
32
Anzahl von Analysen zur Nachweisung eines solchen Verhält-
nisses beim rothen Gneuse für genügend erachtet werden; um
so mehr , als sich auch hier sehr bald eine derartige Gesetz-
mässigmässigkeit zu erkennen gab. Die Untersuchungen des
rothen Gneuses wurden daher zunächst auf folgende Analysen
beschränkt. Der Eisengehalt ist dabei vorläufig als Oxydul in
Rechnung gebracht.
IX.
X.
XI.
XII
Kieselsäure
75,74
74,87
76,26
75,39
Titansäure
Spur
?
Thonerde
13,25
14,12
13,60
12,73
Eisenoxydul
1,84
2,27
2,41
3,00
Manganoxydul
0,08
0,25
Spur
Spur
Kalkerde
0,60
1,13
0,66
0,09
Magnesia
0,39
0,17
0,26
0,35
Kali ■
4,86
3,29
3,75
4,64
Natron
2,12
2,55
2,56
1,54
Wasser
0,89
0,82
0,94
1,17
Summa 99,77
99,47*)
100,44
98,91**;
Die Analyse IX wurde von mir, die Analysen X, XI
XII wurden von Dr. Rube ausgeführt.
Dass diese rothen Gneuse keine oder doch nur sehr ge-
ringe Menge von Titansäure enthalten, davon habe ich mich
durch besondere Versuche überzeugt.***)
Die den Analysen entsprechenden Sauerstoff-Proportionen
Si : R + (R)
unter derselben Annahme wie beim grauen Gneuse berechnet
sind :
Si : S + (R)
IX = 39,32 : 8,59 = 4,5 : 0,98
X = 38,87 : 9,00 == 4,5 : 0,96
XI = 39,59 : 8,76 == 4,5 : 1,00
XII = 38,77 : 8,66 4,5 : 1,01
*) Nebst einer Spur Kupferoxyd.
**) Nebst 0,50 Kupferoxyd (Kupferkies ?) und 0,09 Zinnoxyd (Zinn-
stein).
***) Siehe den oben citirten Bericht im Jahrbuch für den Berg- und
Hüttenmann. 1862.
33
Ueber die Fundorte und petrographische Beschaffenheit die-
ser vier, in ihrer chemischen Constitution so nahe mit einander
übereinstimmenden Gesteine ist Folgendes zu berichten:
IX. Roth er Gneus von Kleinschirma, f geographische
Meilen in West von Freiberg. In einzelnen scharfkan-
tigen Blöcken auf der Anhöhe nördlich von Kleinschirma;
wahrscheinlich von einer darunter liegenden , im Gebiet
des grauen Gneuses auftretenden, rothen Gneuspartie her-
rührend, welche sich aber durch die Erdbedeckung der
Beobachtung entzieht. (In grösseren Massen anstehend
findet sich rother Gneus südlich und westlich von Klein-
schirma , etwa j bis - Meile von jenem Punkte.) Es
besteht dieses Gestein aus fleischrothem bis bräunlich
rothem Feldspath, graulich weissem bis milchweissem
Quarz und lichtem — graugelbem bis rauchgrauem —
Glimmer. Letzterer ist kleinschuppig und in beträchtlich
geringerer Menge darin vorhanden als der schwarze
flasrige Glimmer im grauen Gneuse. Seine streifenweise
Einstreuung, verbunden mit dem Auftreten von Quarz-
schnürchen , geben dem rothen Gneuse seine — wenn
auch weniger als beim grauem Gneuse markirte, doch
unverkennbare — Schichtstruktur.
X. Roth er Gneus aus der Gegend des Michaelisstolln-
Mundloches (313 Lachter in Nordost von letzterem ent-
fernt) ij geographische Meile in Nord von Freiberg.
Bildet hier im grauen Gneuse eine stock- bis gangför-
mige Masse, von deren näherer Beschaffenheit später die
Rede sein wird. In seinem petrographischen Charakter mit
dem rothen Gneuse IX vollkommen übereinstimmend.
Als einzige, aber jedenfalls unwesentliche Verschieden-
heit Hesse sich nur anführen, dass sein Glimmer stellen-
weise von etwas dunklerer Farbe auftritt, wie dies auch
in dem etwas grösseren Eisengehalt dieses Gneuses im
Vergleich mit dem vorigen seinen Ausdruck findet.
XL Rother Gneus aus der Gegend zwischen Leubsdorf
und Eppendorf, südlich von Oederan, etwa 2j geographi-
sche Meilen in Südwest von Freiberg. In einem grösseren
Gebiete hierselbst anstehend. Zeigt sich in seiner äusse-
ren Beschaffenheit dadurch von den beiden vorhergehen-
den Gneusen verschieden, dass nur ein kleiner Theil sei-
Zeits. d.d. geol.Ges, XIV. 1. 3
34
nes Feldspathes fleischroth , der grösste Theil desselben
weiss gefärbt erscheint und dass seine Struktur eine
kleinkörnige, fast granitische ist. Der Glimmer kommt
darin stellenweise zu etwas grösseren Pailletten ausgebil-
det vor als in dem gewöhnlichen rothen Gneuse. Eine
Analyse desselben Gesteins führte vor längerer Zeit
G. Quincke (1. c.) aus, und fand dabei folgende Zu-
sammensetzung:
Kieselsäure
75,91
Thonerde
14,11
Eisenoxydul
2,03
Manganoxydul
Kalkerde
1,14
Magnesia
0,40
Kali
4,16
Natron
1,77
Wasser
1,16
100,68
Dies stimmt mit der Analyse XI nahe überein.
XII. Rother Granit von Altenberg, 4 geographische Mei-
len in Südost von Freiberg. Ein feinkörniger — zur
Altenberger Stockwerksmasse gehörender — entschiede-
ner Granit, aus vorwaltendem fleischrothem Feldspath,
lichtgrauem bis weissem Quarz und sparsam vertheilten
schwarzen Glimmerschüppchen bestehend. Er ist von
zahlreichen schmalen Zinnsteingängen (Trümern) durch-
schwärmt.
Eine gleiche chemische Constitution erstreckt sich folglich
auch beim rothen Gneuse über Gesteine verschiedener Fundorte
und von zum Theil verschiedenem petrographischem Charakter.
Um eine noch genauere Einsicht in diese chemische Con-
stitution zu erhalten , war es nothwendig auch das noch uner-
mittelte Sauerstoffverhältniss R : (R) zu bestimmen, was eine
genaue Bestimmung des Eisenoxyd- und Eisenoxydul-Gehaltes
voraussetzt. Dies führte ich bei dem von mir analysirten
Gneuse IX aus, welcher hiernach besteht aus:
35
IX.
Sauerstoff :
Kieselsäure
75,74
39,32
Titansäure
0
Thonerde
13,25
6,20)
Eisenoxyd
IM
0,37 I
Eisenoxydul
0,72
0,16
Manganoxydul
0,08
0,02 J
Kalkerde
0,60
0,17 [
Magnesia
0,16 >
Kali
*4,86
0,83 I
Natron
2,12
0,54 |
Wasser
0,89(}
• 0,79) 0,26 '
99,89
Daraus folgt die Sauerstoff-Proportion
Si : & : (R)
IX = 39,32 : 6,57 : 2,14
berechnet = 39,32 : 6,55 : 2,18 = 18 : 3 : 1
entsprechend dem Atom-Verhältniss
Si : R : (R) =6:1:1
welches durch die chemische Formel
(R) Si 2 + R Si 4
oder (R) 2 Si3 + R2 Si 9
ausgedrückt werden kann, worin die Kieselsäure 4^ mal so viel
Sauerstoff enthält als sämmtliche Basen, und worin die Basen
R das Dreifache des Sauerstoffs der Basen (R) enthalten. Der
rothe Gneus, als eine homogene chemische Verbindung gedacht,
ist folglich als ein Anderthalb -S i Ii cat zu betrachten. —
Nachdem es durch diese Bausch-Analysen von grauen und
rothen Gneusen erwiesen ist , dass jedem dieser Gesteine nicht
allein eine eigenthümliche Zusammensetzung zukommt, sondern
dass diese chemische Constitution sogar — gleichwie bei einer
Mineralspecies — sich durch eine einfache chemische Formel
ausdrücken lässt, so sind hierdurch unsere oben aufgeworfenen
Fragen ( und 2 in genügender Weise beantwortet.
Auch die Frage 3 findet in den erhaltenen Resultaten be-
reits eine theilweise Beantwortung, indem unter den grauen
Gneusen drei (VI, VII und VIII) und unter den rothen Gneu-
3*
36
sen einer (XII) sich befanden, welche in ihrem petrographischen
Charakter mehr oder weniger von der normalen Beschaffenheit
dieser Gesteine abwichen. Da nun eine umfassende Beantwor-
tung dieser Frage wünschenswerth erschien, die Anstellung neuer
Analysen zu diesem Zwecke aber allzu zeitraubend war, so ver-
suchte ich einen kürzeren Weg hierbei einzuschlagen, von wel-
chem im folgenden Abschnitte die Rede sein wird.
C. Ermittelung der S i lici ru n g s stuf en des grauen
und rothen Gneuses durch die Schmelzprobe.
Abgesehen von dem verschiedenen Atomverhältniss der Ba-
sen R : (R), welches beim grauen Gneus — 2:3, beim rothen
= 1:1 ist, sind beide Gneuse in chemischer Beziehung am we-
sentlichsten durch ihre Silicirungsstufen von einander unterschie-
den. In Folge hiervon beträgt, wie die Analysen I bis XII
ergaben, der procentische Kieselsäuregehalt des grauen Gneuses
65 bis 66, der des rothen 75 bis 76 Procent. Beim Zusammen-
schmelzen mit trocknem kohlensaurem Natron müssen also
diese Gesteine, annähernd, entsprechend verschiedene Kohlen-
säuremengen entwickeln, die sich sehr einfach aus dem Schmelz-
verluste — der Differenz des Gewichtes vor und nach der
Schmelzung — bestimmen lassen.
Somit schien das Zusammenschmelzen einer gewogenen
Quantität gepulverten Gneuses mit einer hinreichenden und ge-
wogenen Menge trocknen kohlensauren Natrons ein willkommenes
Mittel zu bieten, nicht allein zur leichten Unterscheidung unserer
beiden Gneuse, sondern auch anderer durch verschiedene Silici-
rungsstufen charakterisirter Gesteine. Ich überzeugte mich in-
zwischen bald durch angestellte Versuche, dass die durch ein
solches Zusammenschmelzen ausgetriebenen Kohlensäuremengen
auch bei einem und demselben Gestein und bei genau gleichem
Kieselsäuregehalte erheblichen Schwankungen unterworfen sind,
wodurch die Probe mehr oder weniger unsicher wird. Bei nähe-
rer Untersuchung dieses unerwarteten Verhaltens fand ich, dass
die durch eine bestimmte Gewichtsmenge eines Silicates oder
Kieselsäure ausgetriebene Quantität Kohlensäure abhängig ist
1. von der relativen Menge des damit zusammengeschmolzenen
kohlensauren Natrons, 2. von der dabei angewendeten Tempera-
37
tur , und 3. von der Zeitdauer des Schmelzens.*) Nach diesen
Erfahrungen ordnete ich die Schmelzprobe in folgender Weise
an, um ihren Resultaten den höchstmöglichen Grad der Sicher-
heit zu geben.
Das zuvor durch Schmelzung entwässerte, gepulverte, koh-
lensaure Natron, welches zu diesen Versuchen dient, bereitet
man in grösserer Quantität und hebt den Vorrath in einer
Flasche mit dicht schliessendem Glasstöpsel auf. Da es jedoch
unvermeidlich ist, dass dasselbe allmälig wieder etwas Feuchtig-
keit anzieht, so bestimmt man die procentische Menge dieser
letzteren vor jeder Gesteinsprobe durch einen besonderen Schmelz-
versuch, um sie später in Rechnung zu bringen. Darauf bringt
man 1 Grm. des feingepulverten, bei-)- 120° C. getrockneten
Gesteins mit genau der fünffachen Gewichtsmenge kohlensauren
Natrons in einen geräumigen Platintiegel, mengt beide Substan-
zen sorgfältig, drückt sie fest in den Tiegel, bedeckt denselben
und erhitzt sie bei allmälig gesteigerter Temperatur bis zum
Schmelzen. Ob diese vorläufige Erhitzung längere oder kürzere
Zeit dauert, darauf kommt nichts an , um so mehr aber darauf,
dass die nun folgende Erhitzung bei allen Schmelzproben gleichen
Grad und gleiche Zeitdauer habe. Ich bediene mich hierzu eines
Alkohols von 80 ü Richter und eines Gebläses von 20 Pfund
Belastung, welches an einer sogenannten Plattner 'sehen
Spinne mit fünf Armen wirkt. Der Platintiegel befindet sich in
einer gewöhnlichen Hängevorrichtung von Platindraht. ' Das
Erhitzen nach dem Eintreten des geschmolzenen Zustandes wird
unter lebhaftem Treten des Blasebalges 15 Minuten fortgesetzt,
darauf der Tiegel möglichst schleunig von der Lampe entfernt
und über Schwefelsäure der Abkühlung überlassen. Durch
Wägung desselben und Anbringung der oben gedachten Correc-
tion ergiebt sich der Schmelzverlust. Dieser besteht haupt-
sächlich in ausgetriebener Kohlensäure, zugleich aber auch in
dem chemisch gebundenen Wassergehalte des Gesteins. Wird
*) Das Nähere über dieses Verhalten und über die dabei herrschen-
den Gesetze ist nachzusehen in meiner Abhandlung — Versuche über
die Menge der Kohlensäure, welche hei höherer Temperatur aus kohlen-
sauren Alkalien durch Kieselsäure und andere Oxyde ausgetrieben wird,
nebst Folgerungen hinsichtlich der atomistischen Zusammensetzung der
Kieselsäure. — Woehler und v. Liebig, Annalen d. Chemie u. Pharm.
Bd. 116. Heft 2. S. 129 bis 160.
38
auch letzterer in Abzug gebracht , so erhält man das Gewicht
der ausgetriebenen Kohlensäure, welche man in Pro-
centen der angewendeten Gesteinsmenge ausdrückt.
Bei der Anstellung zahlreicher derartiger Proben mit Frei-
berger Gneusen und verwandten Gebirgsarten ergab sich stets
das willkommene Resultat, dass das Gewicht der ausgetriebenen
Kohlensäure um etwa 1 bis 2 Procent kleiner war als die in
dem Gestein enthaltene Kieselsäuremenge. Da nun die Gebirgs-
arten sämmtlich etwa 1 Procent chemisch gebundenes Wasser
enthielten, so folgt hieraus, dass bei derartigen Gesteinen der
— nicht corrigirte — Schmelzverlust dem procentischen Kiesel-
säuregehalte nahe kommt. Bei Gesteinen, welche wasserfrei sind,
muss man also zum Schmelzverluste 1 Procent addiren, und bei
solchen, die erheblich mehr als 1 Procent Wasser enthalten, die-
sen Mehrbetrag vom Schmelzverluste subtrahiren, um den pro-
centischen Kieselsäuregehalt des Gesteins mit möglichster An-
näherung zu finden.
Kaum braucht es erwähnt zu werden, dass der Zweck die-
ser Probe nicht in der Erreichung absolut, sondern nur relativ
genauer Resultate besteht. Es kommt daher weniger darauf an,
sich streng an die hier gegebenen Vorschriften zu halten, als
vielmehr alle mit einander zu vergleichenden Proben möglichst
gleichmässig vorzunehmen. Dann werden sie immer dazu die-
nen können , Gesteine verschiedener Silicirungsstufe leicht von
einander zu unterscheiden.
Um die Richtigkeit meiner Angaben durch Thatsachen zu
belegen, hebe ich die Resultate folgender Schmelzproben aus,
die mit zuvor analysirten, grauen und rothen Gneusen angestellt
wurden :
Grauer Gneus
von Klein waltersdorf (Ia)
vom Ludwigsschacht (III)
Borstendorfer Gneus (VI)
Kieselsäuregehalt nach der
Analyse*) Schmelzpr.
66,19 65,7
66,21 66,1
65,68 66,6
*) Die kleinen Titansäuregehalte des grauen Gneuses wurden hier-
bei zum Kieselsäuregehalt addirt.
39
Roth er Gneus
von Kleinschirma (IX) 75,74 75,5
vom Michaelisstolln (X) 75,99 74,2
von Leubsdorf (XI) 76,26 74,9
Man ersieht hieraus, dass die Schmelzprobe bei Gesteinen
von der Silicirungsstufe des grauen Gneuses genauere Resultate
giebt als bei Gesteinen von der Silicirungstufe des rothen, dass
dies aber eine sichere Unterscheidung beider Gneuse nicht im
mindesten beeinträchtigen kann. Aus diesem Grunde wurde die
Probe zur Prüfung folgender Gesteine in Anwendung gebracht,
bei denen es mehr oder weniger fraglich war, zu welchem un-
serer beiden Gneuse sie zu rechnen seien, oder ob sie überhaupt
zu einem derselben gehörten.
Die Schmelzproben wurden nach der oben mitgetheilten Vor-
schrift von Dr. Rube ausgeführt.
a. Gesteine mit Schmelzverlusten von 64 bis 6b Procent.
(Graue Gneuse)
Schmelzverl.
Pro cent.
1) Kleinkörniger Gneus von der Anhöhe zwischen
Blumenau und dem Thesenflössel .... 65,6
(Feldspath : röthlich — Glimmer: theils schwarz,
theils weiss).
2) Mittelkörniger, fast granitischer Gneus vom Gold-
hübel, zwischen Neuhausen und Rauschenbach 66,0
(Feldspath: röthlich bis fleischroth — Glimmer:
theils grün, theils weiss).
3) Klein- bis feinkörniger Gneus von der Anhöhe
zwischen Saida und dem Hermsdorfer Zollhause 65,9
(Feldspath : röthlich — Glimmer : grünlich-
grau).
4) Feinkörniger, röthlich grauer Gneus von Ober-
seifenbach, neben dem Flachsrösthause . . . 65,2
(An mittleren Gneus*) erinnernd).
5) Feinschuppiger grauer Gneus von der Anhöhe
südlich der alten Grube Heilige Dreifaltigkeit
bei Zschopau . , 64,8
*) Von diesem „mittleren Gneus" wird im folgenden Abschnitt die
Rede sein.
40
Schmelzverl.
Procent.
6) Feinschuppiger, glimmerschieferartiger Gneus
aus dem Schweinitzthale , nahe unterhalb der
Böhmischen Oelmühle bei Brandau .... 65,0
7) Grobflasriger Augengneus von der Rübenauer
Strasse, zwischen Ansprung und Wolfsstein . 64,5
(Feldspath: weiss — Glimmer: theils schwarz,
theils weiss).
8) Sehr feinkörniger (fast dichter) grauer bis bräun-
lichgrauer Gneus von Niederlauterstein, unter-
halb der Einmündung des Grundbachs in den
Lauterbach 66,2
(An mittleren Gneus erinnernd).
9) Feinschuppiger, glimmerreicher Gneus vom süd-
östlichen Abhänge der Neuhainer Höhe bei
Seiffen . : 65,2
10) Feinschuppiger, grauer Gneus von derselben
Fundstätte wie S 65,1
11) Feinkörniger, dunkelschwarzgrauer, granulitarti-
ger Gneus (?) von Augustusberg .... 66,0
(Durchsetzt gangförmig den Drehfelder Gneus
auf dem Tiefen Barbara Stölln , 23{ Lachter
vom Gottlob Stehenden in West).
b. Gesteine mit Schmelzverlusten von 73 bis 75 Procent.
(Rothe Gneuse)
12) Granitartiger rother Gneus von Nieder-Reinsberg,
beim Abgangspunkte des Neukirchner Fahr-
weges 74,5
13) Granitartiger rother Gneus vom Lichtloche 5
des Rothschönberger Stölln , aus, der Nähe des
Schachtes 74,3
(Aehnlich dem vorigen , doch dunkler gefärbt,
und mit sparsam eingesprengten schwarzen
Glimmerschüppchen).
14) Granit vom Lichtloche 4 des Rothschönberger
Stölln, vom Schachte in Nord, zwischen den
Jahrestafeln 1853 und 1855 " 74,4
(Feldspath : theils weiss, theils röthlich — Glim-
mer: schwarz).
41
Schmelzverl.
Procent.
15) Grobstänglicher rother Gneus (von sogenannter
Holzstruktur) von Erasmus Erbstolln Vereinigt
Feld bei Glashütte, auf dem Tiefen Jacober
Stölln, zwischen dessen Mundloche und dem
Kunstschachte 74,2
(Glimmer: weiss, theils feinschuppig, theils
grossblättrig).
16) Grobstänglicher rother Gneus (von ähnlicher
Struktur wie der vorige) vom Hahnberge bei
Oberneuschönberg 74,1
17) Stänglicher Gneus (von ähnlicher Struktur wie
der vorige) vom linken Abhänge der Pockau,
unterhalb Lauterstein 74,0
(Feldspath: roth).
18) Kleinkörniger Gneus von der Anhöhe zwischen
Zehntel und Oberlangenau , 75,4
(Feldspath : roth).
19) Körnig-schiefriger Gneus aus dem Freiberger
Rathswalde, westlich von der Rathsziegelei bei
Zug ~. . . . . . 73,2
(Feldspath : weiss bis röthlich weiss — Glimmer :
nur in sparsam vertheilten Schüppchen einge-
sprengt).
20) Rother Gneus vom rechten Muldenufer 46
Schritt unterhalb dem Biebersteiner Mühlen-
wehr 74,0
(Glimmer: schwärzlich).
2 1 ) Rother Gneus , südöstlich von Breitenbach ,
am oberen Gehänge der Knabenstollnschlucht. 73,2
(Glimmer: grösstentheils weiss, stellenweise mit
etwas schwarzem Glimmer abwechselnd).
22) Flasriger rother Gneus aus dem Steinbruch am
Steinbusche bei Nossen, neben der Freiberger
Chaussee 74,1
(Stockförmig im Thonschiefer auftretend und
Schollen von diesem umschliessend).
23) Granitartiger Gneus von der Anhöhe zwischen
dem Schlossbörner Grund und dem Schaafborn-
grund unweit Nossen 73,2
42
Schmelzverl.
Procent.
24) Felsitfels (feinkörniger rother Gneus?) vom rech-
ten Muldengehänge über den Häusern von Re-
chenberg 75,1
25) Glimmerreicher rother Gneus von der Nordseite
von Zethau 73,0
(Mit eingesprengtem Turmalin).
26) Rother Gneus aus einem — jetzt zugestürzten
— Steinbruche am rechten Münzbachgehänge
bei Freiberg (nahe nördlich neben der Eisen-
bahn, am Fahrweg vom Braun'schen Vorwerk
nach der Frauensteiner Chaussee) .... 74,0
(Glimmer: weiss und feinschuppig).
27) Rother Gneus aus einem Steinbruch bei der
neuen Himmelfahrter Wäsche, unweit des Thurm-
hofer Schachtes bei Freiberg 73,9
(Ganz von der Beschaffenheit des vorigen. Bil-
dete hier einen jetzt nicht mehr im Steinbruche
sichtbaren Gang von 3 bis 4 Zoll Mächtigkeit
im grauen Gneuse. Die betreffenden Probe-
stücke wurden hierselbst von mir im Jahre
1842 entnommen).
Nicht von allen diesen Gesteinen standen so beträchtliche
Quantitäten zu Gebote, wie es zur genauen Ermittelung des
durchschnittlichen Schmelzverlustes erforderlich gewesen wäre ;
von einigen konnten sogar nur gewöhnliche Handstücke ange-
wendet werden. Besonders beim rothen Gneuse dürfte dies die
Genauigkeit beeinträchtigen , da die in ihm auftretenden Quarz-
schnüre nicht selten unregelmässig vertheilt zu sein pflegen.
Dennoch kommt unter den angeführten 27 Proben kein einziger
Fall vor, wo die Entscheidung zwischen grauem und rothem
Gneus zweifelhaft bliebe.
Fast sämmtliche 27 Gesteine weichen in ihrem äusseren
Charakter von dem des normalen grauen und rothen Gneuses
ab ; manche in dem Grade, dass sich in Bezug auf Struktur und
Farbe keine Zusammengehörigkeit mehr erkennen lässt. Hier-
durch ist unsere Frage 3 jedenfalls in einem weiteren Umfange
als zuvor beantwortet.
In Betreff der Frage 4 lässt sich ein in allen Fällen stich-
43
haltiges, äusseres Unterscheidungs-Merkmal weder in der Struk-
tur noch in der Farbe des Feldspaths oder Glimmers finden.
Was die bisher gemachten Erfahrungen in dieser Beziehung als
wenigstens in vielen Fällen gültig herausstellen, beschränkt sich
auf das Folgende:
Der graue G-neus, von der bei Analyse Ia angegebenen
Beschaffenheit seiner Gemengtheile ist bisher fast nirgends mit
entschiedenem granitischen Charakter angetroffen worden. Nur
etwa der eigenthümliche, aber zweifelhafte Gneus (Schmelzpr. Ii)
von Augustusberg könnte, unter den von uns untersuchten Va-
rietäten, hiervon eine Ausnahme machen. Es tritt derselbe fer-
ner, wie es scheint, niemals mit solcher Glimmerarmuth auf, wie
solche bei den meisten rothen Gneusen Regel ist.
Der rothe Gneus von der, Analyse IX angegebenen Be-
schaffenheit seiner Gemengtheile besitzt häufig einen granitischen
Charakter, zeigt sich mitunter selbst als ein wirklicher Granit
ohne — wenigstens an Handstücken wahrzunehmende — Schicht-
struktur. Glimmerarmuth und lichte Farbe des Glimmers zeich-
net viele rothe Gneuse aus; doch kommen Ansnahmen hiervon
vor. (Man sehe z. B. die rothen Gneuse der Schmelzproben 13,
14, 20, 25). Wenn auch viele rothen Gneuse rothen und an-
dere rothen und weissen Feldspath zugleich enthalten, so ergiebt
sich doch aus angeführten Beschreibungen grauer und rotber
Gneuse, wie oftmals dieses auf die Farbe des Feldspaths sich
gründende Unterscheidungs-Merkmal trügerisch ist.
Die Schmelzprobe bildet also jedenfalls eine höhere Instanz
bei der Unterscheidung der Gneuse als der petrographische Cha-
rakter. Dass man derselben dennoch keinen blinden Glauben
schenken darf, sondern sie mit petrographischen und geognosti-
schen Bestimmungen in Verbindung setzen muss , ist wohl von
selbst einleuchtend. Letzteres dürfte auch sogar noch räthlich
sein, wenn man sich durch eine genaue Bausch-Analyse die
genaueste Einsicht in die chemische Constitution des betreffenden
Gesteins verschafft hat.
D. Die chemische Constitution eines mittleren
Gneus es.
Dass es ausser dem grauen (ältesten) und dem rothen (jün-
geren) Gneuse im Sächsischen Erzgebirge mindestens noch einen
44
dritten, durch Altersstufe von beiden ersteren verschiedenen
Gneus giebt. lässt sich sowohl durch geognostische Beobachtung
als durch chemische Analyse erkennen. Obgleich der Nachweis
durch specielle geognostische Daten nicht innerhalb der Gren-
zen dieser Abhandlung liegt, sondern später in einer umfassen-
den Arbeit von Herrn Obereinfahrer Mueller behandelt wer-
den wird, so halte ich es doch für zweckmässige hier eine kleine
geognostische Skizze einzuschalten, welche nicht blos bei jenem
dritten — mittleren — Gneuse die geognostische Stellung
einigermaassen erkennen lässt, sondern zugleich auch das geo-
gnostische Verhältniss des grauen Gneuses zum rotheu deutlich
vor Augen legt.
Die betreffende, äusserst instruktive Localität — auf welche
zuerst von Herrn Wappler , Factor der Königl. Mineralnieder-
lage an der hiesigen Bergakademie, aufmerksam gemacht, und
welche später von Herrn Prof. v. Cotta, Obereinfahrer Muel-
ler und mir wiederholt besucht wurde — befindet sich am
rechten Gehänge des Muldenthaies, lj geographische Meile in
Nord von Freiberg, etwa 300 Lachter nördlich vom Mundloche
des Michaelisstolln. Man sieht hier drei durchaus verschiedene,
durch vollkommen scharfe Grenzen von einander getrennte
Gneuse in der Art auftreten, wie es in der folgenden Figur an-
nähernd dargestellt ist. Die untere Linie derselben zeigt den
Spiegel der Mulde an ; unten links sind Anhäufungen von Schutt
und Geröll sichtbar.
45
mm
p
46
Mit diesem eigentümlichen petrographischen Charakter
kommt der mittlere Gneus noch an verschiedenen andern Stel-
len des sächsischen Erzgebirges vor , und hier in weit beträcht-
licheren Massen. Allein es scheint, dass auch Gesteine von an-
derer Beschaffenheit zu diesem mittleren Gneuse gehören, inso-
weit sich dies durch ihre ähnliche chemische Constitution ent-
scheiden lässt. Wir ersehen das Nähere aus nachfolgenden
Analysen.
XIIL
XIV.
XV.
XVI.
Kieselsäure
68,89
70,20
69,70
71,42
Titansäure
0,52
0,72
0,45
0,94
Thonerde
12,74
14,04
13,25
11,30
Eisenoxydul
6,74
6,84
7,15
4,23
Manganoxydul
Spur
0,40
0,48
Kalkerde
2,61
2,03
2,24
3,02
Magnesia
2,44
0,80
0,68
1,07
Kali
2,23
2,98
4,01
3,54
Natron
2,00
0,91
1,30
2,89
Wasser
1,36
1,67
1,10
1,40
Summa
99,53
100,19
100,28
100,29
Die Analysen XIII und XVI hat Dr. Rube ausgeführt.
Die Analyse XIV ist von Herrn Hüttenamts-Candidaten Kropp
und die Analyse XV von Herrn Hüttenamts-Candidaten MEß-
BACH in meinem Laboratorium angestellt worden.
Zu den Analysen XIV und XV wurden bloss grössere
Handstücke angewendet. Die gefundenen Titansäuremengen
dürften bei sämmtlichen Analysen einer kleinen Correction be-
dürfen.
Aus diesen Gründen können die Analysen XIV und XV
nur Resultate von annähernder Wahrheit bieten. Die sich erge-
benden Sauerstoffverhältnisse sind:
Si + Ti : E + (R)
XIII = 35,98 : 10,48 = 4 : 1,16
XIV = 36,73 : 10,22 = 4 : 1,11
XV = 36,42 : 10,12 = 4 : 1,11
XVI 37,46 = 9,37 =? 4 : 1,00
47
Ob der mittlere Gliens genau ein Sauerstoffverhältniss von
4 : 1 besitzt, ist einstweilen nicht ausgemacht. Eine Annähe-
rung an dasselbe lässt sich aber jedenfalls aus obigen Analysen
erkennen.
Ueber die Fundorte und petrographische Beschaffenheit der
analysirten mittleren Gneuse ist Folgendes zu bemerken.
XIII. Mittlerer Gneus, aus der Nähe des Michaelisstolln-
Mundloches auf dem rechten Muldenufer, etwa 313
Lachter in Südwest von der durch die obige geo-
gnostische Skizze dargestellten Localität. Er kommt
hier in mächtigerer Masse vor und zeigt sich von dem
Gneuse M M dadurch etwas verschieden, dass er nicht
ganz so feinkörnig und granitisch ist. Sowohl Parallel-
Struktur als Glimmerschüppchen lassen sich darin deut-
lich erkennen.
XIV. Mittlerer Gneus (feinkörniger Lengefelder
Gneus) von der Anhöhe südlich vom Himmelschlüs-
3elstolln, zwischen Seiffen und Heidelberg. Fast ganz
von der Beschaffenheit des vorigen, nur mit etwas we-
niger deutlicher Parallelstruktur ; also dem Gneuse M M
noch ähnlicher.
XV. Langstän glich er Reifländer Gneus, an der Strasse
zwischen Reif'land und Lippersdorf anstehend. Aus ab-
wechselnden dünnen — zum Theil papierdünnen —
bräunlich grauen und weissen Lagen zusammengesetzt,
wodurch das Gestein auf Bruchflächen , welche die
Schichtebene mehr oder weniger überschneiden, eine so-
genannte „langstängliche" Beschaffenheit zeigt. Die
bräunlich grauen Lagen erinnern durch Farbe und Fein-
körnigkeit entschieden an einen mittleren Gneus von
der Art der beiden vorigen. Die weissen Lagen be-
stehen aus feinkörnig krystallinischem Feldspath. Der
Quarz scheint sich weniger in diesen, sondern vorzugs-
weise in ersteren ausgeschieden zu haben.
XVI. Granit von Bobritzsch. Ziemlich grobkörnig, ohne
Spur einer Parallelstruktur. Weisser und röthlicher
Feldspath mit grauweissem Quarz bilden seine Haupt-
masse, worin schwarzer Glimmer in kleinen Blättchen
nur untergeordnet auftritt. Der Feldspath erscheint
48
theits orthoklastisch , theils plagioklastisch. Wenigstens
zeigen einige Feldspatlipartien auf ihren Bruchflächen
sehr deutliche Parallelstreifung.
Alle diese Gneuse ergaben bei der Schmelzprobe mit koh-
lensaurem Natron einen Schmelzverlust von annähernd 70 Pro-
cent. Beim mittleren Gneus M M (s. die obige geognostische
Skizze) betrug dieser Verlust 69,4 Procent. Ausserdem schei-
nen noch ein Paar andere Gesteine in Folge ihrer Schmelzver-
verluste zum mittleren Gneuse gerechnet werden zu müssen.
Zunächst ein Gestein, welches schon durch sein Aeusseres fast
identisch mit dem Gneus M M erscheint. Es kommt zwischen
Mulde und Dorf Chemnitz in grösserer Verbreitung vor und gab
einen Schmelzverlust von 69,5 Procent. Dann ein ziemlich grob-
körniger, granitischer Gneus (Gneus-Granit) mit röthlichem Feld-
spath und schwärzlichem Glimmer von Ober-Reinsberg mit
einem Schmelzverlust von 70,4 Procent.
In diesen Thatsachen besteht einstweilen die Auskunft,
welche chemischerseits über den mittleren Gneus gegeben wer-
den kann. Wenn dieselbe auch unzureichend ist, die chemische
Constitution dieses Gesteins so genau zu erkennen , wie dies
beim grauen und rothen Gneus geschehen konnte , so verbürgt
sie doch jedenfalls seine Existenz, wodurch unsere Frage 7 we-
nigstens theilweise beantwortet wird.
Eine ausführlichere Beantwortung, welche noch viele Unter-
suchungen beanspruchen dürfte, musste ausgesetzt bleiben, wenn
ich die vollständige Publication der in Betreff des grauen und
rothen Gneuses gesammelten Erfahrungen nicht noch länger ver-
schieben wollte.
Indem wir die chemische Constitution des mittleren Gneu-
ses an die des grauen und rothen reiheten, haben wir die "Fra-
gen 5 und 6 über die Natur des in letzteren beiden Gneusen
auftretenden Feldspathes und Glimmers übersprungen. In den
beiden folgenden Abschnitten gelangen diese Fragen nachträg-
lich zur Beantwortung, soweit sich eine solche bisher ermögli-
chen liess.
49
E. Die chemische Constitution der Feldspäthe im
grauen und rothen Gneuse.
Da es nur selten glückt in diesen Gneusen Feldspathpar-
tien von der erforderlichen Reinheit zu finden, so war es un-
tunlich , den zu jeder der oben angeführten Gesteinsanalysen
I bis XII gehörigen Feldspath zu analysiren. Doch beziehen
sich die folgenden Analysen wenigstens auf Feldspäthe, welche
theils aus grauen, theils aus rothen Gneusen entnommen sind.
Feldspäthe aus dem
g rauen
Gneus.
A. Vll.
YVTTT
A. V III.
YTY
Kieselsaure
00,<c2
00,/ /
O0,lo
lnonerde
4 Ü 4 9
iy, io
18,33
4 O *7(\
iö,/y
Eisenoxyd
Spur
Spur
Spur
Kalkerae
4 4 n
1,1U
0,67
0,77
Magnesia
U,<t 1
C\ 4 A
U,ll
A A O
Kali
12,33
1 ö,Oo
4 9 4 p»
Natron
1,01
0,77
1,37
Wasser
0,09
0,25
0,17
Summa
100,09
99,78
98,81
XX.
XXI.
XXII.
Kieselsäure
64,53
65,82
66,99
Thonerde
17,96
17,82
18,40
Eisenoxyd *)
(1,31)
1,37
0,76
Manganoxydul
Spur
Spur
Kalkerde
0,72
1,15
0,90
Magnesia
Spur
0,57
0,21
Kali
14,90
11,35
0,74
Natron
Spur
2,14
12,10
Wasser
0,45
0,11
Summa
99,87
100,33
100,10
Die Analysen XVII bis XXI führte Prof. Richter aus,
die Analyse XXII ist von Dr. Rübe.
Fundorte und mineralogischer Charakter dieser Feldspäthe
sind die folgenden:
*) Mechanisch eingemengt, wenigstens zum grösste.n Theil.
Zeit*, d. d. geol. Ges. XIV. 1. 4
50
XVII. Weisser Orthoklas aus dem grauen Gneus von
der Grube Himmelfahrt, Abrahamschacht. Es ist dies
derselbe Gneus , dessen chemische Constitution Analyse
IV angiebt ; doch stammt er aus keiner so bedeutenden
Teufe.
XVIII. Weisser Orthoklas aus demselben Gneuse, von der
Halde der vorgenannten Grube entnommen. Er bildete
eine kleine Ausscheidung in diesem Gneuse.
XIX. Weisser Orthoklas aus dem grauen Gneus der
Grube Himmelfahrt, Davidschacht.
XX. Rother Orthoklas aus dem grauen Gneus von Glas-
hütte.
XXI. Rö thlicher ^Orthok las aus dem grauen Gneus (?)
vom Schieferleither Tiefen Erbstolln auf dem Hoffnung
Morgengange, zwischen den Jahrestafeln 1845 und 1846.
XXII. Weisser plagioklastischer Feldspath aus dem
Drehfelder Gneus (von der chemischen Constitution wie
Analyse VIII angiebt) vom 3 ten Lichtloche des Roth-
schönberger Stölln bei Reinsberg. In etwa nussgrossen
(augenartigen) Ausscheidungen hierselbst vorkommend.
Herr Obereinfahrer Mueller betrachtet diesen Feld-
spath als den vorherrschenden im Drehfelder Gneuse;
einen orthoklastischen als den untergeordneten. Ersterer ist
theils graulich, theils gelblich weiss, mitunter fast rein
weiss; nicht aber von röthlicher bis fleischrother Farbe,
mit welcher der Orthoklas aufzutreten pflegt. Jedoch
sind alle auf Farbe begründeten Unterschiede bei den
Feldspäthen — wie bei den Gneusen selbst — sehr un-
sicher, weshalb ich auch in diesem Falle keinen beson-
deren Werth darauf lege. Der plagioklastische Feldspath
zeigt die charakteristische Zwillingsstreifung nicht häufig,
stellenweise unverkennbar. Sein spec. Gewicht ist nach
Herrn Bergrath Breithaupt'» Bestimmung = 2,61.
Als Sauerstoff-Proportionen dieser Feldspäthe ergaben sich
aus den angeführten Analysen die folgenden Zahlenwerthe.
51
si
: R
: R
XVII
= 34,38
: 8,94
: 2,74 =
11,54
: 3
: 0,92
XVIII
= 34,15
: 8,57
: 2,76 =
11,96
: 3
: 0,97
XIX
= 33,82
: 8,76
: 2,80 ==
11,58
: 3
: 0,96
XX
= 33,51
: 8,39
: 2,73 =
12,00
: 3
: 0,98
XXI
= 34,17
: 8,73
: 3,00 =
11,78
: 3
: 1,03
XXII
= 34,78
: 8,83
: 3,57 =
11,82
: 3
: 1,21
Die Feldspäthe XVII, XIX bis XXI waren sehr schwierig
von eingemengtem Quarz, noch schwieriger aber von Glimmer-
schüppchen zu befreien. Berücksichtigt man , dass trotz ange-
wandter Sorgfalt kleine Mengen dieser Verunreinigungen zu-
rückgeblieben sein mögen, so können die fünf ersten die-
ser Sauerstoff - Proportionen wohl unbedenklich mit dem Ver-
hältniss 12 : 3 : 1 als identisch, und die betreffenden Feldspäthe
als normale Orthoklase betrachtet werden. Alle sind etwas na-
tronhaltig; der natronreichste, XXI, enthält jedoch nicht mehr
als 2,14 Procent Natron.
Anders verhält es sich mit dem Feldspath XXII. Unzwei-
felhaft ist er ein p la gioklastisch er Natr onf eldspath ;
zweifelhaft bleibt jedoch die ihm zukommende chemische Formel.
Sein Sauerstoffverhältniss nähert sich den Proportionen 10:2-^:1,
denn
gefunden 34,78 : 8,83 : 3,57
berechnet 34,78 : 8,70 : 3,48 = 10:2,5:1
Es entspricht dies aber keiner bekannten Feldspathformel.
Ob fremdartige Einmengungen oder andere Umstände hieran
Schuld sind, kann erst durch wiederholte Untersuchungen ent-
schieden werden.
Verwandt mit diesem plagioklastischen Natronfeldspath des
Drehfelder Gneuses dürfte ein früher von Kersten (Erdmann's
Journal für praktische Chemie, Bd. 37, S. 173 und 174) analy-
sirter Feldspath sein aus dem grauen Gneuse vom Hauptum-
bruche des Alten Tiefen Fürstenstolln. Sein spec. Gewicht fand
Breithaupt = 2,625*) und seine Zusammensetzung ist nach
Kersten :
*) Plagioklastische Feldspäthe (theils rothe, theils weisse) vom spec.
Gewicht = 2,62 kommen nach Bbeithaupt auch zu Siebenlehn und bei
Borstendorf vor.
4*
52
Säuerst.
Kieselsäure
67,92
35,26
Thonerde
18,50
8,65
Eisenoxyd
0,50
0,15
TT" "IT J _
Kalkerae
A AR
0,öD
0,24
Magnesia
0,42
0,17
Kali
2,55
0,43 |
Natron
8,01
2,05 )
98,75
8,80
2,89 .
Das gefundene Sauerstoffverhältniss
35,26 : 8,80 : 2,89
berechnet 35,26 : 8,82 : 2,94 = 12 : 3 : 1
weist unverkennbar daraufhin, dass wir hiermit einem etwas
kalihaltigen Albit zu thun haben. Dies bedarf aber wohl noch
der weiteren Bestätigung, da nach G. Rose's Beobachtungen
Albite als Gemengtheile krystallinischer Gebirgsarten nicht oder
doch jedenfalls nur sehr selten auftreten.
Dass auch weniger kieselsäurereiche und dabei natronhaltige,
plagioklastische Feldspäthe im Freiberger grauen Gneus vorkom-
men, wurde ebenfalls bereits von Kersten (loc. cit. S. 173)
gezeigt, der auch einen Oligoklas (mit 7,24 Procent Natron
und 2,42 Procent Kali), vom Hauptumbruche des Alten Tiefen
Fürstenstolln, analysirte.
Beide Kersten 'sehe Analysen beziehen sich auf kleine Eeld-
spathausscheidungen , wie man mitunter im grauen Gneuse an-
trifft. Aber auch mitten im Gneuse von ganz normaler Struk-
tur gewahrt man zuweilen vereinzelte Feldspathkörnchen mit
unter der Loupe erkennbarer Zwillingsstreifung.
Als Haupt - Resultat unserer Feldspath - Untersuchungen
dürfte sich also ergeben, dass im grauen Gneuse vorzugsweise
der gewöhnliche Orthoklas heimisch ist, dass aber untergeordnet
darin auch natronhaltige bis natronreiche, plagioklastische Feld-
späthe vorkommen, ja dass diese in gewissen Varietäten des
grauen Gneuses, wie z. B. im Drehfelder Gneus, zu grösserer
Bedeutung gelangen.
53
Feldspäthe aus dem rothen Gneus.
Die Vorbemerkung, welche bei den vorigen Feldspäthen ge-
macht wurde, gilt auch hier ; doch nicht ganz im gleichen Maasse,
da die rothen Gneuse beträchtlich glimmerärmer sind. Allein
die Feinschuppigkeit und die lichte Farbe, welche diesen Glim-
mern eigentümlich zu sein pflegen, erschweren andererseits wie-
der die Erlangung ganz reinen Feldspathes zur Analyse. So-
mit können die analytischen Resultate auch bei den folgenden
Feldspäthen nur als annähernde betrachtet werden.
XXIII.
XXIV.
XXV.
XXVI.
Kieselsäure
65,00
65,10
66,21
66,69
Thonerde
18,76
17,41
18,01
18,44
Eisenoxyd
0,82
1,03
1,37
1,28
Kalkerde
0,32
0,52
0,98
0,85
Magnesia
0,10
0,15
0,13
0,34
Kali
13,99
13,21
8,99
7,48
Natron
0,66
2,23
3,87
4,28
Wasser
0,22
0,39
0,19
Summa
99,87
100,04
99,75
99,36
Die ersten drei Analysen sind von Prof. Richter, die
vierte ist von Dr. Rube ausgeführt.
XXIII. Weisser Orthoklas aus dem rothen Gneus der
Gegend zwischen Leubsdorf und Eppendorf (siehe die
Gneusanalyse XI).
XXIV. Roth Ii ch er Orthoklas des rothen Gneuses aus dem
Wittigschachte bei Churprinz.
XXV. Röthlicher Orthoklas des rothen Gneuses von
Emanuel Erbstolln, aus der fünften Gezeugstreckensohle
des Kunst- und Treibeschachtes. Dieser und der vo-
rige Gneus tragen den Charakter des gewöhnlichen
rothen Gneuses (IX und X) an sich.
XXVI. Rö th Ii ch er Feldspath aus grobkörnigem, granitar-
tigem, rothem Gneus von Hartha (im untern Theile von
Hartha, zwischen der Frankenberger Strasse und dem
Bache — No. 13 — in einem kleinen Steinbruche).
Bei der Schmelzprobe mit kohlensaurem Natron ergab
54
dieses Gestein einen Schmelz verlnst von 74,6 Procent.
Wie in vielen rothen Gneusen, z. B. in dem von Leubs-
dorf und Eppendorf (XXIII) kommen darin zwei an-
scheinend verschiedene Feldspäthe vor, ein röthlicher
( fleischrother ) und ein weisser. Während aber im
Gneuse von Leubsdorf und Eppendorf der weisse Feld-
spath überwiegend auftritt, ist dies im Gneuse von Har-
tha mit dem röthlichen der Fall.
Die den Analysen entsprechenden Sauerstoff - Verhältnisse
sind:
Si : § : R
XXIII = 33,75 : 9,01 : 2,68 == 11,24 : 3 : 0,89
XXIV = 33,80 : 8,45 : 3.02 = 12,00 : 3 : 1,07
XXV = 34,37 : 8,83 : 2,84 = 11,68 : 3 : 0,96
XXVI == 34,62 : 9,00 : 2,75 == 11,54 : 3 : 0,92
Mithin besitzen diese sämmtlichen Feldspäthe, wie sich auch
bei dem Quarzreichthum des rothen Gneuses kaum anders er-
warten Hess, das Sauerstoff - Verhältniss des Orthoklases
= 12 : 3 : 1. Nur der verschiedene Natrongehalt derselben be-
dingt Unterschiede. Während der weisse Orthoklas XXIII nur
0,66 Procent Natron enthält, ist der Natrongehalt im röthlichen
Feldspath XXVI bis auf 4,28 Procent gestiegen. Letzterer
Natrongehalt entspricht — bei einem Kaligehalte von 7,48 Pro-
cent — fast 1 Atom Natron auf 1 Atom Kali. Ob dieser Feld-
spath plagioklastisch sei, liess sich nicht durch Zwillingsstreifung
entscheiden, da sie an keinem der untersuchten Stücke zu beob-
achten war. —
Nach den hier angeführten Feldspath- Analysen dürfte we-
nigstens so viel feststehen, dass Orthoklase mit mehr oder
weniger Natrongehalt, sowohl im grauen als im ro-
then Gneuse, die bei weitem vorherrschenden Feld-
späthe sind, dass aber untergeordnet — stellenweise selbst
zu grösserer Bedeutung entwickelt — im grauen Gneuse
natronhaltige bis natronreiche, plagioklastische
Feldspäthe vorkommen, welche theils Albite (?) theils
Oligoklase zu sein scheinen. Die wahre Natur des plagio-
klastischen Natronfeldspathes XXII, wenn sie auch noch zwei-
55
felhaft bleibt, kann sich hiervon wohl nicht erheblich entfernen.
Obgleich im rothen Gneuse mit Sicherheit bisher keine plagio-
klastischen Feldspäthe beobachtet wurden, so schliesst dies na-
türlich die Möglichkeit eines solchen Vorkommens nicht aus.
F. Die chemische Constitution der Glimmer im
grauen und rothen Gneuse.
Da die Feldspäthe des grauen und rothen Gneuses, wie im
vorhergehenden Abschnitte gezeigt wurde, im Allgemeinen keine
charackteristischen äusseren Merkmale zur Unterscheidung bei-
der Gneuse darbieten, so bleibt in dieser Beziehung unsere letzte
Hoffnung auf die Glimmer gerichtet. Zunächst drängt sich hier
die Frage auf, ob diese Glimmer optisch verschieden
seien, in welchem Falle, wenigstens zum Zwecke blosser Un-
terscheidung, ihre chemische Zerlegung nicht unbedingt nothwen-
dig gewesen wäre. Es muss aber diese Frage, soweit sie bisher
erörtert werden konnte, verneint werden. Mindestens Hessen sich
keine so erheblichen optischen Unterschiede bemerken, dass sich
darin ein nur einigermassen brauchbares Unterscheidungsmittel dar-
böte. Man wird dies aus dem optischen Verhalten — in Bezug auf
Ein- und Zweiaxigkeit — ersehen, welches die folgenden Glim-
mer zeigten. In den betreffenden Untersuchungen , mittelst der
AMici'schen Vorrichtung wurde ich von meinem hochverehrten
Freunde Herrn Oberbergrath Reich bereitwilligst unterstützt.
Eine zur chemischen Analyse hinreichende Menge reinen
Glimmers auszusuchen, ist bei beiden Gneusen nur möglich, wenn
man Gneusstücke dazu verwendet, in welchen aussergewöhnliche
Glimmeranhäufungen vorkommen. Solche Stücke sind aber
äusserst selten zu erlangen. Herrn Obereinfahrer Mueller's
und meinen vereinten Bestrebungen ist es daher nur gelungen,
Material zu den folgenden Analysen zu sammeln. — Alle diese
Glimmer sind vollkommen frei von einem Fluorgehalte, was die
genaue Ermittelung ihrer procentischen Zusammensetzung erheb-
lich erleichterte.
Auf die genaue Bestimmung aller in diesen Glimmern ent-
haltenen Bestandtheile wurde die grösstmöglichste Sorgfalt ver-
wendet. Ueber die mehrfach geprüfte und zu sehr scharfen
Resultaten führende Methode der Eisenoxydul-Bestimmung habe
56
ich mich früher*) ausgesprochen. Der von mir angewendeten
analytischen Methoden zur Bestimmung der übrigen Bestand-
teile habe ich theils Eingangs dieser Abhandlung, theils bei
meiner Arbeit über Epidote und Idokrase**) gedacht.
Glimmer aus dem grauen Gneus.
Es mögen hier zunächst die Analysen zweier Glimmer von
verschiedener Fundstätte, aber von nahe übereinstimmender che-
mischer Zusammensetzung ihren Platz finden :
XXVII. XXVIII.
Kieselsäure
37,50
36,89
Titansäure
3,06
3,16
Thonerde
17,87
15,00
Eisenoxyd
12,93
16,29
Eisenoxydul
9,95
6,95
Manganoxydul
0,20
Kalkerde
0,45
1,75
Magnesia
10,15
9,65
Kali
0,83
6,06
Natron
3,00
Wasser
3,48
4,40
Summa 99,42 100,15
XXVII. Schwarzer Glimmer aus dem grauen Gneuse zwi-
schen Kleinwaltersdorf und Freiberg. Der Gneus ist hier
weit und breit ein vollkommen normaler, ganz von dem Ty-
pus der grauen Gneuse I bis IV. Der Glimmer erscheint
im darauf fallenden Lichte rabenschwarz, wenn er nicht
in sehr dünnen Lamellen vorhanden ist; im letzteren
Falle broncebraun. Durchfallendes Licht zeigt ihn mehr
oder weniger intensiv braun, je nach der Dicke der
Blättchen. Nach älterer Art der Untersuchung — zwi-
schen Turmalinplatten unter dem Mikroskop — würde
dieser Glimmer als ein optisch einaxiger betrachtet
worden sein. Durch die AMici'sche Vorrichtung giebt
*) Abhandl. d. k. Gesellsch. d. Wissensch, zu Leipzig, math.-phys.
Klasse. S. 166 bis 168. 1858.
**) Poggend. Ann. Bd. 95. S. 497 bis 533.
57
er sich jedoch als ein optisch zweiaxiger zu erkennen,
wenn auch mit sehr geringem scheinbarem Neigungs-
winkel seiner optischen Axen. Ein Apparat zum
genauen Messen dieses Winkels stand nicht zu Gebote.
— Der Glimmer wurde von mir analysirt.
XX VIII. Schwarzer Glimmer aus dem grauen Gneuse
zwischen Freiberg und dem Richtschachte von Reiche
Zeche. Sowohl in Betreff des Gneuses als der äusse-
ren Eigenschaften dieses Glimmers gilt dasselbe wie
beim vorigen Glimmer , dessen dunkelschwarze Farbe
vielleicht nicht ganz von diesem erreicht wird. Auch
im optischen Verhalten gab sich kein erheblicher Un-
terschied zu erkennen , wiewohl es den Anschein hatte,
als nähere sich dieser Glimmer einem optischen einaxi-
gen noch mehr als der vorige, was jedoch auf Täuschung
beruhen kann. — Wurde von Dr. Rube analysirt.
Folgende Sauerstoffmengen entsprechen den Gewichtsprocen-
ten der durch beide Analysen gefundenen Bestandtheile :
XXVII.
XXVIII.
Sauerstoff :
Sauerstoff :
Kieselsäure
19,47 j
20,69
19,15 j
Titansäure
1,22 i
1,26 i
Thonerde
8,36 J
12,24
7,01 j
Eisenoxyd
3,88 S
4,89 j
Eisenoxydul
2,21
1,54
Manganoxydul
- 0,04 j
Kalkerde
0,13 1
0,50 f
Magnesia
4,06 \
8,38
3,86 >
Kali
0,14 j
1,02 1
Natron
0,77 I
Wasser
1,03*)'
1,30**)'
20,41
11,90
*) Dies ist der Sauerstoff des als Base in Rechnung gebrachten
Wassers — 3 H vertretend iß - also der 3te Theil des in den
3,48 Procent Wasser vorhandenen Sauerstoffs = £ x 3,09.
**) Ebenfalls i X 3,90 = 1,30.
58
Hieraus ergeben sich zunächst die Sauerstoff- Verhältnisse :
Si + Ti:R+(R)
XXVII = 20,69 : 20,62
berechnet 20,69 : 20,69 = 1 : 1 .
XXVIII = 20,41 : 20,12 = i (a)
berechnet 20,41 : 20,41 = 1:1 )
ferner die Sauerstoff- Verhältnisse:
R : (R)
XXVII = 12,24 : 8,38
berechnet 12,24 : 8,16 = 3 : 2 i
XXVIII = 11,90 : 8,22 > (b)
berechnet 11,90 : 7,93 = 3:2 )
In beiden Glimmern sind also die Sauerstoff- Verhältnisse
von derselben einfachen Beschaffenheit.
Zufolge des Sauerstoff- Verhältnisses (a) ist die Summe des
Sauerstoffs in den Säuren gleich der Summe des Sauerstoffs in
den Basen, was sich durch das al 1 gern ein e Formel-Schema
[(R)\ R] Si (1)
ausdrücken lässt, wobei die eine entsprechende Menge Kiesel-
säure vertretende Titansäure als Kieselsäure in Rechnung ge-
bracht ist.
Dieses Formel-Schema wird zu einem speciellen durch
das Sauerstoff- Verhältniss (b), nach welchem R : (R) =3:2,
entsprechend einem Atom verhältniss von R : (R) = 3:6,
und folglich von R : (R)3 =3:2.
Die chemische Constitution unserer beiden Glimmer lässt
sich also ausdrücken durch
[m(R)% nR] Si (2)
mit den Bedingungsgleichungen
m = 2
n = 3
welche zusammen das. bestimmte Formel-Schema bilden.
59
Eine chemische (oder mineralogische) Formel von ge-
wöhnlicher Art lässt sich leicht hieraus ableiten, wenn wir die
Werthe von m und n in obiges Schema einführen.
[2 (R)8, 3 R] Si
= 2 (R) 3 Si + 3 R Si (3)
Die Uebereinstimmung dieser Formel mit den Resultaten der
Analysen ergiebt sich leicht. Die Formel erfordert ein Sauer-
stoffverhältniss von Si : R : (R) = 15 : 9 : 6 =5:3:2,
welches mit den durch die Analysen gefundenen Sauerstoffver-
hältnissen zu vergleichen ist.
Sauerstoff: Si,Ti : R : (R)
XXVII, gefunden = 20,69 : 1 2,24 : 8,38
berechnet = 20,69 : 12,41 : 8,28 = 5:3:2
XXVIII, gefunden = 20,41 : 11,90 : 8,22
berechnet = 20,4 1 : 12,25 : 8,16 = 5 : 3 : 2
Dass es in gewisser Beziehung von Wichtigkeit ist, in sol-
cher Weise zwischen 1. allgemeinem F or m el- S ch ema,
2. bestimmtem Formel-Schema und 3, chemischer
Formel zu unterscheiden, wird sich bei einigen der folgenden
Glimmer ergeben.
Nicht in jedem grauen Gneuse, auch wenn er normal er-
scheint, hat der schwarze Glimmer genau die chemische Consti-
tution der beiden vorhergehenden. Dies erhellt aus folgenden
analytischen Resultaten, welche sich auf einen solchen Glimmer
von einem dritten Fundorte beziehen. Die Analyse XXIX, a
wurde in meinem Laboratorium von Herrn Dr. Keibel (jetzi-
gem Docenten an der Berliner Bergakademie^, unter theilweiser
Anwendung der analytischen Methode von St. Claire-Devilxe,
unternommen. Die Analyse XXIX, b ist von mir nach der ge-
wöhnlichen Methode ausgeführt worden.
60
XXIX, a. XXIX, b.
Kieselsäure
37,06
37,18
Titansäure *)
3,64
2,47
Thonerde
16,78
17,53
Eisenoxyd
6,07
6,20
Eisenoxydul
15,37
15,35**)
Man ganoxydul
Spur
0,31
Kalkerde
0,57
0,79
Magnesia
9,02
9,05
Kali
5,96
5,14
Natron
2,86
2,93
Wasser
3,77
3,62
Summa
101,10
100,57
XXIX, a, b. Schwarzer Glimmer aus dem grauen Gneuse
von der Grube Beschert Glück bei dem Städtchen Brand,
I" Meilen von Freiberg. In seiner Struktur ist dieser
Gneus dadurch vom normalen grauen Gneuse etwas ver-
schieden, dass der Glimmer nicht zu grösseren Flasern
verbunden, sondern mehr schuppig vertheilt auftritt.
Der Glimmer, im frischen Zustande, gleicht vollkommen
den beiden vorhergehenden Glimmern, auch in seinem
optischen Verhalten ; unterscheidet sich aber von diesen
in seinem verwitterten Zustande und durch den Grad
der Verwitterbarkeit. Während der Glimmer des ge-
wöhnlichen Freiberger Gneuses den atmosphärischen
Einflüssen ausserordentlich gut widersteht und dicht un-
ter der Gesteinsoberfläche vollkommen frisch angetroffen
zu werden pflegt, scheint der Glimmer dieses Gneuses
der Brander Gegend früher matt zu werden, wenigstens
an seiner Oberfläche. Wesentlicher noch als dieser Un-
*) Diese Titansäure war dunkelbraun, in grösseren Stücken fast
schwarz, was von einer beträchtlichen Verunreinigung durch Eisenoxyd
herrührte. Auch Thonerde war darin enthalten.
**) Bei zwei andern Oxydul -Bestimmungen dieses Glimmers erhielt
ich 15,19 und 15,43 Procent Eisenoxydul, so dass das Mittel aller vier
Bestimmungen = 15,34 ist Auch bei den anderen Glimmern sind die
angegebenen Eisenoxydul- Geh alte aus solchen nahe übereinstimmenden
Resultaten entnommen.
61
terschied, der natürlich mehr oder weniger auf Täuschung
beruhen kann und jedenfalls nicht scharf zu nennen ist,
gilt uns die rostrothe Farbe seiner verwitterten Masse,
eine Farbe, welche dieser Gneus an seiner ganzen Ober-
fläche zeigt. Sogar bis ziemlich tief in das compacte
Gestein dringt sie in schwächeren Nuancen und benimmt
dem Feldspath seine rein weisse Farbe, die er im Frei-
berger Gneuse besitzt. Diese Erscheinungen deuten
unverkennbar auf einen ungewöhnlich hohen Gehalt an
Eisen oxydul, wie derselbe auch durch die Analysen
nachgewiesen ist. Man vergleiche die Analysen XXVII
und XXVIII mit XXIX, a, b. Zugleich ist durch die-
ses Ueberhandnehmen des Eisenoxyduls der Gehalt an
Eisenoxyd bedeutend herabgedrückt.
Die folgenden Sauerstoffmengen und ihre Verhältnisse er-
geben zu diesem Unterschiede aber einen noch wesentlicheren.
XXIX, a.
Sauerstoff.
XXIX, b.
Sauerstoff.
Titansäure
Thonerde
Eisenoxyd
Kieselsäure
Eisenoxydul
Manganoxydul
19,24
1,46
7,85
1,82
3,42
20,70
9,67
19,30
0,99
'8,20
1,86
3,41
0,07
0,23
3,62
0,87
0,75
20,29
10,06
Kalkerde
Magnesia
10,02
Kali
Natron
Wasser
Es folgen hieraus die Sauerstoffverhältnisse:
Si + Ti:R + (R)
XXIX, a = 20,70 : 19,72 j
XXIX, b = 20,29 : 20,08 j
1 : 1
♦) | X 3,35 = 1,12.
♦*) | x 3,22 = 1,07
62
und die Sauerstoffverhältnisse :
& : (R)
XXIX, a == 9,67 : 10,05 j _
XXIX,b = 10,06 : 10,02 ( ~ 1 : 1
Durch dieses zweite Sauerstoffverhältniss = 1:1 unter-
scheidet sich dieser Glimmer wesentlich von den beiden vorigen,
bei denen das entsprechende Verhältniss = 3:2 war.
In Folge hiervon wird das al lgeme i n e Fo rmei-S ch ema
unseres Glimmers zwar dem der beiden vorigen gleich,
[(B) si BT'Si (1)
nicht aber das bestimmte Formel - Sch ema
[m(R)% n£] Si (2)
m = 1
n = 1
Und ebenso wird die chemische Formel, welche sich
hieraus ableiten lässt, eine andere als zuvor:
(R) 3 Si + R Si (3)
Es hat dieser Glimmer daher eine sehr einfache Zusammen-
setzung, noch einfacher als die beiden vorigen, mit denen er aber
durch gleiches allgemeines Formel-Schema in dieselbe Klasse
gehört.
Glimmer aus dem rothen Gneus.
Aus dem Gebiete des rothen Gneuses ist es nur gelungen,
von zwei benachbarten Localitäten Glimmerproben der erforder-
lichen Beschaffenheit zu erhalten. Die erste der beiden folgen-
den Analysen wurde von mir, die zweite von Dr. Rube aus-
geführt.
63
XXX.
ÄAAl.
Kieselsäure
50,77
51,80
Titansäure
0,30
—
Thonerde
26,29
25,78
Eisenoxyd
3,28
5,02
Eisenoxydul
3,60
2,25
Manganoxydul
0,41
Kalkerde
U, 1 U
U, co
Magnesia
0,89
2,12
Kali
10,56
6,66
Natron
1,22
Wasser
4,40
4,79
100,24
100,33
XXX. Lichter Glimmer aus dem rothen Gneuse von Gah-
lenz — aus einem kleinen Steinbruche zwischen Gahlenz
und dem Chausseehause von Hohenlinde , westlich von
der Oederaner Strasse — etwa i~ Meile südlich von
Freiberg. In dem hier herrschenden rothen Gneuse liegt
dem Anschein nach eine Scholle von grauem Gneus,
die aber wieder von rothem Gneus lagenförmig durch-
setzt wird. Dass das Gestein , aus welchem die durch-
setzenden Lagen bestehen, wirklich ein rother Gneus
ist, ergiebt sich sowohl aus seinem petrographischen
Charakter als durch die Schmelzprobe, welche einen
Schmelzverlust von 74,1 Procent herausstellte. In dem-
selben kommt der Glimmer stellenweise zu grösseren
Partien ausgeschieden vor; er hat eine graugrüne bis
graulichgrüne Farbe und lebhaften metallischen Glas-
glanz. In dünneren Pailletten erscheint er natürlich lich-
ter gefärbt, und in den dünnen Schüppchen, in welchen
er gewöhnlich im rothen Gneuse vorzukommen pflegt,
so licht, dass er fast silber weiss aussieht. Sein hoher
Kaligehalt, verbunden mit geringem Magnesiagehalt und
gänzlicher Abwesenheit des Natrons, Hessen optische
Zweiaxigkeit vermuthen; allein die Untersuchung ergab
ein ganz anderes Resultat. Derselbe ist fast vollkom-
men laxig, jedenfalls mit noch unbedeutenderem
scheinbarem Neigungswinkel der optischen Axen als
beim schwarzen Glimmer des grauen Gneuses.
64
XXXI. Lichter Glimmer aus dem rothen Gneuse von Neu-
hohelinde. Sowohl Gneus als Glimmer von ganz ähn-
licher Beschaffenheit wie bei XXX. Ebenso ergab das
optische Verhalten keinen bemerkbaren Unterschied vom
vorhergehenden Glimmer.
Dass beide Glimmer in der That nur durch relativ ver-
schiedene Mengen isomorpher Bestandteile verschieden sind,
zeigen die folgenden Sauerstoff- Verhältnisse :
XXX.
XXXI.
Sauerstoff :
Sauerstoff:
Kieselsäure
26,36 / _ ,
0,12 | 26>48
26,89
[ 26,89
Titansäure
Thonerde
Eisenoxyd
12,29 )
0,98 !
13,27
12,06
1,51
13,57
Eisenoxydul
0,80
0,59 *).
Kalkerde
0,04 j
0,08 1
Magnesia
Kali
0,36 1
1,80 |
> 4,30
0,85 I
1,13 j
► 4,38
Natron
0,31
Wasser
1,30**)
1,42***)
Da beide Analysen fast identische Sauerstoff- Verhältnisse
ergeben haben, so brauchen wir nur das eine derselben einer
näheren Prüfung zu unterwerfen. Wir wählen hierzu das erstere.
Si + Ti : £ + (R)
gefunden 26,48 : 17,57
berechnet 26,48 : 17,65 = 3:2
£ : (R)
gefunden 13,27 : 4,30
berechnet 13,27 : 4,42 = 3 : 1
Das allgemeine Formel-Schema ist hiernach:
[<»)*, »]* si3 (i)
*) Inclus. 0,09 Sauerstoff vom Manganoxydul.
**) | x 3,91 = 1,30.
>**) i X 4,26 = 1,42.
65
Das bestimmte Formel-Schema:
[m(R)% nR]2 Si 3 (2)
m =4 1
n = 3
und die chemische Formel:
(ß) Si + R Si (3)
Wie scharf die chemische Formel von einfachster Beschaf-
fenheit mit den durch die Analyse ermittelten Sauerstoffverhält-
nissen übereinstimmt, zeigt folgende Vergleichung.
Si : R : (R)
gefunden 26,48 : 13,27 : 4,30
berechnet 26,48 : 13,24 : 4,41 = 6:3:1
Diese Sauerstoff-Proportion 6:3:1 entspricht der Atom-
Proportion 2:1:1.
Glimmer aus Silicatgesteinen von zweifelhafter
Beschaffenheit.
Von zwei Fundorten erhielt ich grössere Mengen sehr aus-
gezeichneter Glimmer, ohne dass sich bisher über die Gesteine
selbst, worin diese Glimmer vorkommen, eine genaue Angabe
machen Hess. Nur so viel steht fest, dass beide jedenfalls nicht
zum grauen Gneuse gehören, sondern entweder rothe oder mitt-
lere Gneuse sind. Der erste dieser Glimmer, XXXII, wurde
von mir, der andere, XXXIII, wurde von Dr. Hube analysirt.
XXXII. XXXIII.
Kieselsäure
47,84
48,15
Titansäure
1,72
0,99
Thonerde
29,98
29,40
Eisenoxyd
2,91
2,14
Eisenoxydul
1,12
2,84
Manganoxydul
Spur
Kalkerde
0,05
0,15
Magnesia
2,02
2,84
Kali
9,48
9,13
Natron
Wasser
4,40
4,60
Summa
99,52
100,24
Zeits. d. d. geol. Ges. XIV. i. 5
66
XXXII. Licht tombakbrauner Glimmer aus dem Gneuse
vom Bar Flachen, Grube Himmelsfürst. Diesen Glim-
mer, in ungewöhnlich grossen Massen von grossblättri-
ger Beschaffenheit, hatte der verstorbene Obermarkschei-
der Leschner vor mehreren Jahren von der genannten
Localität mitgebracht und im Bergmännischen Verein zu
Freiberg vorgezeigt. Der betreffende Theil dieser Grube
ist aber seit einigen Jahren nicht mehr zugänglich , so
dass über die Art des Gneuses nichts Näheres bestimmt
werden konnte. Nach Herrn Obereinfahrer Mueller
ist so viel als sicher anzunehmen, dass daselbst wenig-
stens kein grauer Gneus ansteht. Was diesen Glimmer
vor allen vorhergehenden auszeichnet, ist ein hoher Grad
von optischer Zweiaxigkeit. Der scheinbare Neigungs-
winkel seiner optischen Axen ist sehr beträchtlich , so
dass dieser Glimmer auch nach der älteren unvollkomm-
nen Methode der Untersuchung zu den entschieden zwei-
axigen Glimmern (Muscovit, Phengit u. s. w.) gerechnet
worden wäre, während hiernach die oben beschriebenen
Glimmer des grauen und rothen Gneuses entschieden
einaxige sein würden.
XXXIII. Licht tombakbrauner Glimmer aus Granit
vom Buchenberge, zwischen Borstendorf und Leubsdorf.
Der Granit, welcher hier nicht anstehend, sondern in
losen Blöcken gefunden wird, enthält ausserdem röthlichen
und weissen Feldspath nebst Milchquarz. Der Glimmer
ist etwas dunkler als der vorhergehende, doch im Ver-
gleich zum gewöhnlichen Glimmer des grauen Gneuses
licht zu nennen. Auch er ist durch optische Zwei-
axigkeit ausgezeichnet. Doch hatte es den Anschein,
als sei der scheinbare Neigungswinkel seiner optischen
Axen etwas weniger gross als beim vorigen, allein nur in
dem Maasse, dass ein Irrthum möglich ist.
Auch die folgenden Sauerstoffmengen ergeben, gleich dem
optischen Verhalten , eine nahe Verwandtschaft beider Glimmer,
aber keine vollkommene Identität.
67
XXXII.
xxxni.
Sauerstoff:
Sauerstoff:
Kieselsäure
Titansäure
24,84 j
0,69 1
25,00
0,40
9f\ Aft
Thonerde
Eisenoxyd
14,02
0,87
4 A ÖQ
14, »y
13,75
0,64
4 A QQ
Eisenoxydul
0,25
0,63 ?
Kalkerde
0,01 |
0,04 1
Magnesia
Kali
0,81 1
1,61 |
► 3,98
1,14 1
1,55 1
> 4,72
Natron
Wasser
1,30*)
1,36**),
Es folgen daraus die Sauerstoff- Verhältnisse :
Si+ti : R + (R)
25,35 : 18,87
25,53 : 19,15 = 4:3
25,40 : 19,11
25,40 : 19,05 = 4:3
XXXII.
berechnet
XXXIII:
berechnet
und ferner:
(a)
R : (R)
XXXII. == 14,89 : 3,89
berechnet = 14,89 : 3,72 = 4:1
XXXIII. m 14,39 : 4,72
berechnet = 14,39 : 4,80 = 3:1
00
Die Sauerstoff- Verhältnisse (a) stimmen vollkommen mit
einander überein , die Sauerstoff- Verhältnisse (b) sind aber ver-
schieden. Daraus ergiebt sich Folgendes:
Das allgemeine Formel - Schema für beide Glim-
mer ist
[(R)% R]s Si 4 (1)
, Das bestimmte Formel-Schema dagegen ist verschie-
den, nämlich:
[m(R)% n&]3 Si4 — (2)
*) | X 3,91 = 1,30.
**) } x 4,09 = 1,36.
5*
68
beim Glimmer XXXII.
beim Glimmer XXXIII.
Die chemischen Formeln, welche sich hieraus ableiten
lassen, sind bei
XXXII. i (R) 9 SP + 4R 3 Si * 1
XXXIII. = (R) 9 Si4 + 3Ä3 si4 J (3)
Inwieweit dieselben mit den durch die Analyse gefundenen
Sanerstoff - Verhältnissen übereinstimmen , zeigt folgende Ver-
gleichung :
Si, Ti : R : (R)
XXXII, gefunden = 25,53 : 14,89 : 3,98
berechnete 25,53 : 15,33 : 3,83 = 20 : 12 : 3
XXXIII. gefunden = 25,40 : 14,39 : 4,72
berechnet == 25,40 : 14,29 : 4,76 = 16 : 9:3
Die chemischen Formeln beider Glimmer sind nicht von der
Einfachheit der vorhergehenden, allein sie sind ebenso berechtigt
wie diese. Sie stellen Vierneuntel-Silicate dar, während
sich die Glimmer des grauen Gneuses als Drittel-Silicate
und die des rothen Gneuses als H alb- S ilica te ergaben.
Um so einfacher sind die Beziehungen der allgemeinen
chemischen Constitution, in welchen die Glimmer XXXII und
XXXIII zu den Glimmern des grauen und rothen Gneuses
stehen. Addirt man nämlich die allgemeinen Formel-
Schema der beiden letzteren, so erhält man das allgemeine
Formel-Schema der Glimmer XXXII und XXXIII.
Allgemeines Formel-Schema
d. Glimm, a. d. d. Glimm, a. d. d. Glimm,
grauen Gneus. rothen Gneus. XXXII u. XXXIII.
[(R)3, R] Si + [(R) 3, R] 2 Si3 = [(R)3, K] 3 SP
Die Glimmer XXXII und XXXIII haben mithin eine der-
artige chemische Constitution, dass 1 Atom dieser Glimmer als
zusammengesetzt aus 1 Atom Glimmer des grauen Gneuses und
1 Atom Glimmer des rothen Gneuses betrachtet werden kann.
Gewissermaassen bilden dieselben also ein vermittelndes Glied
69
zwischen dem Glimmer des grauen und dem des rothen Gneu-
ses. Da nun ihre Silicirungsstufe — wie sogleich gezeigt wer-
den soll — in einer bestimmten Abhängigkeit von der
Silicirungsstufe des problematischen Gesteins, in welchem sie als
Gemengtheil vorkommen , angenommen werden muss , so lässt
sich schliessen, dass dieses Gestein hinsichtlich seines Kiesel-
säuregehaltes zwischen grauem und rothem Gneus stehen, folg-
lich ein mittlerer Gneus sein muss.
Dieser auf rein chemischem Wege gezogene Schluss lässt
sich auf demselben Wege noch schärfer ziehen , wenn wir das
Verhältniss der chemischen Constitution der betreffenden Gneuse
zur chemischen Constitution der darin herrschenden Glimmer
etwas näher ins Auge fassen.
Jene bestimmte Abhängigkeit der Silicirungs-
stufe der Glimmer von derSilicirungsstufe der zuge-
hörigen Gesteine wird, — wenigstens bei unseren Gneu-
sen — von einem sehr einfachen Gesetze beherrscht.
Zur Erkennung dieses Gesetzes gelangt man , indem man zu-
nächst die allgemeine Formel-Schema für grauen und rothen
Gneus (aus ihren Seite 31 und 35 angeführten chemischen For-
meln) ableitet, und darauf jedes derselben mit dem allgemeinen
Formel-Schema des zugehörigen Glimmers vergleicht.
Allgemeines Formel-Schema
des Glimmers im des grauen
grauen Gneuse Gneuses
[(R)3, R] Si [ (R) 3 j R] Si3
des Glimmers im des rothen
rothen Gneuse Gneuses.
[ (R) 3 , R]2 Si3 [(R) 3 R] 2 Si9
Das allgemeine Formel-Schema jedes dieser Glimmer unter-
scheidet sich dadurch von dem allgemeinen Formel-Schema des
zugehörigen Gneuses, dass hiernach der atomistische Kie-
selsäuregehalt des Glimmers gleich ist dem drit-
ten Theile vom atomistischen Kieselsäuregehalte
des zugehörigen Gneuses. Ist also das allgemeine For-
mel-Schema eines solchen Glimmers bekannt, so kann man das
70
des zugehörigen Gneuses daraus ableiten, indem man die Kie-
selsäure-Atome im Formel-Schema des Glimmers mit 3 multipli-
cirt; und vice versa.
Dieses Gesetz giebt uns ein sehr einfaches Mittel an die
Hand, einen Schluss auf die allgemeine chemische Constitution
des uns bisher in dieser Beziehung noch unbekannten Gneuses
zu machen, in welchem die Glimmer XXXII und XXXIII als
Gemengtheile vorkommen. Wir erhalten:
Allgemeines Formel-Schema
der Glimmer des Gneuses, dem diese
XXXII u. XXXIII. Glimmer angehören,
(gefunden d. d. Analyse) (abgeleitet d. d. Gesetz)
[{R)s, K]3 SP RR)3, K]9s'i 12
= [(R)3,it] Si*- (a)
Zufolge des abgeleiteten Formel-Schemas (a) muss dieser
Gneus folglich eine derartige chemische Constitution besitzen,
dass dieselbe einem Sauerstoff- Verhältnisse
S i : £ + (R) = 4:1
entspricht. Gerade dieses Sauerstoff- Verhältniss 4 : 1 ist es
aber, welches wir früher (Seite 47) aus den Analysen XIII bis
XVI für einen mittleren Gneus gefunden haben. Besonders die
Analyse des Granits von Bobritszch (X\7I) entspricht diesem
Verhältnisse. Gelänge es, was bisher leider nicht der Fall war,
eine hinreichende Menge reinen Glimmers in diesem Granite auf-
zufinden, so müsste ein solcher Glimmer — wenn unser Gesetz
nicht bloss auf grauen und rothen , sondern auch auf mittleren
Gneus anwendbar ist — die allgemeine chemische und optische
Constitution der Glimmer XXXII und XXXIII besitzen,
also:
1) Ein allgemeines Formel-Schema
[(R)\ R] 3 Si<
und 2) sich als ein entschieden 2axiger Glimmer — mit grossem
scheinbarem Neigungswinkel der optischen Axen — erweisen.
Gewiss ist es von hohem Interesse, inwieweit künftige Un-
tersuchungen das Gesetz von der gegenseitigen Abhängigkeit
71
der Silicirungsstufe des Gneuses und des ihm zugehörigen Glim-
mers auch auf den mittleren Gneus mit voller Beweiskraft aus-
dehnen werden. Bestätigt sich unsere Vermuthung, so dürfte
dieses Gesetz in einem sehr umfassenden Gebiete herrschen und
ein neues Licht auf die streng geordnete Beschaffenheit anschei-
nend so ungeordneter Gemenge wie die krystallinischen Silicat-
Gesteine werfen.
G. Das Mengungs - Verhältnis s des Quarzes, Feld-
spathes und Glimmers im grauen und im rothen
Gne use.
Der normale graue Gneus enthält als wesentliche Ge-
mengtheile:
Quarz,
Orthoklas (natronhaltig — meist von weisser Farbe),
Glimmer (magnesia- und alkalihaltig — titansäurehal-
tig, bis über 3 Procent — wasserhaltig bis
über 4 Procent — von dunkelbraunschwarzer
Farbe — optisch 1 axig, im gewöhnlichen Sinne
— von dem allgemeinen Formel-Schema
[(R)3, S] Si
Sehr untergeordnet, bis zur verschwindenden Bedeutung,
treten stellenweise ausserdem darin auf: plagioklastische Natron-
feldspäthe (Albit? Oligoklas) und ein weisser feinschuppiger
Glimmer.
In gewissen Varietäten des grauen Gneuses erhal-
ten die plagioklastischen Natronfeldspäthe grössere Bedeutung.
Auch giebt es grauen Gneus — wie z, B. in Serenbachthal, an
der Freiberg-Tharandter Eisenbahn — in welchem jener spora-
dische weisse Glimmer sich beträchtlich mehr geltend macht, so-
wie anderen grauen Gneus (s. Schmelzprobe 6 u. 9), in welchem
der gesammte Glimmer in vorherrschender Menge auftritt und
den Feldspath entsprechend verdrängt. — Die Varietäten des
grauen Gneuses können von sehr verschiedener Farbe und Struk-
tur sein.
Halten wir uns an den normalen grauen Gneus —
wie er namentlich in der Freiberger Gegend in so bedeutender
Ausdehnung und Mächtigkeit auftritt und die Matrix der zahl-
72
reichen hiesigen Erzgänge bildet — so fragt es sich, sind wir
im Stande, aus den betreffenden Analysen seiner Gemengtheile
das Mengungs-Verhältniss zu berechnen ? Wir haben bei ihm
als Gemengtheile nur Quarz, Orthoklas und schwarzen Glimmer
(XXVII und XXVIII) zu berücksichtigen ; denn die Spuren von
eingemengtem weissem Glimmer sind, wo sie vorkommen, hin-
sichtlich ihres Gewichtswerthes bedeutungslos. Was aber ein
mögliches Auftreten von Albit und Oligoklas betrifft, so kann
dies — selbst wenn es in einem weniger unerheblichen Grade
stattfinden sollte, als wir vermuthen — auf unsere Rechnung
kaum einen wesentlichen Einfluss ausüben, da Albit und Ortho-
klas ein gleiches Atom-Verhältniss (Si : R : R = 4 : 1 : 1) be-
sitzen und der Oligoklas kein davon sehr abweichendes (3:1: 1)
hat. Jedenfalls ist daher die Frage:
aus wie vielen Atomen Quarz, Orthoklas und schwar-
zem Glimmer ist der normale graue Gneus zusammen-
gesetzt ?
Ein einfaches Mittel die Richtigkeit dieses Resultates zu
prüfen besteht darin, die procentische Zusammensetzung eines
aus 10 At. Quarz, 3 At. Orthoklas und 1 At. schwarzem
*) Von der Formel 2(R)3 Si + 3RSi (s. S. 59).
»j Von der Formel 3(Ä) Si + 2Ä *fe (s. S. 31).
10 Atome Quarz =10 Si +
3 Atome Orthoklas = 12 Si + 3R + 3R
1 Atom Glimmer = 5 Si + 3 R + 6 (R)
Summa 27 Si + 6 R + 9 (R)
±ä 3 (9Si"+ 2 R + 3(R))
== 3 Atomen grauer Gneus**)
73
Glimmer bestehenden Gemenges zu berechnen und dieselbe mit
der durch die Analyse gefundenen Zusammensetzung des grauen
Gneuses zu vergleichen. Doch ist hierbei zu berücksichtigen,
dass die relativen Mengen der isomorphen Stoffe in den Gliedern
R und (R) mannigfachen Schwankungen unterworfen sind. Bei
der Annahme, der schwarze Glimmer enthalte diese Stoffe in
denjenigen Gewichts-Verhältnissen, wie sie durch Analyse XXVII
ermittelt wurden, ergiebt sich folgendes Resultat:
Zusammensetzung des normalen grauen Gneuses
_aus
d. Steinbruch
a. d. Abrahams-
bei
Kleinwalters-
schacht 1708 Fuss
n n o h n
11 CK Vj 11 Kl
Be rec h n
dorf
, nach meiner
unter Tage, nach
Analyse
meiner Analyse
(«
j. Seite 30)
(s. Seite 31)
Kieselsäure
65,32
65,64
65,42
Titansäure
0,87
0,86
1,05
Thonerde
14,77
14,98
13,68
Eisenoxyd
3,33
2,62
4,26
Eisenoxydul
3,08
3,50
2,88
Manganoxydul 0,14
0,18
Kalkerde
2,51
2,04
1,44
Magnesia
2,04
2,08
2,66
Kali
4,78
3,64
6,18
Natron
1,99
2,56
1,38
Wasser
1,01
1,18
1,05
99,84
99,28
100,00
Von diesen Bestandteilen stimmen die procentischen Men-
gen der Kieselsäure, Titansäure und des Wassers, nach
Analyse und Berechnung, sehr nahe mit einander überein.
Dass die übrigen Bestandtheile nur Näherungswerthe zeigen,
liegt in der Verschiebbarkeit ihrer relativen Gewichtsmengen.
Zugleich sehen wir aus den nahe übereinstimmenden Na-
trongehalten, dass natronreiche plagioklastische Feldspäthe im
normalen grauen Gneuse wirklich nur eine sehr untergeordnete
Rolle spielen, und dass darin der gewöhnliche, etwas natronhal-
tige Orthoklas als allein herrschender Feldspath betrachtet wer-
den kann.
74
Nachdem wir jetzt mit Sicherheit wissen, dass der normale
graue Gneus aus einem Gemenge von 10 At. Quarz, 3 At.
Orthoklas und 1 At. schwarzem Glimmer besteht, kann es von
Interesse sein zu erfahren, in welchen relativen Gewichts-
verhältnissen diese drei Gemengtheile im grauen Gneuse zu
einander stehen. Indem wir bei dieser Berechnung zunächst das
relative Gewicht von 10 At. Quarz, 3 At. Orthoklas und 1 At.
schwarzen Glimmer berechnen , linden wir schliesslich, dass in
100 Gewichtstheilen normalen grauen Gneuses enthalten sind:
24.6 Quarz
44.7 Orthoklas
30,7 Glimmer
100,0
was 25 Procent Quarz, 45 Procent Orthoklas und 30 Procent
Glimmer nahe kommt, so dass man sich wohl nicht erheblich
von der Wahrheit entfernt, wenn man annimmt, es seien
5 Gewichtstheile Quarz
9 Gewichtstheile Orthoklas
und 6 Gewichtstheile Glimmer
in 20 Gewichtstheilen normalen grauen Gneuses enthalten. —
Der normale rothe Gneus — mit dem petrographischeh
Charakter der Gneuse von Kleinschirma (IX), vom Michaelis-
stollnmundloch (X), von der nahe dabei befindlichen (abgebil-
deten) Localität im Muldenthale und von der Gegend zwischen
Leubsdorf und Eppendorf (XI) — enthält als wesentliche Ge-
mengtheile:
Quarz,
Orthoklas (etwas mehr natronhaltig als der des grauen
Gneuses — meist von rechlicher Farbe),
Glimmer (kali- und magnesiahaltig — nicht oder doch
nur sehr wenig titansäurehaltig — wasserhal-
tig bis gegen 5 Procent — von lichter Farbe,
grünlich - grau und graulich - grün, in Schüpp-
chen fast silberweiss erscheinend — optisch
1 axig im gewöhnlichen Sinne — von dem all-
gemeinen Formel-Schema
[(R)% g]2 Si3
75
Varietäten des rothenGneuses entstehen nicht bloss
durch seine mitunter granitische Beschaffenheit und durch sein
Auftreten als wirklicher Granit, sondern auch durch mancherlei
andere Abweichungen von seinem normalen Charakter, wie wir
aus der verschiedenen äusseren Beschaffenheit der rothen Gneuse
ersehen, welche (siehe oben) durch die Schmelzprobe als solche
erkannt wurden.
Auch hier macht sich mitunter der Glimmer auf Kosten des
Feldspaths geltend (s. Schmelzprobe 25).
Beziehen wir unsere Betrachtungen nur auf den normalen
rothen Gneus, so können dieselben Fragen, welche uns so
eben beim grauen Gneuse beschäftigten, hier um so sicherer be-
antwortet werden, da wir ausschliesslich nur auf die genannten
3 Gemengtheile Rücksicht zu nehmen haben. Demgemäss er-
giebt sich, dass
12 Atome Quarz )
-(- 4 Atome Orthoklas ? =5 Atomen rother Gneus
-J- 1 Atom Glimmer *) )
Denn es sind:
12 Atome Quarz =12 Si
4 Atome Orthoklas = 16 Si + 4 R -f 4 R
1 Atom Glimmer = 2 Si -f 1 R -f 1 (R)
Summa = 30 Si + 5 R + 5 (R)
= 5(68i +1 R + 1 (R))
== 5 Atomen rother Gneus**)
Zur Prüfung der Richtigkeit dieses Resultates können wir
uns desselben Mittels wie beim grauen Gneus bedienen. Bei
der nach dem gefundenen Mengungs- Verhältniss ausgeführten
Berechnung der chemischen Zusammensetzung des rothen Gneu-
ses, wollen wir die Zusammensetzung des natronreicheren Feld-
spaths XXVI und des lichten Glimmers XXX annehmen. Un-
ter solchen Annahmen erhalten wir folgendes Resultat:
*) Von der Formel (R) S'i -f & Si (s. S. 65).
•*) Von der Formel (R) Si 2 + fi Si 4 (s. S. 35)
76
Zusammensetzung des normalen rothen Gneuses
von
Kleinschirma
nach der
Berechnung.
nach meiner Ana-
lyst
3 (s. Seite 35).
Kieselsaure
75,74
75,/5
Titansäure
0,03
Thonerde
13,25
13,18
1,24
Eisenoxydul
0,72
0,26
Manganoxydul
0,08
Kalkerde
0,60
0,64
Magnesia
0,39
0,43
Kali
4,86
5,30
Natron
2,12
2,87
Wasser
0,89
0,50
99,89
100,00
Diese Uebereinstimmung des Erfahrungs- und Rechnungs-
Resultates ist wohl eine überraschend vollkommene zu nennen.
Es scheint demnach, dass solche natronreicheren Feldspäthe, wie
XXVI, und solche Kaliglimmer, wie XXX, wirklich als ge-
wöhnliche Gemengtheile des normalen rothen Gneuses zu be-
trachten sind, was natürlich nicht ausschliesst, dass auch weni-
ger natronreiche Orthoklase neben natronreicheren Kaliglimmern
vorkommen können.
Aus der eben erwiesenen Thatsache, dass der normale rothe
Gneus aus einem Gemenge von 12 At. Quarz, 4 At. Orthoklas
und 1 At. lichtem Glimmer besteht , können wir auf dieselbe
Art wie beim grauen Gneuse, die relativen Gewichtsverhältnisse
dieser drei Gemengtheile berechnen. Aus dem relativen Ge-
wicht von 12 At. Quarz, 4 At. Orthoklas und 1 At. Glimmer*)
*) Es wiegen nämlich, in Atomgewichten ausgedrückt,
12 Atome Quarz 6930
4 „ Orthoklas v. d. Zusammensetzung XXVI 13760
1 „ Glimmer v. d. Zusammensetzung XXX 2280
in Summa 22970,
woraus man die procentischen Mengen des Quarzes, Orthoklases und
Glimmers durch einfache Proportionen findet.
77
finden wir, dass in 100 Gewichtstheilen normalen rothen Gneu-
ses enthalten sind:
30,2 Quarz .
59,9 Orthoklas
9,9 Glimmer
100,0
was 30 Procent Quarz, 60 Procent Orthoklas und 10 Procent
Glimmer so nahe kommt, dass wir diese runden Zahlen unbe-
denklich annehmen können.
Lassen wir den etwas verschiedenen Natrongehalt der
Orthoklase und die wesentlich verschiedene chemische Zusammen-
setzung der Glimmer im grauen und rothen Gneuse unberück-
sichtigt, so reducirt sich der Unterschied von grauem und rothem
Gneus auf das relative Gewichtsverhältniss von Quarz, Feldspath
und Glimmer. Es enthält:
grauer Gneus, rother Gneus,
Gewichtsprocent : Gewichtsprocent:
Quarz 25 30
Feldspath 45 60
Glimmer 30 10
100 100
Da die specifischen Gewichte des Quarzes und betreffenden
Feldspathes nur sehr wenig differiren und das spec. Gewicht
des Glimmers nur etwas grösser ist, so sind hier Gewichtspro-
cente und Volumprocente fast identisch. Man kommt der Wahr-
heit also wohl sehr nahe, wenn man annimmt, der normale
graue Gneus enthalte nicht ganz 0,3 seines Volums, und der
normale rothe Gneus nicht ganz 0,1 seines Volums Glimmer.
Dass der graue Gneus dreimal so viel Glimmer enthält als
der rothe bietet uns, bei einigermassen normalen Arten dieser
Gesteine, ein einfaches Unterscheidungsmittel, welches von keiner
schwierigen Augenschätzung abhängt. Allein, wie wir bereits
mehrfach erfuhren, giebt es Varietäten beider Gesteine, wo die-
ses Mittel unanwendbar ist. Bei glimmerreichen rothen Gneu-
sen kommt uns allenfalls noch eine empirische Beobachtung zu
Hülfe, die ich mehrfach bestätigt gefunden habe. Der Glimmer
pflegt in denselben nicht flasrig (wellig gebogen) , sondern in
Schuppen und Blättchen mit fast ebener Oberfläche vorzukom-
78
men, wodurch Stücke derartigen rothen Gneuses einen beson-
ders lebhaften Glanz erhalten, um so mehr, wenn einzelne
grössere Glimmerpartien darin auftreten. Als letzte Instanz zur
möglichst schnellen und sicheren Unterscheidung kann uns aber
vor der Hand nur die Schmelzprobe dienen.
H. Der Einfluss des grauen und des rothen Gneu-
ses auf die Erzführung der in ihnen auftretenden
Erzgänge.
Es ist eine alte bergmännische Erfahrung, dass Erzgänge,
welche verschiedene Gesteine durchsetzen, sich nicht innerhalb
jedes dieser Gesteine in gleichem Grade erzführend zeigen. Der
launige Zufall — der schlimmste Feind und beste Freund des
Bergmanns — kann hierbei unleugbar mitunter sein Spiel ge-
trieben haben ; allein unmöglich können wir ihm alle hierauf
bezüglichen Thatsachen beimessen , welche durch langjährige
übereinstimmende Erfahrungen in bergbaureichen Gegenden con-
statirt wurden und die Annahme begründeten, dass gewisse Ge-
steine so zu sagen „veredelnd", d. h. erzbringend, andere „ver-
unedelnd" auf die sie durchsetzenden Erzgänge einwirken, oder
vielmehr ursprünglich eingewirkt haben. So hat sich auch im
sächsischen Erzgebirge diese Einwirkung des Nebengesteins auf
die Erzführung der Erzgänge entschieden geltend gemacht. Herr
Obereinfahrer Mueller hat durch zahlreiche Beispiele einen
veredelnden und einen verunedelnden Gneus nachgewiesen und
ersteren als „grauen", letzteren als „rothen" Gneus bezeichnet,
weil beide Gesteine an mehreren Orten sich durch diese Farben
von einander unterscheiden Hessen.
Wir wissen jetzt, dass eine solche Unterscheidung nach der
Farbe, wiewohl in manchen Fällen anwendbar, doch im Ganzen
sehr unsicher ist. Wenn wir daher die Benennungen „grauer14 und
„rother" Gneus beibehielten, so geschah es theils um ein älteres
Recht nicht anzutasten, theils um keine wissenschaftliche Be-
zeichnung einzuführen, die manchem Praktiker weniger geläufig
werden würde.
Indem nun grauer und rother Gneus als zwei nach Maass
und Zahl sehr scharf, aber chemisch verschieden charakte-
risirte Silicat-Gebilde unserer Auffassung vorliegen, so fragt es
79
sich: ob in dieser Verschiedenheit ihrer chemischen
Constitution ein Grund zu jener veredelnden und verunedeln-
den Einwirkung auf die Erzgänge zu finden sei oder nicht ?
Wie im vorigen Abschnitte nachgewiesen wurde, besteht
Quarz. Feldspath. Glimmer.
(schwarzer)
der graue Gneus aus 2fr 45 30
(veredelnd) (lichter)
der rot he Gneus „ 30 60 10
(verunedelnd)
Sowohl ein quantitativer als ein qualitativer Un-
terschied macht sich hierbei geltend.
Der quantitative Unterschied besteht darin, dass der graue
Gneus weniger Quarz und Feldspath als der rothe, aber mehr
Glimmer als dieser enthält; woraus hervorgeht, dass Quarz
und Feldspath — deren Gesammtmasse im grauen Gneuse
20 Procent weniger beträgt als im rothen — nicht veredelnd
wirken können, es müsste denn der Feldspath des grauen Gneu-
ses eine wesentlich andere chemische Beschaffenheit besitzen als
der des rothen. Dass dies jedoch keines weges der Fall ist,
wurde früher dargethan. Somit bleibt nichts übrig, als unser
Augenmerk auf den Glimmer zu richten, in welchem wir schon
deswegen die Ursache jener veredelnden Wirkung zu finden hof-
fen können, weil dieser Gemengtheil im grauen Gneuse in drei-
fach grösserer Menge als im rothen Gneuse auftritt.
Aber auch der qualitative Unterschied zwischen unseren
beiden Gesteinen — welcher ja fast nur auf der verschiedenen
chemischen Constitution des zugehörigen Glimmers beruht —
führt uns darauf hin, die mögliche Ursache des Erzbrin-
gens ausschliesslich im Glimmer zu suchen, dessen wesent-
lich verschiedene Beschaffenheit in beiden Gneusen auch von
entsprechend verschiedenen chemischen Eigenschaften begleitet
sein muss. Dies will ich im Folgenden näher beleuchten.
80
Es ist die chemische Formel:
des schwarzen Glimmers des lichten Glimmers
im grauen Gneuse im rothen Gneuse
erste Art : 2 (R) 3 Si + 3 R Si einzige Art : (R) Si + R Si
(s. S. 59) (s. S. 65)
zweite Art: (R)3 Si + RSi
(s. S. 62)
Die beiden Glimmer des grauen Gneuses zeigen in ihrem
ersten Formelgliede (R) 3 Si, einem D ritt el - Silicat, eine grosse
Verschiedenheit von dem Glimmer des rothen Gneuses, bei wel-
chem das entsprechende Formelglied (R) Si ein neutrales
Silicat ist. Um diesen Unterschied recht augenfällig zu machen,
wollen wir die procentischc Zusammensetzung dieser Formelglieder
für sich berechnen und mit einander vergleichen. Indem wir
hierbei die Analysen XXVII, XXIX, b und XXX zu Grunde
legen, erhalten wir:
Die Formelglieder
(R)3Si
(R) 3 Si
(R) Si
im Glim. d. grauen Gn.
im Glim. d. r o t he
(1 ste Art)
(2 te Art)
(einzige Art)
entsprechen einer
Zusammensetzung
n. An. XXVII
n. An. XXIX, b n. An. XXX
Kieselsäure
30,70
30,47
55,28
Titansäure *)
6,81
4,33
0,67
Eisenoxydul
22,16
26,96
8,09
Manganoxydul 0,45
0,54
Kalkerde
1,00
1,38
0,34
Magnesia
22,60
15,86
2,00
Kali
1,85
8,99
23,73
Natron
6,68
5,13
Wasser
7,75
6,34
9,89
100,00
100,00
100,00
Das Formelglied (R)$ Si unterscheidet sich mithin von (R) Si
nicht bloss
*) Sämmtliche in den Glimmern vorhandene Titansäure wurde als
zum ersten Formelgliede gehörig berechnet.
81
1) dadurch, dass die Kieselsäure in ersterem mit einer drei-
fach grösseren Atommenge Basen verbunden auftritt, als
dies in letzterem der Fall ist, sondern auch
2) dadurch, dass die mit der Kieselsäure verbundenen Basen
sich in beiden Formelgliedern mit ganz verschiedenen
Gewichtsverhältuissen geltend machen. Während (R) 3 Si
wesentlich ein Ei s en o xydul-Magnesia- Silicat ist,
zeigt sich in (R) Si hauptsächlich Kali als vorherr-
schende Base.
Haben wir aber (R) Si der Hauptsache nach als ein neu-
trales, nur wenig eisen- und magnesiahaltiges Kali -Silicat
aufzufassen, so ergiebt sich, dass (R)3 Si wegen seines bedeu-
tenden Mehrgehaltes an Basen und zugleich an schwächeren
Basen eine leichter zersetzbare, namentlich der Einwirkung
von Säuren weit weniger widerstehende Substanz sein muss als
die Verbindung (R) Si.
Ein ähnliches Verhältniss verschiedener Zersetzbarkeit, wie
es diesen Theilen der Glimmersubstanz zukommt, findet auch bei
den Glimmern selbst statt. Sowohl im Glimmer des grauen
Gneuses
m(R)3 Si -f nR Si
als in dem des rothen
(R) Si + & Si
ist mit jenem ersten Formelgiiede das Glied Ü Si verbunden,
durch welches Hinzutreten von drittel-kieselsaurer Thonerde und
Eisenoxyd die gesammte Glimmersubstanz zwar beträchtlich
schwerer zersetzbar wird als ihr entsprechender Theil (R)3 Si
und (R) Si, ohne dass hierdurch aber die relative Zersetzbarkeit
der Glimmer selbst eine erheblich andere würde , als die jener
Theile. Das Verhalten beider Glimmer zu erhitzter Salzsäure
entspricht ganz dieser Annahme. Wenn sich auch keiner der-
selben dadurch vollkommen aufschliessen lässt, so wird doch dem
schwarzen Glimmer des grauen Gneuses — selbst wenn man
ihn nicht fein gerieben, sondern nur in dünnen Blättchen anwen-
det — fast sein ganzer Eisenoxydul- und ein grosser Theil vom
Zeit*, d.d. geol. Ges. XIV. 1. 6
82
Magnesia-Gehalt entzogen, während sich der Glimmer des rothen
Gneuses hierbei kaum verändert.
Die leichtere Zeräetzbarkeit des schwarzen Glimmers wird
zugleich aber auch noch durch die nähere Beschaffenheit des
Gliedes R Si unterstüzt, welche eine andere ist als beim lichten
Glimmer in Bezug auf die relativen Mengen der Thonerde und
des Eisenoxyds. Es enthalten nämlich
die Glimmer des grauen Gneuses
XXVII auf 18 Procent Äl nahe 13 Procent ¥e
XXIX, b „ 18 „ „ 6,3 „ „
der Glimmer des rothen Gneuses
XXX auf 18 Procent AI nahe 2,2 Procent '§&
(nämlich „ 26,3 „ „ „ 3,3 „)
Auf gleiche Thonerdemengen bezogen, enthalten folglich die
Glimmer des grauen Gneuses 3 bis 6 mal so viel Eisenoxyd
als die Glimmer des rothen Gneuses.
Der gesammte Eisengehalt - nebst dem geringen
Mangangehalt — als metallisches Eisen berechnet, beträgt
beim Glimmer des grauen Gneuses
nach Analyse XXVII 16,94 Procent Eisen
„ XXIX, b 16,52 „
beim Glimmer des rothen Gneuses
nach Analyse XXX 5,30 Pröcent Eisen.
Im Glimmer des grauen Gneuses ist nahezu dreimal so viel
Eisen enthalten als in dem des rothen.
Fassen wir alle hier näher nachgewiesenen Unterschiede zu-
sammen, so können wir den grauen Gneus in Bezug auf
seine bei der Gangausfüllung möglicherweise ausgeübte chemi-
sche Wirkung als ein Getein charakterisiren, wel-
ches in seinen 30 Procenten leicht zersetzbarer
und eisenreicher Glimmermasse ein chemisches
Agens besitzt von ungleich grösserer und kräftige-
rer Action auf saure Solutionen, als wir den 10 Pro-
centen schwer zersetzbarer und eisenarmer Glim-
mermasse des rothen Gneuses beimessen können.
83
Doch mit diesem vorläufig gewonnenen Resultate ist die
veredelnde Wirkung des grauen Gneuses auf die Erzgänge noch
nicht erklärt. Wir bedürfen hierzu noch anderweitiger Nach-
weise, namentlich einer näheren Kenntniss dieser Gänge selbst.
Eine nähere Beschreibung der Erzgebirgischen Silbererz-
gänge nach ihren verschiedenen Formationen und Ausfüllungs-
massen zu geben, würde uns allzu weit von unserem eigentli-
chen Zwecke entfernen. Indem ich hierbei auf vorhandenes,
sehr werth volles Material*) verweise, begnüge ich mich folgende
allgemeine Thatsachen anzuführen.
Obwohl das geologische Alter dieser Gänge ein verschie-
denes ist, so fällt die Bildung derselben doch grösstenteils in
die Hauptsteinkohlenperiode, ragt aber bis in die Periode des Roth-
liegenden hinein. Was uns in dieser Beziehung hier allein von Wich-
tigkeit ist, beschränkt sich auf die mit vollkommener Sicherheit con-
statirte Thatsache, dass der Gneus bereits ein längst vollendetes Ge-
bilde war, als die Bildung der Silbererzgänge in ihm seinen Anfang
nahm, und dass hierzu zunächst Spalten Veranlassung gaben, welche
sich sehr allmälig mit Gangmassen ausfüllten. Diese Gangmassen
bestehen aus sogenannten metallischen und nicht metallischen
Mineralien, die in verschiedenen Gängen in sehr* abweichenden
Quantitäts- Verhältnissen auftreten.
An metallischen Mineralien können hauptsächlich unter-
schieden werden: Schwef elmetalle — Eisenkiese, Zinkblende,
Antimonglanz, Kupferkies, Bleiglanz, Silberglanz — Schwefelar-
senmetalle und Schwefelarsen - Schwefelantimonme-
talle — Arsenkies, Fahlerz, lichtes und dunkles Rothgültigerz, Me-
langlanz, Eugenglanz — Arsenmetalle — Speiskobalt, Cloanthit,
Rothnickelkies, Weissnickelkies. Diese letzteren Kobalt- und Nickel-
erze gehören vornehmlich der Schneeberger Gegendan. Gediegen Sil-
ber, welches stellenweise in ausserordentlich grossen Massen gefunden
*) Ich führe hiervon an:
v. Herder, der tiefe Meissner Stölln.
v. Weissenbach, Abbildungen merkwürdiger Gangverhältnisse aus
dem Sächsischen Erzgebirge.
B. Cotta, und Herm. Mueller, Gangstudien oder Beiträge zur Kennt-
niss der Erzgänge.
Von Herrn Obereinfahrer Mueller befinden sich ferner mehrere aus-
gezeichnete schriftliche Arbeiten über Erzgebirgische Gangverhältnisse im
Archive des Freiberger Gang-Comite,
6*
84
wurde, dürfte wenigstens theilweise als ein späteres Gebilde —
namentlich durch Wasserdämpfe aus Glaserz, wie Bischof ge-
zeigt hat zu betrachten sein. Seltnere Mineralien wurden
hier als unwesentlich ganz übergangen. Auch von diesen sind
einige als durch Umbildung entstanden zu betrachten.
Als nichtmetallische Mineralien machen sich be-
sonders geltend: Carbonspäthe — in der ganzen Fülle der
ausserordentlichen Mannigfaltigkeit, wie sie den Mineralogen
durch Breithaupt's scharfe Untersuchungen bekannt geworden;
Ca C, Mg C, Mn C und Fe C in den verschiedensten Verhält-
nissen unter einander verbunden — Flussspath — Schwer-
spath — Quarz. Die Carbonspäthe pflegen die Begleiter der
reichsten Silbererze zu sein.
Dass diese sämmtlichen Mineralien, metallische und nicht-
metallische, auf nassem Wege in die Gangspalten eingeführt und
hier nach und nach krystalliniseh abgesetzt wurden , darüber
möchten gegenwärtig wohl alle Sachverständigen, welche die
Erzgebirgischen Silbererzgänge durch Autopsie näher kennen,
einig sein ; wenn uns zum Theil auch noch die Processe räthsel-
haft erscheinen, durch welche alle diese Stoffe ursprünglich in
Lösung versetzt wurden. Letzteres zu erklären, kann einstwei-
len nur mangelhaft und versuchsweise geschehen.
Am wenigsten Schwierigkeit bietet glücklicherweise die Er-
klärung der so wesentlichen und häufigen Carbonspäthe. Ihre
Masse wurde offenbar grösstentheils aus tiefer liegenden Gesteins-
schichten durch kohlensäurereiches, unter Druck überhitztes Was-
ser extrahirt und in die oberen Gangspalten eingeführt, wo sie,
theils durch Abnahme der Temperatur und des Druckes, theils
aus einer anderen — bald näher zu betrachtenden — Ursache sich
krystalliniseh absetzte. Dass auch Quarz — der im Erzgebirge
hauptsächlich einer besonderen Silbererz-Gangformation angehört
— auf ähnlichem Wege gebildet werden kann, wissen wir durch
Schafhaeuti/s ältere und Daubree's neuere Versuche. Fluss-
spath und Schwerspath können sich aus derartigen Kalk- und
Baryt-Solutionen , wie wir bei den Carbonspäthen postulirten,
dnreh allmäliges Eintreten von Fluorwasserstoff und Schwefel-
säure gebildet haben. Inwieweit überhitztes säurehaltiges Was-
ser auf ihre Masse auflösend wirkt, darüber mangeln noch ge-
nauere Untersuchungen,
85
Was die metallischen Mineralien betrifft, so ist es minde-
stens nicht unwahrscheinlich, dass auch sie ursprünglich auf
eine ganz analoge Weise in Lösung erhalten wurden. Ueber-
hitztes, mit Schwefelwasserstoff übersättigtes Wasser, welches
vielleicht zugleich auch mehr oder weniger Schwefelalkalimetalle
enthielt, vermochte möglicherweise die gesammten Schwefel-,
Schwefelarsen- und Schwefelarsenantimon - Metalle zu lösen und
in mehr oder weniger concentrirter Solution in die oberen Gang-
spalten einzuführen.
In den Gangspalten der Erzgebirgischen Gneuse hat sich
hiernach ursprünglich eine Solution befunden, in welcher kohlen-
saure- und schwefelwasserstoffhaltiges , unter Druck überhitztes
Wasser das solvirende Agens bildete. Dass aber ein solches
Agens auf die Gneuswände der Gänge chemisch einwirken und
nach der Art des Gneuses verschieden einwirken
musste, wird nur weniger nachträglicher Erläuterungen bedürfen,
bei denen wir an die vorhin gegebene chemische Charakteristik
des grauen und rothen Gneuses wieder anknüpfeu.
Der Glimmer des grauen Gneuses, indem er von der über-
schüssigen Kohlensäure der Solution zersetzt und sein Basen-
reichthum — nebst einem entsprechenden Theile der Kieselsäure
— theilweise gelöst wurde, gab zur Bildung neuer Quantitäten
kohlensaurer Salze — besonders Fe C und Mg C — Veran-
lassung; absorbirte dadurch die überschüssige Kohlensäure und
bewirkte den Absatz der auf solche Art ihres Lösungsmittels
beraubten Carbonspäthe. Aber das gebildete kohlensaure Eisen-
oxydul zersetzte sich mit dem Schwefelwasserstoff — und den
vielleicht vorhandenen Schwefelalkalimetallen — und bildete
Schwefeleisen. Aus der nun auch dieses lösenden Stoffes allmä-
lig beraubten Solution der Schwefel-, Schwefelarsen- und Schwe-
felarsenantimon-Metalle wurden diese in dem Maasse präcipitirt,
als der Glimmer des grauen Gneuses zu dieser Schwefeleisen-
— Eisenkies- — Bildung das Material hergab. Am wirksam-
sten, sollte man meinen, mussten sich hierbei diejenigen grauen
Gneuse zeigen, welche den sehr eisenoxydulreichen Glimmer XXIX
enthielten.
Der Glimmer des rothen Gneuses dagegen musste we-
gen seiner nachgewiesenen , ganz anderen chemischen Be-
schaffenheit fast völlig wirkungslos auf eine solche Solution
86
bleiben, und diese geringe Wirkung wurde noch entsprechend
durch seine relativ weit geringere Masse vermindert.
Bei näherer Betrachtung kommt uns aber noch ein physi-
scher Umstand zu Hülfe, der die chemische Function des grauen
Gneuses als Fällungsmittel für die metallischen Mineralien un-
terstützt. Der schwarze Glimmer, das wesentlichste Agens hier-
bei, ist im grauen Gneus lagenweis geordnet. Wenn auch diese
Lagen vielfach von Feldspath und Quarz unterbrochen — durch-
löchert — erscheinen, so findet doch ein sehr weit verzweigtes
Zusammenhängen zwischen den Glimmerpartien einer und der-
selben Lage, ja selbst, durch undulatorische Krümmungen be-
nachbarter Lagen, zwischen den verschiedenen Glimmerlagen statt.
Eine Solution also, welche zersetzend auf den Glimmer einer
Ganggneuswand einwirkte, wurde durch diesen verkettenden Zu-
sammenhang der Glimmermassen tiefer und tiefer in den Gneus
geleitet, ohne dass ihr durch Quarz oder Feldspath der Weg ab-
geschnitten worden wäre.
Anders verhält sich dies beim rothen Gneuse, wo die ge-
ringe Menge des kaum wirksamen Glimmers keine solche , die
Wirkung physisch erhöhende „flaserige" Struktur besitzt. Selbst
diejenigen, weit seltneren rothen Gneuse, welche — wenn auch
hochsilicirte, doch — schwarze, eisenreichere und daher leichter
zersetzbare Glimmer bei sich führen, konnten wegen des isolir-
ten Auftretens ihrer geringen Glimmermenge , kein erheblich
wirksames Fällungs-Agens abgeben. Dahin gehört z. B. der als
Granit auftretende rothe Gneus vom vierten Lichtloche des Roth-
schönberger Stölln (s. Schmelzprobe 14). —
Nach dieser kurzen, aber nothwendigen Abschweifung in das
geologische Gebiet, die zum Theil auf dem schwankenden Steg
der Hypothese geschehen musste, kehren wir wieder zum festen
Lande der analytischen Thatsachen zurück.
Wenn es seine Richtigkeit hat, dass der graue Gneus in
Berührung mit der Gangmassen-Solution chemisch präcipitirend
auf die darin gelösten Stoffe wirkte, so muss natürlich der
Gneus selbst nicht allein die nachgelassenen Spuren einer
solchen zersetzenden Einwirkung in der Nähe der Gänge deut-
lich an sich tragen, sondern diese Spuren müssen auch der Art
sein, dass sie mit dem so eben aufgestellten Erklärungsversuch
in hinreichende Uebereinstimmung gebracht werden können. Da-
mit verhält es sich nun folgendermaassen.
87
Die normale Beschaffenheit des grauen Gneuses zeigt sich
in der Nähe der Erzgänge überall mehr oder weniger verändert.
Der Grad und die Ausdehnung dieser Veränderung sind im All-
gemeinen von der Mächtigkeit der Gänge abhängig. So ist es
wenigstens in der Tiefe der Gruben, wo keine Tagewasser ein-
dringen und nachträgliche Zersetzungen bewirken konnten , die
natürlich ausserhalb unserer Betrachtung liegen. Die veränderte
Beschaffenheit des Gneuses wird dem Auge des Beobachters na-
mentlich durch das fremdartige Aussehn des Glimmers deutlich,
der seine schwarze Farbe vollkommen eingebüsst hat und zu
einer licht-grünlich-grauen, mitunter fast silberweissen, mehr oder
weniger fettglänzenden, talkähnlichen Masse umgewandelt ist.
Bei einem höhern Grade der Zersetzung hat auch der Feldspath
nicht, oder nicht ganz widerstehen können; die gesammte Masse
des Gneuses ist bröcklich und mechanisch leicht theilbar gewor-
den. Stellenweise erreicht die sogenannte „Auflösung" des
Gneuses einen noch höheren Grad. Die Entfernung von der
Gangmasse, bis zu welcher derartige Veränderungen des Gneu-
ses sichtbar sind, geht — je nach der Mächtigkeit der Gang-
trümer und Gänge — von wenigen Zollen bis zu mehreren Fussen,
ja bis über einLachter. In dem durch solche Zersetzung porös
gewordenen Gneus haben sich kleine Partien von Schwefelme-
tallen (Schwefelkies, Blende, Bleiglanz u. s. w.) angesiedelt,
theils isolirt eingesprengt, theils in Aederchen und Trümern, die
man oft bis in die Haupt-Gangmasse verfolgen kann. Besonders
aber scheint sehr fein eingemengter Schwefelkies (Eisenkies)
häufig aufzutreten. Auch wo man denselben kaum noch durch
das Auge oder die Loupe gewahrt, lässt er sich leicht auf che-
mischem Wege nachweisen.
Um nun einen durch die ursprüngliche Gangsolution zer-
setzten Gneus in Betreff seiner wahren chemischen Beschaffen-
heit näher kennen zu lernen, wurde eine genaue Analyse davon
unternommen. Ich wählte hierzu einen Gneus von einem tiefer
liegenden Abbau der Grube Himmelfahrt (aus dem Förstenbau
des Erzengel Stehenden, über der fünften Gezeugstrecke), wo von
einer Einwirkung der Tagewasser nicht die Rede sein konnte,
weder auf die dichte Gangmasse, noch auf den fest damit ver-
wachsenen Gneus. Letzterer hatte das vorher geschilderte ge-
bleichte Aussehn, doch bildete er eine wenn auch leichter als
frischer Gneus zersprengbar- , immer noch ziemlich feste Masse
88
von der charakteristischen Struktur des grauen Gneuses, in wel-
cher der Fettquarz anscheinend fast unverändert geblieben, der
Feldspath aber zu einer glanzlosen amorphen Masse umgewan-
delt worden war. Die chemische Zerlegung ergab folgende pro-
centische Zusammensetzung nach Dr. Rube's und meinen Be-
stimmungen, zu welchen wir das Material aus etwa 10 Pfund
gepulverter Gneusmasse entnahmen.
XXXIV.
Kieselsäure
61,69
Titansäure
0,73
1 nonerde
^1,74
Eisenoxyd
0,43
Kalkerde
1,07
Magnesia
1,15
Kali
2,69
Natron
0,30
Wasser
3,96
Flussspath
1,20
Schwefelkies
4,26
Kupferkies
0,23
Bleiglanz
0,09
Schwefelsilber
Spur
99,54
Aus den Erfahrungen, welche man bei der Zersetzung der
Feldspäthe durch kohlensäurehaltige Wässer gemacht hat, und
wegen der chemisch nachweisbaren vollkommenen Unlöslichkeit
kieselsaurer Thonerde in Solutionen von kohlensaurem und kau-
stischem Alkali muss man schliessen, dass bei der Zersetzung
unseres Gneuses durch die ursprüngliche Gangsolution die Thon-
erde der einzige Bestandtheil war, welcher keine Gewichtsver-
änderung erlitt. Gehen wir daher von der Thonerdemenge als
einer constanten aus, und legen wir dabei die (S. 73) berechnete
Zusammensetzung des grauen Gneuses zu Grunde — welche in
so naher Uebereinstimmung mit den Resultaten der Analysen
steht — so können wir durch einfache Proportionen ermitteln:
1) die Gewichts-Abnahmen (und respective Zunahmen), welche
sämmtliche übrigen Bestandteile erlitten haben, und daraus
89
2) die fortgeführten (und respective aufgenommenen) Gewichts-
mengen dieser Bestandteile. Die Resultate dieser Berechnung
habe ich im Folgenden zusammengestellt.
A.
B.
Normaler
Zersetzter
grauer Gn.
grauer Gn. n.
AnLXXXIV.
Kieselsäure
65,42
38 80
Titansäure
1,05
0,46
Thonerde
13,68
13 68
Eisenoxyd
4,26 «
0,27 \
Eisenoxydul
2,88 1
Kalkerde
1,44 1
18 80 °'6? l
^18>80 0,73 (
Magnesia
2,66 |
Kali
6,18 1
1,70 1
Natron
1,38
0,19 1
Wasser
1,05
2,49
Flusspath
0,76
Schwefelkies Spur
2,68
Kupferkies
Spur
0,15
Bleiglanz
Spur
0,06
Schwefelsilber —
Spur
100,00
62,64
Bei dieser Zersetzung
fortgeführte (-^) und
aufgenommene (-f~)
Bestandtheile
- 26,62
-r- 0,59
3,56
3,99
2,88
0,77
1,93
4,48
1,19
+ 1,44
+ 0,76
+ 2,68
+ 0,15
+ 0,06
+ Spur
42,45
5,09
15,24
37,36
100,00
Aus Columne C ersieht man, dass ausser der in bedeuten-
der Menge fortgeführten Kieselsäure (nebst Titansäure) folgende
wesentliche Veränderungen des normalen grauen Gneuses bei
seiner Zersetzung durch die ursprüngliche Gangsolution vor sich
gegangen sind.
1) Von der Gesammtmenge der im normalen grauen
Gneuse ausser Thonerde vorhandenen fixen Basen
= 18,80 Procent wurden 15,24 Procent fortgeführt. Im
90
Verhältniss zu den ursprünglich vorhandenen fixen Ba-
sen sind also 7^™-, das sind = 81,1 Procent dieser
lo,oU
Basen fortgeführt oder doch ihren ursprünglichen Ver-
bindungen entzogen worden. Da sich dies auf einen
Gneus bezieht, der keinesweges zu den meist zersetzten
gehörte, so erreicht der Basenverlust unzweifelhaft mit-
unter eine noch bedeutendere Höhe.
2) Ganz besonders macht sich diese Wirkung bei den Oxy-
den des Eisens geltend. Von 4,26 Procent Eisenoxyd
( — 3,83 Fe ) und 2,88 Procent Eisenoxydul (zusammen
(— 6,71 Fe) sind nicht weniger als 3,99 Procent Eisen-
oxyd ( p 3,59 Fe) und die sämmtlichen 2,88 Procent
Eisenoxydul (zusammen e= 6,47 Fe) entfuhrt worden.
Im Verhältniss zu den ursprünglich vorhandenen Eisen-
6 47
oxyden wurden daher • ' = 96,5 Procent der ge-
o, ( 1
sammten Menge des oxydirten Eisens fortgeführt.
3) Der Wassergehalt ist von 1,04 Procent auf 2,49 Procent
gestiegen , was von der Bildung wasserhaltiger Silicate,
wie Kaolin und dergleichen herrührt.
4) An Schwefelmetallen sind im Ganzen 2,89 Procent nebst
einer Spur Schwefelsilber aufgenommen worden. Davon
bildet der aus dem Eisengehalt des schwarzen Glimmers
gebildete Schwefelkies die Hauptmasse. Er hat sich un-
regelmässig im zersetzten Gneuse angesiedelt und sich
zum Theil in die den Gneus durchsetzenden Gangtrümer
und Aederchen gezogen. Jedenfalls hätte die Analyse
einen noch beträchtlich höheren Gehalt an Schwefelkies
ergeben, wenn nicht beim Aussuchen der Gneusstücke
absichtlich alle solche Partien zurückgelassen worden wä-
ren, in denen grössere Mengen Schwefelkies sichtbar
waren.
5) Die ebenfalls aufgenommenen 0,76 Procent Flussspath
sind aus einem nur annähernd bestimmten Fluorgehalt be-
rechnet worden, der wahrscheinlich etwas zu gering gefun-
den wurde. Möglicherweise ist auch die übrige Kalkerde,
91
0,67 Procent, zum Theil oder ganz als fein eingespreng-
ter Flussspath vorhanden.
Es bedarf keines weiteren Nachweises, dass alle diese, aus
der Beschaffenheit des zersetzten grauen Gneuses ableitbaren Re-
sultate auf das Vollkommenste mit meinen oben ausgesprochenen
Ansichten harmoniren , nach welchen der graue Gneus
durch seinen schwarzen Glimmer pr ä ci pi ti r e n d
auf die Erzmassen der Gänge gewirkt hat. —
Man könnte sich durch diese von Thatsachen unterstützte
Theorie der Erzbildung und Erzvertheilung auf Gängen zu einer
weiteren Verfolgung derselben angeregt fühlen , wenn uns dies
nicht über die vorgesteckten Grenzen unserer Aufgabe hinaus
führen würde. Ohne daher auf die innere Architektur der Erz-
gebirgischen, und in specie der Freiberger Silbererzgänge näher
eingehen zu können, mögen hier wenigstens einige darauf bezüg-
liche allgemeine Bemerkungen ihren Platz finden.
Die Solutionen der nichtmetallischen und der metallischen
Mineralien scheinen in manchen Gängen gleichzeitig, in anderen
zu verschiedenen Zeiten, mitunter in mehrfachen Abwechselungen
eingeführt worden zu sein. Dass bei der Präcipitation beider
Arten von Mineralien nicht immer neue entsprechende Mengen
des schwarzen Glimmers zersetzt zu werden brauchten, sondern dass
hierbei auch — und oft wohl vorzugsweise — die an den Gang-
wänden bereits früher abgesetzten Mineralien von grossem Ein-
fluss waren, liegt auf der Hand. Allein da letztere ihren Ab-
satz jenem Glimmer verdankten, so bleibt es immer dieser Ge-
mengtheil des grauen Gneuses, dem wir eine Hauptrolle bei der
Präcipitation der Erzmassen zuschreiben müssen ; möge er sich
nun dabei direkt oder indirekt betheiligt haben. — Will man
durch die Leuchte der Theorie die überaus mannigfaltigen Er-
scheinungen der Freiberger Erzgänge einer rationellen Erklä-
rung zugänglich machen, so ist hierbei endlich nicht ausser Acht
zu lassen, dass viele dieser Gänge, theils durch eindringende
Tagewasser, theils durch neuere Quellenwirkungen, sehr we-
sentlichen und weit um sich greifenden Umbildungen unterwor-
fen gewesen sind, die leider oftmals nichts weniger als eine Ver-
edelung des Inhalts zur Folge hatten.
Wir haben bei diesen Versuchen die gangveredelnde Eigen-
schaft des grauen Gneuses im Gegensatz zum rothen Gneuse zu
92
motiviren ein Hülfsmittel noch unbeachtet gelassen, zu welchem
man früher, in der Noth der Erklärung, mehrfach seine Zuflucht
genommen hat. Ich meine die elektrischen und galvanischen
Strömungen. Dass solche Strömungen auf Gängen existiren, ist
unter andern durch Herrn Oberbergrath Reich*) für Freiber-
ger Gänge nachgewiesen worden; und ich hatte früher selbst
Gelegenheit, mich in Gegenwart des genannten umsichtigen For-
schers davon zu überzeugen. Ob dieselben aber auch während
der Zeit der Gangausfüllung vorhanden waren , und ob sie sol-
chenfalls eine wesentliche Rolle hierbei spielten , ist bisher eine
offene Frage geblieben. Selbst wenn wir ihr damaliges Vorhan-
densein annehmen, fehlt uns noch Manches, um uns ihre präci-
pitirende Wirkung auf die Gangsolution klar zu machen. Wir
wollen uns daher nicht von Neuem ins Gebiet der Hypothesen
wagen, da es diesmal weniger verbürgt sein dürfte glücklich
wieder heraus zu kommen. Nur so viel mag hier angedeutet
werden, dass, wenn derartige Strömungen vom Seitengestein aus
auf die ursprüngliche Solution in den Gangspalten wirkten, der
graue Gneus — wegen seines in viel grösserer Menge vorhan-
denen metallreichen und durch eigentümliche Struktur verkette-
ten Glimmers — hierbei möglicherweise ein besserer Leiter war
als der rothe Gneus. Vielleicht hat neben dem Eisenreichthum
auch der hohe Titangehalt des schwarzen Glimmer mitgewirkt.
Der Gesammtgehalt an Titan, Eisen und Mangan, wenn diese
Metalle als reducirte in Rechnung gebracht werden, beträgt beim
Glimmer des grauen Gneuses etwa 18 Procent, beim Glimmer
des rothen noch nicht 6 Procent. Auch könnte man eine Un-
terstützung dieses Leitungsvermögens noch darin finden, dass,
wie oben (s. Anal I, a, IV und VI) angeführt wurde, im grauen
Gneuse kleine Mengen von Schwefelmetallen fein eingesprengt
vorzukommen pflegen, die zwar auch im rothen Gneuse spuren-
weis, aber jedenfalls in noch geringerer Menge angetroffen wur-
den. Der als Granit auftretende rothe Gneus von Altenberg
(s. Anal. XII), welcher keine Silbererz-, sondern Zinnsteingänge
enthält, kann hierbei nicht in Betracht kommen. —
Fassen wir bei unserm Erklärungsversuch einstweilen vor-
zugsweise die nachgewiesene, rein chemische — basische — Wir-
*) Ueber elektrische Strömungen auf Erzgängen. Karsten und
v. Dechen's Archiv, Bd. 14, S. 141.
93
kung des grauen Gneuses ins Auge, so liegt es nahe, uns nach
anderen Beispielen umzusehen, welche in den Kreis unserer Un-
tersuchungen gezogen werden können und unsere Theorie ent-
weder unterstützen oder ihr widersprechen. In dieser Beziehung
verdanke ich den reichen praktischen Erfahrungen der Herren
Oberbergrath v. Warksdorff und Obereinfahrer Mi) eller fol-
gende Mittheilungen :
Veredelnd wie der graue Gneus wirken auf durchsetzende
Silbererzgänge im Erzgebirge ausserdem noch: Grünsteine
und Gabbro (überhaupt Hornblende- und Augitgesteine) ; ferner
Kalksteine.
Verunedelnd wie der rothe Gneus, wirken hierbei:
Glimmerschiefer, Thons chiefer, anscheinend und wahr-
scheinlich auch Porphyre, Granit und Quarzit; doch lie-
gen im Ganzen nur wenige Beispiele vor, wo man Erzgänge
innerhalb dieser drei letzteren Gesteine beobachten konnte.
Die veredelnde Wirkung der eisenreichen basischen Horn-
blende- und Augitgesteine steht im vollkommenen Einklänge
mit unserer Theorie ; ebenso die der Kalksteine, welche oft eisen-
schüssig sind, und in denen Gehalte an kohlensaurem Eisenoxy-
dul und Manganoxydul nicht zu fehlen pflegen.
Die verunedelnde Wirkung des Glimmerschiefers kann bloss
im ersten Augenblicke befremden. Der Glimmerschiefer, aus
Quarz und Glimmer bestehend, kann wohl nur hochsilicir-
ten Glimmer, wie wir ihn im rothen Gneuse antreffen, enthalten.
Dass dieser zugleich eisen arm ist, wird durch seine lichte, oft
sogar silberweisse Farbe bewiesen.
Aehnlich mag es sich mit dem hier in Betracht kommenden
Thonschiefer des Erzgebirges verhalten. Zu einer genaueren
Kenntniss seiner chemischen Constitution werden wir durch die
beabsichtigte Fortsetzung der vorliegenden Arbeit gelangen.
Dass Porphyre, Granit und Quarzit , wenn nicht ganz besondere
Nebenumstände dabei stattfinden, sich in ihrer verunedelnden
Wirkung dem rothen Gneuse anschliessen müssen, ist selbstver-
ständlich.
Obgleich unsere Ansichten durch diese weitere Prüfung
nicht erschüttert wurden, ja selbst an wichtigen Belegen für ihre
Richtigkeit gewannen , so will ich mir keinesweges verhehlen,
dass wir uns stets innerhalb des Sächsischen Erzgebirges bewegt
haben. Wenn auch nun dieses Gebirge, sowohl in Bezug auf
94
die ausserordentliche Menge und Mannigfaltigkeit der darin auf-
setzenden Erzgänge, als in Bezug auf Betriebsleitung des Berg-
baues und genaue Kenntniss der geognostischen Verhältnisse,
so zu sagen ein klassisches Gebirge genannt zu werden verdient,
so kann dies doch nicht dazu berechtigen, unserer Theorie eine
allgemeine Gültigkeit beizulegen; ja es lässt sich a priori sehlie-
ssen, dass sie dieselbe schwerlich besitzen kann. Denn unleug-
bar sind noch mancherlei andere chemische und physische Um-
stände denkbar, welche bei der Erzausfüllung der Gänge eine
wesentliche Rolle spielen konnten und nach bergmännischen Er-
fahrungen wirklich gespielt haben. Wenn die Erzmassen aller
Erzgänge als durch das Seitengestein präcipitirt zu betrachten
wären, wie könnte man solchenfalls z. B. in der grossen Quar-
zitformation von Tellemarken in Norwegen zahlreiche Gänge mit
Kupfererzen (Buntkupfererz, Kupferkies, Kupferglanz, zum Theil
begleitet von Molybdänglanz) antreffen? Im Jahre 1844 hatte
ich Gelegenheit, diesen Erzdistrikt theilweise zu bereisen und
habe eine kurze Beschreibung meiner hierbei gesammelten Er-
fahrungen veröffentlicht.*) Allerdings kommen in diesem Quarzit
Hornblendegesteine eingelagert vor, und die Kupfererzgänge
scheinen meistens an diese gebunden ; doch fehlt es auch nicht
an Beispielen, wo derartige präcipitirende Massen nicht unmittel-
bar als Nebengesteine der Gänge beobachtet werden konnten.
Noch weniger aber dürfte das eigenthümliche Vorkommen der
kupferglanzführenden Granitgänge in Sätersdalen **) zu den Fäl-
len gehören, welche sich unserer Theorie ohne Weiteres unter-
ordnen. Dagegen scheinen die berühmten Kongsberger Silber-
erzgänge, wenigstens theilweise, ihren Silberreichthum ähnlichen
chemischen und physischen Wirkungen zu verdanken, wie sie
hier in Betracht gezogen wurden.
J. Die chemische und geologische Bedeutung des
Wassergehaltes der Glimmer im grauen, rothen und
mittleren Gneuse.
Die Analysen XXVII bis XXXIII haben ergeben, dass so-
wohl die Glimmer des grauen, als die des rothen und mittleren
*) Resultater af en mineralogisk Reise i Teilemarken 1844. Nyt
Magazin for Naturvidenskaberne, Bd. 4, S. 405 bis 432.
**) Ebend. S. 411 bis 416.
95
Gneuses wasserhaltig sind. Durch anhaltendes stärkeres Glühen
wird dieser 3,48 bis 4,79 Procent betragende Wassergehalt aus-
getrieben, besonders wenn der Glimmer vorher fein gerieben
wurde. Erhitzt man ihn in Form von grösseren Blättchen, so
entweicht das Wasser erheblich schwerer und lässt sich kaum
zum vollständigen Entweichen bringen, wenigstens bei Anwen-
dung einer gewöhnlichen Spiritus-Gebläselampe. Jede geglühte
Glimmer-Lamelle, welche ihren Wassergehalt ganz oder auch nur
theilweise verlor, hat ihre Durchsichtigkeit — und in Folge
davon ihre optischen Eigenschaften — eingebüsst; sie ist nun-
mehr ein zersetztes chemisches Produkt, welches eines seiner
chemischen Bestandteile beraubt wurde und dadurch auch ver-
änderte physische Eigenschaften annehmen musste. Dass alle
diese Glimmer frei von einem Fluorgehalte sind, habe ich be-
reits früher bemerkt.
Wollte man die 3,48 bis 4,79 Procent Wasser in unseren
Glimmern als sogenanntes Hydratwasser betrachten, so würde
man sich vergeblich bemühen, einigermaassen wahrscheinliche
chemische Formeln für diese Mineralien ausfindig zu machen.
Es bleibt daher nichts übrig, als auch das Wasser als eine Base
zu betrachten. Wie ich früher durch zahlreiche Beispiele dar-
gethan habe, ist man solchenfalls berechtigt 3 Atome Wasser
als polymer-isomorph *) mit 1 Atom einer fixen Base, wie Mag-
nesia, Eisenoxydul, Manganoxydul u. s. w. in Anschlag zu brin-
gen. Daraus folgt, dass man bei der Sauerstoff-Berechnung der
Analyse den dritten Theil vom Sauerstoff des Wassers zum
Sauerstoff der fixen Basen R addiren muss.**) Ein solches
Verfahren wurde bereits oben bei Berechnung der Sauerstoff-
Verhältnisse sämmtlicher Glimmer XXVII bis XXXIII ange-
wendet. Die höchst einfachen und dabei keine andere Deutung
zulassenden Zahlen-Resultate sprechen so klar und scharf für
meine Theorie, dass es überflüssig sein würde, weitere Bemer-
kungen hierüber zu machen.
Glimmer, welche ganz dieselbe oder doch eine verwandte
*) Artikel: Isomorphismus, polymerer, in v. Liebig, Woeh-
ler u. Poggendorff's Handwörterbuch der Chemie. Auch als besonde-
rer Abdruck bei Vieweg in Brauuschweig 1850 erschienen.
**) Die durch das basische Wasser vermehrten Basen bezeichne ich
zum Unterschiede von den wasserfreien Basen R durch Einklammerung,
also durch (B),
96
chemische Constitution besitzen, wie die beiden schwarzen Glim-
mer des grauen Gneuses
(R) 3 Si + R Si*
und 2(R)3 Si + 3R Si
allgemein =m(R)3Si -f- nR Si — (a)
oder wie der lichte Glimmer des rothen Gneuses
(R) Si -f R Si
allgemein vielleicht == m (R) Si + n R Si — — — (ß)
kommen unzweifelhaft auch in vielen anderen Gesteinen vor.
Es fragt sich, in wie weit bereits vorhandene Analysen hierüber
Aufschluss geben ? Ehe wir jedoch in dieser Absicht die zahl-
reichen Glimmer-Analysen durchmustern, welche sich in Dana's
Mineralogy und in Rammelsberg's Handbuch der Mineralche-
mie zusammengestellt finden, müssen wir einige Umstände in Be-
tracht ziehen, welche leider den hierbei aus den Arbeiten ande-
rer Forscher zu ziehenden Nutzen sehr beeinträchtigen. Zunächst
ist bei allen älteren Analysen zu erwägen, dass die zur Bestim-
mung der Kieselsäure, Trennung der Magnesia von der Thon-
erde, Abscheidung des Manganoxyduls u. s. w. angewendeten
Methoden mehr oder weniger mangelhaft waren ; was jedoch in
manchen Fällen wohl keine sehr erheblichen Fehler nach sich
zog. Demnächst hat man bei nur wenigen Glimmer-Analysen
auf die so häufig nebeneinander auftretenden beiden Oxyda-
tionsstufen des Eisens Rücksicht genommen. Dies macht leider
eine sehr grosse Anzahl dieser Analysen, trotzdem manche der-
selben von anerkannten Meistern herrühren, für unseren Zweck
völlig unbrauchbar. Ausserdem wurden die für gewisse Klassen
von Glimmern anscheinend charakteristischen Titansäuremengen
— im Glimmer des rothen Gneuses nur unbedeutend, in dem
des mittleren sich auf 0,99 bis 1,72 Procent belaufend, in dem
des grauen Gneuses aber 2,47 bis 3,16 Procent erreichend —
so gut wie gänzlich übersehen. Ferner mussten die Wasserge-
halts-Bestimmungen — angenommen selbst, dass man sie, was
selten der Fall, mit der nöthigen Sorgfalt vornahm — bei allen
denjenigen Glimmern unrichtig ausfallen , bei welchen man die
Oxydationsstufen des Eisens (und Mangans) nicht näher bestimmte.
Endlich kommt noch hinzu, dass viele der analysirten Glimmer
fluorhaltig waren, mehrere in sehr bedeutendem Grade, wodurch
sich die Schwierigkeiten der Analyse erhöhten und leicht Fehler bei
der Bestimmung einiger der andern Bestandtheile entstehen konnten.
97
Begeben wir un9 jetzt mit der durch diese Umstände ge-
botenen Vorsicht an die Sichtung des anscheinend so reichen
Materials. Wir finden in dem RAMMELSBKRG'schen Handbuch
nicht weniger als 73 Analysen angeführt, welche sich auf
56 Arten von Glimmern verschiedener Zusammensetzung und
Fundstätten beziehen. Widmen wir einer jeden der drei che-
mischen Hauptklassen dieser Glimmer — Magnesia-, Kali- und
Lithion-Glimmer — eine besondere Betrachtung.
Magnesia-Glimmer. Es stehen uns davon in dem ge-
nannten Werke 31 Analysen 25 verschiedener Glimmer mit
Wassergehalten bis zu 4,30 Procent zu Gebote. Da aber nur
bei 5 dieser Analysen (No 11, 13, 16, 24 und 25) Eisenoxyd
und Eisenoxydul näher bestimmt wurden, und da ausserdem
3 Analysen (No. 1 , a, b , c) eisenfreier Glimmer vorkommen,
so bieten sich vorläufig 8 Analysen als brauchbar für unseren
Zweck der Vergleichung. Von den letzteren 3 muss aber eine
Analyse (No. l,a) als offenbar ungenau ausgeschieden werden, da sie
sich auf einen Glimmer von dunkelgelbbrauner Farbe bezieht, in wel-
chem nichtsdestoweniger ausser einer Spur Eisen keine färbenden
metallischen Bestandteile angegeben werden. Folglich bleiben uns
im Ganzen 7 Analysen für unsere weiteren Betrachtungen. Dies
sind folgende:
(a)
(b)
(c)
m
(e)
(0
(g)
Kieselsäure
40,36
40,36
41,20
41,00
42,12
41,22
39,44
Titansäure
Thonerde
16,45
16,08
12,37
16,88
12,33
13,92
9,27
Eisenoxyd
Spur
Spur
6,03
4,50
10,38
21,31
35,78
Eisenoxydul
3,48
5,05
9,36
5,03
1,45
Manganoxydul —
1,50
1,09
2,57
Magnesia
29,55
30,25
19,03
18,86
16,15
4,70
3,29
Kalkerde
1,63
2,58
0,75
Kali
7,23
6,07
7,94
8,76
8,58
6,05
5,06
Natron
4,94
4,39
1,28*) —
1,40
Wasser
0,95
2,65
2,90
4,30
1,07
0,90
?
Fluor
Spur
Spur
1,06
Spur
1,58
0,29
99,48
99,80
98,64
99,35
100,49
99,78
97,90
(No.l,b) (l,c)
(11)
(13)
(16)
(24)
(25)
*) Ausserdem 0,22 Procent Lithion, was bei der Summe 98,64 in
Rechnung gebracht ist.
Zeits. d. d. geol. Ges. XiV. 1 7
98
Keine dieser Analysen giebt Titansäure an, obgleich es doch
sehr wahrscheinlich ist, dass derartige Glimmer — besonders
die eisenreichen — titanhaltig sind. Die Analysen (c) und (g)
zeigen etwas starke Verluste, 1 ,36 und 2,10 Procent. Bei
letzterer fehlt die Angabe des Wassergehaltes ; vielleicht lassen
sich also diese fehlenden 2,10 Procent als Wasser betrachten.
Die 7 Analysen (a) bis (g) beziehen sich auf folgende Glimmer.
(a) Farbloser silberglänzender Glimmer von St. Lawrence,
New-York; nach Craw.
(b) Ein ähnlicher Glimmer von daher; nach Demselben.
(c) Glimmer aus dem Glimmerporphyr (Minette) von Ser-
vance in den Vogesen ; nach Delesse. Er ist theils von brau-
ner, theils von grünlicher Farbe.
(d) Glimmer von Karosulik, Grönland; nach v. Kobell.
(e) Glimmer von Miask, Ural; nach Demselben. Von braun-
schwarzer Farbe.
(f) Glimmer aus dem Protogin der Alpen ; nach Delesse.
Dunkelgrün. Durch Salzsäure vollständig zersetzbar.
(g) Glimmer von Abborforss, Finnland; nach Svanberg.
Als Sauerstoff- und Atom-Verhältnisse dieser Glimmer er-
geben sich nach den angeführten Analysen die folgenden. Zu-
gleich wurden die nach meiner Theorie daraus ableitbaren For-
meln dabei gesetzt und mit den Formeln (a) und (ß) der Glim-
mer des grauen und rothen Gneuses, wie sie so eben (S. 96)
angeführt wurden , verglichen.
Si : '& : (ß)
(a) Sauerstoff gefunden 20,96 : 7,69 : 14,59
„ berechnet 21 : 7 : 14 = 3:1:2
Atome = 3:1:6
Formel = 2 (ß) 3 Si + R Si wie (a)
(b) Sauerstoff gefunden 20,96 : 7,52 : 15,03
Wohl mit dem vorigen identisch — — — wie (a)
(c) Sauerstoff gefunden 21,39 : 7,59 : 11,83
berechnet 22 : 7,33 : 11 = 6:2:3
Atome — 6:2:9
Formel = (R) 9 Si 4 + 2 R Si
99
(d) Sauerstoff gefunden 21,29 : 9,23 : 11,41
berechnet 21,29 : 8,52 : 12,77 ^ 5:2:3
Atome — 5:2:9
Formel =? 3 (R)3 Si + 2 R Si wie (a)
Si : R : (R)
(e) Sauerstoff gefunden 21,87 : 9,10 : 10,31
„ berechnet 21,8:8,75 : ? = 5:2:?
(f) Sauerstoff gefunden 21,42 : 12,89 : 5,55
berechnet 21,42 : 12,24 : 6,12 = 7:4:2
Atome = 7:4:6
Formel = 3 (R)2 Si + 4 R Si
(g) Sauerstoff gefunden 20,48 : 15,06 : 3,28
berechnet 20 16 : 4? = 5:4:1?
Hiernach hat es Wahrscheinlichkeit, dass die Glimmer (a), (b)^
(d) eine chemische Constitution besitzen, welche der des schwarzen
Glimmers im grauen Gneuse verwandt ist. Mit Sicherheit lässt
sich jedoch hierüber nur durch, neue Analysen entscheiden , bei
welchen man Fehler zu vermeiden sucht, über die uns unsere
fortgeschrittenen Erfahrungen leicht hinweghelfen , während es
früher mehr oder weniger unvermeidlich war sie zu begehen.
Vor etwa drei Jahren veranlasste ich Herrn Achille De-
france in meinem Laboratorium einen schwarzen Glimmer
aus der Gegend von Brevig zu analysiren *) , welcher in
einer Varietät des Norwegischen Zirkonsyenits in grossen
Krystallen vorkommt, die mitunter mehrere Zoll. Länge und über
zwei fZoll Durchmesser besitzen. Das Resultat der Analyse
war folgendes:
•) Jahrbuch für den Berg- und Hüttenmann. 1861. S. 264.
7*
100
Sauerstoff :
Kalkerde
Magnesia
Kali
Natron
Wasser
Eisenoxydul
Manganoxydul
Titansäure
Thonerde
Eisenoxyd
Kieselsäure
35,93 18,65 j
0,99*) 0,40 }
10,98 5,13 j
9,82 2,94 j
26,93 5,98 \
0,72 0,16 J
1,04 0,30/
5,13 2,05 \
0,24 0,04 [
5,18 1,33 \
4,30 (3,83- 1,28 ]
19,05
11,14
8,07
19,21
101,26
Das Sauerstoff- Verhältniss Si -f Ti : R + (R) = 19,05 : 19,21
zeigt, dass der Sauerstoff der Säuren gleich ist dem Sauerstoff
der Basen, und dass folglich dieser Glimmer die chemische Con-
stitution des schwarzen Glimmers im grauen Gneuse besitzt, wie
dieselbe durch die allgemeine Formel (a) ausgedrückt wird. Da
sich der Sauerstoff der Basen R zum Sauerstoff der Basen (R)
wie 8,07 : 11,14, annähernd wie 2 : 3, verhält, so ist wohl die
specielle Formel dieses Glimmers
Sauerstoff- Verhältniss :
Si : R : (R)
nach der Analyse 19,05 : 8,07 : 11,14
berechnet nach der Formel 19,05 : 7,62 : 11,43
Einen ähnlichen schwarzen Glimmer aus dem Zirkonsyenit
derselben Gegend, aber von einer andern Localität, welche durch
das Vorkommen ausgezeichnet schönen Astrophyllits bekannt ist,
habe ich vor Kurzem selbst analysirt. Auch dieser schliesst
sich in seiner chemischen Zusammensetzung — bei welcher sich
ein Titansäuregehalt von fast 4,25 Procent herausstellte — sehr
nahe der chemischeu Constitution des schwarzen Glimmers im
grauen Gneuse an. Da aber seine Zusammensetzung zugleich
3 (R)3 Si + 2 R Si
— — wie (a)
*) Diese Titansäuremenge dürfte etwas zu gering sein.
101
mit der des Astrophyllits und der eines begleitenden grünen
Pyroxens in verwandtschaftlicher Beziehung steht, so behalte ich
mir die Mittheilung dieser Analyse bis zur Publication einer
Abhandlung über den Astrophyllit und seine Begleiter vor.
K a 1 i - G 1 i m m e r. Im vorgenannten Werke finden wir
25 Analysen von 22 derartigen Glimmern, mit Wassergehalten
bis zu 5,69 Procent angeführt. Bei keiner einzigen derselben
wurde auf die Oxydationsstufen des Eisens Rücksicht genommen;
das Eisen wird, wo es vorhanden, durchgängig als Oxyd in
Rechnung gebracht. Da sich inzwischen drei dieser Analysen
auf eisenfreie Glimmer beziehen, so können wir diese wenigstens
frei von einem solchen Mangel betrachten (No. 10, 15 u. 20).
00
(0
(k)
Kieselsäure
49,97
48,07
46,75
Titansäure
Thonerde
32,72
38,41
39,20
Magnesia
1,25
1,02
Kalkerde
0,39
Kali
7,91
10,10
6,56
Natron
2,89
Wasser
4,46
3,42
4,90
Chlor
0,14
99,34
100,00
98,82
(No.10)
(15)
(20)
(h) Weisser Glimmer von Monroe, Nord - Amerika; nach
Brewer.
(i) Weisser Glimmer von Zsidovacz, Ungarn; nach Kussin.
(k) Weisser Glimmer von Unionsville, Pennsylvanien ; nach
Darrack.
Die Sauerstoff- und Atom-Verhältnisse dieser Glimmer nebst
entsprechenden Formeln gestalten sich folgendermaassen :
Si : & : (R)
(h) Sauerstoff gefunden 25,94 : 15,30 : 3,91
„ berechnet 25,94 : 15,56 : 3,46 = 5:3:}
Atome == 5:3:2
Formel = 2 (R) Si + 3 K Si wie (ß)
102
(i) Sauerstoff gefunden 24,95 : 17,95 : 2,72
„ berechnet 24,95 : 16,63 : 2,77 3= 9:6:1
Atome ?f 3:2: 1
Formel kt (R) Si + 2 £ Si wie (ß)
(k) Sauerstoff gefunden 24,27 : 18,33 : 3,05
„ berechnet 24,27 : 18,20 : 3,03 =8:6:1
Atome =8:6:3
Formel = (R)s Si2 + 6 R Si
Die Formeln der Glimmer (h) und (i) scheinen sich mit-
hin der Formel des lichten Glimmers im rothen Gneuse anzu-
schliessen.
Lithion-Glimmer. Von den im gedachten Werke auf-
gestellten 17 Analysen 9 verschiedener Glimmer mit nur gerin-
gen, höchstens 1 ,53 Procent betragenden Wassergehalten (was
die Lithion-Glimmer zu charakterisiren scheint) sind 8 Analysen
wegen Nichtbeachtung der Oxydationsstufen des Eisens für un-
seren Zweck unbrauchbar, 4 Analysen aber wegen anderer, sich
daran kundgebender analytischer Mängel auszuschliessen, so dass
uns für Anstellung unserer Vergleiche nur folgende 5 Analysen
übrig bleiben (No. l,e, 5c, d, 6 u. 8),
(1)
(m)
(n)
(0)
(P)
Kieselsäure
46,52
52,40
51,70
50,91
50,35
Thonerde
26,76
28,17
28,30
21,81
26,80
Eisenoxyd
4,68
Manganoxyde
1,66
1,29
1,20
1,37
Eisenoxydul
6,80
Manganoxydul
1,96
Magnesia
0,44
0,24
Kalkerde
0.40
Kali
9,09
9,14
10,29
9,50
9,04
Natron
0,39»
1,15
Lithion
1,27
4,85
1,27
5,67
5,49
Fluor *)
7,47
4,18
7,12
3,90
4,94
Phosphorsäure
0,13
0,16
100,56 99,03 100,38 99,35 99,49
(No.l,e) (5,c) (5,d) (6) (8)
*) Das Fluor wurde als ein gleiches Aequivalent Sauerstoff vertre-
tend angenommen.
103
(1) Lithionglimmer von Zinnwald im Sächsischen Erzge-
birge; nach Ramiyielsbf.kg.
(m) Lepidolith von Rozena, Mähren; nach Regnault.
(n) Lepidolith von ebendaher; nach Rammelsberg.
(o) Lithionglimmer von Utö, Schweden; nach Turner.
(p) Lithionglimmer vom Ural ; nach Turner.
Die Sauerstoff- und Atom-Verhältnisse nebst entsprechenden
Formeln dieser Glimmer sind:
Si R R
(1) Sauerstoff gefunden 24,15 : 11,60 : 4,44
berechnet 24,15 : 12,07 : 4,02 = 6:3:1
Atome =2:1:1
Formel = R Si + R Si wie (ß)
(m) Sauerstoff gefunden 27,21 : 13,03 : 4,22
„ berechnet 27,21 : 13,60 : 4,53 = 6:3:1
Atome = 2:1:1
Formel = R Si + R Si — wie (ß)
(n) Sauerstoff gefunden 26,84 : 12,88 : 2,95
„ berechnet 26,84 : 13,42 : 3,35 = 8:4:1
Atome =8:4:3
Formel = R3 Si4 +4R Si
(o) Sauerstoff gefunden 26,43 : 12,35 : 4,73
„ berechnet 26,43 : 13,22 : 4,41 =6:3:1
Atome =2:1:1
Formel = R Si + R Si wie (ß)
(p) Sauerstoff gefunden 26,14 : 13,63 : 4,56
„ berechnet 26,14 : 13,07 : 4,36= 6:3:1
Atome =2:1:1
Formel R Si + R Si — wie (ß)
Wir treffen mithin bei diesen Lithionglimmern ganz dieselbe
Form an wie bei dem Glimmer des rothen Gneuses, nur mit
dem — diese Thatsache um so interessanter und wichtiger
machenden — Unterschiede, dass die Lithionglimmer wasser-
frei sind, während der Glimmer des rothen Gneuses wasserhal-
tig ist. Die in letzterem nachgewiesenen 4,40 bis 4,79 Procent
104
Wasser (s. Anal. XXX u. XXXI) vertreten darin gewisser-
maassen das Lithion.
Dass das in der oben angegebenen Weise stattfindende
Auftreten des Wassers als eine mit R polymer-iso-
morphe Base nicht bloss für vereinzelte Fälle gilt, sondern
sich bei vielen Silicaten plutonischer Entstehung geltend macht,
habe ich für folgende Mineralien durch die dabei citirten ge-
nauen Analysen bewiesen :
1) Aspasiolith mit 6,73 Procent Wasser. (Ueber eine
eigentümliche Art der Isomorphie. welche eine ausge-
dehnte Rolle im. Mineralreiche spielt; Poggendorff's
Annalen Bd. 68. S. 319 bis 375 — Beschreibung der
Fundstätten des Aspasiolithes und Cordierites in der Um-
gegend von Krageröe; von Leonhard u. Bronn's Jahr-
. - buch, 1846. S. 798 bis 813.)
2) Serpentin mit 12,61 Procent H. (Ebendaselbst in
Pogg. Ann. — Artikel: Olivin, in v. Liebig, Poggen-
dorff, Woehler und Kolbe's Handwörterbuch der
Chemie). Eine neue Reihe von Serpentin - Analysen,
welche bereits seit Jahren vollendet ist und zu deren
Veröffentlichung ich nächster Zeit Müsse zu finden hoffe,
wird das Auftreten des basischen Wassers im Serpentin
(Ophit) mit noch grösserer Schärfe erweisen, als es durch
die früheren, zum Theil mangelhaften Analysen geschehen
konnte.
3) Talk -Silicate mit 2,15 bis 9,83 Procent Ü. (Die
chemische Constitution der Talke und verwandter Mine-
ralien — krystallisirte Talke von amphibolitischer
und augitischer Constitution, Talk-Di al lag, kry-
stallisirter Talk von Pressnitz (neutrales Hydro-Talk-
silicat) u. s. w. Beiträge zur näheren Kenntniss des
polymeren Isomorphismus. Pogg. Ann. Bd. 84, S. 321
bis 410>
4) Epidot mit 2,02 bis 2,46 Procent H. (Beiträge zur nä-
heren Kenntniss des polymeren Isomorphismus , zweite
Fortsetzung, im Verein mit Herrn Bergrath Stockar-
Escher in Zürich und meinem früheren Assistenten
Professor Richter; Pogg. Ann. Bd. 95, S. 497 bis 520.
— Bemerkungen über die chemische Constitution der
105
Epidote und Idokrase; Verhandlungen der K. Gesellsch.
der Wissensch, zu Leipzig, math.-phys. Klasse. 1858.
S. 165 bis 172.)
5) Vesuvian, mit 0 — 2,73 Procent H. Der Vesuvian
von Vilui enthält 0 Procent, derdes Vesuvs 1,67 Pro-
cent H. (Beiträge zur näheren Kenntniss u. s. w. in
Pogg. Ann. Bd. 95, S. 520 bis 533. — Nachtrag zu
dieser Abhandlung ebendaselbst S. 615 bis 620.)
6) Tr av e r s ellit, ein wasserhaltiger A ugit mit 3,69 Pro-
cent H. (Ueber den Traversellit (3,69 Procent H) und seine
Begleiter — Pyrgom (0 Procent H), Epidot (2,06 Pro-
cent H), Granat (0 Procent H) — ein neuer Beitrag zur
Beantwortung der plutonischen Frage; Verhandlungen d.
K. Gesellsch. d. Wissensch, zu Leipzig, math.-phys. Kl.
1858, S 91 bis 108).
7) Hornblende des Norwegischen Zirkonsyenits mit 1,85
Procent H. (Ueber die chemische Zusammensetzung der
Hornblende des Norwegischen Zirkonsyenits, nach einigen
_ vom Russ. Capitain v. Kovanko in meinem Laborato-
rium angestellten Analysen; Erdmann's Journal, Bd. 65,
S. 341 bis 345.)
8) Nephelin mit 0,21 bis 2,05 Procent H. (Nach meinen
früheren Analysen vesuvischer , russischer und norwegi-
scher Nepheline, berechnet in Liebig, Poggendorff,
Woehler und Kolbe's Handwörterbuch der Chemie,
Artikel: Polyargit.)
9) Pechstein, grüner, rother und schwarzer, von Meissen
und Spechtshausen (nach 7 von verschiedenen meiner
ehemaligen akademischen Schüler in meinem Laborato-
rium vorgenommenen Analysen, welche Wassergehalte von
5,15 bis 6,37 Procent ergaben; Liebig, Poggendürff,
Woehler und Kolbe's Handwörterbuch der Chemie,
Artikel : Pechstein.)
Zu diesen Mineralien kommen jetzt
10) Glimmer des Erzgebirgischen grauen, rothen und mitt-
leren Gneuses, sowie des Norwegischen Zirkonsyenits,
mit 4,40 bis 4,79 Procent H und 4,30 Procent H.
Ferner habe ich durch Berechnungen, bei welchen die Ana-
lysen anderer Forscher zu Grunde gelegt wurden, dargethan,
106
dass basisches Wasser, als polymer-isomorpher Vertreter der
fixen Basen R, ausserdem noch in sehr vielen anderen Minera-
lien enthalten ist, von denen ich hier beispielsweise die folgen-
den anführe:
11) Feldspäthe. l) — Diploit (2 Proc. Wasser enthaltend)
ist ein Labrador, in welchem basisches Wasser auf-
tritt — Polyargit (5| Proc. Ö) und Roselan (6 j Proc. H)
sind ±= Amphodelith (lj- Proc. M) — Bytownit
(2 Proc. H), Felsit von Siebenlehn (1} Proc. Ü) und
Vosgit (3f Proc. H) sind = Thj or sau it (0 Proc. H) —
Labrador von Belfahy, Morea, Bötzen und Tyveholm
(f bis 2| Proc. H) — Saccharit (2{ Proc. M) und An-
desin a. d. Vogesen (i± Proc. H) -= Andesin a. d. An-
den (0 Proc. H) — Linseit (7 Proc. H) = Lepolith
(i | Proc. H).
12) Viele Amphibole und Augite2) (Mit Wassergehal-
ten bis zu 3 Proc. und darüber, und zwar nicht bloss
Dia 1 läge und Broncite, sondern auch Strahl-
steine, gemeine Hornblenden und Augite. Fer-
ner Kroky dol ith 3) (4 bis 5£ Proc. Ö), Thomson's
Stellit (6,1 Proc. Ö), Kirwanit (4,35 Proc. U) und Stel-
lit (0,2 bis 2,7 Proc. H) = Pektolith4) 3,9 bis
5,1 Proc. H.) —
13) Pinite und verwandte Mineralien 5) mit 3,8 bis
7,8 Proc. H. (Cordierit, Aspasiolith, Gigantolith, Fah-
lunit, Praseolith, Chlorophyllit).
14) Polyargit0) mit 0,2 bis 6,5 Proc. H). — Ampho-
') Artikel: Oligoklas in Liebig, Poggendorff, Woehler u. Külrk's
Handwörterbuch der Chemie.
'*) Einige Bemerkungen über die chemische Constitution der Am-
phibole und Augite, besonders in Bezug auf Rammelsberg's neueste Ana-
lysen hierher gehöriger Species. Berichte d. K Gesellsch. d. Wissenschaf-
ten zu Leipzig, math.-phys. Klasse. 1858, S. 109 bis 1"23; auch in Pogg.
Ann. abgedruckt. — Eine ältere Abhandlung hierüber : Ueber die che-
mische Constitution der Augite, Amphibole und verwandter Mineralien,
in Pogg. Ann. Bd. 70, S. 545 bis 554.
3) Pogg. Ann. Bd. 91, S. 382.
") bis '') Betreffende Artikel in dem schon öfter citirten Handwör-
terbuche der Chemie.
107
delith (0,60 bis 1,85 Proc. H), Polyargit (4.9 b. 5,8 H)
u.Rosit (6,5 Proc.fi) =Nephelin (0,2 bis 2,1 Pro-
cent H).
15) C h 1 or i t und verwandte Mineralien7) mit 10,5 bis
12,5 Proc. H, (Ripidolith, Thuringit, Pennin).
16) Pyrosklerit, 8) (11 Proc. H) und C ho n ikrit (9 Pro-
cent fi).
17) Phonolith ) (3,3 bis 5 Proc. fi).
18) Schillerspath 1 °) (12.1 bis 12,4 Proc. H).
19) Glimmer. ") Auch von mehreren Glimmern hatte
ich bereits in meiner ältesten Abhandlung über diesen
Gegenstand nachgewiesen, dass ihre chemische Zusam-
mensetzung sich durch einfache Formeln ausdrücken
lässt, sobald man das darin vorhandene Wasser als po-
lymer-isomorph mit R betrachtet. Hierbei blieb aber
mehr oder weniger Unsicherheit in Betreff der Oxyda-
tionsstufen des Eisens. Doch hat es jedenfalls viel Wahr-
scheinlichkeit, dass die Glimmer, von Monroe (nach
v. Kobell), Abborforss und Sala (nach Svakberg) die
allgemeine Formel des schwarzen Glimmers im grauen
Gneuse besitzen, während der Glimmer von Broddbo (nach
Svanberg) sich dem Glimmer des rothen Gneuses an-
schliesst.
Nachdem durch solche Thatsachen die chemische Rolle
constatirt ist, welche das Wasser in zahlreichen Mineralien spielt,
und zwar in Mineralien , welche wir vorzugsweise als Gemeng-
theile k rys t allin i s c h er S il i catgest ein e — sowohl erup-
tiver als metamorpher Art — antreffen, wird diesem so
lange verkannten und theilweise ganz übersehenen Bestandtheile
seine geologische Rolle von selbst angewiesen. Das Was-
ser — gleich Magnesia, Eisenoxydul, Manganoxydul, Kalkerde,
7) Artikel: Penn in in demselben Werke.
8) und '') Betreffende Artikel daselbst.
10) und ,J) Ueber eine eigentümliche Art der Isomorphie, welche
eine ausgedehnte Rolle im Mineralreiche spielt. Pogg. Ann. Bd. 68,
S. 319 bis 383.
108
Kali, Natron und Lithion — als Base in Silicaten auftre-
tend muss bei der Bildung sowohl dieser Silicate
als der betreffenden Siiicatgesteine zugegen ge-
wesen sein, und dadurch einen chemischen und phy-
sischen Einfluss auf den gesammten Akt ihrer Ge-
nesis ausgeübt haben. Ein solcher Schluss bewegt sich
ganz innerhalb des legalen Weges 'der exacten Wissenschaft:
seine Prämissen sind die durch Zahlen ausdrückbaren Ergebnisse
genauer Analysen. Gegen das Schlagende eines solchen Bewei-
ses und das Treffende dieses Schlusses kann man einzig und
allein durch gleiche exacte Waffen anzukämpfen, nicht aber
dadurch sich zu decken suchen , dass man , wie zum Theil ge-
schehen ist, das Wasser auch dieser primitiven Silicate —
die scharf zu unterscheiden sind von Afterbildungen und
ähnlichen Zersetzungs-Producten *) — als einen post festum ein-
gewanderten Bestandtheil verdächtigt. Obwohl dieses Verfahren
für jeden exacten Forscher von Fach, der meinen Arbeiten nur
einigermaassen Aufmerksamkeit geschenkt hat, bloss den Werth
einer Schein-Parade haben kann, will ich auch einen solchen
modus procedendi nicht unbeachtet lassen. Ich will mir hier-
bei zunächst die Frage erlauben: was ist naturgemässer und
einer strengen wissenschaftlichen Schlussfolge entsprechender,
entweder 1) das Wasser, welches wir in natürlich vorkommen-
den chemischen Verbindungen, wie z. B. Epidot,
Idokras und Glimmer, als einen chemischen Be-
standtheil finden , der darin das Fehlende fixer
Basen K ersetzt , für einen ursprünglichen
Bestandtheil dieser Silicate zu erklären,
oder 2) dieses Wasser für später infiltrirtes aus-
zugeben, und demselben damit die — für meh-
rere solcher Silicate von mir speciell hervor-
gehobene — unbegreifliche Function
aufzubürden, Gesteinsschichten zu durchdringen,
ohne von diesem Gewaltakte irgend eine er-
kennbare Spur zurückzulassen, welche sich
*) Man sehe meine „Bemerkungen und Beobachtungen über After-
krystalle," besonderer Abdruck aus dem Handwörterbuche der Chemie;
Braunschweig, Vieweg, 1857.
109
durch chemische Veränderung unmittelbar be-
nachbarter und zum Theil weit leichter zersetz-
barer Silicate manifestirte oder welche wenig-
stens irgendwo den Ort erkennen liess, wo sich
die durch solches Wasser entführten Basen
Mg, Fe, Mn, Ca u. s. w. gegenwärtig auf-
halten ?
Wer sich für Bejahung des ersten Theiles unserer Frage
entscheidet, fasst die Verhältnisse in der Natur de facto auf.
Wer dem zweiten Theile derselben beipflichtet, bekennt sich da-
mit als Anhänger einer Hypothese der kühnsten Art, welche
jedes unterstützenden Anhaltens ermangelnd rein in der Luft
schwebt, und hat nachträglich nach Beweisen für eine bis dahin
gänzlich unmotivirte Behauptung zu suchen.
Was jene — wie ich für mehrere solche Silicate speciell
nachgewiesen habe — rein unbegreifliche Function des so
wunderbar infiltrirten Wassers betrifft, so mache ich hier darauf
aufmerksam, dass ich den Nachweis ihrer Irrthümlichkeit durch
ältere Arbeiten geführt habe für folgende Mineralien : Aspasio-
lith*) Serpentin (Ophit),**) Epidot,***) Idokras (Ve-
suv ian),f) Travel* s elli t. ff) Vom Nep heiin und der
Hornblende des Norwegischen iSirkonsyenits gelten dieselben
*) Beschreibung der Fundstätten des Aspasiolithes und Cordierites in
der Umgegend von Krageröe; von Leonhard u. Bronn's Jahrbuch. 1846.
S. 798 bis 813.
**) Artikel: Oliv in im Handwörterbuch der Chemie. Dass die che-
mische Masse des Serpentins — (f&j3 Si, ausser in der ihr ur-
sprünglich zukommenden Form des Olivins R3 Si, auch
pseudomorph auftreten kann und wirklich auftritt, ist vollkommen
sachgemäss. Aber der letztere Fall beeinträchtigt den ersteren nicht im
mindesten. Für ein Auftreten beiderlei Art von einer und derselben Mine-
ralsubstanz stehen ja die zahlreichsten Beispiele zu Gebote. Ich erinnere
hierbei nur an den kr yst a 11 i s i rt e n Talk von Tyrol und anderer
Fundstätten, welcher, wie ich auf das Schärfste dargethan
habe (Pogg. Ann. Bd. 84, S 340 bis 351 uud S. 358 bis 361) ganz
dieselbe chemische Verbindung
(R)Si + (R)3 Si*
ist, wie der Speckstein sämmtlicher Arten der bekannten Wunsiedler
Pseudomorphosen.
***) Pogg. Ann. Bd. 95, S. 497 bis 533.
f) Ebend. u. S. 615 bis 620.
ff) Berichte d. K, Ges, d Wissensch, z, Leipzig. 1858, S. 91 bis 108.
110
Beweise wie für den Spreustein (Natrolith)*) dieser Ge-
birgsart ; ebenso vom Glimmer derselben.
Dazu kommt nun der durch die vorliegende Arbeit so um-
fassend geführte Nachweis in Betreff der Glimmer des grauen,
rothen und mittleren Erzgebirgischen Gneuses. Es ist nament-
lich gezeigt worden: 1) dass der graue Gneus seinen Wasser-
gehalt von etwas über 1 Procent einzig und allein dem ihm
eigentümlichen schwarzen Glimmer verdankt, dessen Wasserge-
halt sich auf 3,48 bis 4,40 Procent beläuft; 2) dass dieser
Wassergehalt des grauen Gneuses innerhalb eines über viele
Quadratmeilen ausgedehnten Gebietes und bis. zu einer Tiefe
von 1700 Fuss unter der Erdoberfläche sich überall sehr nahe
gleich bleibt. Daraus folgt mit grösster Schärfe: dass der Glim-
mer in diesem ausgedehnten mächtigen Gneusmassive überall
nahe 3,48 bis 4,40 Procent Wasser enthalten muss. Dieses
für infiltrirt zu erklären — abgesehen davon, dass dadurch seine
chemische Rolle, als polymer-isomorphe , R vertretende Base,
nicht im mindesten angefochten werden könnte — würde dem-
nach so viel heissen , als unser gewaltiges compactes Gneus-
stück für einen Schwamm zu halten , durch welchen sich fort-
während ein Wasserstrom bewegt, der auslaugend und gewisser-
maassen durststillend auf den Glimmer wirkt, den Feldspath
aber unbeachtet zur Seite liegen lässt.
Inzwischen ist der Wunderglaube mancher orthodoxen For-
scher so gross, dass ich mir keinesweges schmeicheln darf, ihn
selbst durch solche Thatsachen wankend gemacht zu haben.
Darum will ich, für andere Forscher vielleicht zum grossen
Ueberfluss, auch noch Beweise anderer Art beibringen, deren
Richtigkeit eben so klar am Tage liegt, ja noch leichter aufge-
fasst werden kann, da sich ein jeder Sachverständige durch ein-
fache und wenig zeitraubende Versuche davon zu überzeugen
vermag.
Behalten wir hierbei vorzugsweise die Mineralien Epidot,
Idokras und Glimmer im Auge, und fixiren wir davon einzelne
auf- oder eingewachsene Krystalle. Angenommen, das Wasser
sei, contra jus in thesi, in einen solchen ursprünglich wasser-
*) Pogg. Ann. Bd. 89, S. 26 bis 38, Bd. 91, S. 385 bis 387,
Bd. 93, S 95 bis 99.
111
freien Kryslall von aussen her allmälig eingedrungen; angenom-
men selbst, es habe dasselbe hierbei nicht das lästige Geschäft
gehabt, fixe Basen ohne nachgelassene Spur zu entfernen , son-
dern es habe sich einfach parasitisch in einem solchen Krystall
angesiedelt, so müsste es doch ein beispielloser Zufall sein, dass
alle Krystalle der Art, auch die grössten , bis in ihr Innerstes,
vom Wasser vollständig und gleich mässig durchdrungen
sind. Wären sie es nicht, so würde die Beobachtung uns sehr
leicht hiervon Kenntniss geben. Denn die wasserfreie Masse des
Epidots, Idokrases und Glimmers muss notwendigerweise andere
physische Eigenschaften besitzen , als die später gebildete was-
serhaltige. Glanz, Härte und optische Eigenschaften
irgend eines ausgezeichneten dieser Krystalle sind aber
durch dieganze Masse desselben vollkommengleich-
artig und einem Krystall - 1 n di v id u u m entsprechend. Na-
mentlich an den überaus reinen und schönen Krys*tallen der von
mir untersuchten Epidote und Idokrase — von denen ich einige
Exemplare an meinen hochverehrten Freund IYIitscherlich gab,
und von deren Wassergehalt sich Magnus durch besondere Ver-
suche überzeugt hat — konnte ich mich von dieser vollkom-
menen Homogenität ihrer Masse überzeugen, indem ich
geschliffene Platten derselben, sowohl an ihren — den Contouren
des Krystalls entsprechenden — Rändern als an inneren Stellen
und in der Mitte mikroskopisch und im polarisirten Lichte prüfte.
Wer trotz dieser gleichmässigen Vertheilung des Wassergehaltes,
solche Krystalle für durch Wasseraufnahme veränderte hält, er-
klärt sie für Pseudomorphosen, welche alle Eigenschaften origi-
naler Krystall-Individuen besitzen! Wie ist es dann aber bei
dieser wunderbaren Neigung ursprünglich wasserfreier Epidot-
und Idokras-Krystalle sich mit infiltrirtem Wasser zu verbinden
für den Chemiker begreiflich , dass die in einer porösen Thon-
masse, unmittelbar neben den Zersetzungsresten eines anderen
Minerals — der grossen tetiaedrischen Krystalle des Achtaragdits
— eingebetteten, bekannten IdokrasevonVilui: keine Spur
von Wasser aufgenommen haben, während die schönen Ido-
krase von Ala in Piemont, von Eger in Norwegen, ja selbst
die des Vesuvs wasserhat ig sind?*) Was die Infiltrations-
Hypothese auch bei höchster Anstrengung ihrer Spannkraft und
*) S. die oben über Idokras (Vesuvian) citirten Abhandlungen.
112
Dehnbarkeit nicht zu erklären vermag, erklärt sich bei der Theo-
rie des polymeren Isomorphismus ganz von selbst. Das Was-
ser wurde, als eine mit R isomorphe Base , in derartigen Sili-
caten nur in dem Falle und in dem Maasse aufgenom-
men, wo und in welchem Grade es an den fixen Basen
R mangelte. Aus diesem Grunde treffen wir auch z. B. den
Cordierit im glimmerreichen Gneuse von Tvedestrand oder in
fast reinen Magnesiaglimmermassen von Krageröe stets ohne
Begleitung von Aspasiolith (Cordierit, in welchem ein Theil der
Magnesia durch Wasser vertreten ist), während in den quarz-
reichen Granitgängen und in den reinen Quarzzonen des Kra.
geröer Gneuses — wo also ein offenbarer Mangel an fixen Ba-
sen stattfinden musste - Cordierit und Aspasiolith stets bei ein-
ander vorkommen.*) Ja, durch eine zahlreiche Suite dieser an
Ort und Stelle von mir gesammelten Mineralien kann ich es
nachweisen, dass der Cordierit stets da in Aspasiolith übergeht,
wo letzterer durch eine grössere Quarzpartie unmittelbar be-
rührt wird. —
Somit kann nun wohl nicht bloss die chemische, son-
dern auch die geologische Rolle, welche ich für das Was-
ser bei der Bildung eruptiver und m e ta raor ph er Silicat-
gesteine in Anspruch nehme, für eine durch zahlreiche — im
Laufe von 20 Jahren ermittelte — Thatsachen begründete
angesehen werden.
Hiernach sind wir in specie berechtigt , dem Wassergehalte
des grauen, rothen und mittleren Gneuses eine chemische und
geologische Bedeutung beizulegen, welche diese Gesteine als plu-
tonische Gebilde hinstellt.
K. Der Plutonismus im Allgemeinen und die plu-
tonische Entstehung der Erzgebirgischen Gneuse
im Besonderen.
Derartige Thatsachen , wie sie im vorigen Abschnitt zur An-
schauung gebracht wurden, waren es, welche die Umrisse einer
plu tonischen Theorie**) in mir hervorriefen, bei welcher hohe
*) S. die oben citirte Abhandlung in v. Leonhard u. Bronn's Jahrb.
**) Discussion sur la nature plutonique du granite et des Silicates
cristallins qui s'y rallient; Bull. d. 1 Soc. geol. d. France, '2 ser. T. 4,
p. 468 bis 496; T. 6, p. 644 bis 654 und T. 8, p. 500 bis 509.
113
Temperatur und Wasser — unter entsprechendem Druck — in
vereinter Thätigkeit angenommen wurden ; im Gegensatze zu
einer rein feurigen, vulkanischen, und einer rein wässerigen,
neptunischen Theorie. Meine Ansichten, welche sich des
Beifalls eines Elte de Beaumont und eines Naumann zu er-
freuen hatten, habe ich seitdem durch fortgesetzte Studien weiter
zu prüfen und zu begründen gesucht. In meinem Paramorphis-
mus*) trat ich mit neuen wesentlichen Stützpunkten dafür auf;
darunter das Vorkommen paramorpher Krystalle — oder, wie
sie Haidinger so treffend benannt hat „Paläo-Krystalle" — in
plutonischen Gesteinen: Natrolith nach Paläo-Natrolith (Spreu-
stein, in äusserer monoklinoedrischer Form); Amphibol oder Augit
nach Paläo- Amphibol (G. Rose's Uralit); Felsit nach Paläo-
Felsit (Feldspäthe in äusserer Skapolithform) ; Epidot nach Pa-
läo-Epidot; Cyanit nach Paläo -Cyanit (Cyanit in äusserer An-
dalusitform) ; Serpentin nach Paläo-Serpentin (Serpentin in äusse-
rer Olivinform), Aspasiolith nach Paläo-Aspasiolith (Aspasiolith
in äusserer Cordieritform) und andere. Da mehrere dieser in
granitischen und gneusartigen Gesteinen vorkommenden paramor-
phen Gebilde wasserhaltig, ja wasserreich sind — von welchem
Wassergehalte, wie ich zeigte,**) eben ihr paramorpher Zustand
vorzugsweise herrühren dürfte — so wurde dadurch eine zwie-
fache Stütze des plutonischen Gebäudes gewonnen. Eine ganz
besondere Aufmerksamkeit widmete ich dem Vorkommen der
paramorphen Natrolith - (Spreustein-) Krystalle . im Norwegischen
Zirkonsyenit, welche ich gegen Verdächtigungen einer pseudo-
morphen Bildung zu vertheidigen hatte.***)
Eine plutonische Theorie, wenn sie auch ihr Beobachtungs-
feld zunächst nur innerhalb der Eruptiv-Gesteine findet, kann
nicht lange anstehen diese Grenzen zu überschreiten, und auch
auf die Wirkungen Rücksicht zu nehmen, welche plutonische
Eruptivmassen auf sedimentäre Gesteine ausgeübt haben. Mit
anderen Worten : Plutonismus und Metamorphismus bedingen ein-
ander gegenseitig; keiner kann den anderen ausschliessen. Auf-
gefordert durch den Herrn Prof. Delesse, mich über seine Un-
*) Der Paramorphismus und seine Bedeutung in der Chemie, Mine-
ralogie und Geologie. Braunschweig, Vieweg, 1854,
**) Ebendaselbst S. 55 bis 62.
***) Loc. cit.
Zeits, d.d. geirl.Ges. XIV. 1. 8
114
tersuchungen der krystallinischen Kalksteine im Gneuse der Vo-
gesen in Bezug auf analoge Norwegische Verhältnisse auszu-
sprechen, erhielt ich eine willkommene Gelegenheit, meine Be-
obachtungen und Ansichten über den metamorphirenden Einfluss
eruptiver Granite auf sedimentäre Kalkstein- und Thonschiefer-
schichten mitzutheilen. *) Wir sehen hier geschichtete verstei-
nerungsführende Gebilde im Contakte mit dem durchbrechenden
Granit physisch und chemisch umgewandelt, und eine Menge
krystallisirter Mineralien als Contakt-Produkte in ihnen entwik-
kelt. Die ganze Erscheinung ist der Art, dass sie uns auf die-
selben geologischen Haupt- Agenden zurückführt, die wir auch
bei den Gebilden von direkt-plutonischer Entstehung annehmen
mussten: hohe Temperatur, Wasser und Druck.
Theils innerhalb der plutonischen Eruptiv-Massen selbst,
theils — und vorzugsweise — in den dadurch metamorphirten,
krystallinisch gewordenen Kalksteinen und Kalkthonschiefern,
mitten unter den darin entwickelten krystallinischen Mineralien,
treffen wir die höchst eigentümlichen Krystallgebilde an, welche
ich unter dem Namen der P er i m or phos e n **) in die Wissen-
schaft eingeführt habe. Durch vieljähriges Nachforschen und
Sammeln dieser Gebilde — worunter auch ausgezeichnete Pe-
rimorphosen aus vesuvischen Eruptivgesteinen und aus einem
Freiberger Schmelzofen — bin ich in den Besitz einer sehr
zahlreichen und instruktiven Suite derselben gelangt, welche Herr
Dr. Keibel vor einigen Jahren zu einem Gegenstande eifrigen
Studiums machte. Alle diese Perimorphosen, von denen ich bis-
her nur einen verhältnissmässig sehr kleinen Theil beschrie-
ben habe, legen ein ebenso unzweideutiges Zeugniss für die plu-
tonischen Agentien des Metamorphismus ab, wie diejenigen Pa-
ramorphosen, welche in metamorphen Gesteinen vorkommen. —
Unsere Hauptschlüsse, welche wir aus solchen Thatbestän-
den der Natur, wie sie sich innerhalb älterer — eruptiver
und metamorpher — krystallinischer Gesteine manifestiren, in
streng logischer Weise gezogen haben, erfreuen sich zugleich
einer wichtigen Bestätigung durch Analogie. PoulettScrope***)
*) Diese Zeitschrift Bd. 4, S. 31 bis 46.
• **) Artikel: Afterkrystalle im Handwörterbuch der Chemie. Im
besonderen Abdruck desselben S. 34 bis 36.
***) On thc formation of craters and the nature of liquidity of lavas.
Philosophical Mag. August, 1857. p.. 128.
115
der gründliche Forscher im Gebiete neuerer vulkanischer
Gebilde, ist von diesen ausgehend in Betreff einer gleichzeiti-
gen Wärme- und Wasser-Wirkung unter hohem Druck zu ganz
denselben Resultaten gelangt , wie die von uns aus der Beschaf-
fenheit jener plutonischen Gesteine entwickelten. Auch im In-
nern vulkanischer tieerde der gegenwärtigen Zeit ist keinesweges
das Feuer allein thätig; auch hier herrscht noch die alte ur-
weltliche Trias der Kräfte, nur mit dem Unterschiede, dass sie
einerseits auf Massen von anderer — mehr basischer — chemi-
scher Constitution einwirkt, und dass andererseits diese Massen,
sobald sie eruptiv werden, nicht unter hinreichendem Drucke zu
erstarren pflegen, um in ihnen grössere Wassermengen chemisch
zurückzuhalten. Dennoch ist es, wie ich gezeigt habe, den Ido-
kraskrystallen des Vesuvs möglich gewesen 1,67 Proc. Wasser zu
binden.
Es blieb mithin für die zu solcher Macht gelangte Beweis-
kraft der plutonischen Theorie und des ihr annexirten Metamor-
phismus gewissermaassen nur noch Eins zu erreichen übrig: die
a posteriori ermittelte Bildung von krystallinischen Silicaten und
Silicatgesteinen unter gleichzeitiger Feuer- und Wasser-Wirkung
durch das Experiment ad oculos zu demonstriren. Ueber die
Anstellung derartiger Versuche habe ich mich in früheren
Schriften mehrfach ausgesprochen. Beispielsweise will ich hier
eine Stelle aus meinem Paramorphismus (S. 125 u. f.) citiren,
an welcher es, nachdem ich von einem solchen Experimente im
Allgemeinen gesprochen habe, heisst:
„Wir sind aber bereits im Besitze mehrerer Thatsachen,
welche jene unsere Grundansicht — die wir unmittelbar aus der
Beschaffenheit des Urgebirges selbst entnahmen — auch
auf experimentellem Wege rechtfertigen. Von solchen
Thatsachen mögen hier besonders folgende hervorgehoben werden.
Schafhaeutl*) hat durch Versuche dargethan, dass das
Wasser bei einer über seinen Kochpunkt gesteigerten Tempera-
tur und entsprechendem Drucke (im Papinianischen Topfe) Kie-
selsäure aufzulösen vermag, und dass sich aus einer solchen So-
lution bei eintretender Erkaltung und Druckabnahme Krystalle
von Kieselsäure (Quarz) absetzen.
*) Münchner gelehrte Anzeigen, 1845, April, S. 557 bis 596.
8*
116
Nach Woehler's bekannten Versuchen löst sich der Apo-
phyllit bei einer Temperatur von 180 bis 190 Grad und einem
Drucke von 10 bis 12 Atmosphären vollständig in Wasser auf.
Ferner hat uns Woehler*) zwei sehr interessante Bei-
spiele von dem wesentlichen Einflüsse gegeben , welchen der
Druck auf die chemische Verwandtschaft ausübt, indem er zeigte,
dass Chlorhydrat und Schwefelwasserstoffhydrat , zwei bei ge-
wöhnlichem Atmosphärendrucke gar nicht existirende Verbin-
dungen , durch künstlich erhöhten Druck hervorgerufen werden
können.
Endlich müssen wir hier nochmals des Neolith-Vorkommens
in der Aslakgrube bei Arendal**) gedenken, und zwar als eines
Experimentes , welches die Natur gewissermaassen vor unsern
Augen anstellt. Aus den betreffenden — von mir ausführlich
studirten und beschriebenen — Thatsachen geht hervor, dass
dieser Neolith ein wasserhaltiges Silicat von der chemischen
Constitution
(E)' [Si2]
— also ein wasserhaltiger Augit (4,04 bis 6,28 Proc. H) —
durch die Einwirkung eines unter starkem Druck befindlichen
Wassers auf ein augitisches Gestein gebildet wird, und dass
sich dasselbe an den Orten aus seiner Solution krystallinisch
ausscheidet, wo letztere diesem Drucke nicht mehr ausgesetzt
ist. ***)
Woehler's Versuch in Betreff der Löslichkeit des Apophyl-
lits in Wasser von 180 bis 190 Grad ist von grosser Wichtig-
keit. Schon seit Jahren habe ich den Plan zu einer weiteren
Verfolgung dieses Gegenstandes entworfen, ohne bisher Zeit und
Gelegenheit zur Ausführung desselben finden zu können. Eine
*) Ann. der Chemie und Pharm. Bd. 85, S 374.
**) Ueber den Neolith, ein Mineral jüngster Bildung; Pogg. Ann.
Bd. 71, S. 285 bis 297 u Bd. 73, S. 180 bis 181.
***) Zugleich giebt uns das Vorkommen und die Bildung des Neolithes
ein überaus instructives Beispiel von der mächtigen zersetzenden
Wirkung des infiltrirten Wassers auf Gesteine — in welche
es wirklich eindringt; im widersprechendsten Gegensatze zu den
völlig unnachweisbaren Spuren , welche es in Gesteinen zurückgelassen
hat, in die es angeblich (s. S. 85 bis 87) eingedrungen sein soll.
Ferner sehe man hierüber in meinem „der Paramorphismus u. s. w,"
S. 62 bis 68.
117
Schwierigkeit hierbei, welche nur durch einen erheblichen Kosten-
aufwand zu beseitigen sein dürfte, besteht in der Herstellung
eines Apparates , in welchem Wasser — ohne Gefahr für den
Experimentator — bis zu einer beträchtlich hohen Temperatur
erhitzt werden kann."
Alle Schwierigkeiten eines solchen gefahrvollen Experimen-
tes sind nun bekanntlich in neuerer Zeit durch Daubree glück-
lich besiegt worden. In einem dazu construirten eisernen Appa-
rate ist es ihm gelungen, Wasser bis fast zum Glühen zu er-
hitzen, und in solchem überhitzten Wasser nicht allein Quarz-
krystalle, sondern auch verschiedene krystallinische Silicate
— wie Feldspath, Diopsid, Wollastonit, ein zeolith-
artiges Mineral und hexagonale Pailletten eines Silicates,
welches ein Glimmer oder Chlorit zu sein schien — künst-
lich darzustellen. Es wäre überflüssig, hier auf die allen Fach-
männern hinlänglich bekannten Versuche näher einzugehen,
welche uns der geschickte Experimentator in seiner Schrift:
Etudes et experiences synthetiques sur le metamorphisme et sur
la formation des roches cristallines, Paris 1860, beschrieben hat.
Ich habe diese gelungenen Versuche mit der lebhaftesten Freude
begrüsst, da sie die von mir aus der Beschaffenheit sowohl der
eruptiv als der metamorph plutonischen Gesteine gezogenen
Schlüsse in so vollkommener Weise bestätigen. Allein so hoch
ich den Werth dieser Versuche stelle, vermag ich auch gegen-
wärtig nicht mich in anderer Weise darüber zu äussern, als ich
es zu einer Zeit gethan habe,*) zu welcher ich den ersten Be-
richt über dieselben erhielt. Ich sagte an der citirten Stelle:
„Während eine genaue Analysis der krystallinischen Sili-
catgesteine — sowohl in Betreff ihrer geognostischen und che-
mischen Beziehungen — zur Aufstellung der plutonischen Theo-
rie nöth igten, hat sich die Naturgemässheit derselben in
neuester Zeit nun auch durch die Synthesis bewährt. Die
chemische und physische Möglichkeit einer künstlichen plu-
tonischen Bildung gewisser Silicate, die früher bereits von mir
hervorgehoben und mit Beispielen erläutert wurde, ist durch
Daubree's Versuche zur erfreulichsten Gewissheit geworden.
Bekanntlich ist es diesem Chemiker gelungen, in einem bis zu
*) Berichte der K. Gesellschaft der Wissenschaft zu Leipzig. 1858.
S. 107 bis 108.
118
etwa 400 Grad erhitzten Wasser Feldspath, Quarz, Wollastonit
u. s. w. zu erzeugen. Allerdings kann Feldspath, wie wir wis-
sen, auch auf rein feurigem — und nach Becquerel vielleicht
sogar auch auf rein nassem — Wege dargestellt werden; allein
dass weder eine rein vulkanische, noch eine rein neptunische
Bildung desselben innerhalb der krystallischen Silicat-
ge st eine stattgefunden hat, dafür sprechen eben die (aus der
Natur selbst entnommenen) zahlreichen und gewichtigen Stütz-
punkte der plu tonischen Theorie.u -
Solche aus der Natur — aus dem geognostischen, minera-
logischen und chemischen Studium der betreffenden krystallini-
schen Gesteine und ihrer Gemengtheile — entnommene Stütz-
punkte glaubt denn natürlich auch Daubree keinesweges ent-
behren zu können. Er ist weit davon entfernt eine Theorie des
Metamorphismus ex machina zu construiren, und entnimmt seine
Beweise für den plutonischen Bildungsakt metamorpher Gesteine
aus ihrer petrographischen , oryktognostischen und chemischen
Beschaffenheit und aus den gebildeten Contaktprodukten. Ausser
hoher Temperatur, Wasser und Druck nimmt er für
manche Fälle auch noch die Mitwirkung gewisser Gase und
Dämpfe — wie Kohlensäure, Chlor, Fluor, Bor, Schwefelwasser-
stoff, Schwefelsäure u. s. w. — in Anspruch, worin ich ihm voll-
kommen beipflichte. Er beweist ihre frühere - Mitwirkung aus
der zum Theil noch gegenwärtigen Anwesenheit dieser Stoffe in
eruptiv und metamorph plutonischen Gesteinen. Allein merk-
würdigerweise kommt er nicht darauf, die Mitwirkung des einen
Haupt-Agens der plutonischen Trias, des Wassers, auf die-
selbe einfache und naturgemässe Art zu beweisen. Fast alle
über diesen wesentlichen Punkt von mir veröffentlichten Unter-
suchungen, auf welche ich mich in diesem und im vorigen Ab-
schnitte vorliegender Abhandlung bezogen habe, sind ihm ent-
gangen. Er erzeigt mir die Ehre, mich in seinem erwähnten
umfassenden Werke zweimal zu citiren; das eine Mal indem er
anführt, dass Breisuack, Fuchs, de Boucheporn, Schaf-
HAEUTL und ich „aus den isolirten Quarzkörnern des Granits,
der Gruppirung seiner Gemengtheile und der Anwesenheit der
pyrognomischen Mineralien in denselben" auf eine nicht rein feu-
rige Entstehungsweise desselben geschlossen haben; das andere
Mal indem er der Ansichten von Sedgwick, de la Beche,
Jchn Herschel, Hopkins und mir gedenkt, nach welchen die
119
Schichtstruktur des Gneuses nicht als ein gewöhnliches Schich-
tungs-Phänomen, sondern als Wirkung von Kräften aufzufassen
ist, die von der senkrecht wirkenden , ablagernden Schwerkraft
verschieden sind, wobei er auf meine ältere Abhandlung : „Ueber
die Bildungsgesetze des Gneuses" in Karsten's Archiv, Jahr-
gang 1842, verweist. Gewiss wird es nun Herrn Daubree
nicht weniger zur lebhaftesten Freude gereichen durch die vor-
liegende Abhandlung zu erfahren, dass meine früheren Beobach-
tungen mit den seinigen vollkommen harmoniren, als es mir zur
Freude " gereichte in seinem glänzenden Experimente eine so
schöne Bestätigung meiner Schlüsse zu finden. —
Soviel über Plutonismus und plutonische Gebilde im Allge-
meinen. Dass die Erzgebirgischen Gneuse zu dieser geologischen
Kategorie gehören, davon haben wir uns im vorigen und in die-
sem Abschnitte insoweit überzeugt, als wir in der chemischen
und physischen Wirkung von Wasser, hoher Temperatur und
Druck die Haupt-Agentien erkannten , welche die chemische
Masse dieser Gesteine in der Weise bearbeiteten , dass dieselbe
dadurch den Charakter des Gneuses annahm. Allein wir haben
uns bisher nur theilweise und beiläufig über die so wichtige geo-
logische "Frage aussprechen können: ob unsere Gneuse den erup-
tiv- oder metamorph-plutonischen Gebilden angehören?
Wenn nun auch die Beantwortung dieser Frage grösstenteils
nur auf rein geognostischem Gebiete gewonnen werden kann,
und daher bis zur Publication der schon mehrfach gedachten,
ausführlichen MuELLEft'schen Arbeit ausgesetzt werden muss,
so will ich mir doch erlauben, hier vorläufig so viel davon zu
beantworten, als sich von meinem Standpunkte aus ermöglichen
lässt. —
Der Chemiker, welcher die chemische Constitution dieser
Gneuse — wie dieselbe namentlich für den grauen und rothen
Gneus nachgewiesen wurde — von einer ebenso strengen Ge-
setzmässigkeit beherrscht findet wie die chemische Constitution
einer Mineralspecies, muss sich auf das Entschiedenste da-
gegen sträuben, derartige Gesteine aus einem ursprünglich me-
chanisch zusammengehäuften Material hervorgehen zu lassen. Zu-
sammengeschlemmte Schuttmassen zerstörter Gebirgsarten, welche
später erst das vulkanische Gepräge erhielten und dadurch zu
metamorphen Gebilden wurden, können unsere Erzgebirgi-
schen Gneuse wohl unmöglich sein. Beim rothen Gneuse fin-
120
den unsere chemische Ansichten die kräftigste Unterstützung in
den geognostischen Verhältnissen, welche diesen Gneus als einen
unzweifelhaft eruptive n charakterisiren. Der mittlere Gneus
tritt im Granite von Bobritzsch (XVI) als ein entschiedener
Granit auf. Was sollen wir aber von dem grauen Gneuse hal-
ten? Vom chemischen Standpunkte aus muss ich auch diesen
unbedenklich für einen eruptiven erklären trotz des Einspruches,
den vielleicht mancher Geognost dagegen erheben wird. War-
ten wir ab, was Herr Obereinfahrer Mueller uns später aus
seinen reichen Erfahrungen über die geognostischen Verhältnisse
des grauen Gneuses mittheilen wird.
Die allgemeine geologische Wahrheit, dass die chemische
Constitution gewisser plutonischer Gesteine sich gesetzmässig be-
herrscht zeigt, verdanken wir Bunsen's berühmten Forschungen.
Welchen stöchiometrischen Gesetzen die chemische Constitution
des grauen, mittleren und rothen Gneuses in specie unterworfen
ist, habe ich in den Abschnitten A bis D und G gezeigt. Es
repräsentiren also diese drei Gesteine verschiedener stöchiometri-
scher Formel gewissermaassen drei Etagen in der Schmelzmasse
des ursprünglichen plutonischen Heerdes.
Den grauen Gneus als den reichsten an schweren metalli-
schen Bestandtheilen — dessen schwarzer Glimmer einen so
hohen, 18 Proc. metallischem Eisen und Titan entsprechenden
Gehalt an Eisenoxyden und Titansäure besitzt (s. S. 82 u. 92)
— müssen wir wohl jedenfalls als den untersten betrachten.
Auch die im grauen Gneuse der Grube Himmelfahrt (IV) —
1708 Fuss unter der Erdoberfläche entnommen — aufgefundenen
Spuren von Ceroxyd und Yttererde durften diese Ansicht unter-
stützen helfen. Von selbst ergiebt es sich dann, dass wir über
dem grauen, den mittleren, und über diesem den rothen Gneus
annehmen müssen.
In Folge der streng gesetzmässigen chemischen Gneus-Con.
stitution, welche sich wie die einer Mineralspecies durch eine
stöchiometrische Formel ausdrücken lässt, kann ich nicht umhin
anzunehmen, dass jeder dieser Gneuse ursprünglich
eine ungetheilte chemische Verbindung mit voll-
kommen homogener, plutonisch flüssiger Masse bil-
dete. Dass eine derartige Masse mehr Wasser enthielt als wir
jetzt nach ihrer Erstarrung darin finden, ist möglich; obwohl die
Natur zu ihrer plutonischen Thätigkeit sicherlich einen noch
121
höheren Hitzgrad, stärkeren Druck und weit weniger Wasser
anwendete, als Daubree bei seinem Experimente anwenden
konnte. (Die Berechnung ergiebt , dass i Kubikfuss grauer
Gneus zufolge seines Gehaltes von 0,3 Gewichtstheilen Glimmer
nahe 1|- Pfund Wasser enthält.) Allein nur so lange, als sie
durch höhere Temperatur und die ganzen Verhältnisse der Ur-
zeit in einem flüssigen Zustande erhalten wurde, existirte die
Masse als eine derartige einfache chemische Verbindung, wie
wir sie z. B. beim grauen Gneuse (s. S. 31) durch die Formel
3 (R) Si* + 2 R Si 3
ausdrückten. Durch allmälige Abkühlung und Druckabnahme
ihrem Erstarrungspunkte nahe gebracht — und dadurch verän-
derten chemischen Gesetzen unterworfen — theilte sie sich in
die 3 chemischen Materien des Quarzes, Feldspathes und Glim-
mers, die wir gegenwärtig als Gemengtheile des Gneuses finden.
Der Gneus wurde also, so zu sagen, erst bei — oder kurz
vor — seiner Erstarrung zu Gneus. Daraus erklären sich
manche eigenthümliche Phänomene bei dieser Gebirgsart, unter
welcher wir natürlich hier vorzugsweise nur die plutonisch-
eruptiven, nicht aber plutonisch-metamorphen Gneuse verstehen,
deren ursprünglich sedimentäre Masse wohl selten bis zur wirk-
lichen Schmelzung erhitzt wurde.
Das eine dieser Phänomene besteht in der eigenthümlichen
Art des graphischen Verlaufs — Fallens und Streichens — der
Schichtstruktur des Gneuses, welche so beschaffen ist, dass die
von Dacbree (S. 118) citirten Forscher Anstoss genommen haben,
sie als blosse Folge eines durch Schwerkraft bewirkten mecha-
nischen Absatzes wie bei sedimentären Schichten zu betrachten.
Obgleich die dabei zu Hülfe gerufenen Kräfte zum Theil wohl
zu weit hergeholt waren, steht es doch fest, und kann in vielen
Schieferbrüchen auf das Deutlichste beobachtet werden, dass
Schicht- S truk tu r (Schieferung) und wirkliche Schichtung
(sichtbare Spuren einer allmäligen Ablagerung) als zwei, wenn
auch mitunter sehr ähnliche, doch in ihrer Ursache wesentlich
verschiedene Erscheinungen aufgefasst werden müssen. Was
wir bei den eruptiven Gneusen Schichtung nennen , ist blosse
Schicht- oder Parallel- S truk tu r. Diese richtet sich jedenfalls
nach anderen Gesetzen als nach denen einer direkt und senk-
recht wirkenden — also mehr oder weniger horizontal ablagern-
122
den — Schwerkraft. Oft mag es genügen, um die parallele
Lage der Glimmerblättchen und Glimmerzonen in eruptiven
Gneusen zu erklären, eine indirekt wirkende, sich durch den
Seitendruck benachbarter Gesteine äussernde Schwerkraft oder
Naumann's „Streckung" in Anspruch zu nehmen, doch will es
immer noch den Anschein haben , als ob hierdurch nicht alle
wunderlichen Launen der Gneusstruktur erklärt werden könnten.
Unleugbar aber sind Diejenigen , welche die scheinbare Schich-
tung eruptiver Gneuse keinesweges für wirkliche Schichtung,
sondern für ein Struktur - Phänomen ansehen , bei Erklärung
desselben im grossen Vortheil gegen jene Anderen, welche bei
allen solchen Gesteinen von steiler und senkrechter Schieferung
sogleich an ein Heben, Aufrichten, Zerreissen, Zusammenschie-
ben u. s. w. ursprünglich horizontaler Schichten denken müssen.
Das zweite Phänomen ist von noch grösserer Wichtigkeit.
Es kann von Denjenigen, welche die Schichtstruktur z. B. unserer
Erzgebirgischen Gneuse für gleichbedeutend mit Schichtung an-
sehen, durchaus gar nicht erklärt werden. Der so entschieden
eruptive rothe Gneus tritt zwar theilweise mit verworrener oder
undeutlicher, theilweise auch ganz ohne Schichtstruktur, also als
Granit auf; grösstentheils ist aber die parallele Anordnung sei-
ner Gemengtheile so vollkommen ausgeprägt wie beim grauen
Gneuse, nur dass sie bei letzterem wegen der schwarzen Farbe
und der dreifach „grösseren Menge des Glimmers auffallender her-
vortritt. Jedoch nicht bloss grössere Massive des rothen Gneu-
ses zeigen diese Parallelstruktur, sondern ich gewahrte dieselbe
auch an allen Gängen und anderen kleinen isolirten Massen die-
ses Gesteins, welche ich davon im grauen Gneuse zu beobachten
Gelegenheit hatte. Noch heute besitze ich in meiner Sammlung
Stücke rothen Gneuses, (es ist der durch Schmelzprobe 27 un-
tersuchte, s. S. 42) welche ich aus einem Steinbruche im grauen
Gneuse entnahm, an dessen einer Wandung man einen sehr
scharf markirten, aber nur wenige Zolle mächtigen Gang von
rothem Gneus verfolgen konnte. Auch diese schmale Gang-
platte zeigte vollkommen deutliche Schichtstruktur, wie man sich
noch jetzt an jenen Stücken, die von der ganzen Breite des Gan-
ges sind, überzeugen kann. Was aber diese sich an vielen an-
deren Orten wiederholende Erscheinung noch interessanter macht,
besteht darin, dass der graphische Verlauf — Fallen und
Streichen — der Schichtstruktur in solchen benach-
123
harten Massen grauen und rothen Gneuses, soweit
meine Beobachtungen reichen, stets ein n n d d er sei b e ist. Nur
bei so schmalen Gängen wie der zuletzt erwähnte gaben sich
mitunter kleine Verschiebungen der Parallelstruktur der Gang-
masse gegen die des Seitengesteins kund. Die Parallelstruktur
der Gangmasse war aber nicht etwa parallel den Gangwänden,
sondern sie lief ziemlich horizontal querüber ; denn der Gang des
rothen Gneuses stand ziemlich steil in dem — wie man sich
auszudrücken pflegt horizontal geschichteten grauen Gneuse.
Ein derartiges Uebereinstimmen der Parallelstruktur findet auch
an der Localität statt, welche ich Seite 45 durch eine Skizze er-
läutert habe. Nichts kann wohl deutlicher zeigen, dass ein und
dasselbe Gesetz die Parallelstruktur verschiedener plutonisch
eruptiver Gesteine beherrschte: und dass folglich die Parallel-
struktur erst nach der Eruption dieser Gesteine eintrat,
und unmöglich als Zeichen eines früheren Absatzes, ähnlich wie
bei sedimentären Gebilden, gedeutet werden kann. —
Wenn die plutonischen Zonen des grauen, mittleren und
rothen Gneuses einstmals in der genannten Reihenfolge von un-
ten nach oben vorhanden waren , so fragt es sich, ob über dem
rothen Gneus in der Urzeit keine anderen plutonischen Massen
existirten , ob er wirklich das oberste Glied dieser Reihe bil-
dete? Für wahrscheinlich muss ich es halten, dass darauf die
Massen gewisser Glimmerschiefer (mit lichtem Kaliglimmer) und
dann die der Quarzite folgten; an verschiedenen Orten aber wohl
in verschiedenen Verhältnissen relativer und absoluter Mächtigkeit.
Vielleicht haben solche Glimmerschiefer mitunter, seltener wohl
die Quarzitmassen — welche den übrig gebliebenen Rest der
zur Bildung des rothen, mittleren und grauen Gneuses erforder-
lichen Kieselsäure darstellten — ganz gefehlt. Die Quarzite
treffen wir in der Freiberger Gegend und an manchen anderen
Stellen des Erzgebirges unter ganz analogen Verhältnissen wie
den rothen Gneus; theils in gang-, theils in lagerförmigen Mas-
sen. Fast niemals sind dieselben völlig frei von Glimmer. Aber
so wenig desselben sie enthalten , ist seine Menge doch meist
hinreichend, um auch in ihnen eine erkennbare Parallelstruktur
hervorzurufen, welche dann ebenfalls — wie beim rothen Gneuse
— conform der Parallelstruktur des benachbarten
Gneuses ist.
Wie kommt es nun aber, dass mittlerer und rother Gneus nebst
124
Quarzit lagerförmige Zonen und Gänge im grauen Gneuse bil-
den — der ja docli der unterste von allen war? Was wir im
Erzgebirge an grauen Gneus kennen, dürfte wohl nur ein erup-
tiv gewordener Theil desselben sein, welcher sich über bereits
erstarrte oder noch plastische Schichten ursprünglich darüber lie-
gender Gesteine ausgebreitet hat. Bei diesen Eruptionen wurden
vereinzelte kleinere und grössere Massen der anderen Gneuse
und der Quarzite mit heraufgebracht, welche sich nicht mit ein-
ander mischten oder doch nicht gemischt blieben , sondern als
chemisch gesonderte Materien neben einander erstarrten, und hier-
bei von einem und demselben Gesetze der Parallelstruktur beherrscht
wurden. Daher kommt es , dass die Gänge und die lager- und
stöckförmigen Zonen des rothen Gneuses im grauen Gneuse yon
so kurzer Erstreckung zu sein pflegen. Die Gänge treten hier
oftmals nur als sporadische Trümer auf. —
Ich habe meine Ansichten als Chemiker aussprechen wol-
len, merke aber etwas zu spät, dass ich mich über die Grenzen
der Chemie hinaus in das Gebiet der Geognosie verirrt habe,
was man mir verzeihen möge. Da ich jedoch einmal darin bin,
so will ich vor der Umkehr wenigstens noch auf ein Factum
dieses Gebietes aufmerksam machen, das mir von Wichtigkeit er-
scheint. Haben die Quarzite wirklich die oberste Etage des eigentli-
chen Urgebirges gebildet, so müssen sie es sein, welche stellenweise
wenigstens den Boden des Urmeeres — aus welchem sich die
sedimentären Gesteine allmälig absetzten — darstellten. Sie
müssen also stellenweise die Spuren einer eigenthümlichen Zwit-
terbildung, einer zugleich plutonischen und neptuni-
schen Bearbeitung an sich tragen. Dies ist nun wirklich mit
der ausgedehnten Quarzitformation von Teilemarken, welche Tel-
lef-Dahll in seiner höchst interessanten Arbeit über diesen
Landstrich*) als die Unterlage ältester Sedimentär-
Formationen erkannt hat, in solchem Grade der Fall, dass
*) Ueber die Geologie Tellemarkens. Deutsch von Ciiristophersen,
Christiania, J. Dahl, 1860. Zugleich wird hier und in einer anderen
wichtigen Arbeit — Kjrrüi.f und Dakll, über den Erzdistrikt Kongs-
bergs — der scharfe Beweis geliefert, dass der in so ausserordentlicher
Verbreitung auftretende, sogenannte „Urgneus" Norwegens, jedenfalls
grossen- oder grösstentheils ein eruptives Gebilde ist, welches die
Quarzitschiefer durchbrochen und Bruchstücke von ihnen eingeschlos
sen hat.
125
man oft zweifelhaft wird, ob man hier wirkliche Quarzit-Conglo-
merate oder launige chemische Gebilde vor sich hat, welche nur
eine täuschende Nachahmung derartiger mechanischer Produkte
sind.*) Auch diese Quarzite führen den lichten (Kalk)Glim-
mer der Erzgebirgischen Quarzite und verdanken seiner Verthei-
lung ihre Parallelstruktur, die aber mitunter in die wunderlich-
sten Contorsionen ausartet. —
L. Vergleichung der Gneuse des Sächsischen Erz-
gebirges mit ähnlichen Gesteinen anderer Län-
der, in Bezug auf chemische Constitution und geo-
logische Bedeutung.
Giebt es unter den krystallinischen Silicatgesteinen anderer
Länder Gebirgsarten von ganz ähnlicher, oder sogar genau der-
selben chemischen Constitution wie die Gneuse des Sächsischen
Erzgebirges ? Im Allgemeinen kann man diese Frage unbedenk-
lich bejahen. Denn es hiesse wohl die bewundernswürdige Ein-
fachheit des geognomischen Processes in hohem Grade verken-
nen, wenn man annehmen wollte, es habe die Natur im Erzge-
birge nach wesentlich anderen Gesetzen gearbeitet als an allen
übrigen Theilen der plutonischen Erdkruste. Allein auch die
Geologie hat angefangen eine exacte Wissenschaft zu werden,
seitdem sie die Lehren der Physik und Chemie sich dienstbar
machte; der gewissenhafte, exacte Geolog wird sich nicht mehr
mit Wahrscheinlichkeiten begnügen, wo eine absolute Gewiss-
heit zu erlangen möglich ist. Eine solche lässt sich im vorlie-
genden Falle durch chemische Analysen der betreffenden Ge-
steine erreichen. Wir besitzen derartige Analysen bereits in
nicht unbeträchtlicher Anzahl. Jedoch schon Eingangs dieser
Abhandlung (S. 25 u. 26) sprach ich die begründeten Bedenken
aus, welche sich in Betreff der Zuverlässigkeit und Genauigkeit
mancher namentlich älterer Gesteinsanalysen geltend machen
müssen. Zu diesen Bedenken gesellen sich jetzt noch die bei
vielen solcher Analysen unberücksichtigt gebliebenen Titansäure-
*) Solcher eigentümlicher Gebilde wurde von mir gedacht in „Re-
sultater af en mineralogisk Reise i Tellemarkeu, 1844 ; Nyt Mag. f. Na-
turvidensk, Bd. 4, S. 405 bis 432.
126
gehalte, die fehlenden Bestimmungen der beiden Oxydationsstu-
fen des Eisens, die mangelhaften oder ebenfalls fehlenden Was-
serbestimmungen u. s. w. Gewiss sind diese Mängel grossen-
theils sehr zu entschuldigen, denn man konnte früherkaum um-
hin es für eine Art von chemischem Luxus zu halten, eine ge-
mengte Gebirgsart mit derselben Sorgfalt zu analysiren wie einen
Feldspath oder Glimmer. Da wir nun aber sogar bei einem so
ausgezeichnet individualisirten Mineral wie der Glimmer auf
Unvollkommenheiten der analytischen Resultate gestossen sind,
so wäre das Wagestück wohl allzu gross , wenn wir alle Ge-
steinsanalysen für hinreichend zuverlässig -erachten wollten, um
sie zu den schärfsten Vergleichen mit den Analysen unserer
Gneuse zu benutzen. Es kann sich also hierbei vorläufig nur
um approximative Resultate handeln.
Solche Vergleiche, welche approximative Uebereinstimmun-
gen anstrebten, habe ich bereits im Jahre J 860 angestellt, und
das Ergebniss derselben dem Bergmännischen Verein zu Frei-
berg in einem Vortrage mitgetheilt, dessen wesentlichster In-
halt in den Nachrichten der K. Gesellschaft der Wissenschaften
zu Göttingen, 1861 , Februar 6, (S. 33 bis 36) veröffentlicht
wurde. Ich erlaube mir daraus in Kürze das Folgende zu ent-
nehmen.
Plutonische Gesteine, welche in Bezug auf ihre chemische
Constitution und das dadurch bedingte Atom - Verhältniss
Si : & : (R) dem grauen Gneus an die Seite gestellt wer-
den können, sind z. ß. Gneus von Cachoeira in Brasilien (nach
Schoenfeld und Roscoe), Granit vom südlichen und nörd-
lichen Abhänge des Tatragebirges (nach Streng), Porphyr
von Ilefeld am Harz (nach Demselben), Andesit vom Pichincha
und Ararat (nach Abich.) Mit dem rothen Gneus in solcher
Beziehung nahe verwandt zeigen sich dagegen Gneus-Granit
von Norberg in Schweden (nach Schoenfeld und Roscoe),
Granit von der kleinen Sturmhaube (nach Streng), Eurit-
Porphyr von Besobdal im Armenischen Hochlande (nach
Abich), Obsidi an -Porphyr vom grossen Ararat (nach Dem-
selben), O b s i d i a n (brauner und schwarzer) vom grossen Ara-
rat und Kiotangdag (nach Demselben), sowie auch vom Krabla
auf Island (nach Bunsen), Lava vom Krabla (nach Demselben)
u. s. w.
127
Um das Annähernde dieser Uebereinstimmung vor Augen
zu legen, wird es genügen, die procentische Zusammensetzung
einiger dieser Gesteine direkt mit der des grauen und rothen
Gneuses zu vergleichen.
(a)
(b)
W
(*)
Kieselsäure
65,32
65,64
67,32
65,46
Titansäure
0,87
0,86
Thonerde
14,77
14,98
16,08
15,36
Eisenoxyd
3,33
2,62 |
, Fe
4,52
6,65
Eisenoxydul
3,08
3,50 i
Manganoxydnl
0,14
0,18
Kalkerde
2,51
2,04
3,87
4,24
Magnesia
2,04
2,08
1,54
2,11
Kali
4,78
3,64
5,08
1,33
Natron
1,99
2,56
2,98
4,09
Wasser
1,01
1,18
0,52
0,34
99,84
99,28
101,91
99,58
(a) und (b) grauer Gneus nach den Analysen I, a
und IV.
(c) Gneus von Cachoeira in Brasilien, nach der Analyse
von Sch oenfeld und Roscoe.
(d) Andesit von Ararat, nach Abich's Analyse.
. (a)
00
(c)
m
(?)
(0
(g)
Kieselsäure
75,74
74,87
76,26
76,02
76,66
75,12
76,67
Thonerde
13,25
14,12
13,60
12,71
12,05
11,34
11,15
Eisenoxyd
1,24)
Fe
2,41
1,25
Eisenoxydul
0,72}
2,27
3,47
3,92
3,08
Manganoxydul
0,08
0,25
Spur
0,31
Kalkerde
0,60
1,13
0,66
1,20
1,25
1,73
1,44
Magnesia
0,39
0,17
0,26
0,14
0,39
0,28
Kali
4,86
3,29
3,75
4,90
2,94
1,85
3,20
Natron
2,12
2,55
2,56
2,44
3,53
4,39
4,18
Wasser
0,89
0,82
0,94
0,48
1,12
0,41
99,89
99,47
100,44
99,45
101,02
99,15 100,00
(a) (b) u. (c) r o t h e r Gneus nach den Analysen IX — XI.
128
(d) Granit von der kleinen Sturmhaube, nach Streng.
(e) Eu rit- Porphyr vom Besobdal, nach Abich.
(f) Lava vom südöstlichen Fusse des Krabla, nach Bunsen.
(g) Normal-Trachyt-Masse, nach Demselben.
Da das Atom-Verhältniss Si : R : (R) nur unsicher zu be-
rechnen ist, wenn die Oxydationsstufen des Eisens nicht quali-
tativ bestimmt wurden, so kann man wenigstens die Atom- Ver-
hältnisse Si : R -f- (R) berechnen, wobei ein solcher Mangel
weniger fühlbar wird , und einen Vergleich zwischen diesen
Atom-Verhältnissen des grauen und rothen Gneuses einerseits
und denen der chemisch verwandten[Gesteine andererseits anstellen.
Das für den grauen Gneus nachgewiesene Sauerstoff-
Verhältniss Si : R -f- (R) ist = 3 : 1. Folglich ist das ent-
sprechende Atom-Verhältniss =1:1, wobei R den Werth von
3 (R) hat. Die Berechnung ergiebt nun dieses Atom-Verhält-
niss beim
Si : R, (R)
Gneus von Cachoeira 0,97 : 1
Granit vom Tatra-Gebirge 1,02 : 1
(nördlicher Abhang)
Granit vom Tatra-Gebirge 0,99 : 1
(südlicher Abhang)
Andesit vom Gipfel des Pinchincha 0,98 : 1
Andesit vom Ararat 0,94 : 1
Das für den rothen Gneus nachgewiesene Sauerstoff-
Verhältniss Si : R -f- (R) ist == 4,5 : 1, folglich das entspre-
chende Atom-Verhältniss ±= 1,5 : 1. Nach der Berechnung ist
dieses Atom-Verhältniss beim
Si : R, (R)
Gneus-Granit von Norberg 1,53 : 1
Granit von der kleinen Sturmhaube 1,50 : 1
Eurit- Porphyr von Besobdal 1,51 : 1
Lava vom südöstlichen Fusse des Krabla 1,55 : 1
Normal-Trachyt-Masse 1,57 : 1
Obsidian vom Kiotangdag 1,58 : 1
Diese Beispiele werden genügen um die Wahrscheinlich-
keit zu unterstützen, dass grauer und rother Gneus auch ausser-
129
halb des Erzgebirges unter den eruptiv -plutonischen (und vul-
kanischen) Gesteinen ihre Vertreter haben, wiewohl diese mit-
unter durch ihre äusseren Charaktere keine verwandtschaftlichen
Beziehungen zu ihren Erzgebirgischen Vettern blicken lassen.
Metamorphe Gesteine (zu Gneus veränderte Thonschiefer
und dergleichen) können natürlich als ursprünglich sedimentäre
Massen hier nicht in Betracht kommen, denn ihre Zusammen-
setzung kann unmöglich von unserem plutonischen Gesetze be-
herrscht werden ; ja es fragt sich , ob sich bei ihnen irgend ein
anderes Gesetz als das eines — wenn auch innerhalb gewisser
Grenzen oscillirenden — vielfältigen Zufalls nachweisen lässt.
Während der rothe Gneus und die ihm chemisch nahe ver-
wandten Gesteine sich auf der höchsten Silicirungsstufe befinden,
nämlich =?? 1,5 (d. h. 1,5 Atom Kieselsäure auf 1 Atom R *),
welche bisher an älteren Eruptivmassen beobachtet wurde, stehen
die von Bunsen als „Normalpyroxenische" Gebilde bezeichneten
Gebirgsarten auf der niedrigsten Silicirungsstufe, die sich bei
genauerer Berechnung ~ 0,49, also wohl ■=■ 0,5 (d. h. 0,5 Atom
Kieselsäure auf 1 Atom Basen) ergiebt. In der Mitte zwischen
diesen beiden extremen Stufen 1,5 und 0,5 liegt die Stufe 1,
weichemittiere Silicirungsstufe die des grauen Gneuses
und der ihm chemisch nahe stehenden Gebirgsarten ist. Ge-
steine, welche wesentlich aus Quarz, Feldspath und Glimmer
bestehen und dabei von eruptiver Natur sind, scheinen nicht
niedriger silicirt als von der Stufe 1 vorzukommen. (Da der
Feldspath — Orthoklas — ebenfalls diese Silicirungsstufe 1 be-
sitzt, so folgt daraus, dass der Quarz dieser Gesteine genau hin-
reicht, um den Glimmer gleichfalls auf diese Silicirungsstufe 1
zu erheben. Im plutonischen Ur-Magma waren Quarz und Glim-
mer zu einem Silicate von der Stufe 1 verbunden, welches gleich-
werthig mit dem Feldspathe die plutonische Gesammtmasse ge-
wissermaassen zu einem Feldspath machte. Allein auf dieser
Höhe der Silicirung hat sich die wasserhaltige Ur-Glimmermasse
nicht erhalten können; sie zerfiel bei eintretender Erstarrung in
Quarz und in Glimmer von der Silicirungsstufe y. Im Glim-
mer des grauen Gneuses ist das Sauerstoffverhältniss Si, Ti: (R),K
= 1:1, das Atom-Verhältniss also = \ : 1.) —
Soweit war ich damals mit meinen Vergleichen gekommen.
*) Wobei R = 3 R in Rechnung gebracht.
Zeits. d. d. geol. Ges. XIV. 1.
9
130
Gegenwärtig steht uns in J. Roth's neuerlich erschienenem
vortrefflichem Werke : „Die Gesteins- Analysen in tabel-
larischer Uebersicht und mit kritischen Erläute-
rungen" ein ebenso reichhaltiges als mit gewissenhafter Kritik
bearbeitetes Material zu Gebote, welches alle Geognosten und
Mineral-Chemiker willkommen heissen werden , und woraus wir
weiteren Stoff zu unseren Vergleichen um so leichter entnehmen
können, als der fleissige Verfasser nicht die Mühe gescheut hat,
die Sauerstoff- Verhältnisse sämmtlicher Gesteins-Analysen zu be-
rechnen. Roth giebt diese Sauerstoff- Verhältnisse in der Weise
an, dass er den Sauerstoff der sämmtlichen Basen K -f- R durch
den Sauerstoff der Kieselsäure dividirt, was seinen Sauerstoff-
Quotienten giebt. Es ist sehr leicht, aus solchen Sauerstoff-
Quotienten die betreffenden Silicirungsstufen abzuleiten, und um-
gekehrt.
Die Silicirungsstufe des grauen Gneuses = 1
entspricht dem Sauerstoff- Verhältnisse Si : R -{- (R) = 3:1,
also dem RoTH'schen Sau er s toff- Qu otien ten j = 0,333.
Die Silicirungsstufe des mittleren Gneuses =
ij entspricht dem Sauerstoff- Verhältnisse Si : R -j- (R) = 4:1,
also dem RoTH'schen Sauerstoff-Quotienten j = 0,250.
Die Silicirungsstufe des rothen Gneuses - 1|- ent-
spricht dem Sauerstoff- Verhältnisse Si : E -f- (R) = 4,5 : 1,
12
also dem RoTH'schen Sauerstoff - Quotienten j-jr =^- =
0,222.
Will man aus einem Sauerstoff-Quotienten Q der RoTH'schen
Tabellen die entsprechende Silicirungsstufe S ableiten, so ge-
schieht dies durch die einfache Gleichung
_ 0,333
Um aber der Wahrheit hierbei so nahe als möglich
zu kommen muss man für Q den mittleren Werth der zwei
Sauerstoff-Quotienten einführen, welche Roth für jedes Gestein
berechnet hat, und von denen der eine sich auf die Annahme
von ausschliesslich Eisen- und Mangan - Ox y du 1 , der andere
auf die Annahme von ausschliesslich Eisen- und Mangan -Oxyd
bezieht.
131
Nach dieser einfachen Methode habe ich aus den Sauerstoff-
Quotienten der betreffenden Gesteine die Silicirungsstufen der-
selben berechnet, und erlaube mir aus den genannten Tabellen
folgende hierdurch erhaltene Resultate zu entlehnen.
Der Silicirungsstufe des grauen Gneuses == 1
schliessen sich noch folgende Gesteine an :
Silicirung-
Stufe
Granit a. d. Tatra, Fünfseenthal (n. Streng) 1,02
„ a. d. Newry-District, Irland (n. Haughton) 1,07
„ v. Elba (n. Bunsen) 1,03
Liparit *) v. Eskifjord Island (n. Damour) 1,01
Syenit v. d. Bergstrasse (n. Streng) 1,05
Quarzfreier Orthoklas-Porphyr v. Ullernaas (n. Kjerulf) 0,98
Desgl. v. Gausta-Hospital, Chrisfiania (n. Demselben) 0,99
Von diesen Gesteinen zeigen einige bei näherer Verglei-
chung eine noch weiter gehende intime Verwandtschaft mit dem
grauen Gneuse, wie durch Vergleichung ihrer gefundenen und
berechneten Sauerstoff-Verhältnisse gezeigt werden soll.
Granit a. d. Tatra (Orthoklas: weiss; Glimmer: theils dun-
kelgrün, theils weiss)
Si : R : R
Sauerstoff gef. 36,47 : 8,88 : 3,02
„ ber.**)36,47 : 8,10 : 4,05
Granit von Newry (Feldspath: weiss bis röthlich weiss;
Glimmer schwarz)
Sauerstoff gef. 34,45 : 7,74 : 4,19
„ ber. 34,45 : 7,66 : 3,83
Granit v. Elba (Orthoklas: graulich weiss; Glimmer: dun-
kel graugrün)
Sauerstoff gef. 35,99 : 8,66 : 2,93
„ ber. 35,99 : 8,00 : 4,00
Syenit von der Bergstrasse (Grobkörniger Diorit. Ortho-
klas: weiss, der vorherrschende Oligoklas: weisslich; viel Horn-
blende, wenig Quarz).
*) Trachytporphyr.
**) Nach dem Sauerstoff- Verhältniss des grauen Gneuses = 9:2:1
s. S. 31).
9*
132
Sauerstoff gef. 36,41 : 7,28 : 4,27
ber. 36,41 : 8,10 : 4,05
Liparit (Sogenannter „Trapp." Ein dichtes schwarzes Gestein
mit schiefriger Textur).
Sauerstoff gef. 34,60 : 7,63 : 3,86
„ ber. 34,60 : 7,69 : 3,84
Ferner ist zu bemerken, dass Damour in diesem Gestein
0,80 Proc. Titansäure (deren Sauerstoff dem der Kiesel-
säure zugelegt wurde) und 1,09 Wasser — in völliger
Uebereinstimmung mit diesen Bestandtheilen des grauen
Gneuses — fand.
Quarzfreier Orthoklasporphyr v. Ullernaas (Fleischrothe Grund-
masse mit Orthoklaskrystallen und grünlichen Körnern).
Sauerstoff gef. 34,04 : 7,97 : 3,67
;, ber. 34,04 : 7,56 : 3,78
Quarzfreier Orthoklasporphyr von Gausta-Hospital (ähnlich dem
vorigen. Diese Porphyre treten gangförmig auf, durchsetzen
untersilurische Kalkthonschiefer und sind stellenweise glim-
merführend).
Sauerstoff gef. 34,29 : 7,98 : 3,62
„ ber. 34,29 : 7,62 : 3,81
Wassergehalte von etwa i Proc. und darüber sind bei allen
diesen Gesteinen angegeben ; allein es wäre eine überflüssige
Genauigkeit gewesen, sie zu berücksichtigen , da wir wegen der
mangelnden Bestimmungen der Oxydationsstufen des Eisens zu
der Annahme eines mittleren Gehaltes an Oxyd nnd Oxydul
genöthigt waren.
Die Uebereinstimmung der chemischen Constitution auch
dieser 7 entschieden eruptiven Gesteine mit der des grauen
Gneuses rechtfertigt wohl meine frühere Annahme, dass der
graue Gneus gleich dem mittleren und rothen ein plu to-
nisch-eruptives Gebilde sei, auf das Vollkommenste.
Der Silicirungssufe des mittleren Gneus es =1,33
entsprechen folgende Gebirgsarten :
133
Silicirungs-
Stafe.
Granit*) v.
Striegau, Schlesien (n. Streng)
1,32
V.
Holzemmenthal, Harz (n. Demselben)
1,33
V.
Plessburg, Harz (n. Demselben)
1,36
**)v.
Heidelberg (n. Demselben)
1,32
*«
V.
M. Mulatto bei Predazzo (n. Kjerulf)
1,30
)5
V.
Dalkey-Quarries, Irland (n. Haughton)
1,32
11
V.
Ballyknocken, Irland (n. Demselben)
1,30
11
V.
Kilballyhugh, Irland (n. Demselben)
1,37
11
V.
Blackstairs Mountains (n. Demselben)
1,36
11
V.
Carlingford District (n. Demselben)
1,28
V.
Grange Irisch (n. Demselben)
1,31
11
V.
Newry-District (n. Demselben)
1,31
11
V.
Fathom Lock (n. Demselben)
1,27
11
V.
Jonesborough Mountain (n. Demselben)
1,27
„**>•
Baden-Baden, Friesenberg (n. Koenig)
1,38
Gneus v. Norberg, Schweden (n. Schoenfeldt u. Roscoe) 1,36
„ f) v. Sachs. Erzgeb. (zw. Metzd. u. Flöhe) (n. Quincke) 1,36
Granulit v. Mechachamp, Vogesen (n. Delesse) 1,33
Porphyr, quarzreicher v. Kreuznach (n. Schweizer) 1,29
„ v. Sandfelsen bei Halle (n. E. Wolff) 1,30
„ • v. Ludwigshütte, Harz (n. Streng) 1,33
Liparit v. Berkum, Siebengebirge (n. Bischof) 1,33
Als mittlere Silicirungsstufe ergiebt sich aus diesen 22 Wer-
then — welche zwischen den Grenzen 1,27 und 1,38 schwan-
ken — die Stufe 1,32.
Zugleich ist es von Interesse, durch diese Beispiele zu er-
fahren, dass der mittlere Gneus , den wir bei unseren Untersu-
chungen Erzgebirgischer Gneuse am wenigsten genau kennen
gelernt haben — und als dessen Typus uns hauptsächlich der
Granit von Bobritzsch (XVI) galt — in anderen Ländern eine
weit erheblichere Rolle zu spielen scheint;
*) Ganggranit.
**) Jüngerer Ganggranit.
***) Bei Baden-Baden kommt auch (s. die folgende Zusammenstellung)
ein dem rothen Gneus entsprechender Granit vor.
f) Granitähnlich. Cotta in v. Leonhard und Bronn's Jahrbuch.
1854, 40.
134
Der Silicirungsstufe des rothen Gneuses — 1,50
schliessen sich an:
Silicirungs-
stufe
Granit*) v. Striegau, Schlesien (n. Streng) 1,47
„ v. Enniskerry, Irland (n. Haughton) 1,55
„ v. Ballyleigh, Irland (n. Demselben) 1,57
„ v. Carnsore (n. Demselben) 1,48
v. Mourne-District (n. Demselben) 1,56
„ **) v. Newry-Quarry (u. Demselben) 1,60
„ ***) v. Baden-Baden (n. Koenig) 1,56
Gneusf) v. Norberg, Schweden (n. Schoenfeldt u.
Roscoe.) 1,57
Granulit v. Unterbergen, Oesterreich (n. E. Hornig) 1,46
Hälleflinta v. Jungfrugrube, Dannemora (n. A. Erdmann) 1,53
„ ff) v. Benaunmore, Irland (n. Haughton) 1,46
Porphyr quarzreicher, von Zinnwald, Böhmen (nach
Tribolet) 1,49
„ v. Kuckhahnthal, Harz (n. Streng) 1,56
„ v. Pfaffenthaler Kopf (n. Demselben) 1,55
„ v. oberhalb Lauterberg (n. Demselben) 1,55
„fff)v. Auerberg ebend. (n. Demselben) 1,50
„ v. Unteren Holzemmenthal (n. Demselben) 1,51
„ v. Gottschlägthal, Baden (n. Nessler) 1,53
Liparit v. Palmarola (n. Abich) 1,50
(Obsidian) v. Lipari (n. Demselben) 1,50
v. Capo di Castagno, Lipari (n. Demselben) 1,54
(Bimstein) v. Pantellaria (n. Demselben) 1,48
v. Island (n. Forchhammer) 1,49
(Baulit) v. Baulaberg, Island (n. Demselben) 1,50
ebendaher (n. Kjerulf) 1,49
*) Wird von dem unter den mittleren Gneusen angeführten Gang-
granit (Silicirungsstufe — 1,32) durchbrochen.
**) Es ist dies der sogenannte „Elvangranit," welcher den unter den
grauen Gneusen angeführten Granit (Silicirungsstufe — 0,97) durchbricht.
***) Kommt in der Nähe des unter den mittleren Gneusen angeführten
Granites von Baden-Baden (Silic. = 1,38) vor.
f ) Mit einem unter den mittleren Gneusen angeführten Gneuse (Silic.
= 1,36) vorkommend. Gneus-Granit.
ff) Siliceo-Feldspatic Rock n. Haughton Bloss aus Orthoklas und
Quarz bestehend.
fff ) Mit stellenweise eingewachsenem Pinit.
135
Silicirungs-
Stufe
Liparit v. Laugarfjall , Island (n. Bunsen) 1,54
„ (Obsidian) v. kleinen Ararat (n. Abich) 1,52
„ (sog. dichter Ophit) v. Takjaltou, Transkauk. (n. Ds.) 1,53
Als mittlere Silicirungsstufe aus diesen — zwischen den
Grenzen 1,47 und 1,60 schwankenden — 28 Werthen ergiebt
sich 1,52.
Dass fast diese sämratlichen Gesteine durch ihre chemische
Constitution dem rothen Gneuse auf das Innigste verwandt sind,
giebt sich durch die folgenden Sauerstoff- Verhältnisse noch
schärfer zu erkennen, von denen die gefundenen aus den Roth-
schen Tabellen (als oben gedachte Mittelwerthe) entlehnt, die
berechneten aber nach dem für den rothen Gneus ermittelten
Sauerstoff- Verhältniss Si : R : (R) = 18 : 3 : 1 (entsprechend
der Atom-Proportion 6 : 1:1, siehe Seite 35) berechnet wor-
den sind.
Granit
V.
Striegau
Sauerstoff gef.
39,00
: 6,36 :
2,52
„ ber.
39,00
: 6,50 :
2,17
Granit
V.
Enniskerry
Sauerstoff gef.
39,59
: 6,58 :
195
„ ber.
39,59
: 6,58 :
2,19
Granit
V.
Ballyleigh
Sauerstoff gef.
39,08
: 6,20 :
2,17
„ ber.
39,00
: 6,50 :
2,17
Granit
V.
Carnsore
Sauerstoff gef.
38,29
: 6,05 :
2,60
„ ber.
38,29
: 6,38 :
2,13
Granit
V.
Mourne-District
Sauerstoff gef.
40,00
: 6,56 :
1,98
„ ber.
40,00
: 6,67 :
2,22
Granit
V.
Baden-Baden
Sauerstoff gef.
40,36
: 6,77 :
1,86
„ ber.
40,36
: 6,72 :
2,24
Gneus
V.
Norberg
Sauerstoff gef.
40,83
: 6,14 :
2,53
„ ber.
40,83
: 6,71 :
2,27
136
Granulit v. Unterbergen
Sauerstoff gef. 39,31 : 5,97 : 3,03
„ ber. 39,31 : 6,54 : 2,18
Hälleflinta v. Dannemora
Sauerstoff gef. 40,61 : 6,56 : 2,55
ber. 40,61 : 6,77 : 2,26
Hälleflinta v. Benaunmore
Sauerstoff gef. 38,14 : 6,18 : 2,54
„ ber. 38,14 : 6,36 : 2,12
Porphyr v. Zinnwald
Sauerstoff gef. 39,58 : 6,56 : 2,31
„ ber. 39,58 : 6,60 : 2,20
Porphyr v. Kuckhahnthal
Sauerstoff gef. 40,44 : 6,53 : 2,09
ber. 40,44 : 6,74 : 2,25
Porphyr v. Pfaffenthaler Kopf
Sauerstoff gef. 39,46 : 6,62 : 1,90
„ ber. 39,46 : 6,57 : 2,19
Porphyr v. Lauterberg
Sauerstoff gef. 40,09 : 6,48 : 2,17
„ ber. 40,00 : 6,67 : 2,22
Porphyr v. Auerberg
Sauerstoff gef. 40,07 : 7,27 : 1,60
„ ber. 40,00 : 6,67 : 2,22
Porphyr v. U. Holzemmenthal
Sauerstoff gef. 39,53 : 6,68 : 2,02
„ ber. 39,53 : 6,59 : 2,20
Porphyr v. Gottschlägthal
Sauerstoff gef. 39,71 : 6,64 : 2,00
„ ber. 39,71 : 6,62 : 2,20
Liparit v. Palmarola
Sauerstoff gef. 39,75 : 6,62 : 2,25
ber. 39,75 : 6,84 : 2,28
Liparit (Obsidian) v. Lipari
Sauerstoff gef. 39,49 : 6,47 : 2,28
„ ber. 39,49 : 6,57 : 2,19
137
Liparit v. Capo di Castagno
Sauerstoff gef. 39,31 : 6,08 : 2,44
„ ber. 39,3 i : 6,54 : 2,18
Liparit v. Island
Sauerstoff gef. 39,58 : 6,54 : 2,33
ber. 39,58 : 6,60 : 2,20
Liparit (Baulit) v. Baulaberg
Sauerstoff gef. 39,67 : 6,75 : 2,04
ber. 39,67 : 6,60 : 2,20
Liparit v. ebendaher
Sauerstoff gef. 39,88 : 6,63 : 2,34
ber. 39,88 : 6,65 : 2,22
Liparit v. Laugarfjall
Sauerstoff gef. 40,15 : 6,48 : 2,21
„ ber. 40,i5 : 6,69 : 2,23
Liparit v. Takjaltou
Sauerstoff gef. 39,66 : 6,30 : 2,32
ber. 39,66 : 6,60 : 2,20
Das arithmetische Mittel aus diesen 25 Sauerstoff-
Verhältnissen ist:
gefunden 39,66 : 6,48 : 2,20
berechnet 39,66 : 6,60 : 2,20 = 18 : 3 : 1
Atome = 6:1:1
So haben wir uns denn überzeugt, dass die Herrschaft der
Erzgebirgischen Gneuse weit über die engen Grenzen des Säch-
sischen Erzgebirges hinausreicht. Der rothe und mittlere Gneus
scheinen besonders häufig vorzukommen; weit häufiger leider —
oder glücklicherweise — als der gangveredelnde graue Gneus.
Dürfen wir aber unter solchen Umständen diese sämmtlichen
Gebirgsarten mit so verschiedenartigem petrographischen Cha-
rakter unter dem Namen Gneus zusammenfassen und fortfah-
ren sie als grauen, mittleren und rothen Gneus zu unterschei-
den ? Mit grösserem Rechte können sie jedenfalls auf die Benen-
nung Granit Anspruch machen, da ihr locales Auftreten mit
Parallelstruktur nicht als ein in ihre Genesis tief eingreifendes
Phänomen betrachtet werden kann. Wir hätten dann — dem
grauen, mittleren und rothen Gneuse entsprechend — einen u n-
138
teren, mittleren und oberen Granit. Allein auch damit
kämen wir noch nicht aus. Kann man Porphyre, Liparite etc.
als Granite bezeichnen? Es bleibt daher nichts übrig als eine
generelle Bezeichnung aufzustellen, welche die petrographische
Beschaffenheit gänzlich aus dem Auge lässt. Als eine solche
Bezeichnung schlage ich Plutonit vor. Unterer, mittlerer und
oberer Plutonit umfassen dann die ganze petrographische Mannig-
faltigkeit plutonischer Gebilde, die sich uns durch ihre chemi-
sche Identität hier aufdrängt. Aber auch der — natürlich nie-
mals zu vernachlässigenden — petrographischen Beschaffenheit
soll das ihr zukommende Recht widerfahren ; denn* man würde
z. B. einen zum rothen Gneuse gehörigen Porphyr als einen
oberen Plutonit- Porphyr, einen zum mittleren Gneuse gehörigen
Gneus als einen mittleren Plutonifc-Gneus, zum Unterschiede von
einem Gneuse metamorpher Bildung, bezeichnen und charakteri-
siren. Beim Granit dürfte die blosse Unterscheidung eines un-
teren, oberen und mittleren vorläufig genügend sein. Der un-
tere Granit könnte — durch seine Eigenschaften der tiefsten
Abstammung und der Gangveredlung — im wahren Sinne des
Wortes als ein Erzgranit von seinen unedleren Verwandten
unterschieden werden.
Für neuere plutonische (vulkanische) Gebilde Hesse sich
dann der Benennung Vulkanit eine ähnliche Bedeutung geben.
Ob wir aber mit diesen beiden Gruppen eruptiver Gebilde aus-
reichen ? Ob es ausser dem unteren, mittleren und oberen Plu-
tonit noch andere solche chemisch in sich abgeschlossene Gebilde
in Pluto's Werkstätte giebt? Dies zu erörtern würde uns je-
denfalls über unser vorgestecktes Ziel hinausführen , welches
innerhalb der Erzgebirgischen Gneuse erreicht werden sollte.
Nur eines Umstandes ist hierbei noch zu erwähnen. Wenn
es auch ausgemacht ist, dass unsere drei Plutonite — der Glim-
mer-Quarzite hier nicht zu erwähnen — im plutonischen Labo-
ratorium einstmals drei gesonderte Materien von verschiedener
chemischer Etiquette bildeten, ja selbst wenn wir kühn genug
wären anzunehmen , dass diese Materien im plutonisch- flüssigen
Zustande so scharf gesondert über einander gestanden hätten wie
Wasser und Oel, so würde das immer nicht locale Men-
gungen der Plutonite haben verhindern können. Mag auch
bei der so langsam eintretenden Erstarrung das Gemenge sich
oftmals wieder getrennt und das Ungleichartige sich ausgeschie-
139
den haben, nicht immer wird das ganz vollkommen geschehen
sein. Namentlich dann nicht, wenn die Masse des einen —
durchbrochenen — Plutonites schon mehr oder weniger fest war,
aber genügend erweicht wurde, um allmälig Bestandtheile des
durchbrechenden, flüssigen Plutonites in sich aufzunehmen, deren
Wiederausscheidung durch baldige Erstarrung verhindert wurde.
In einem solchen Falle scheint sich z. B. der schmale Fetzen
des mittleren Gneuses iJ/, an der Seite 45 skizzirten Loca-
lität befunden zu haben. Nicht allein , dass er zu keiner deut-
lichen Parallelstruktur gelangte, seine Masse besitzt auch nicht
genau die Silicirungsstufe lj des mittleren Gneuses, sondern
etwas weniger als lj, nähert sich also der Silicirungstufe 1 des
umschliessenden grauen Gneuses. Zwischenbildungen der Plu-
tonite sind daher möglich; aber sie können schwerlich von er-
heblicher und mehr als localer Bedeutung sein, welche niemals
verhindern kann das grossartig und scharf ausgeprägte Gesetz
zwischen den hier und da verwaschenen Grenzen seines unbe-
streitbaren Gebietes in voller Alleinherrschaft zu finden. Aber
so unbeträchtlich und local auch die Ausnahmen gegen das allge-
meine Gesetz auftreten mögen, sie legen jedenfalls einen neuen
Accent auf die Vorsicht, die wir bei Gesteinsanalysen auf die
Auswahl des dazu bestimmten Materials verwenden müssen ;
sie nöthigen uns hierbei mit geschärfter Kritik (s. Seite 25) zu
Werke zu gehen. Nicht allein, dass sogar in Gesteinen, welche
sich wie der Freiberger graue Gneus in der monotonsten Gleich-
förmigkeit über ausgedehnte Areale erstrecken, locale Störungen
in der regelmässigen Vertheilung ihrer Gemengtheile eintreten,
auch die nahe Nachbarschaft eines andern Gesteins kann Un-
regelmässigkeiten zur Folge haben. —
Schliesslich muss ich noch einmal auf die im Abschnitte C
beschriebene Schmelzprobe zurückkommen. Nachdem wir
uns von der scharfen Gesetzmässigkeit, welche die chemische
Constitution der Plutonite beherrscht, überzeugt haben, gewinnt
sie um so mehr Bedeutung. Sie ist bis jetzt das einfachste und
sicherste Mittel, diese Gebilde schnell und leicht von einander
zu unterscheiden , mögen sie sich auch noch so trügerisch mas-
kiren. Es kommt bei ihrer Anwendung, ich wiederhole es, we-
niger darauf an, dass man sich in Allem genau nach den von
mir gegebenen Vorschriften richtet, als vielmehr darauf, eine
solche Probe, wie man auch hierbei verfährt, möglichst ge-
140
nau wie die andere vorzunehmen. Als Normalproben zu den zu
vergleichenden können wohl am besten die mit Freiberger grauem
und rothem Gneus (aus der hiesigen Mineralien-Niederlage vom
Herrn Factor Wappler zu billigen Preisen zu beziehen) ange-
stellten Proben gelten. Nur bei solchen Schmelzproben treten
Ungenauigkeiten ein — die sich aber auch selbst hier nur zwi-
schen engeren Grenzen bewegen — bei denen man zwei Ge-
steine mit erheblich verschiedenen Thonerdegehalten mit
einander vergleicht. Denn auch die Thonerde treibt, obwohl
nach einem andern modificirten Gesetze als die Kieselsäure, beim
Zusammenschmelzen mit kohlensaurem Natron, eine gewisse
Menge Kohlensäure aus. Ich habe diese Verhältnisse — welche
auf das Ueberzeugendste für drei Atome Sauerstoff in der Kie-
selsäure sprechen, und dadurch die so taktvolle Annahme von
Berzelius, des unvergesslichen Meisters chemischer Genauigkeit,
rechtfertigen*) — zu einem Gegenstande näheren Studiums ge-
macht, die Fortsetzung derselben aber, wegen des dringenden
Abschlusses der vorliegenden Arbeit, einstweilen verschieben
müssen. Anschliessend an das bereits beschriebene Verhalten der
Kieselsäure zu kohlensauren Alkalien**) werde ich später, neben
anderen elektronegativen Oxyden, auch der Thonerde gedenken.
Unter den im Abschnitt C zusammengestellten Resultaten
von Schmelzproben habe ich noch zwei unerwähnt gelassen,
welche sich auf Gesteine beziehen , die nicht aus dem Sächsi-
schen Erzgebirge stammen. Das eine derselben ist ein Granit
von Mauthhausen (das Pflasterungs-Material der Strassen Wiens).
Ich erhielt eine grössere Partie desselben durch Güte meines
hochverehrten Freundes Haidinger. Ein kleinkörniger Granit
mit weissem Feldspath, zum Theil Orthoklas- Zwillingen , und
sparsam eingestreuten Pailletten eines schwarzen Glimmers. Die
damit angestellte Schinelzprobe ergab an Schmelzverlust 73,4
Procent (was also annähernd dem Kieselsäuregehalte des Gesteins
gleichkommt). — Das andere ist ein Gneus vom St. Gotthardt,
sowohl auf der Italienischen als auf der Schweizer Seite der
Gotthardtstrasse weit verbreitet anstehend. Ich nahm im Jahre
1860 Proben davon an Ort und Stelle. Grobkörniger Gneus
mit weissem Feldspath und wenig Glimmer, der theils mit
*) Eine andere Rechtfertigung ergiebt sich aus der spec. Wärme des
Siliciums, wie ich nächstens zeigen werde
**) S. das Citat S. 37.
141
schwarzer, theils mit weisser Farbe auftritt. Der Schmelzverlust
betrug 74,7 Procent. Also auch an diesen beiden Localitäten
macht sich der obere Plutonit, am einen Orte als glimmerarmer
Granit, am anderen als glimmerarmer Gneus geltend.
M. Nachtrag zur Ermittelung der Silicirungsstufen
der Plutonite durch die Schmelzprobe. (An den Ab-
schnitt C. sich anschliessend.)
Während des Druckes der vorliegenden Arbeit fand sich
Gelegenheit, noch mehrere Gesteins -Untersuchungen durch die
Schmelzprobe an die im Abschnitte C. mitgetheilten anzureihen.
Dieselben betreffen zunächst folgende Gn eu s e aus dem Berg-
amtsrevier Annaberg-Marienberg im Sächsischen Erz-
gebirge.
a. Gesteine mit Schmelzverlusten von 64 bis 66 Procent.
(Grauer Gneus = unterer Plutonit)
Diejenigen dieser Gesteine, bei denen keine besonderen An-
gaben gemacht sind, haben mehr oder weniger den Habitus eines
normalen grauen Gneuses.
Schmelzverl.
Procent.
28) Gneus vom Marienberger Stadtberge. (Etwas
verwittert und dadurch stellenweise gelb bis
rostroth gefärbt.) 65,0
29) Gneus vom Wolkensteiner Schlossberge . . 65,4
30) Gneus aus dem Grubenfelde von Kippenhain
(Ritter) bei Annaberg ........ 65,3
31) Gneus vom Weisstaubener Stölln auf dem Frisch-
Glück-Flachen. (Plattig-schiefriger Gneus mit
feinschuppigem Glimmer.) 65,5
32) Gneus aus einem alten Steinbruch, 400 bis 500
Schritt vom Plattengut in Nord , oberhalb der
Annaberg-Freiberger Chaussee. (Dünnschiefrig,
mit grossen Glimmerblättchen.) 66,5
33) Gneus von der Anhöhe des Schottenberges bei
Annaberg, zwischen dem Buchholzer Granit-
bruche und dem sogenannten Schmiedefelsen.
(Fein schuppiger Gneus.) 65,7
142
Schmelzverl.
Procent.
34) Gneus von den Felspartien am rechten Gehänge
des Sehmathales, oberhalb des Saurüsselstollns.
(Grobkörnig flaseriger Gneus.) ..... 66,0
35) Gneus aus einem Steinbruche im sogenannten
Seifenwalde hinter Buchholz, bei Annaberg . 65,9
b. Gesteine mit Schmelzverlusten von 69 bis 70 Procent.
(Mittlerer Gneus = mittlerer Plutonit)
36) Gneus, angeblich von demselben Fundorte wie
der graue Gneus No 33 , aber von anderem
Habitus ; nämlich von dem der mittleren Gneuse
„ XIII. und XIV. (s. S. 47 und 48). (Als ein
„feinsch üppiger grauer Gneus" in dem betref-
fenden bergamtlichen Verzeichnisse aufgeführt.) 69,2
37) Gneus von einem Felsen am rechten Gehänge
der rothen Pockau, in der Nähe des Wallfisch-
stolln-Mundloches. (Grobschiefriger Gneus mit
grösseren Feldspath-Ausscheidungen.) . . . 68,9
c Gesteine mit Schmelzverlusten von 73 bis 75 Procent.
(Rother Gneus = oberer Plutonit)
Schmelzverl.
Pro ceii t.
38) Gneus aus den Grubenbauen von St. Christoph
am Martersberge. (Körnig schiefriger, graniti-
scher, rother Gneus.) 74,9
39) Gneus vom linken Ufer der schwarzen Pockau
am Fusse des Katzensteins bei Pobershau. (Ein
sogenannter „grober rother Augen gneus." Mit
vorherrschendem weissen und untergeordnetem
schwarzen Glimmer.) m. 73,5
40) Gneus aus dem Wildsberge bei Pobershau, vom
Wildemannstolln auf dem Molchner Spat, 80
Lachter vom Johannis Flachen in Ost. (Ein
sogenannter „ feinkörniger , grauer, granulit-
artiger Gneus." Das sehr feinkörnige Gestein
enthält weissen Feldspath und graulich weissen,
feinschuppigen Glimmer, letzteren sehr gleich-
massig durch die ganze Masse vertheilt.) . . 73,8
143
Da zu keiner dieser Proben erheblich grössere Quantitäten
als 1 Pfund zu Gebote standen, so können die Schmelzverluste
bei denjenigen Gesteinen, welche als grobkörnig bezeichnet wur-
den, nur als mehr oder weniger annähernde Werthe gelten
Gleichwohl fallen dieselben noch innerhalb der von uns aufge-
stellten Grenzen.
Als ein Erzgebirgisches Gestein reiht sich hier ferner
noch an :
Schmelzverl.
Procent.
41) Granit von Naundorf bei Freiberg. (Von ganz
ähnlicher Beschaffenheit wie der Granit von Bo-
britzsch XVI, doch nicht grobkörnig wie dieser,
sondern klein- bis feinkörnig.) 69,9
Eine zweite Schmelzprobe ergab 69,8 Procent.
An beiden Fundstätten erweist sich also dieser
Granit entschieden als ein mi ttlerer Plutonit.
Demnächst wurden einige hierher gehörige Gesteine aus
den Gegenden von Karlsbad und Marienbad unter-
sucht, welche folgende Resultate ergaben :
Schmelzverl.
Procent.
42) Feinkörniger Granit von der Stephanshöhe in
Karlsbad. (Grauer Quarz, röthlicher und weisser
Feldspath, schwärzlich brauner und lichter Glim-
mer.) 73,1
43) Feinkörniger Granit von einem mächtigen Gange
im grobkörnigen Granite des Mühlberges bei
Marienbad. (Vom vorigen durch lichtere und
zum Theil gelbliche Farbe des Feldspathes un-
terschieden.) 73,3
Diese feinkörnigen Granite sind hiernach identisch
und gehören dem oberen Plutonit (rothen Gneuse) an. Wie
schon v. Buch*) hervorgehoben und später v. Warnsdorff**)
gezeigt hat, treten dieselben in beiden Gegenden als jüngerer
Granit auf, welcher einen älteren grobkörnigen Gra-
nit — wie z. B. im Mühlberge bei Marienbad — mehrfach
*) Bergm. Journ. v. J. 1792. S. 383.
**) Einige Bemerkungen über die Granite von Karlsbad, v. Leonhard u.
Bronn's Jahrb. 184b, S. 385 bis 405. — Kurze Besehreibung der geo-
gnostischen Verhältnisse von Marienbad.
144
durchbrach. Letzterer ist der durch seine grossen Ortho-
klas-Zwillinge ausgezeichnete, sogenannte Karlsbader (und Elln-
bogener) Granit. Welche geologische Stellung dieses Gestein
einnimmt, Hess sich vor der Hand durch die Schmelzprobe nicht
genau ermitteln, da mir von demselben, im Verhältniss zu seiner
Grobkörnigkeit und unregelmässigen Vertheilung der Gemeng-
theile, allzu geringe Quantitäten zur Disposition standen. Eine
mit dem Karlsbader Granit vorgenommene Schmelzprobe, zu wel-
cher das Material kaum j Pfund betrug, ergab einen Schmelz-
verlust von 71,1 Procent; während sich beim Marienbader Gra-
nit unter Anwendung von j Pfund ein Schmelzverlust von 70,8
Procent herausstellte. Wenn es auch hiernach nicht ganz ohne
Wahrscheinlichkeit sein dürfte, dass beide Gesteine dem mittle-
ren Plutonit angehören, so darf man dies jedenfalls noch nicht
für erwiesen erachten.
Eben dieser grobkörnige Granit schliesst nicht selten kuge-
lige oder scharfkantigere, auch wohl schollenförmige Massen eines
Gesteins ein, welches meist das Ansehen eines kleinkörnigen gra-
nitischen Oneuses besitzt. Bei näherer Betrachtung durch die
Lupe vermag man aber keine Quarzkörner darin zu entdecken,
sondern man gewahrt nur ein Gemenge aus weissem Feldspath
und dunkeltombakbraunem Glimmer. Die Schmelzprobe ergab
— bei drei Versuchen mit zwei Varietäten des Gesteins ange-
stellt — in der That bloss Schmelzverluste von 56,3, 56,7 und
56,6 Procent. Ohne Zweifel sind daher diese fremden Gesteins-
brocken , wie sich aus ihrem Auftreten mitten im Granite leicht
erklären lässt, metamorpher Natur; wahrscheinlich ein trans-
mutirterThonschiefer, der es wohl zu einer äusseren Aehn-
lichkeit mit Gneus bringen konnte, aber nicht zur chemischen
Constitution eines solchen.
Beide Arten der gedachten Granite — der feinkörnige und
der grobkörnige — werden stellenweise von Gängen eines Ge-
steins durchsetzt, welches man als „Felsitporphyr" zu bezeichnen
pflegt. Durch die Lupe überzeugt man sich jedoch , dass das-
selbe wohl richtiger als ein sehr feinkörniger Granit zu betrach-
ten sein würde. In einem Gemenge von Feldspath und Quarz
— aus welchem sich beide Mineralien theilweise allerdings nur
unvollkommen individualisirt haben - — liegen zerstreute kleine
Partien eines dunkeltombakbraunen Glimmers, Durch eine mit
diesem Gestein vorgenommene Schmelzprobe stellte sich ein
145
Schmelzverlust von genau 70,0 Procent heraus. Hier haben wir
also unzweifelhaft einen mittleren Plutonit. Darin liegt
einige Unterstützung unserer oben ausgesprochenen Vermuthung,
dass der grobkörnige Granit derselben Kategorie angehören dürfte.
Doch möge er auch ein oberer Plutonit sein, in beiden Fällen
wird uns vor Augen geführt, welch ein verschiedenes Gesicht
die Plutonite annehmen , je nachdem sie ihren Kopf früher oder
später aus der plutonischen Unterwelt hervorgesteckt haben. Wir
erhalten dadurch eine Vermehrung der bezüglichen Thatsachen,
auf welche der vorige Abschnitt bereits so entschieden hinweist.
Alle vereinzelte Behauptungen älterer Forscher, dass Granit und
Gneus — mit ihrem primitiven Gesteins - Charakter — eine bis
in die Tertiärzeit hineinragende Genesis haben, dürften hiernach
eben so gewagt erscheinen , als sie bisher schon für zweifelhaft
nachgewiesen erachtet wurden.
Schliesslich füge ich noch einige Gesteine aus entfernteren
Gegenden bei:
44) Syenit-Granit von Predazzo in Tyrol. (Dunkel- Scpr^enter1'
fleischrother Feldspath, weisser Quarz, schwar-
zer Amphibol.) 70,0
45) Granit von der Ostküste der Insel Karimata, an
der Westküste von Borneo. (Fleischrother Feld-
spath, bläulich grauer Quarz und sparsam ein-
gemengter schwarzer Glimmer.) ..... 73,2
Auch durch den blossen Augenschein würde man bei eini-
ger Uebung letztere Gebirgsart als einen oberen Plutonit
(rothen Gneus) erkannt haben; während der Syenit -Granit von
Predazzo seine Abstammung aus dem mittleren Plutonit
unter der Maske eines syenitischen Gesteins verbarg.
Durch Güte des Herrn Dr. Stuebel in Dresden erhielt ich
Probestücke einiger von ihm aus Italien und Aegypten mitge-
brachten Gesteine. Unter letzteren wurden zunächst folgende
zwei der Schmelzprobe unterworfen.
46) Feinkörniger Granit von Assuan (Syene). (Dun- Scp™feznvter1,
kelfleischrother Feldspath, graulich - weisser
Quarz und schwarzer Glimmer in sehr gleich-
massigem feinkörnigen Gemenge, worin das
bewaffnete Auge ausserdem zerstreute Körner
eines weissen bis gelblich weissen Feldspathes
gewahrt. Nicht ganz frei von Verwitterung.) 72,8
Zeits. d. d. geol. Gm. XIV. t . 10
146
Fällt auch dieser Schmelzversuch etwas ausserhalb der Gren-
zen eines oberen Plutonit (73 — 75 Proc.) so dürfte dies
wohl kaum von Bedeutung für die Erkennung des Gesteins sein.
47) Grobkörniger Granit von Syene. Der bekannte, Sp^ceentverl
für das Vorkommen bei Syene typische Granit,
aus welchem so viele der altaegyptischen Bau-
und Bildwerke bestehen. (Zweierlei Feldspath :
ein licht-fleischrother, orthoklastischer und ein
weisser plagioklastischer wahrscheinlich Oligo-
klas; weisser bis graulich-weisser Quarz und
schwarzer Glimmer) 69,1
Auf das Entschiedenste ein mittler Plutonit.
Der Granit von Bobritzsch (XVI, s. S. 47), welcher uns
anfänglich als der Typus eines mittleren Plutonit-Granites galt
und an den wir dann später die Seite 133 angeführten Granite,
Gneuse und Porphyre reiheten, hat in diesem grobkörnigen Gra-
nit von Syene abermals einen — obgleich sehr entfernten, doch
— in Mischung und Mengung ihm sehr nahe stehenden Ver-
wandten gefunden.
Diese neuen Belege vermehren Zahl und Gewicht der
Thatsachen, welche uns zur Annahme dreier Plutonite nö-
thigen. Dass hierdurch die Existenz noch anderer Plutonite
nicht bestritten wird, bedarf kaum der Andeutung, sondern bloss
der Hervorhebung, dass wir uns wesentlich mit Feldspath-
G 1 i m m e r - Plutoniten , nicht aber mit Feldspath- Am phi-
bol- (und Augit-) Plutoniten beschäftigt haben, wozu uns zu-
nächst keine Veranlassung vorlag. Gewisse Syenite, Gabbro
und verwandte Gesteine von noch niedrigerer Silicirungsstufe
als der graue Gneus bilden, wie sich von selbst versteht, eine
besondere plutonische Kategorie. Von unserem Standpunkte aus
kann hier jedoch nur die schon oben berührte Frage aufgewor-
fen werden : ob es noch einen vierten Feldspath-Glimmer-Pluto-
nit giebt ? Ist dies der Fall, so glaube ich mit einiger Bestimmt-
heit annehmen zu dürfen, dass derselbe unterhalb des grauen
Gneuses zu suchen ist, und eine vermittelnde Stufe zwischen
diesem und den Feldspath-Amphibol-Plutoniten bildet.
Die bedingenden Ursachen, durch welche wir unsere Plu-
tonite bald als Gneuse oder Granite, bald als Trachyte oder
Porphyre, bald als Obsidian oder glasige Laven auftreten sehen,
147
müssen hauptsächlich in dem verschiedenen physisch-
chemischen Effecte der verschiedenen geologischen
Perioden gesucht weiden, innerhalb welcher diese Gesteins-
massen aus der plutonischen Tiefe emporstiegen ; also in der
allmäligen Temperatur- und Druckabnahme, unter welcher die
Urzeit in die Jetztzeit überging. Eine Unmöglichkeit a priori
darf es hierbei nicht genannt werden, dass ein Plutonit, welcher
ein Gebilde der Flötz- oder Tertiärzeit durchbrach, mit dem pe-
trographischen Charakter eines Granites auftreten könne. Nur
müsste man solchenfalls annehmen, dass die betreffenden Schich-
ten dieses Flötz- oder Tertiär-Gebildes nach ihrem submarinen
Absätze: 1) in plutonische Tiefe geführt, 2) hier von einem
Plutonit durchbrochen wurden, der in dieser Tiefe als Granit
erstarrte, und dass 3) diese so bearbeiteten Schichten wieder an
die Erdoberfläche gelangten und dadurch der Diagnose des Geo-
gnosten zugänglich wurden. Das scheint allerdings etwas viel
verlangt; allein die Geschichte unseres Erdballs weist Erschei-
nungen nach, welche ihr Dasein keinem geringeren Spiele von
Wechselfällen verdanken. Sollte daher das Auftreten solcher
jüngeren Granite wirklich einmal unzweifelhaft nachgewiesen
werden , so wird es zwar stets als eine Ausnahme von der Re-
gel gelten müssen, aber durchaus keine Ausnahme bilden, welche
mit der Regel im Widerspruch steht.
lohalts - Verzeichniss.
Seite
Ausgangspunkte der Untersuchungen 23
A. Die chemische Constitution des grauen
Gneuses 25
Atom-Verhältniss der chemischen Bestandteile und daraus
abgeleitete chemische Formel des grauen Gueuses,
Seite 31.
B. Die chemische Constitution des rothen
Gneuses 31
Atom-Verhältniss der chemischen Bestandteile und daraus
abgeleitete chemische Formel des rothen Gneuses,
Seite 35.
10*
148
Seite
C. Ermittelung der Silicirungs- Stufen des
grauen und rothen Gneuses durch die
Beispiele von den durch diese Probe erlangten Resultaten,
S. 38. — Unterscheidung des grauen und rothen Gneuses
nach äusseren Kennzeichen, S. 43.
D. Die chemische Constitution eines mittleren
Die Existenz eines mittleren Gneuses durch geognostische
Verhältnisse nachgewiesen, S. 44. — Chemische Constitution
desselben, S. 46. — Atom-Verhältniss der chemischen Bestand-
teile des mittleren Gneuses, S. 46.
E. Die chemische Constitution der Feldspäth e
im grauen und rothen Gneuse 49
Feldspäthe, aus dem grauen Gneus, S. 49. — Feldspäthe
aus dem rothen Gneus, S. 53. — Hauptresultat in Betreff
dieser Feldspäthe, S. 54.
F. Die chemische Con stitution der Glimmer im
grauen und rothen Gneuse 55
Glimmer aus dem grauen Gneus, erste Art. S. 56, zweite
Art, S. 60. — Allgemeines und specielles Formel-Schema, so-
wie chemische Formel dieser Glimmer, S. 58 und 62. —
Glimmer aus dem rothen Gneus, S. 62. — Formel-Schema
und chemische Formel dieses Glimmers, S. 64, — Glimmer
aus dem mittleren Gneus? S. 65. — Formel-Schema und
chemische ! ormel dieses Glimmers, S. 67. — Gesetzmäs-
sige Beziehung zwischen den Silicirungsstufen
der Gneuse (und Granite) und den Silicirungsstu-
fen der zugehörigen Glimmmer, S. 69, wodurch die
Existenz eines scharf gesonderten mittleren Gneuses ausser
Zweifel gestellt wird, S. 70.
G. Das M e n gu n g s - Verh alt n i s s des Quarzes,
Feldspathes und Glimmers im grauen und
im rothen Gneuse 71
Atom-Verhältniss der Gemengtheile des grauen Gneuses,
S. 72, erwiesen durch die Uebereinstimmung des analytischen
und des berechneten Resultates, S. 73. — Atom-Verhältniss der
Gemengtheile des rothen Gneuses, S. 74, erwiesen durch gleiche
Uebereinstimmung, S. 76. — Einfaches Bild von der Men-
gungs-Constitution des grauen und des rothen Gneuses, S. 77.
Sc h m elz probe
36
Gneuses
43
149
H. Der Einfluss des grauen und des rothen
Gneuses auf die Erzfuhrung der in ihnen
auftretenden Erzgänge 78
Bedingt durch die Menge und Art des Glimmers, S. 79. -—
Wesentlich verschiedene chemische Constitution der Glimmer
des grauen und rothen Gneuses, S. 80 — Verschiedene
chemische Wirkung des grauen und rothen Gneuses auf saure
Solutionen, S. 82. — Kurze Charakteristik der Erzgebirgi-
schen Silbererzgänge, S. 83. — Verschiedene chemische Wir-
kung der beiden Gneuse bei der Erz-Präcipitation in diesen
Gängen, S. 85. — Chemische Veränderung des grauen Gneu-
ses in der Nachbarschaft der Erzgänge, S. 87, und hieraus
entnommener Beweis für die Erz-Präcipitation durch den
grauen Gneus. S. 91. — Andere mögliche Ursachen der Erz-
Präcipitation, S. 92. — Gesteine, welche ausser grauem und
rothem Gneus veredelnd oder verunedelnd auf Erzgänge ge-
wirkt haben, S. 93.
J. Die chemische und geologische Bedeutung
des Wassergehaltes der Glimmer im grauen
und rothen Gneuse 94
Giebt es auch ausserhalb des Sächsischen Erzgebirges Ge-
steine, welche Glimmer von der chemischen Constitution der
Glimmer Erzgebirgischer Gneuse enthalten ? S. 95. — Nähere
Betrachtung dieser fremden Glimmer, und zwar : Magnesia-
Glimmer, S. 96, Glimmer des Norwegischen Zirkonsyenits,
S. 99;Kali-Glimmer, S.101; Lithion-Glimmer, S.102.
— Das Auftreten des Wassers als polymer- isomorphe
Base findet nicht bloss in den Glimmern, sondern auch in
vielen anderen Silicat- Mineralien statt, S. 104. — Bedeutung
dieser Thatsache in Betreff der krystallinischen Silicat-Gesteine,
S. 107. — Widerlegung entgegenstehender Ansichten, S. 108.
K. Der Plutonismus im Allgemeinen und die
plutonische Entstehung der Erzgebirgi-
schen Gneuse im Besonderen 112
Meine ersten Umrisse einer plutonischen Theorie,
S. 112, sowie des sich daran knüpfenden Metamorphis-
mus, S. 113. — Unterstützung meiner Ansichten durch Pou-
let Scrope's Forschungen im Gebiete neuerer vulkanischer
Gebilde, S. 114, und auf experimentellem Wege durch Schaf-
haeutl, S. 115, und Woehler, S. 116. — Daubree's Experi-
ment, S. 117. — Dessen Ansichten über Metamorphismus
mit den meinigen übereinstimmend S. 118. — Die pluto-
nische Bildung der Erzge,birgischen Gneuse S. 119.
150
— Bedeutung der Schichtstruktur der Gneuse, S. 121. —
Glimmerschiefer und Quarzite gehören einer plutonischen
Zone oberhalb der Gneuse an, S. 123.
L. Vergleichung der Gneuse des Sächsischen
Erzgebirges mit ähnlichen Gesteinen an-
derer Länder, in Bezug auf chemische Con-
stitution und geologische Bedeutung . . . 125
Plutonische Gesteine von analoger chemischer Constitution
wie grauer Gneus, S. 126, und wie rother Gneus,
127, was sich aus den Atom -Proportionen, S. 128, ergiebt. —
Verhältniss des rothen und grauen Gneuses zuBunsen's „nor-
mal-pyroxenischen" Gebilden, 8. 129. — Aus J. Roth's Werk
über Gesfeins-Analysen entlehnte Beispiele für anderweites
Vorkommen grauer Geuse, S. 131, mittlerer Gneuse,
S. 133. und rother Gneuse S. 134. — Das allgemein ver-
breitete Auftreten der drei Gneuse unter zum Theil sehr ver-
schiedenem petrographischen Charakter bedingt eine beson-
dere Nomenclatur (Plutonite), S. 137. — Nachträgliche
Bemerkungen zur Schmelzprobe, S. 139.
M. Nachtrag zur Ermittelung der Silicirungs-
stufen der Plutonite durch die Schmelz-
probe. (An den Abschnitt C. sich anschliessend.) 141
Gesteine aus dem Sächsischen Erzgebirge, S. 141. Ge-
steine von Karlsbad und Marienbad, S. 143 — Gesteine aus
entfernteren Gegenden, S. 145. ~ Schlussbemerkungen, S. 146.
151
2. Ueber lamellare Verwachsung zweier Feldspath-
Species.
Von Herrn D. Gerhard in Bonn.
Im vorigen Jahre machte Breithaupt*) eine Reihe von
Beobachtungen bekannt , nach welchen es sich als gewiss resp.
wahrscheinlich herausstellt, dass bisher als einfache Mineralien
betrachtete Feldspathe aus zwei regelmässig mit einander ver-
wachsenen Feldspathspecies zusammengesetzt sind. Er nimmt
einen Isomorphismus (resp. Homoiomorphismus) dieser Species
an und bedauert, dass keine Analysen vorhanden seien, welche
über die Natur derselben Aufschluss geben könnten. Dies ver-
anlasst mich zur Mittheilung der Resultate einer von mir über
denselben Gegenstand angestellten Untersuchung, welche haupt-
sächlich die Ermittelung der chemischen Zusammensetzung der
mit einander verwachsenen Feldspathe bezweckte. Letzteres ist
mir indess nur bei dem Perthit**) vollständig gelungen. Dass die-
ses Mineral aus zwei lamellar mit einander verwachsenen Feld-
spathen, einem orthoklastischen und einem triklinischen, besteht,
ergiebt sich schon aus einer oberflächlichen Betrachtung dessel-
ben. Die beiden Feldspathe sind durch ihre verschiedene Farbe
(roth und weiss) sehr leicht von einander zu unterscheiden. Die
rothen Lamellen zeigen den bekannten Gold-Reflex des Sonnen-
steins, welcher, wie von Th. Sc heerer zuerst bemerkt wurde,
von eingewachsenen Eisenglanztäfelchen herrührt. Sie sind voll-
kommen glatt und ebenflächig und geben, da sie stärker ausge-
bildet sind als die weissen , dem Ganzen seine orthoklastische
Form. Die weissen lassen dagegen ganz deutlich die den tri-
klinischen Feldspathen eigentümliche Zwillingsstreifung parallel
*) Berg- und Hüttenmännische Zeitung. Jahrgang 20, No. 8.
**) Der Perthit findet sich in grossen Spaltungsstücken in einem eurit-
artigen Gestein, welches in der Nähe der Stadt Bathur6t bei Perth in
Canada ansteht.
152
der Kante _ erkennen.*) Das Gesetz der Verwachsung er-
M
sieht man aus der verschiedenen Spiegelung der Lamellen. Hält
man ein gutes Spaltungsstück so, dass die Axe a auf den Be-
schauer gerichtet ist und die Axe b eine horizontale Lage hat,
so spiegeln nur die rothen Lamellen; lässt man nun die Axe
b sich ein wenig nach Rechts neigen, so spiegeln nur die weis-
sen Lamellen. Bei ersteren steht daher P rechtwinklig gegen
M, während es bei letzteren gegen M von Rechts nach Links
geneigt ist.
Die beiden Feldspathe haben demgemäss die Axe c gemein-
sam und um dieselbe sind ihre Flächen ganz analog gruppirt.
Es steht dies im Widerspruch mit der Angabe Breithaupt's,
dass dieselben c gemeinsam haben und die Flächen x in eine
Ebene fallen. Wäre dies der Fall, so müssten beide Feldspathe
triklinisch sein, was offenbar nicht der Fall ist. —
Was die nähere Bestimmung des triklinischen Feldspaths
betrifft, so macht es die Analyse des Perthit von Hunt:
Ox.
Kieselsäure
66,44
35,2
Thonerde
18,35
8,51
Eisenoxyd
1,00
0,33
Kalk
0,67
0,19
Magnesia
0,24
0,10
Kali
6,37
1,08
Natron
5,56
1,43
Glühverlust
0,40
99,03
wegen ihres bedeutenden Natrongehalts wahrscheinlich, dass der-
selbe Albit sei. Um darüber Gewissheit zu haben , führte ich
eine Trennung der Lamellen zum Zweck der Analyse in der
Art aus, dass ich das Mineral in einem Stahlmörser zu kleinen
Stückchen zerschlug und aus diesen mit einer feinen Pincette
die rothen und weissen Körnchen gesondert auslas. Eine mehr-
wöchentliche mühsame Arbeit war zur Trennung einer hinrei-
*) Vgl. G. v. Rath : Ein Beitrag zur Kenntniss der Trachyte des
Siebengebirges Bonn 1861. (S. 13. Anm.)
153
chenden Quantität (c. c. 2 Grm.) von jeder Substanz erforder-
lich. Ich erhielt die rothen und weissen Theile in ziemlicher
Reinheit ; indess war eine ganz vollständige Scheidung derselben
nicht möglich.
Bevor ich zur Analyse selbst schritt, bestimmte ich das spe-
cifische Gewicht sowohl des Perthits als auch seiner getrennten
Bestandtheile (Wassertemperatur = 18 Grad C). Ich erhielt
folgende Zahlen:
1) Spec. Gewicht des Perthit 2,601
2) „ „ der rothen Lamellen 2,570
3) „ „ der weissen 2,6143
Von den beiden letzten Zahlen stimmt die erste sehr gut
überein mit dem spec. Gew. des Adulars vom St. Gotthardt
(2,575 nach Abich), die zweite mit dem zweier durchsichtiger
Albite (2,624 und 2,64 nach G. Rose).
Die Analyse*) ergab folgende Resultate:
I.
Zusammensetzung des Perthit.
Ox.
Kieselsäure 65,827 34,87
Thonerde 18,45 8,65
Eisenoxyd 1,72 0,516
Kalk Spuren
Kali 8,54 1,45
Natron 5,06 1,31
Glühverlust 0,32
99,917
*) Da es hauptsächlich auf eine genaue Bestimmung der Alkalien
ankam, so wandte ich zum Aufschliessen Fluorammonium an, welches
mir hierzu am geeignetsten schien und sich auch als solches bewährte.
Da dasselbe im Handel fast nie rein vorkommt, und auch das von mir
nach der von H. Rose angegebenen Methode dargestellte Salz beim Glü-
hen auf dem Platinblech einen Rückstand hinterliess , so stellte ich mir
dasselbe auf die Weise dar, dass ich Flusssäuredämpfe direkt auf gepul-
vertes in einer Platinschale befindliches kohlensaures Ammoniak einwir-
ken liess. Ich erhielt so in kurzer Zeit eine grosse Quantität vollkommen
reines Fluorammonium. Das Aufschliessen von alkalihaltigen Silicaten
durch Fluorammonium hat wesentliche Vorzüge, auf die ich hier nicht
näher eingehen kann. — Die Kieselsäure wurde in besondern Portionen
durch Aufschliessen mit kohlensaurem Kali-Natron bestimmt.
154
II.
Zusammensetzung der rothen Lamellen.
Ox.
Kieselsäure 65,36 34,60
Thonerde 18,27 8,56
Eisenoxyd 1,90 0,57
Kalk Spuren —
Kali 12,16 2,10
Natron 2,25 0,58
99,94
III.
Zusammensetzung
Kieselsäure
Thonerde
Eisenoxyd
Kalk
Kali
Natron
der weissen Lamellen.
Ox.
67,23 35,62
18,52 8,68
1,47 0,44
Spuren —
3,34 0,57
8,50 2,60
299,0
Die Sauerstoffmengen in den starken und schwachen Basen
und in der Kieselsäure verhalten sich (wenn man das Eisenoxyd,
welches grösstentheils in der Form von ausgeschiedenen Eisen-
glanz-Blättchen vorhanden ist, unberücksichtigt lässt) wie die
Zahlen :
I. 0,96 : 3 : 12,09
IL 0,94 : 3 : 12,49
III. 0,96 : 3 : 12,09
Wenn wir den Natrongehalt der Analyse II und den Kaligehalt
der Analyse III auf Rechnung der unvollständigen Trennung
der Lamellen schreiben , so entsprechen die rothen Lamellen
einem Feldspath von der Formel: K Si3 -f- Al Si3, die weis-
sen einem Feldspath von der Formel: NaSi3 -f- AI Si3.
Der Perthit ist demgemäss nichts Anderes als ein Gemenge
von Orthoklas und Albit und besteht nach einer Berechnung
155
aus Analyse I aus ungefähr 54 Theilen Orthoklas und 46 Thei-
len Albit.
Was die übrigen Feldspathe betrifft, an denen ich eine der
des Perthits ähnliche Verwachsung beobachtete, so ist bei die-
sen wegen der Feinheit und des geringen Färbungs-Unterschie-
des der Lamellen eine Trennung und Bestimmung der Zusam-
mensetzung der miteinander verwachsenen Feldspathe nicht mög-
lich. Indess ist es für einige derselben kaum zweifelhaft, dass
es wiederum Orthoklas und Albit sind.
Dahin gehört z. B. :
1) Der Schlesische Feldspath von Hirschberg, Lomnitz
u. a. O., welcher durch die bekannte Aufwachsung von ganz
durchsichtigen Albit-Krystallen auf den Säulenflächen ausgezeich-
net ist. Dass dieser Aufwachsung eine lamellare Verwachsung
zu Grunde liege, erkennt man schon beim Betrachten eines Spal-
tungsstückes mit der Loupe, noch besser aber unter dem Mi-
kroskop. Die Albitlamellen sind sehr fein und glänzend, lassen
sich jedoch von dem durch Eisenoxyd gelb gefärbten Orthoklas
leicht unterscheiden. Sie gehen wie beim Perthit der Quer-
fläche parallel und sind besonders deutlich auf der Spaltungs-
fläche M zu erkennen. Das Auftreten der Lamellen beweist die
Richtigkeit der früher von G.Rose (Pogg. Ann. Bd. 80. S. 124.)
über die Entstehung der aufgewachsenen Albite aufgestell-
ten Ansicht: „Man möchte glauben , der Feldspath sei ur-
sprünglich ein inniges Gemenge von reinem Feldspath mit Albit
gewesen, letzterer aber allmälig von den Gewässern ausgezogen
worden und auf der Oberfläche wieder abgesetzt. Dass dies
noch nicht vollständig geschehen sei, beweist die Analyse des
Feldspaths von Awdeeff, welche 5,06 Proc. Natron ergiebt."
2) Die Krystalle des glasigen Feldspaths aus den Trachy-
ten des Siebengebirges. Dieselben zeigen alle eine lamellare
Struktur, besonders die bekannten Krystalle vom Drachenfels und
von der Perlenhardt. Die Lamellen des einen Feldspaths sind
glasartig und durchsichtig, die des andern mehr trübe und
milchweiss. Erstere herrschen der Masse nach bedeutend vor.
Bei letzteren ist eine Zwillingsstreifung nicht wahrzunehmen
und dies könnte es zweifelhaft machen, ob die beiden mit ein-
ander verwachsenen Species hier Orthoklas und Albit seien. In-
dess wird dies schon durch die verschiedene Verwitterbarkeit der
Lamellen wahrscheinlich. Diese ist ersichtlich an den Stellen
156
des Trachyts, wo Feldspath-Krystalle gesessen haben. Sehr häu-
tig, besonders bei dem Trachyt der Perlenhardt, ziehen sich
über diese Stellen feine Mangandendriten hin, welche genau den
Albit - Lamellen entsprechen. Dass natronreiche Mineralien bei
sonst homologer Zusammensetzung mit kalireichen leichter ver-
wittern als letztere, bewährt sich stets. Dies steht ja auch im
Einklänge mit den ausgezogenen Albiten des Lomnitzer Feld-
spathes.
Die Analysen, welche von diesen Feldspathen vorhanden
sind, lassen auch keine andere Annahme zu. Von diesen will
ich nur folgende anführen:
1 ) vom Drachenfels. Lewinstein.
2) vom Drachenfels. Rammelsberg.
3) von der Perlenhardt. Lewinstein.
i.
Ox.
2.
Ox.
3.
Ox.
Kieselsäure
65,59
34,04
65,87
34,19
65,26
33,87
Thonerde
16,45
7,68
18,53
8,65
17,62
8,23
Eisenoxyd
1,58
0,47
Spur
0,91
0,27
Kalk
0,97
0,28
0,95
0,27
1,05
0,30
Magnesia
0,93
0,37
0,39
0,16
0,35
0,14
Kali
12,84
2,18
10,32
1,75
11,79
2,00
Natron
2,04
0,53
3,42
0,88
2,49
0,64
Glühverlust
0,44
100,40
99,92
99,47
Das Sauerstoff-Verhältniss ist in:
1) 1,24 : 3 : 12,53
2) 1,06 : 3 : 11,86
3) 1,09 : 3 : 11,95
Hiernach genügen diese Feldspathe der Formel RSi3-f-RSi3.
Eine solche Formel haben von den Feldspathen aber nur der
Orthoklas und der Albit.
Es erklärt sich daraus der Natrongehalt der Analysen.
Eine weitere Bestätigung ist das spec. Gewicht des Drachenfel-
ser Feldspaths, welches nach Lewinstein 2,60 ist, also höher
als es bei reinen Kalifeldspathen vorkommt. Dagegen stimmt
dasselbe sehr genau überein mit dem des Perthits (2,60 1).
157
3) Der Adular vom St. Gotthardt.
Während manche Krystalle ganz durchsichtig, ziehen sich
dnrch andere hier und da ganz feine weisse Lamellen parallel
der Querfläche hin, wodurch die vollständige Durchsichtigkeit
aufgehoben wird. Noch andere Adulare von St. Gotthardt,
welche vorzugsweise mit Desmin bedeckt sind, zeigen eigenthüm-
lich zerfressene Flächen. Die durch die Verwitterung gebilde-
ten Vertiefungen haben im Allgemeinen eine lamellare Form
und die Richtung parallel der Querfläche. Dem entsprechen
die Analysen von Vauquelin, Berthier, Abich und Avvdeeff,
von denen die beiden ersten kein Natron, die beiden letzten da-
gegen 1,01 und 1,44 Procent Natron ergeben.
4) Die durch das Auftreten der Querfläche bekannten
Krystalle von der Insel Elba. Sie verhalten sich grade wie die
vorigen, nur treten die weissen Lamellen häufiger auf. Zuwei-
len findet sich bei den Elbaer Feldspathen auf M und (jedoch
selten) auf P aufgewachsener Albit.
5) Die Feldspathkrystalle von Mursinsk in Sibirien , von
denen sich schöne Exemplare sowohl in der Freiberger Samm-
lung als in der des Fürsten Lobkowitz zu Bilin finden. Die
Lamellen haben ziemlich das Ansehen der unter 2 beschriebenen,
sind aber stärker ausgebildet. Manche Stücke zeigen die merk-
würdige Erscheinung, dass die Lamellen des einen Feldspaths
fast ganz durch den Einfluss der Gewässer ausgezogen sind und
nur ein skeletartiges Gebilde von Orthoklas zurückgeblieben
ist. In andern, der Wirkung der Gewässer weniger ausgesetzt
gewesenen Stücken sind dagegen noch beide Feldspathe vor-
handen. Dass wir es auch hier mit einer Verwachsung von Or-
thoklas und Albit zu thun haben, dafür spricht die Bildung der
auf den Hirschberger Feldspathen aufgewachsenen Albite, welche
den Beweis für die im Verhältniss zu anderen Feldspathen grosse
Löslichkeit des Albits liefert.
6) Grosse Feldspath - Krystalle von Schaitanka bei Mur-
sinsk, welche mit Turmalin und Rauchtopas zusammen auftre-
ten. Albit bedeckt hier die Flächen M und zieht sich in La-
mellen in's Innere der Krystalle hinein, so dass genau die Zeich-
nung, wie sie der Perthit zeigt, entsteht.
7) Die grossen Feldspath-Zwillinge von Zwiesel zeigen eine
der eben beschriebenen ganz ähnliche Verwachsung von Feld-
spath mit Albit.
158
Von andern Feldspathen , an denen eine der bis jetzt
beschriebenen ganz analoge lamellare Verwachsung zweier Spe-
cies auftritt und wo dieselben daher auch wahrscheinlich Ortho-
klas und Albit sind, will ich noch folgende anführen:
8) Orthoklastischer Feldspath aus der Delaware-County in
Pensylvanien, in der kleinen Sammlung zu Poppelsdorf. Es ist
ein Bruchstück, welches irrthümlich als Albit bezeichnet ist.
Die Orthoklas-Lamellen, welche vollkommen glatt sind, und die
Hauptmasse bilden, sind im Allgemeinen farblos und durchsich-
tig. Nur an einigen Stellen zeigen sie ganz die rothe Farbe der
entsprechenden Lamellen des Perthits. Die zahlreich auftretenden
dünneren Albit-Lamellen haben den Glanz und die Spiegelung
der Albit-Lamellen des Perthits und sind besonders durch die
mit blossem Auge deutlich zu erkennende Zwillingsstreifung aus-
gezeichnet. Merkwürdigerweise gehen dieselben nicht, wie dies
bei allen anderen angeführten Feldspathen der Fall ist, der
Querfläche, sondern einer Säulenfläche (T) parallel.
Von demselben Fundorte kommt auch der bekannte Sonnen-
stein — Perthit, der ebenfalls eine Verwachsung von Orthoklas
und Albit zu sein scheint und mit dem Perthit selbst die grösste
Aehnlichkeit hat.
9) Ein ausgebildeter Feldspath-Krystall aus Grönland, wel-
cher sich in der Freiberger Sammlung befindet und daselbst als
Perthit bezeichnet ist. Die Lamellen der beiden Feldspathe sind
hier fast eben so schön und gross, wie beim Perthit doch ist
ihre Färbung von der des Perthits verschieden.
10) Albit vom Rabenstein bei Zwiesel. Bei den bis jetzt
betrachteten Feldspathen waren die Orthoklaslamellen die stär-
keren und gaben dem Ganzen eine monoklinische Form, wäh-
rend hier die Albitlamellen vorherrschen und das Ganze eine
entschieden triklinische Form hat. Die Lamellen stimmen in
Beziehung auf Farbe und Glanz vollkommen mit denen des
Drachenfelser Feldspaths überein. Nur sind hier die Albitla-
mellen bedeutend stärker und zeigen die Zwillingsstreifung eben
so deutlich wie die des Perthits.
Die BREiTHAUPT'schen Beobachtungen und die eben mitge-
theilten zeigen, dass das Vorkommen einer lamellaren Verwach-
sung von je zwei Feldspathspecies ein sehr verbreitetes ist und
ich bin überzeugt, dass sich dasselbe noch bei Feldspathen von
vielen andern Fundorten wieder finden wird.
159
Jeder Feldspath dieser Art scheint mir ein Beleg für die
Unrichtigkeit der jetzt fast allgemein verbreiteten Ansicht über
die chemische Constitution der Feldspathe zu sein. Man giebt
nämlich im Allgemeinen den Feldspathen die Formel: R Si3-f
R Si3 und nimmt an , dass für R Kali, Natron, Kalk, oder je
zwei dieser Basen, oder auch alle drei zugleich eintreten könn-
ten. Diese Annahme hat aber schon wegen der grossen Ver-
schiedenheit des Kali- und Natron-Feldspaths iu Beziehung auf
ihre Krystallform etwas Unnatürliches. Es müsste nach dersel-
ben da, wo Kali und Natron zugleich in Feldspathen auftreten,
ein dem Verhältniss dieser Bestandtheile zu einander entspre-
chender Uebergang in der Krystallform stattfinden, welcher doch
in Wirklichkeit nicht vorkommt. Viel natürlicher und durch das
Vorhergehende theilweise bewiesen scheint mir daher die An-
nahme, dass, wo Kali und Natron zugleich in Feldspathen auf-
treten, dieselben stets in Verbindung mit Thonerde und Kiesel-
säure als Kali- resp. Natron-Feldspath vorhanden sind. Auf
dieselbe Weise könnte man den Kalkgehalt der Feldspathe er-
klären. Doch will ich auf diesen Gegenstand hier nicht weiter
eingehen, sondern mir denselben für eine spätere ausführlichere
Behandlung vorbehalten. Schliesslich will ich nur noch bemer-
ken, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass sich eine der bei
den Feldspathen beobachteten analoge Verwachsung oder ein
Gemenge zweier Species auch bei andern Mineralien wiederfin-
det. Es hängt damit vielleicht die Schwierigkeit oder Unmög-
lichkeit der Aufstellung einer rationalen Formel für viele Mine-
ralien zusammen.
160
3. Der Gypsstock bei Kittelsthal mit seinen
Mineral- Einschlüssen.
Von Herrn Senft in Eisenach.
Hierzu Tafel I.
In dem Zechsteingürtel am Nordwestrande des Thüringer
Waldes lagert eingebettet in dolomitischen Kalksteinen und Mer-
gelthonen eine mächtige Gypszone , welche südwestlich von dem
Lustschlosse Reinhardsbrunnen mit der gigantischen und durch
ihr prachtvolles Kry stall geflecht ausgezeichneten Gypsspathdruse
der Marienhöhle beginnt und j Meilen von Eisenach bei dem
Dorfe Kittelsthal mit einem höchst interessanten Gypsstocke endigt.
Ich habe diesen letztgenannten Gypsstock schon einmal in meiner
„geognostischen Beschreibung des nordwestlichen Endes vom
Thüringer Walde" (im X. Bande dieser Zeitschrift. 1858.
S. 332) kurz beschrieben ; wer ihn aber gegenwärtig sieht,
wird ihn nach meiner vor 5 Jahren entworfenen Beschreibung
nur noch im Allgemeinen wieder erkennen. Denn Stein-
brecher-Arbeiten sowohl als auch durch dieselben herbeigeführte
theilweise Einstürze der ehemaligen Gypswand haben dem gan-
zen Stocke eine so veränderte Physiognomie gegeben, dabei aber
auch so interessante, dem Gypse sonst ganz fremde Mineralbil-
dungen aufgedeckt, dass ich es für zweckmässig halte , diesen
Stock, so wie er jetzt aufgeschlossen dasteht, nochmals ausführ-
licher zu beschreiben.
1. Ablagerun gsor t des Gypsstockes.
(Vgl. hierzu die Karte.)
Verfolgt man den Fussweg, welcher von Eisenach südost-
wärts über Mossbach nach Ruhla führt, so gelangt man — hin-
ter Mossbach — über einen sehr langweiligen Buntsandstein-
rücken nach 1| Stunde zu einer ostwärts abfallenden, flachen
161
Bucht, welche westlich von dem eben erwähnten Buntsandstein-
berge, südlich von dem bewaldeten flachhalbkugeligen Glimmer-
schieferwalle des Ringberges, östlich von der porphyrischen Kuppe
des Spiizenberges und nordwärts von dem klippigen Zechstein-
riffe des „Alten Kellers" umschlossen wird. In diesem Zech-
steinriffe, welches west- und nordwärts vom Buntsandsteine über-
lagert wird, dagegen ost- und südwärts unmittelbar dem Glim-
merschiefer an- und aufgelagert erscheint, befindet sich zwischen
den oberen Gliedern der Zechsteinformation der nun näher zu
beschreibende Gypsstock von Kittelsthal (einem Dörfchen, wel-
chem dieser Gypsstock gehört und seit vielen Jahren eine reich-
liche Erwerbsquelle bietet).*)
2. Ha upt ges tei n e des Stockes.
So viel bis jetzt die Steinbrucharbeiten gelehrt haben, lagert
dieser Gypsstock in einer aus dolomitischen Kalksteinen und
ockergelben Mergelthonen gebildeten Mulde und wird wieder
von einer 8 bis 10 Fuss mächtigen, eisenschüssigen, etwas mer-
geligen Thonschale, und über dieser von einem stark zerklüfte-
ten, bröckeligen, dolomitischen Kalksteine so überlagert, dass
seine Masse nach Nord, West und Ost von diesen Gesteinsmas-
sen ganz umhüllt erscheint nnd nur an der Südseite in einem
Steinbruche offen zu Tage steht.
Die in diesem Stocke auftretenden Gypsmassen zeigen nun
gegenwärtig (im Jahre 1861) folgende Ablagerungen von oben
nach unten:
1) Fasergyps mit mergeligen Thonzwischenlagen;
la eine mächtige Lage rauchbraun gebänderten Fasergypses
mit schwarzgrauen , glimmerreichen Zwischenlagen und
zahlreichen Dolomitspath - Krystallen in seinen untern
Lagen ;
2) Dichter Gyps mit Dolomitspathrhomboedern, rauchbraunen
Bergkrystallen und schwärzlichen Specksteinnieren;
*) Wer den etwas langweiligen Weg über Mossbach zum Gypsstocke
scheut, kann sehr bequem zu demselben gelangen, wenn er mit der
Eisenbahn nach Wutha fährt und von da über Farrnroda und Kittels-
thal geht. Er ist dann in einer Stunde am Bruche.
Zeit* d. d.geol. Ges. XVI. 1. 11
162
3) eine 6 Linien hohe Thonzwischenlage;
4) dichter Gyps mit Gypssternen.
Bemerkung; Im Jahre 1857 dagegen zeigten sie fol-
gende Ablagerungen von oben nach unten:
J) Fasergyps mit mergeligen Thonlagen;
2) Dichter Gyps mit farblosen Berg - Krystallen und
schwärzlichen Specksteinnieren ;
3) Thonzwischenlage ;
4) Dichter Gyps mit Nestern von körnigem Gyps.
Schon aus der vorstehenden Uebersicht ersieht man, dass
in unserem Stocke vorherrschend dichter Gyps und Faser-
gyps auftritt. Aber diese beiden Abarten des Gypses zeigen
so mancherlei Abänderungen sowohl in ihrem chemischen Be-
stände, wie in den von ihnen umschlossenen Mineralarten, dass
ich sie etwas näher in's Auge fassen muss.
1) Der dichte Gyps nimmt (wie Fig. ^ zeigt) die un-
tere Hälfte des Stockes ein, besitzt eine Mächtigkeit von 40 bis
50 Fuss und wird durch eine unterbrochene 6 Zoll dicke, bald
sich bis zu 1 Linie verschmälernde Thonzwischenlage mit Faser-
gypsschnüren in zwei ungleich mächtige Bänke abgetheilt.
a) Die unterste dieser beiden Bänke erscheint ganz frei von
Rissen und Sprüngen , besteht aus fast reinem schwefelsaurem
Kalkerdehydrat und ist bald weiss, bald graulich weiss, bald
auch durch Manganoxyd grauschwarz bis braun geädert und ge-
fleckt. An manchen Stellen erscheinen in ihrer Gypsmasse so
zahlreiche, 6 bis 12 Linien lange, glasglänzende Gypsspath-
linsen (sogenannte Gurkenkerne der Steinbrecher) eingesprengt,
dass die ganze Gypsmasse ein porphyrisches Ansehen erhält.
Diese untere Bank ist es nun hauptsächlich , welche man
abbauet, theils um Sparkalk daraus zu brennen, theils um Luxus-
artikel, Tischplatten u. dgl. daraus zu schleifen.
b) Anders dagegen zeigt sich die obere dieser beiden Bänke.
Ausser zahlreichen unregelmässigen, feineren und gröberen Rissen
zeigt sie mehrere senkrecht ihre Masse durchsetzende, 1—2 Fuss
breite, halbcylinderförmige Rinnen, welche ihrer ganzen Länge
nach parallel gerinnelt, sonst aber so glatt sind, dass man deut-
lich sieht, wie sie durch Wirkung des Wassers entstanden sein
müssen. Früher vollständig geschlossene Röhren — sogenannte
Gypsorgeln — bildend wurden sie erst durch Wegbrechung ihrer
vorderen Gypswand rinnenförmig. Die Gypsmasse dieser oberen
163
Bank ist vollkommen dicht und härter als die der untern Etage.
Von Farbe ist sie blassbräunlich, weiss oder unrein weissgrau.
Ihrer chemischen Zusammensetzung nach erscheint sie als schwe-
felsaures Kalkerdehydrat, welches durch Spuren von Mangan-
oxyd verunreinigt ist. Eben diese Beimengungen von Mangan-
oxyd sind es auch, welche auf den Wänden feiner Spalten
zierliche, blassbraune Dendriten bilden und in der Form eines
umbrabraunen bis braunschwarzen Pulvers die Wände der oben
beschriebenen Cylinderklüfte nicht bloss stellenweise so über-
ziehen, dass sie wie angeräuchert aussehen, sondern auch — nach
der Auflösung und Auswaschung des Gypses durch das Was-
ser — auf dem Grunde derselben kleine Anhäufungen bilden.
Ich habe Proben von diesen letzteren analysirt und gefunden,
dass sie willkürliche Gemische von Mangansuperoxyd, Mangan-
oxyd, Eisenoxyd und etwas Baryterde sind und demnach , sowie
nach ihrem ganzen Verhalten dem Wad gleichkommen. Woher
diese Menge Mangan im Gyps? Später werden wir dies unter-
suchen. —
Interessant ist diese obere Bank des dichten Gypses aber
auch noch durch ihre mineralischen Einschlüsse. Zu-
nächst treten uns in dem unteren, unmittelbar über der thonigen
Zwischenlage befindlichen Theile derselben zahlreiche, 4 bis 6
Linien breite, glasglänzende, durch etwas Mangan bräunlichgrau
gefärbte, oft ganz regelmässig ausgebildete Sterne von Schwal-
benschwanzgyps entgegen. Meist erscheinen dieselben einzeln
in der Gypsmasse, oft aber durchziehen sie auch die letztere zu
Schnüren aneinandergereiht; ja in der nächsten Umgebung von
Spalten, vorzüglich in der unmittelbaren Nähe der oben erwähn-
ten Thonzwischenlage, häufen sie sich so, dass sie sich gegen-
seitig in ihrer Ausbreitung hindern und eine 2 bis 3 Linien
dicke, schwarzgrau gefärbte Lage von wirr durcheinander lie-
genden, kleinen Schwalbenschwänzen bilden. Die von diesen
glänzenden Sternen besetzte Gypsmasse sieht in der That recht
schön aus. Bemerkenswerth erscheint es indessen, dass diese
Gypsteine, so weit mich meine bis jetzt angestellten Unter-
suchungen belehrt haben, nicht sowohl innerhalb der dichten
Gypsmasse selbst, sondern vielmehr auf Flächen äusserst zar-
ter, vom blossen Auge nicht bemerkbarer Spalten sitzen.
Nächst den eben beschriebenen Gypssternen kommen an den
Spaltflächen dieses unteren Theiles der oberen Bank noch
il*
164
zahlreiche, mikroskopisch kleine Lamellen von Kali glimm er
vor, welche zarte, kaum j Linie dicke Lagen an diesen Spalt-
flächen bilden und meist erst beim Schlämmen des Gypses mit
Wasser bemerkt werden.
Ferner erscheinen in der oberen Region dieser zweiten Gyps-
etage zahlreiche abgerundete Specksteingeschiebe, welche
bald fest mit der sie umhüllenden Gypsmasse verwachsen sind,
bald aber auch so locker eingewachsen erscheinen, dass sie beim
Zerschlagen des Gypses in ihrer vollständigen Gestalt aus ihrer
Umhüllung herausspringen, aber selbst dann noch eine Gypsrinde
behalten. Noch weiter oben erscheinen in dieser zweiten Gyps-
etage da, wo sie mit der über ihr lagernden Fasergyps- Ablagerung
in Berührung steht, einzelne, nur erbsengrosse aber sehr schön
ausgebildete Doppelpyramiden von durchsichtigen nelkenbraunen
Bergkrystallen ( — sogenanntem Rauchtopas) und 6 bis 12
Linien grosse, äusserst regelrecht ausgebildete Rhomboeder von
Dolomitspath so lose eingesprengt, dass man jene wie diese
Krystalle in der Regel schon durch einen Druck mit dem Messer
aus ihrer Gypsumhüllung leicht und vollständig lostrennen kann.
2. Ueber dem dichten Gypse folgt nun eine Zone von
Fasergyps, welche indessen nicht in der ganzen Ausdehnung
des Gypsstockes eine gleich grosse Mächtigkeit und Massenbe-
schaffenheit besitzt, sondern am nordwestlichen Theile desselben
kaum 8 Fuss, ziemlich in der Mitte desselben 22 Fuss und am
südöstlichen Theile des Bruches wieder 8 bis 10 Fuss mächtig
auftritt. Diese verschiedene Mächtigkeit hat ihren Grund in
einer breiten, nach unten spitz zulaufenden Bucht, welche grade
in dem mittleren Theile des Stockes wohl 12 Fuss tief in die
Masse des dichten Gypses einschneidet und ganz mit mannig-
fach gewundenem Fasergypse so ausgefüllt ist, dass dann die
oberen Lagen des letzteren sich ununterbrochen in einer ziem-
lich wagerechten Linie über den übrigen Theilen des dichten
Gypsstockes ausbreiten.
In diesem mittleren und mächtigsten Theile der Fasergyps-
zone lassen sich auch nun drei verschiedene, übereinander lie-
gende Ablagerungen desselben beobachten, nämlich:
1) zuunterst eine dunkelrauch graue und weissgebänderte Lage,
welche die obengenannte Spaltenbucht ausfüllt
und in der Mitte derselben eine Mächtigkeit von
10 Fuss besitzt;
165
2) darüber eine vorherrschend weisse, langfasrige, nur durch
dünne Thonblätter in 3 bis 5 Zoll dicke La-
gen gesonderte Abtheilung von sonst reinem
Fasergyps, welche 8 Fuss mächtig ist ; und
3) zuoberst eine 2 Fuss mächtige, rothe, thonige oder mer-
gelige Schicht, welche von Gypsspathschnüren
durchzogen wird und nach oben in den die un-
mittelbare Decke des ganzen Stockes bildenden,
graugelben Mergelthon übergeht.
Die zweite und dritte dieser drei Ablagerungen zieht sich
zugleich über den ganzen untern Theil des Gypsstockes hin.
Unter diesen drei Fasergypsstraten ist die unterste, in der Bucht
des dichten Gypses lagernde die merkwürdigste. Sie besteht in
den unmittelbar über dem dichten Gypse befindlichen, wirr hin-
und hergewundenen und oft fast concentrisch um einander herum-
geschlungenen Lagen aus einer schwarzgrau- und weissgebän-
derten Fasergypsmasse , deren einzelne weisse Fasergypszonen
2 bis 4 Linien hoch sind und durch schwarzgraue, ,1 bis 3 Li-
nien dicke, erdige bis blättrigkörnige Zwischenlagen von einan-
der getrennt werden. Diese Zwischenlagen selbst aber bestehen
aus einem mechanischen Gemenge von zahlreichen silberweissen
Kaliglimmerschüppchen , rauchbraunen Gypsspathblättchen und
einer schwarzbraunen erdigen Substanz, welche in Säure unlös-
lich ist und bei der Analyse sehr wechselnde Mengen von Kie-
selsäure, Eisenoxyd, Manganoxyd, Magnesia, Kalkerde und Kali
zeigt. In dieser Fasergypsmasse treten die oben schon erwähn-
ten Dolomitspathkrystalle am häufigsten und grössten ( — in
manchem Handstücke von 4 Zoll Länge, 3 Zoll Breite und
lj Zoll Dicke 10 bis 12 dieser Krystalle — ), aber auch oft so
umgewandelt auf, dass sie nur noch die Form des Rhomboeders
zeigen, sonst aber aus einer erdig dichten Masse bestehen, welche
kein späthig-krystallinisches Gefüge mehr besitzt.
Eine Analyse, welcher dieses Gemenge von Gypsspath,
Glimmer und schwarzbrauner Substanz unterworfen wurde, er-
gab in 1 Grm. derselben:
1,270 Grm. SO3 Ba 0 entsprechend 93,20 Procent Gyps
0,542 „ CO2 Ca 0 „ 93,20 „ „
0,195 „ Wasser „ 93,20 „ „
0,068 „ in Salzsäure unlös-
licher Substanz . . . 6,80 „ „
100,00
166
Die in Salzsäure unlösliche Masse zeigte beim Schlämmen
noch zahlreiche feine Glimmerschüppchen und ein dunkelbraunes
Pulver, welches durch Glühen heller wurde und etwas von sei-
nem Gewichte (kohlige Theilchen) verlor.
Um weiter über die Beschaffenheit dieses eigentümlichen
Gypsgemenges in's Klare zu kommen unterwarf ich ein faust-
grosses Stück desselben der Schmelzung in einem Schmiede-
feuer. Das Produkt dieser Schmelzung war eine äusserlich
durchsichtig verglaste, innerlich weisse, schwarzwellig gestreifte
Masse, welche am Stahl funkte, vom Messer nicht geritzt wurde,
sich parallel den schwarzen Streifen spalten liess, an den Spalt-
flächen eine braune glimmerähnliche Glasur zeigte und über-
haupt echtem Gneuse täuschend ähnlich sah.
Etwa in Fuss Höhe ändert sich mit einem Male der Cha-
rakter dieser Lage; die Dolomitkrystalle verschwinden ganz, die
' Glimmerblättchen vermindern sich ebenfalls bedeutend und treten
nur noch einzeln und sehr zerstreut in der ganzen Masse auf,
die rauchbraunen Gypsspathblättchen oder Zwischenlagen ver-
grössern sich, bilden Gurkenkernkrystalle und Gypssterne und
treten in solcher Menge auf, dass die Zwischenlagen fast nur
noch als Aggregate aus ihnen bestehen; die Fasergypszonen
selbst bilden wellig gebogene Lagen, welche an ihren beiden
Seitenrändern hellrauchgrau gebändert erscheinen. Diese wellig
weiss und hellrauchgrau gebänderte, von Gypssternen und Gyps-
linsen durchzogene, nur einzelne sehr zerstreut liegende Glim-
merschüppchen bewahrende Gypslage füllt nun den oberen Theil
der früher genannten Spalte im dichten Gypse aus, legt sich in
ihren obersten Lagen noch über die Seitenoberflächen dieser
Spalte weg und geht zuletzt in die aus langfaserigem Gyps be-
stehende Ablagerung über, welche, wie oben schon angegeben,
über dem ganzen Gypsstocke gelagert erscheint und weiter gar
keine erwähnungswerthen Einschlüsse enthält.
Die Behandlung einer Probe dieser Gypslage mit Alkohol
ergab 1,8 Procent Chlormagnium und ausserdem noch deutliche
Spuren von Chlorkalium und schwefelsaurem Natron. Die durch
Alkohol ausgezogene Masse aber zeigte fast dieselben Bestand-
teile wie die untere Lage.
167
3. Nähere Beschreibung der in dem Gypse einge-
wachsenen Mineralien.
Ausser den zahlreichen Gypsspathsternen und Gypsspath-
linsen, welche überall vorkommen und daher hier weiter keine
Erwähnung verdienen, sind in den vorerwähnten Gypslagen
hauptsächlich folgende eingesprengte Mineralien zu beachten:
1) Speckstein (Topfstein): Abgerundete, linsen-, Scheiben-,
nieren-, herz-, keulen-, fingerförmige, ganz dichte und mit un-
ebenem splitterigem Bruche versehene Geschiebe oder Knollen,
welche äusserlich meist von einer weissen bis grauen Gypsrinde
überzogen, innerlich aber dunkelgrau, grau- oder schwarzgrün
bis schwarz sind, ein aschgraues ßitzpulver haben, ganz un-
durchsichtig erscheinen und nur im frischen Bruche oder beim
Schnitte einen mehr oder minder starken Wachsglanz zeigen.
Sie fühlen sich fettig an, sind milde, leicht schneidbar, aber nur
sehr wenig vom Fingernagel ritzbar und schreiben auf Glas. —
Ihr spec. Gewicht ist == 2,682. Im Kölbchen schwitzen sie
beim Erhitzen etwas Wasser aus. In Säuren erscheinen sie
unlöslich.
Nach ihrem Aufschlüsse zeigen sie:
29,65 Magnesia,
, 66,94 Kieselsäure,
1,05 Eisenoxyd und Thonerde,
1,60 Wasser
99,24
woraus sich bei Vernachlässigung der kleinen Mengen von Eisen
und Thonerde fast die Formel
MgO SiO3
ergiebt, welche in iOO Theilen
30,77 MgO
69,23 SiO3
verlangt. Von Alkalien keine Spur.
Wie oben schon angegeben worden ist, treten sie nur in
der Zone des dichten Gypses und zwar bisweilen in so grosser
Menge auf, dass die ganze Gypsmasse im frischen Bruche schwarz
gefleckt aussieht und einem Specksteinconglomerate nahe kommt.
168
Bemerkenswerth erscheint es noch, dass ich in ihrer Lagerzone
— wenigstens bis jetzt — noch kein anderes der oben genann-
ten Minerale, nicht einmal Gypsspath, gefunden habe.
2. Dolomitspathkrystalle : 4 — 12 Linien grosse, vollständig
ausgebildete, einfache, spitze Rhomboeder, häufig mit un-
tergeordneter, gerader Endfläche ; bisweilen auch zu Zwillingen ver-
einigt. — So sehr indessen diese schön ausgebildeten Krystalle in
ihrer Form übereinstimmen, so verschieden erscheinen sie in
ihren übrigen Eigenschaften, namentlich in ihrer chemischen
Zusammensetzung. Im Allgemeinen jedoch kann man sie unter
folgende 2 Gruppen bringen:
a. Die einen unter ihnen sind rein und frisch. Diese
sind 3 — 8 Linien gross, vollkommen spaltbar nach den
Rhomboederflächen, in ihrer Härte == 3,5 — 4 und haben
ein spec. Gewicht == 2,85, Sie erscheinen meist farblos
oder weiss, durchsichtig und perlmutterig glasglänzend. —
Bei ihrer chemischen Zerlegung zeigen sie:
d. Analyse: d. Berechnung:
Kalkerde
31,330
31,090
Magnesia
21,758
22,942
Kali
0,269
Kohlensäure
43,010
43,970
Wasser
1,864
1,998
98,231
100,000
woraus sich — wenn man den wahrscheinlich durch
Zersetzung von Glimmer in ihre Masse gerathenen Kali-
gehalt unberücksichtigt lässt — die Zusammensetzung
ergiebt :
Kohlensaure Kalkerde = 55,520
Kohlensaure Magnesia = 42,482
Wasser = 1,998
100,000
Diese Zusammensetzung würde der Formel CaO CO2 -)-'
MgO CO2 ziemlich nahe kommen.
Mein verehrter Freund, Herr Dr. Graeger in Mühlhau-
sen, welcher die Güte hatte, ein von mir analysirtes Exemplar
dieses Spathes auf das sorgfältigste nochmals zu analysiren, fand
dieselben Resultate. Er berechnet aber* aus denselben:
169
*
CaO CO2 f= 55,520
MgO CO- = 37,890
MgO HO = 6,590
100,000
und hieraus die Formel
5 CaO CO2 +4 MgO CO2 +MgO HO
oder
CaO CO2 + (MgO CO2 + MgO HO).
b. Die anderen dieser Dolomitkrystalle sind entweder verun-
reinigt durch mechanische Beimengungen von Glimmer-
blättchen und Quarz oder im Zersetzungszustande begriffen,
a) Die unreinen sind in der Regel die grössten (8 bis 12
Linien gross) nur noch mehr oder minder vollkommen
spaltbar. In ihrer Härte stehen sie den vorigen ganz
gleich (= 4), aber ihr spec. Gewicht ist — 2,86 — 3,1.
Von Farbe sind sie grau- oder gelbweiss, nur noch
stellenweise durchsichtig und auf den Spaltflächen stark
perlmutterglänzend. Aeusserlich sind sie oft von einer
ockergelben oder rauchbraunen, matten Rinde umschlos-
sen; oft aber ist ihre Oberfläche auch von einer Rinde
überzogen ; welche theils aus feinen silberweissen Kali-
glimmerschüppchen , theils aus einem schwarzbraunen
Silicat, theils aus einem Gemische von beiden besteht.
Diese letztgenannten Rindensubstanzen durchziehen sogar
häufig die Krystalle nach allen Richtungen und machen
sie stellenweise undurchsichtig. Ja es kommt auch oft
vor, dass der Kern dieser Krystalle aus einem
festen Aggregate von Kaiig lim m e rsch üpp-
chen und Quarzkörnchen besteht, so dass das
Dolo mitrh omboeder nurdieHülle oderSchale
um diesen Kern bildet. Aeusserlich sieht man nichts
an diesen letztgenannten Krystallen, was auf das Fremd-
artige dieses Kerns schliessen Hesse, sie sind oft am
ebenflächigsten. Aber beim Zerschlagen und Behandeln
derselben mit Salzsäure bleibt dann stets ein grösserer
oder kleinerer ungelöster Rückstand, während die in Lö-
sung befindliche Substanz ganz dieselbe chemische Zu-
sammensetzung wie die reinen Dolomitkrystalle zeigt.
170
ß) Die in Zersetzung und Umwandlung begriffe-
nen Krystalle dagegen zeigen schon mehr Verschieden-
heit sowohl in ihren physikalischen Eigenschaften wie in
ihrer chemischen Zusammensetzung. Zwar erscheinen sie
in ihrer Form noch wohl erhalten , aber ihre Oberfläche
ist rissig, rauh, angeätzt, bisweilen sogar mehlig und
ihre Masse mehr oder weniger dicht und nicht mehr
deutlich spaltbar, grau- oder gelbweiss, matt und un-
durchsichtig, vom Messer schneidbar und bröckelig, wäh-
rend ihr spec. Gewicht = 2,63 erscheint. An manchen
dieser Krystalle ist bloss die Oberfläche bis zu 1 Linie
dick umgewandelt, so dass nach Wegschabung dieser
Umwandlungsrinde noch ein reiner frischer Dolomitspath
zum Vorschein kommt; an andern dagegen ist die Zer-
setzung soweit nach dem Inneren vorgedrungen, dass nur
noch ein 2 Linien dicker Dolomitspathkern übrig ist. —
Uebrigens sind sie alle in Salzsäure unter Brausen lös-
lich, aber ihre Lösung zeigt so verschiedene Mengen von
kohlensaurer Kalkerde und kohlensaurer Magnesia, dass
sich aus denselben gar keine Zusammensetzungsformel
berechnen lässt. Fünf auf diese Weise analysirte Krystalle
zeigten z. B.
18,532 bis 25,644 Kalkerde
14,436 bis 22,955 Magnesia
37,4 bis 41,87 Kohlensäure.
Nur soviel kann man aus diesen Resultaten ersehen,
dass alle die i n U m wandlun g b egri f f en en Do-
lomitk rys tal le bedeutende Mengen kohlen-
sauren Kalkes verloren haben.
Alle die oben beschriebenen Dolomitkrystalle finden sich
entweder in den obersten Lagen des dichten Gypses, namentlich
in der nächsten Umgebung der oben erwähnten grossen Spalte
oder in den unteren Fasergypsmassen , welche unmittelbar auf
dem dichten Gypse lagern und jene Spalte ausfüllen. Die rein-
sten unter ihnen sitzen in dem dichten Gypse, die unreinsten und
am meisten zersetzten in dem mit glimmerreichen Zwischenlagen
versehenen Fasergypse.
3. Quarzkrystalle : Erbsengrosse sechsseitige Doppelpyra-
miden, deren Mittelkanten abgestumpft sind, bisweilen zu Zwil-
171
lingen verwachsen; rauchbraun, glasglänzend, durchsichtig.
Sie erscheinen immer nur einzeln eingewachsen im dichten
Gypse, zumal in der Nähe der dolomitführenden Zone desselben
und scheinen in einer gewissen Beziehung zu den Dolomitkrystallen
zu stehen, wie wir weiter unten sehen werden.
4. Kaliglimmer: in äusserst kleinen Schüppchen, vorherr-
schend in den Fasergypslagen, welche die Spalte ausfüllen , und
namentlich in der nächsten Umgebung der Dolomitkrystalle,
4. Ansichten über die Entstehungsweise des
Gypses und seiner Mineralien.
Nachdem ich im Vorhergehenden kürzlich die — bis jetzt
von mir beobachteten — Mineralien in dem Gypsstocke von
Kittelsthal geschildert habe, sei es mir nun schliesslich noch
gestattet, die Frage aufzuwerfen: wie sind diese Mineralien in
den Gyps gekommen, da sie doch sämmtlich ihrer chemischen
Zusammensetzung nach dieser Gebirgsart fremd sind? Sind sie
vielleicht sammt dem Gypse aus der Zersetzung- und Umwand-
lung des über dem Gypse lagernden dolomitischen Kalksteines
entstanden? — Das letzte glaubte ich selbst früher, aber die
Ablagerungsverhältnisse des ganzen Stockes und die Art des
Auftretens der oben genannten Mineralien haben mich eines
Anderen belehrt.
Zunächst ist der dichte Gyps entschieden älter als der über
ihm lagernde Kalkstein und hat sich in verschiedenen Zeiträu-
men gebildet, wie die Thonzwischenlage zwischen den beiden
Etagen des dichten Gypses und das Vorhandensein der Speck-
steingeschiebe in der oberen Gypsetage beweist. Sodann sitzen
die sämmtlichen Specksteinknollen, Bergkrystalle und gerade die
reinsten, schärfst auskrystallisirten Dolomitspathkrystalle in dem
dichten Gypse, welcher durch eine 20 Fuss mächtige Fasergyps-
zone von dem aufliegenden dolomitischen Kalksteine getrennt
ist. Auch sind die in dem Fasergypse vorkommenden Krystalle
ohngeachtet ihrer wohl erhaltenen Form in ihrem chemischen
Bestände um so mehr umgewandelt, je weiter sie nach oben in
dieser Fasergypszone vorkommen, je näher sie also der Dolomit-
kalkzone liegen.
Ferner sind die Specksteinknollen wirkliche Geschiebe
und Gerolle, welche erst durch Fluthen in den Gyps gekom-
172
men sind; denn noch jetzt trifft man dieselben sehr häufig in
dem Verwitterungsboden des Magnesiaglimmerschiefers und Glim-
rnerdiorits sowohl am Fusse des Ringberges wie auch im See-
bacher Thale an der Struth. Auch sind sie in der Gypsmasse
zerstreut und gerade so eingebettet wie die Felsgerölle in dem
Bindemittel eines Conglomerates. Ebenso erscheinen die zahl-
reichen Kaliglimmerblättchen nicht lagenweise, sondern ordnungs-
los durch die Masse des obenein dichten Gypses zerstreut. Aber
sowohl jene Specksteingeschiebe wie diese Glimmerblättchen
konnten nicht eher in den Gyps gekommen sein, als bis dieser
von seinem Lösungswasser schon soviel verloren hatte, dass er
einen Brei oder Schlamm von solcher Consistenz bildete, dass
die von späteren Finthen herbeigeführten Specksteingeschiebe
denselben nicht mehr ganz durchdringen und zu Boden sinken
und auch die Glimmerschuppen sich nicht lagenweise in ihm
vertheilen konnten. Nicht minder aber sprechen für diese ehe-
mals schlammige Beschaffenheit der Gypsmasse auch noch die
ganz normal ausgebildeten Dolomitspathrhomboeder. Diese, welche
ebenso lose eingebettet in der Gypsmasse liegen wie jene Speck-
steingeschiebe, waren noch nicht vorhanden, als der Gypsschlamm
in seine jetzige Lagerstätte gefluthet wurde; denn sonst wären
sie nicht so rein und frisch an Gestalt und Masse; sie haben
sich jedenfalls erst gebildet, als der angefluthete Gyps durch
Verdunstung seines Lösungswassers, sich schon zu einem dicken
Brei verdichtet hatte, indessen immer noch zu einer Zeit als die-
ser Gypsbrei noch so weich war, dass er der regelrechten Ent-
wicklung jener Krystalle kein Hinderniss entgegen stemmen
konnte. Von Bedeutung für die Bildung dieser Krystalle ist je-
doch nicht bloss ihr häufiges Zusammenvorkommen mit den Kali-
glimmerblättchen, sondern auch ihr Verwachsensein mit den aus
Quarzkörnchen und Kaliglimmerschüppchen bestehenden festen
Aggregaten. In der Glimmerschiefermasse des — dem Gyps-
stocke gegenüberliegenden — Bingberges trifft man da, wo die-
ser Schiefer in nächster Berührung steht mit Hornblendegestein,
eine feinkörnige Felsart, welche aus Quarz und Magnesia-
glimmerblättchen besteht. Sollten von dieser letztgenann-
ten Felsart vielleicht die Quarzglimmerstückchen in den Dolo-
mitspathrhoedern herrühren und sollte aus der Zersetzung ihres
Magnesiaglimmers nicht vielleicht einerseits der Kaliglimmer und
andererseits das Material zur Bildung des Dolomitspathes und
173
der rauchbraunen Bergkrytalle entstanden sein, da ja, wie all-
gemein bekannt ist, der Magnesiaglimmer auch an andern Orten
durch seine Zersetzung diese Mineralien liefert? — Ich sollte es
meinen, zumal da auch schon am Ringberge ein Glimmergestein
auftritt, welches diese Umwandlungsprodukte des Magnesiaglim-
mers enthält, wie ich weiter unten zeigen werde.
Endlich deuten auch gerade die in der buchtigen Spalte
auf dem dichten Gypse vorkommenden, wellig gebänderten und
mit angewitterten oder halbzersetzten Dolomitkrystallen, Glim-
merblättchen und Eisenoxydultheilchen lagenweise untermischten
Fasergypsmassen darauf hin, dass sie nicht nur — vielleicht
lange — nach der Bildung des dichten Gypses, ja sogar höchst
wahrscheinlich -aus einer theilweisen Lösung der oberen Lagen
des letztgenannten Gesteins entstanden sind, sondern sich auch
vor der Ablagerung des dolomitischen Kalksteines gebildet haben
müssen ; denn wie sollte man sich sonst die eigenthümlich ge-
wundenen und welligen Lagen derselben erklären?
Halte ich alle diese Facta zusammen, so will es mir schei-
nen, dass nichjt der dolomitische Kalkstein der Er-
zeuger des Gypses ist, sondern beide — Dolomit-
kalk wie Gyps — aus einem gemeinschaftlichen
Muttergesteine entstanden sind, welches unter sei-
nen chemischen Bestandtheilen alle diejenigen
Stoffe in denjenigen Mengen besass, welche zur
Bildung des dolomitischen Kalkes und des Gypses
nothwendig gehören. Und halte ich dieses fest, so komme
ich unwillkürlich auf den Gedanken, dass theils der Mag-
nesiaglimmerschiefer , theils ein Horn blendege-
stein an dem oben schon genannten Ringberge der
Erzeuger der oben genannten Gesteine und Mine-
raleinschlüsse gewesen sein muss; denn diese beiden
gemengten Felsarten enthalten in ihrer Masse alles, was zur Bil-
dung jener Mineralmassen des Gypsstockes gehört, wie eine
kurze Betrachtung der Ringbergsgesteine zeigen wird.
Wie ich schon in meiner oben erwähnten geognostischen
Beschreibung (diese Zeitschr. Bd. X. S. 306) angegeben habe
und wie auch die beifolgende Karte veranschaulicht, so besteht
die Hauptmasse des Ringberges aus einem eisenschwarzen,
quarzarmen, dünn- und gefälteltschiefrigen Magnesiaglimmer-
schiefer, welcher neben dem Magnesiaglimmer namentlich
174
in seiner unteren Region bisweilen auch O ligok laskörner,
noch häufiger aber Chlorit oder Hornblende enthält und
in Folge dieser Beimengungen überall da, wo dieselben in gros-
ser Menge sich in seine Masse eindrängen , nicht bloss Ueber-
gänge in Gneus, Chloritschiefer , Hornblendeschiefer und Diorit
zeigt, sondern auch wirkliche Zwischenlager von diesen eben ge-
nannten Felsarten umschliesst.
Die bedeutendste von diesen untergeordneten Lagermassen
bildet ein eigentümliches grau- bis schwarzgrünes, unvollkommen
dickschieferiges oder plattenf örmig abgesondertes Dioritgestein,
welches im Thale der Ruhla mächtig entwickelt auftritt und von
da in der Richtung von SSO nach NNW unter der Glimmer-
schiefermasse des ganzen Ringberges weg bis zum Nordabhange
dieses Berges zieht, wo es nur noch mit einer Mächtigkeit von
2 Fuss als ein mit weissen Kaliglimmerlagen durchzogenes Horn-
blendegestein wieder zu Tage geht. Dieses Gestein , welches
die auffallendsten Uebergänge bald in Glimmerschiefer, bald in
Chloritschiefer, bald in Speckstein, bald auch in Gneus und
durch diesen in Granulit zeigt, ist es namentlich, was unsere
volle Beachtung in Beziehung auf das Bildungsmaterial des
Gypssstockes von Kittelsthal verdient. Es besteht, wie a. a. O.
S. 306 schon bemerkt worden ist, aus einem feinkörnigen bis
flaserigen Gemenge von Magnesiaglimmer, Hornblende und Oli-
goklas, welcher jedoch lagenweise so stark durch
Kalkspath vertreten wird, dass die ganze Steinmasse die-
ser Lagen mit Säuren stark aufbraust und zerbröckelt — und
enthält ausserdem sehr viel Magnetkies und Eisenkies (Pyrit)
— oft fein zertheilt — eingesprengt. An seinen Absonderungs-
flächen zeigen sich fast stets zonenartige, oft concentrische Ueber-
züge von Mangan- und Eisenoxyd; das Innere der es zahlreich
und fast senkrecht durchsetzenden Spalten und Klüfte aber er-
scheint ausgefüllt theils mit zellig zernagtem Quarz, theils mit
Speckstein oder Grünerde, theils auch mit schaligem Baryt (sel-
ten), Kalkspath (häufiger) und Braunspath (CaOCO2 -f- MgO
CO2 -f- FeO CO2) mit zahlreichen Pyritwürfeln (am häufigsten).
— In seinen oberen Lagen und überall da, wo sein Gemenge
sehr glimmerreich wird, erscheint es mehr oder weniger entfärbt,
angewittert und mit einem aus Eisenoxyd und Kaliglimmer-
schüppchen bestehenden Gemische bedeckt, zu welchem sich hier
und da kleine Flussspathwürfel und wohl auch einzelne Rutil-
175
nadeln gesellen. — Alle diese Ausscheidnngsmineralien aber,
namentlich die specksteinartigen Massen in den Verwitterungsklüf-
ten, der Kaliglimmer mit seinem treuen Begleiter dem Eisen-
oxyde, das Wad, der Braunspath, die Schwefelkiese und der
Kalkspath im Dioritgemenge sind von hoher Bedeutung; denn
mit Ausnahme der Schwefelkiese finden wir sie alle, wenn auch
zum Theil mit veränderter Gestalt und Masse, in dem Gypse
von Kittelsthal wieder.
Rechne ich dazu nun noch, dass 1) nicht bloss in diesem
dioritischen Gesteine, sondern auch in dem über ihm lagernden
Gneuse und Magnesiaglimmerschiefer sehr gewöhnlich der Mag-
nesiaglimmer durch Einwirkung der atmosphärischen Kohlen-
säure in ein Gemenge von fettem rothen Thon, Kaliglimmer
und feinen krystallinischen Quarzkörnern — also in dieselben
Mineralsubstanzen umgewandelt erscheint, wie wir sie in un-
serem Gypsstocke finden,
2) überall da, wo das oben beschriebene Glimmerdioritge-
stein zu Tage geht, dasselbe mehr oder weniger verwittert und
bald in Chlorit, bald in Grünerde, bald in wahren Speckstein
umgewandelt erscheint und auf seinen Verwitterungsklüften
Braunspath und Quarzdrusen enthält;
3) alles Quellwasser, welches aus dem kalkspathhaltigen
Diorite hervortritt, viel Gyps gelöst enthält, während eine Quelle,
welche aus dem kalkfreien Glimmerhornblendeschiefer westwärts
vom Heiligensteine hervortritt, kaum eine Spur von demselben
bemerken lässt; — nehme ich auf alles dieses Rücksicht, so ge-
lange ich zu folgenden Resultaten;
1) Der Magnesiaglimmer in dem genannten Glimmerdiorite
lieferte durch seine Zersetzung die Quarzkrystalle, die Eisen-
oxydmassen und die Kaliglimmerblättchen, welche theils im
Fasergypse lagenweise oder zerstreut verbreitet sind, theils
mit den Dolomitrhomboedern verwachsen erscheinen ; aber
zugleich auch wenigstens theilweise die kohlensaure Mag-
nesiakalkerde zur Bildung des Dolomitspathes.
2) Die Hornblende dagegen gab bei ihrer Zersetzung theils
die Specksteingeschiebe, theils die wadartigen Gemenge in
den Klüften des Gypses, dann aber auch, sei es für sich
allein, sei es in Gemeinschaft mit dem Kalkspath ihres
Gemenges, Material znr Bildung des Dolomitspathes und
dolomitischen Kalksteins;
176
3) Der Kalkspath in dem Glimmerdiorite endlich gab für sich
allein schon oder im Vereine mit der aus der Zersetzung
des Glimmers und der Hornblende frei werdenden Kalk-
erde das Material, aus welchem die — so zahlreich in die-
sem Diorite vorhandenen — sich zu Schwefelsäure und
Eisenvitriol oxydirenden — Schwefelkiese den Gyps erzeug-
ten. Dafür scheint einerseits der starke Gypsgehalt in dem
noch gegenwärtig aus diesem Diorite hervorkommenden
Wasser und andererseits der Gypsmangel des Wassers in
dem Bereiche des kalkspath- und schwefelkiesfreien Glim-
merhornblendegesteins zu sprechen. Ja es ist sogar nicht
unwahrscheinlich, dass dieses letztgenannte Gestein, welches
gegenwärtig bröckelig ist und nur Kaliglimmer enthält, weiter
nichts als ein durch schwefelsaures Wasser seines Kalkspathes
schon beraubter Diorit ist; wenigstens scheinen mir dafür
die in seinen Klüften vorkommenden Barytdrusen zu sprechen.
In Beziehung auf die Reihenfolge der Entstehung dieser
Mineralien glaube ich nun auch noch annehmen zu dürfen, dass
zuerst der Gyps gebildet wurde, einerseits, weil die Bedingungen
zu seiner Erzeugung am reichlichsten gegeben und am leichte-
sten durchzuführen waren, und andererseits erst die sich leicht
zersetzenden Schwefelkiese weggeschafft werden mussten, wenn
durch Einfluss von Kohlensäure aus dem Magnesiaglimmer und
der Hornblende das Material zur Bildung des Dolomites geschaf-
fen werden sollte, und endlich, weil, wie schon früher angedeutet
worden ist, der fortgefluthete Gyps schon eine dickschlammige
Beschaffenheit angenommen haben musste, als die Specksteinge-
schiebe, Kaliglimmeraggregate und Dolomitkrystalle in ihn ge-
langten ; denn sonst müssten diese Einschlüsse in ihm unterge-
sunken sein und gerade in seinen tiefsten Lagen vorkommen,
was aber nicht der Fall ist.
Aus dem nun durch die vitriolescirenden Schwefelkiese sei-
nes Kalkgemengtheiles beraubten Glimmerdiorite wurde zuerst
der oben erwähnte Glimmer-Hornblendeschiefer und aus diesem
durch die Einwirkung der — durch Zersetzung des Kalkspathes
freiwerdenden — Kohlensäure allmälig Speckstein und lös-
liche kohlensaure Magnesia-Kalkerde. Wasserfluthen
führten endlich diese beiden Verwitterungsprodukte dem nun
schlammig gewordenen Gypse zu und gaben sie an diesen ab;
die schon fertig gebildeten Specksteingeschiebe sanken in die
177
Gypsmasse mehr oder weniger tief ein; die noch in Lösung be-
findliche kohlensaure Magnesia-Kalkerde aber bildete beim Ver-
luste ihres kohlensauren Lösungwassers die schönen Rhomboeder,
die wir oben beschrieben haben. Diese Dolomitrhomboeder sind
also — nach meiner Ansicht — die jüngsten Gebilde in dem
Gypse, mögen sie nun auf die eben angegebene Weise oder da-
durch entstanden sein , dass sich Stöcke des Magnesiaglimmers,
welche durch die Gewässer in den Gyps geschlämmt wurden, in
der Weise zersetzten, dass einerseits Kaliglimmer, andererseits
durch Einwirkung von gelöstem kohlensauren Kalk auf die kie-
selsaure Magnesia jenes Glimmers Dolomitspath und Quarzkry-
stalle gebildet wurden. Beides scheint mir möglich zu sein.
Ich will noch bemerken, dass nach einer im Laboratorium
des Herrn Ramm ei.sb erg angestellten Analyse das S. 166 er-
wähnte Schmelzprodukt enthält:
15,27 Schwefelsäure
11,29 Kalk
1,03 Eisenoxydul
27,43 Thonerde
44,53 Kieselsäure
99,55.
Zeits. d.d. geoLGes. XIV. 1.
12
178
4. Bericht über eine geologische Reise nach Russ-
land im Sommer 1861.
Von Herrn F. Roemer in Breslau.
Der Hauptzweck der Reise war, durch eigene Anschauung
eine Uebersicht über die in den Russischen Ostsee -Provinzen
entwickelten älteren oder sogenannten paläozoischen Gesteine zu
gewinnen. Nachdem mir durch frühere Reisen die paläozoischen
Gesteine Schwedens und Norwegens bekannt geworden waren,
lag der Wunsch nahe, den Ueberblick über die paläozoischen
Gesteine des nördlichen Europas durch eine wenn auch nur
flüchtige Ansicht der älteren Gesteine Russlands zu vervollstän-
digen. Einen besonderen Anlass zur baldigen Ausführung der
Reise bot noch der Umstand, dass die gerade vollendete Bear-
beitung der von den Silurischen Diluvial- Geschieben von Sade-
witz bei Oels umschlossenen fossilen Fauna die Aufsuchung der
entsprechenden Silurischen Gesteine in situ in den Russischen
Ostsee-Provinzen als dem wahrscheinlichen Ursprungsgebiete je-
ner Geschiebe wünschenswerth machte.
Demnächst versprach auch der Besuch von Petersburg und
Moskau viel werth volle Belehrung und wissenschaftliche Ausbeute
durch die Besichtigung öffentlicher und privater Sammlungen
und durch den Verkehr mit den dortigen Fachgenossen.
Nur die Monate August und September konnten auf die
Reise verwendet werden. In einem früheren werthen Zuhörer
von mir, Herrn Dr. Karl v. Seebach in Göttingen, hatte sich
mir ein erwünschter Reisegefährte angeschlossen.
Wenn in dem folgenden Reiseberichte ausser den rein geo-
logischen Mittheilungen auch beiläufig mancherlei andere Bemer-
kungen über Land und Leute gegeben werden, so werden diese
letzteren dem Leser, der nur streng Wissenschaftliches sucht,
kaum eine Störung bereiten, da sie sich überall nicht von dem
Hauptstoffe sondern.
179
Die Reise von Breslau bis Dorpat.
Die Hinreise führte von Breslau über Posen und Marien-
burg nach Königsberg und von dort über Kowno und Dünaburg
nach Pskow (Pleskau); bis Kowno konnte dabei die Eisenbahn
benutzt werden. Die Strecke von Kowno bis Dünaburg dagegen,
auf welcher die Eisenbahn noch unvollendet war, wurde in sehr
rascher Fahrt mit der Diligence in 22 Stunden zurückgelegt.
Der auf dieser Fahrt durchflogene Theil von Lithauen ladet
auch durchaus nicht zu längerem Verweilen ein. Das Land er-
schien mir als das Trostloseste, das ich je gesehen. Die Felder
trotz des zum Theil guten Bodens schlecht und nachlässig be-
baut, die Ortschaften aus zerfallenen elenden Hütten mit lücken-
haften Strohdächern bestehend, endlich die Menschen zerlumpt,
schmutzig und elend. Auf jeder Station, wo die Post anhielt,
erwarteten uns Dutzende von Bettlern, Krüppeln und schmutzigen
polnischen Juden. Wer an diesem verwahrlosten Zustande des
Landes und der Bevölkerung Schuld sein mag, ich weiss es nicht.
Gewiss trifft ihn schwere Verantwortung.
Die Oberfläche des Landes ist wellig, hügelig und in den
Abhängen von engen und steilen Schluchten durchfurcht, die das
Ansehen haben, als seien sie in festem Gesteine ausgehöhlt. Den-
noch sind es überall nur lose Diluvial -Massen, — Sand, Kies
und Lehm — , welche den Boden zusammensetzen. Zahllose er-
ratische Blöcke von zum Theil bedeutender Grösse liegen überall
auf den Feldern umher.
Von Dünaburg bis Pskow und ebenso von dort bis St. Pe-
tersburg ist die Eisenbahn bereits längst im Betriebe. Wir leg-
ten die Strasse bis Pskow in 8 Stunden zurück. Hier fanden
wir uns gleich beim Verlassen des Bahnhofes in ächt Russisches Le-
ben versetzt. Die schlecht oder gar nicht gepflasterten breiten und
geraden Strassen mit den niedrigen, aber langen, häufig durch
weite Zwischenräume getrennten hölzernen Häusern, die unabseh-
bar und nach unseren Begriffen ganz unnöthig weitläufigen öffent-
lichen Plätze, auf denen sich die wenigen Menschen und Fuhr-
werke fast verlieren, die zahlreichen Kirchen mit den lebhaft
grünen zwiebeiförmigen Kuppeln , die weiss oder hellgelb an-
getünchten weitläufigen Regierungsgebäude mit den unvermeid-
lichen Säulenreihen der Facade, ferner in den Strassen die un-
verhältnismässig grosse Zahl von Fuhrwerken, namentlich die
12*
180
flinken, aber auch nur einem einzigen Fahrgaste eine bequeme
Beförderung gewährenden Droschken mit den bärtigen in lange
blaue Kaftans gekleideten „Istwoschtschiks" , die kräftigen Ar-
beiter mit dem bunten baumwollenen Hemde und den weiten
Hosen, die gedrückt und dürftig aussehenden Soldaten mit dem
hellgrauen groben Ueberrock und den hohen weiten Juchten-
Stiefeln, die ernst blickenden Popen mit dem langen Haupthaar
und dem seidenen Ueberwurf u. s. w. — alle diese und viele
andere äussere Merkmale des Russischen Lebens , welche sich
mit auffallender Gleichförmigkeit überall wiederholen, traten uns
hier gleich in ihrer ganzen Fremdartigkeit entgegen.
Pskow, von den Deutschen Pleskau genannt, im Mittelalter
als Handelsstadt mit selbstständigem Gemeindeleben blühend und
mächtig, ist von dieser Höhe längst herabgestiegen. Bei einer
kaum 11000 betragenden Einwohnerzahl zeigt es nur eine ge-
ringe Lebendigkeit des Verkehrs. Aber die ausgedehnten, wenn-
gleich zerfallenden, mächtigen Ringmauern und die ansehnliche,
mit kostbaren Heiligenbildern erfüllte Kathedrale, welche mit an-
deren Kirchen- und Klostergebäuden einen höher liegenden und
durch Mauern abgeschlossenen innersten Stadttheil, den Kreml,
ganz nach Art desjenigen in Moskau wenn auch in kleinerem
Maassstabe bildet, geben von der früheren Bedeutung der Stadt
Zeugniss.
Für uns war übrigens Pskow nicht blos der erste Punkt,
an welchem wir nach der langen und ziemlich ermüdenden Eisen-
bahn- und Post-Fahrt den ersten Halt machten, sondern zugleich
auch die erste Lokalität in Russland, welche uns Gelegenheit
zur Beobachtung von anstehenden Gesteinschichten bot. Die 30
bis 60 Fuss hohen steilen Ufer des Welikaja-Flusses, an welchem
die Stadt erbaut ist , zeigen überall eine Aufeinanderfolge von
horizontalen oder ganz flach geneigten Schichten von röthlich
oder gelblich grauem dolomitischen Kalk und dolomitischen Mer-
geln. Nach den Versteinerungen gehört diese Schichtenfolge der
devonischen Gruppe und zwar deren oberen Abtheilung an. Wir
selbst fanden zwar nur einige undeutliche Fischreste, aber daran
war nur unsere Unbekanntschaft mit den näheren Fundorten
Schuld. Sowohl bei Pskow selbst als noch mehr in den Um-
gebungen der einige Meilen südwestlich von Pskow gelegenen
kleinen Stadt Isborsk sind reiche Fundstellen von wohl erhalte-
nen Versteinerungen, von denen wir später in Dorpat durch
181
Professor Grewingk Exemplare erhielten. Zu den häufigsten
Arten gehören Spirifer Archiaci, Rhynchonella Livonica,
Atropa reticularis und Spirigera concentrica. Auch die präch-
tige, in der allgemeinen Form der Rh. acuminata des Kohlen-
kalks ähnliche Rhynchonella Meyendorßi findet sich an einigen
Punkten in grosser Zahl der Exemplare und in vortrefflicher Er-
haltung.
Die ganze dolomitisch-kalkige und mergelige Schichtenfolge
der Gegend von Pskow gehört der oberen Abtheilung der de-
vonischen Gruppe, wie sie in Russland entwickelt ist, an. Die
aus vorherrschend roth gefärbtem Sandstein, Sand und Thon be-
stehende und durch die zahlreichen Fischreste aus der Familie
der Piacodermen bezeichnete Hauptmasse , welche den grössten
Theil von Livland und Kurland einnimmt, liegt darunter. Jedoch
soll nach Grewingk auch über ihr noch eine oberste Schichten-
folge von Thon, Sand und Mergel mit Fischresten der Gattungen
Holoptychius , Dendrodus , Osteolepis u. s. w. vorhanden sein.
Auf diese Weise liegen die kalkig -mergeligen Schichten vor
Pskow und Isborsk mitten innen zwischen Sandsteinen und Tho-
nen mit Piacodermen -Resten. Wenn nun die gründlichen und
umfassenden Untersuchungen von Pander erwiesen haben , dass
die Gattungen der in dem rothen Sandstein Livland's vorkom-
menden Fischreste grossentheils identisch sind mit solchen des
Old red in Schottland und England, und wenn andererseits die
Arten von Brachiopoden und Acephalen, welche die fossile Fauna
der kalkig-mergeligen Schichtenfolge von Pskow und Isborsk zu-
sammensetzen , meistens specifisch übereinstimmen mit solchen,
welche in den typisch devonischen Schichten Deutschlands und
des westlichen Europas überhaupt zu den verbreitetsten und be-
zeichnendsten gehören, so ist damit nicht nur der Beweis geführt,
dass die in Russland der devonischen Gruppe zugerechneten Ge-
steine wirklich den ächten devonischen Schichten des westlichen
Europas gleich stehen , sondern es erhält auch die früher aus
allgemeinen geognostischen Gründen scharfsinnig gefolgerte Gleich-
stellung des Englischen Old red mit den Korallen und Schal-
thiere einschliessenden Kalksteinen und Thonschiefern von De-
vonshire und dem Gebirge zu beiden Seiten des Rheins nun erst
durch die Verhältnisse in Russland ihre sichere paläontologische
Begründung.
Das nächste Reiseziel war nun Dorpat, wo durch den Ver-
182
kehr mit Fachgenossen und Besichtigung der Sammlungen ge-
nauere Vorbereitung für die weitere Bereisung von Livland und
Ehstland gewonnen werden sollte. Da das zwischen Pskow und
Dorpat fahrende Dampfschiff, welches im Sommer eine bequeme
Verbindung zwischen beiden Städten über den Peipus-See in einer
etwa zwölfstündigen Fahrt vermittelt, am Morgen desselben Ta-
ges, an welchem wir in Pskow anlangten, von dort abgefahren
war und erst in drei Tagen wieder die Fahrt machte, so blieb
uns nichts Anderes übrig, als die Strecke zu Lande mit Post-
pferden zurückzulegen. Dazu bedurfte es zunächst einer „Po-
droschna", d. i. einer amtlichen Ermächtigung zur Benutzung
von Postpferden, denn nur gegen Vorweisung einer solchen wer-
den auf den Stationen die Pferde von den Posthaltern verabfolgt.
Wir erhielten dieselbe ohne Schwierigkeit auf dem Polizeiamte.
Es war dafür die Summe von 1 Rubel und 20 Kopeken zu ent-
richten. Da es beim Bezahlen auf beiden Seiten an Scheide-
münze fehlte, und die Zeit drängte, so blieb nichts übrig, als
den Ueberschuss von SO Kopeken, der auf einen zweiten Rubel
herauszugeben war, im Stiche zu lassen. Das war uns ein erstes
Beispiel von der Unbequemlichkeit, welche der herrschende Man-
gel an Scheidemünze in dem von schwerer Finanznoth überhaupt
heimgesuchten Lande mit sich führt. Man sah fast nur Papier-
rubel und Kupfergeld im Verkehr, und Silber-Scheidemünze war
nur gegen ein Draufgeld zu erhalten. Einen wirklichen Silber-
rubel habe ich auf der ganzen Reise nur einmal in dem Münz-
Kabinete in St. Petersburg gesehen.
So wurde denn die Reise am folgenden Morgen um 6 Uhr
angetreten. Da wir einen eigenen Wagen nicht besassen, so war
die Fahrt auf dem landesüblichen Fuhrwerk, der Telega, zu ma-
chen, d. i. einem offenen, unmittelbar auf der Achse liegenden,
vierrädrigen Karren, dessen Holzkasten, mit Stroh gefüllt, eben
so das Gepäck des Reisenden wie diesen letzteren selbst aufnimmt.
Wir passirten zunächst den Welikaja - Fluss auf einer der für
Russland eigenthümlichen, aus schwimmenden Balken konstruirten
Flossbrücken, und fuhren durch sie nach der auf dem anderen
Ufer gelegenen Vorstadt; die Häuser waren zum Theil von Ge-
müsegärten umgeben, in denen, wie überall im mittleren Russ-
land, Kopfkohl und Gurken — die beiden Russischen National-
Gemüse, fast ausschliesslich kultivirt wurden. Gleich darauf be-
fanden wir uns im freien Felde. Eine völlig wagerechte Fläche
183
dehnte sich, so weit das Auge reichte, vor uns aus. Die gleiche
durchaus horizontale Bodenbeschaffenheit ist eine Eigenthünilich-
keit Russlands und namentlich der Russischen Ostsee-Provinzen,
welche durch die wagerechte Lagerung der mit Diluvial-Massen
gar nicht oder nur sehr dünn bedeckten Schichten der silurischen
und devonischen Gruppe bedingt ist. In Deutschland wird man
selbst in dem als Norddeutsche Ebene bezeichneten Tieflande
solche ganze wagerechte grössere Flächen nur in den Sohlen der
Flussthäler oder in ausgetrockneten Seebecken antreffen. — Erst
mehrere Meilen weiter nordwestlich bei dem Eintritte in Livland
legt sich eine dickere Diluvialdecke auf die devonischen Schich-
ten, und nun wird die Oberfläche wellig, mit zum Theil ziem-
lich tiefen Thaleinschnitten und Wasserrissen. Anstehende Ge-
steine sahen wir zuerst an einer etwa 10 Meilen südlich von
Dorpat gelegenen Stelle wieder. Es war ein loser, aber deutlich
geschichteter braunrother Sand, der in einem Wasserrisse ent-
blösst war. Wir befanden uns also bereits auf der unteren san-
digen Hauptabtheilung der devonischen Gruppe, die den grösse-
ren Theil von Livland einnimmt. Uebrigens gewährte die rasche
Fahrt für geognostische Wahrnehmungen nicht viel Zeit. Wir
bekamen hier zuerst eine Vorstellung von dem, was Russisches
Fahren heisst. Rasch flogen cfie Werst-Pfähle an uns vorüber,
und selbst bei nicht ganz ebenem Terrain wurden mehrfach 7
Werst (6|- Werst = 1 deutsche Meile) in 25 Minuten zurück-
gelegt. Dabei war auch die Länge der Station bedeutend, indem
sie 30 bis 35 Werst betrug. Diese Schnelligkeit des Fahrens
söhnt den Reisenden in Russland einigermaassen mit der Unbe-
quemlichkeit der Beförderung und der Eintönigkeit der Landschaft
aus. Uebrigens nahm die Schnelligkeit der Beförderung ab, so-
bald wir in Livland eintraten, und Deutsche Posthalter an die
Stelle der National-Russischen traten.
Das Land schien im Ganzen gut angebaut, desto besser,
je mehr wir uns Dorpat näherten. Der Roggen war jetzt, am
13. August, erst gerade reif und nur zum Theil schon gemäht.
Die Einfriedigung der Felder wird meistens durch niedrige Mau-
ern von aufeinander geschichteten erratischen Blöcken gebildet,
die überall in zahlloser Menge umherliegen. Waldungen sind viel
weniger vorherrschend, als ich mir bei der geringen Dichtigkeit
der Bevölkerung vorgestellt hatte. Auf dem ganzen 160 Werst
langen Wege von Pskow nach Dorpat sieht man keinen Wald
184
von grösserer Ausdehnung. Ziemlich spät am Abend langten
wir, von der langen Fahrt auf den unbequemen federlosen Wa-
gen ziemlich ermüdet, in Dorpat an, und hatten damit einen vor-
läufigen Ruhepunkt erreicht.
Der Aufenthalt in Dorpat.
Wenn auch die oft gebrauchte Benennung, „das Russische
Heidelberg", für die Livländische Universitäts-Stadt etwas über-
schwänglich erscheint, so ist die Lage und das ganze Aussehen
von Dorpat immerhin freundlich und anmuthig genug, um in
dem nach der Natur seines Bodens im Ganzen nur einförmigen
menschenarmen Lande den Eindruck einer anmuthigen Oase in
der Wüste hervorzubringen. Zieht man zugleich die geistigen
Hilfsquellen in Betracht, so erscheint es noch mehr als eine
solche. Die Stadt ist in dem Thale des schiffbaren Embach-
Flusses gelegen, welcher den Abfluss des Wirzjärw-See's in den
Peipus-See bildet. Ziemlich steil abfallende, 100 bis 130 Fuss
hohe Thalabhänge begrenzen das Thal, und an diesen ziehen
sich zu beiden Seiten des Flusses die Strassen der Stadt in
weitläufiger Bauart hinan. Die grossartige Ruine des mittel-
alterlichen Gothischen Domes liegt auf der Höhe des südlichen
Thalgehänges selbst, und überragt die ganze Stadt. Die weit-
läufige Ausdehnung desselben würde übrigens auf eine erheb-
lich bedeutendere Einwohnerzahl als 16000 schliessen lassen.
An den Abhängen des Thaies treten überall die rothen
Sande, lockeren Sandsteine, Thone und Mergel der devonischen
Gruppe in fast wagerechter Lagerung zu Tage. Das ganze
äussere Ansehen der Schichtenfolge gleicht durchaus demjenigen
des bunten Sandsteins oder des Rothliegenden in Deutschland.
Nimmermehr würde der unvorbereitete Beobachter in diesen ho-
rizontal gelagerten lockeren Aggregaten ein Altersäquivalent der
steil aufgerichteten und vielfach gefalteten altersgrauen Thon-
schiefer und Grauwacken des Rheinischen Gebirges erkennen.
Aber freilich, die Fischreste leiten. Wir fanden dergleichen, und
namentlich Panzerstücke der Gattung Aster olepis , in ziemlicher
Häufigkeit in einem Wasserrisse am „Jägerschen Berge", einer
Lokalität des nördlichen Thalgehänges noch innerhalb der Stadt.
Sobald man aus dem Thale auf die Höhe gelangt, so trifft man
überall eine gleichförmig verbreitete Decke von Diluvium. Erra-
185
tische Blöcke sind in viel grösserer Menge , als man sie in
Deutschland zu sehen gewohnt ist, auf den Feldern umherge-
streut, und bereiten nicht selten durch ihre Häufigkeit bei der
Bebauung des Bodens Schwierigkeit.
Von besonderer Wichtigkeit für unseren Aufenthalt in Dor-
pat und für die weitere Ausführung der Reise war der Verkehr
mit Herrn Professor Grewingk, dem Vertreter der mineralogi-
schen Disciplin an der Universität, der mir schon durch ein
früheres Zusammentreffen in Berlin persönlich bekannt war. Ihm
verdanken wir die vielfachste Belehrung über die geognostischen
Verhältnisse der Ostsee-Provinzen, mit deren Erforschung er seit
einer Reihe von Jahren beschäftigt ist, und durch seine spätere
persönliche Begleitung auf einem Theile unserer Reise hat er
uns namentlich zu dem lebhaftesten Danke verpflichtet.
Herr Professor Grewingk führte uns zunächst auf das un-
ter seiner Leitung stehende mineralogische Museum der Univer-
sität. Dasselbe ist in zwei geräumigen Sälen des stattlichen
neuen Universitäts-Gebäudes sehr zweckmässig aufgestellt. Die
paläontologische Abtheilung enthält ausser einer nur mässig um-
fangreichen allgemeinen systematischen Sammlung eine sehr
reiche Folge von Versteinerungen aus den verschiedenen Abthei-
lungen der silurischen und devonischen Gruppe in den russi-
schen Ostsee-Provinzen. Die nähere Durchsicht dieser letzteren
war mir für meine Zwecke besonders wichtig. Zum ersten Male
bekam ich hier auch eine grössere Suite der so merkwürdigen
Fischreste des devonischen Sandsteins von Livland zu sehen.
Auch eine Suite von Gyps-Abgüssen der vorzüglichsten Stücke
der durch Dr. Assmuss in vieljähriger Arbeit zusammengebrach-
ten und seiner Abhandlung*) zu Grunde liegenden Sammlung
ist in dem Museum aufgestellt. Die von Dr. Assmuss bei sei-
nem vor zwei Jahren zu frühzeitig erfolgten Tode hinterlassene
Sammlung selbst befindet sich noch nicht in dem Museum, aber
man hofft sie von der Wittwe für dasselbe zu erwerben.
In der Sammlung von Gesteinen der Ostsee-Provinzen war
mir von besonderem Interesse auch zuerst Stücke des von Gre-
wingk in Kurland und Lithauen, namentlich am Nordrande der
bekannten Partie von Jura-Gesteinen von Popilani an der Win-
*) Das vollkommenste Hautskelet der bisher bekannten Thierreiche
von Dr. Assmüss. Dorpat 1856.
186
dau aufgefundenen Zechsteins*) zu sehen; denn das Auftreten die-
ser Bildung in jener Gegend, weit getrennt ebensowohl von den
Zechstein-Partien Deutschlands als auch von dem Gebiete, über
welches sich die permische Gruppe in Russland verbreitet, ist
sehr unerwartet und bemerkenswert!!. Das Gestein ist ein gelb-
lichgrauer feinkörniger Dolomit mit ziemlich zahlreichen Stein-
kernen und Abdrücken von Bivalven, unter denen sich nament-
lich Gervillia keratophaga , Modiola simpla Keys, und Schi-
zodus Schlotheimi haben bestimmen lassen. Es würde leicht sein,
unter den Dolomiten des deutschen Zechsteins Bänke von völlig
übereinstimmendem äusseren Ansehen aufzufinden. In der That
hält auch Grewingk die ganze Bildung für näher verwandt mit
dem deutschen Zechstein als mit den permischen Ablagerungen
in Russland.
Auch die mineralogische Abtheilung des Museums ist werth-
voll und gut geordnet. Besonders sind, wie sich erwarten lässt,
die russischen Vorkommnisse aus dem Ural und Altai vertreten,
und zwar zum Theil durch prächtige Stufen. Herrliche Drusen
von Kupferlasur aus dem Altai, an Grösse und Deutlichkeit dej
Krystalle den schönsten von Chessy gleich kommend, zeichneten
sich namentlich aus. Zum ersten Male sah ich hier auch das
neue Vorkommen von Graphit von Tunkinsk im Gouvernement
Irkutsk, welches an Reinheit der Masse und Gleichförmigkeit des
Gefüges selbst das einst berühmte Vorkommen von Borrowdale
in Cumberland, dem es übrigens ähnlich ist, noch übertrifft.
Wahrscheinlich wird dasselbe für technische Verwendung, und
namentlich für die Herstellung von Bleistiften allen anderen Gra-
phit verdrängen. In Petersburg, wo ich auch ein grosses Stück
des Minerals erhielt, erfuhr ich später, dass man dort eine grosse
Fabrik von Bleistiften zu errichten beabsichtigt, während bisher
das Material nur im rohen Zustande nach München ausgeführt
worden sein soll.
Auch eine Anzahl interessanter Meteorite enthält das Mu-
seum. Namentlich ein handgrosses Stück des 1855 auf der Insel
Oesel gefallenen Meteorsteins; ferner ein Stück von Lixna bei
Dünaburg, und eines von Bialystock. Prachtvoll in seiner voll-
ständigen Erhaltung mit der fein gerunzelten glänzend schwar-
zen Rinde ist der faustgrosse, fast kubische Meteorstein von
*) Vergl.: Diese Zeitschr. 1857 S. 163 ff.
187
Oahu, einer der Sandwich-Inseln, der von Hoffmann's Reise um
die Welt herrührt.
Ausser dem mineralogischen Museum der Universität wer-
den auch in dem Museum der Dorpater Natu rfor sehe r -
Gesellschaft, in welches uns Herr Magister Baron Rosen,
dfcm wir auch sonst für freundliche Führung während unseres
Aufenthaltes in Dorpat dankbar verpflichtet sind , Zutritt ver-
schaffte, einige wichtige paläontologische Sammlungen aufbewahrt.
Besonders war mir die Durchsicht der von Fried. Scmidt zu-
sammengebrachten Sammlung von Versteinerungen aus den si-
lurischen Schichten Ehstland's von Interesse. Dieselbe war um
so belehrender für mich, als sie nach den einzelnen, von Fried.
Schmidt in seiner vortrefflichen Schrift*) unterschiedenen Schich-
tenabtheilungen geordnet ist, und so über den Werth und die
Selbstständigkeit dieser Abtheilungen zu urtheilen befähigt. In
dieser Sammlung sah ich auch zuerst eine grössere Suite von
Versteinerungen aus den auf der Insel Oesel, und nur hier allein
in den Ostsee-Provinzen, entwickelten obersten Abtheilungen der
silurischen Schichtenreihe, und namentlich den Eurypterus- füh-
renden Kalkschiefern und dem Beyrichia-reiehen Kalk des Ohhe-
saare-Pank auf der südlichsten Spitze der Insel. Die organischen
Einschlüsse des letzteren stimmen so genau mit solchen der Insel
Gotland überein, dass an der vollständigsten Gleichaltrigkeit die-
ser Schichten mit den entsprechenden auf der schwedischen Insel
nicht zu zweifeln ist. Durch die neuerlichst gelungene Auffin-
dung des Eurypterus remipes auf der Insel Gotland*), ist übri-
gens die Uebereinstimmung der russischen und schwedischen Insel
in geognostischer Beziehung noch vollständiger geworden. Die
sehr werthvolle Sammlung von Gotländer Versteinerungen, welche
Fried. Schmidt bei seinem längeren dortigen Aufenthalte zu-
sammengebracht hat, und welche seinen Aufstellungen über die
geognostische Gliederung der Insel zum Belege dient, befindet
sich gleichfalls in dem Lokale der naturhistorischen Gesellschaft.
Im Interesse der grösseren Nutzbarmachung wie auch der siche-
ren Erhaltung kann ich übrigens den Wunsch nicht unterdrücken,
dass beide Sammlungen aus dem Lokale der naturhistorischen
*) Fried. Schmidt: Beitrag zur Geologie der Insel Gotland ; im Ar-
chiv für die Naturkunde Liv-, Ehst- und Kurland's. 1. Serie. Bd. II.
1859. S. 455.
188
Gesellschaft in dasjenige des mineralogischen Museums der Uni-
versität übertragen werden möchten.
Auch die übrigen Zweige der Naturwissenschaften sind in
Dorpat durch namhafte und ausgezeichnete Männer vertreten.
H. Maedler, der Professor der Astronomie, ist durch seine
Arbeiten über den Mond, durch seine populäre Astronomie und
durch zahlreiche andere Leistungen überall bekannt und geehrt.
Der Name von Ludw. Kaemtz, des Vertreters der Physik, wird
mit der Geschichte der Meteorologie für immer verbunden sein.
Alex. Bunge, der Vertreter der Botanik, ist abgesehen von
seinen werthvollen systematischen Arbeiten durch seinen frühe-
ren längeren Aufenthalt in China als Mitglied der russischen
Mission in Peking und durch seine Reisen in Persien, von wel-
chen er erst vor zwei Jahren zurückkehrte, bekannt. C. Scmidt,
der Professor der Chemie, hat sich besonders durch seine mit
Bidder, dem Professor der Physiologie und Pathologie, gemein-
schaftlich ausgeführten physiologisch - chemischen Arbeiten einen
anerkannten wissenschaftlichen Namen gemacht. Die angewandte
Mathematik wird durch Prof. Minding, die reine Mathematik
durch Helmling vertreten. Die Professur der Zoologie beklei-
det, nach des geistvollen Assmuss frühzeitigem Tode, erst seit
Kurzem G. Flor, der durch entomologische Arbeiten bekannt
ist. Endlich gehört zu der physiko - mathematischen Fakultät,
welche sehr passend von der historisch -philologischen Fakultät
ganz getrennt ist, auch noch ein Lehrstuhl für Oekonomie und
Technologie, den gegenwärtig Alex. Petzholdt einnimmt, dessen
frühere Arbeiten sich vorzüglich auf dem Felde der Geologie und
Mineralogie bewegten.
Auch die wissenschaftlichen Institute für die verschiedenen
Zweige der Naturwissenschaften sind durchgängig wohl ausge-
stattet und sorgfältig unterhalten , das gilt im Besondern von
der in erhöhter Lage neben der Dom-Ruine schön gelegenen
Sternwarte, welche namentlich mit einem prachtvollen Refraktor
versehen ist; von dem botanischen Garten, welcher eben so sorg-
fältig unterhalten zu sein scheint, als er zweckmässig und ge-
schmackvoll angelegt ist; ferner von dem chemischen Laborato-
rium, welches nach den Anordnungen des Professor Schividt
in sehr geeigneten schönen Räumen des ganz neuen, erst vor
zwei Jahren vollendeten Universitätsgebäudes vortrefflich einge-
richtet worden ist. Auch das zoologische Museum ist in passen-
189
den Räumen der Universitätsgebäude gut untergebracht und ent-
hält, obwohl verhältnissmässig noch nicht sehr umfangreich, doch
manches Werthvolle und Interessante, namentlich von nordischen
Thieren. Ein in dem Museum aufbewahrtes Exemplar des Elenn-
thieres (Cervus alces L.) ist durch den Fundort merkwürdig.
Es wurde vor einigen Jahren in einem kalten Winter in dem
Garten des Kurators der Universität in der Stadt Dorpat selbst
erschlagen. Auch das ökonomisch-technologische Institut ist durch
die Bemühungen von Professor PetzhOldt zu einer werthvollen
Sammlung herangewachsen. Von dem mineralogischen Museum
war schon vorher die Rede.
Erwägt man, dass die übrigen Fakultäten nicht minder tüch-
tige und wissenschaftlich angesehene Lehrer wie die naturwis-
senschaftliche zählen, dass namentlich die medicinischen unter
den 10 ordentlichen und 2 ausserordentlichen Professoren, aus
denen sie besteht, mehrere wissenschaftlich hochstehende Persön-
lichkeiten umfasst, und dass in gleicher Weise die diesen ver-
schiedenen Zweigen dienenden wissenschaftlichen Institute im
Ganzen mit grosser Munificenz ausgestattet sind, so kommt man
zu dem Schlüsse, dass die Dorpater Universität den grösseren
Universitäten Deutschlands, wie Heidelberg, Bonn und Göttingen
ebenbürtig zur Seite steht. Soll freilich diese Ebenbürtigkeit
fortdauern, so wird die in neuerer Zeit hervorgetretene Abneigung,
Professoren aus Deutschland zu berufen, durchaus zu beseitigen
sein ; denn die kleine deutsche Bevölkerung der russischen Ost-
see-Provinzen kann allein die nöthigen wissenschaftlichen Kräfte
für eine solche höhere Lehranstalt kaum liefern, nnd diese letz-
tere bedarf zu ihrem Gedeihen einer fortwährenden innigen Ver-
bindung mit dem wissenschaftlichen Leben in Deutschland. Die
Unbequemlichkeit, welche die Ansprüche an eine freiere Bewe-
gung Seitens der aus Deutschland zu berufenden Professoren für
die russische Regierung möglicher Weise haben können, kann
gegen die Vortheile höherer geistiger Bildung, welche dem kul-
turbedürftigen weiten Reiche durch das Bestehen einer blühen-
den Universität nach deutscher Art dauernd zugeführt werden,
kaum in Betracht kommen.
Durch die Empfehlungen eines Breslauer Freundes und Col-
legen, E. Grube, welcher als Professor der Zoologie 12 Jahre
in Dorpat gelebt hat, waren uns auch die geselligen Kreise von
Dorpat in wirksamster Weise geöffnet worden , und wir hatten
190
allen Grund das als einen besonderen Vorzug zu schätzen. Wir
fanden, dass, was man von der gemüthlichen Gastfreundlichkeit
und den angenehmen Umgangsformen der russischen Ostsee-Pro-
vinzen überhaupt rühmt, für Dorpat ganz besonders Geltung hat.
Freilich ist es natürlich, dass in einem Lande, wo die Natur so
wenig und das öffentliche Leben nichts bietet, was erfreuen und
beschäftigen kann, die Menschen durch den Genuss freundlichen
Zusammenlebens x sich zu entschädigen suchen. In einem die
meisten Professoren der naturwissenschaftlichen und medicinischen
Fakultät vereinigenden Kreise bei Herrn Professor M aedler
machte ich auch die mir sehr werthvolle persönliche Bekannt-
schaft mit Herrn General v. Hamersen aus St. Petersburg,
dem durch zahlreiche und werthvolle Arbeiten über die Geo-
gnosie und Paläontologie Russlands bekannten Gelehrten, der zu-
gleich zu den angesehensten Bergbeamten des russischen Reiches
gehört und namentlich auch dem grossartigen Institute des Berg-
Corps vorsteht. Herr v. Helmersen war augenblicklich mit
einer technischen Untersuchung über die Möglichkeit einer Ni-
veau-Erniedrigung des Peipus-Sees zum Zweck der Entsumpfung
weiter Landstrecken in dessen Umgebung beschäftigt. Bei der
von mehr als 65 Quadrat-Meilen betragenden Grösse des Sees
und den vorherrschend flachen Ufern ist der Umfang des durch
eine solche theilweise Ablassung für die Cultur zu gewinnenden
Areals begreiflich , und bei der um 90 Fuss über den Spiegel
des finnischen Meerbusens erhobenen Lage des Sees und dem
verhältnissmässig kurzen Abfluss desselben durch die Narowa in
das Meer die Möglichkeit einer solchen Entwässerung an sich
gegeben.
Reise durch Livland, Ehstland und Jngermannland nach
Petersburg.
Nach einem achttägigen Aufenthalte in Dorpat wurde es
Zeit an die Fortsetzung der Reise zur Besichtigung der Lokali-
täten in Livland und Esthland zu denken. Erst jetzt kamen wir
aber zu der Erkenntniss der Schwierigkeiten, von denen eine
solche Reise begleitet ist. Zunächst trat die Unkenntniss der
Landessprache als ein Haupt-Hinderniss entgegen. Diese ist be-
kanntlich die Ehstnische , welche als ein Zweig des Finnischen
Sprachstamms jedem Germanen ein völlig verschlossenes Gebiet
191
ist. Eine Sprache, in welcher eins, zwei, drei ix, kaxy kolm
heissen, schneidet von vorn herein dem nur mit Germanischen
und Romanischen Sprachen bekannten Fremden jede Hoffnung
auf Verständniss ab. Die Schwierigkeiten der Beförderung, des
Unterkommens und des Auffindens der in dem menschenarmen
Lande sehr versteckt und vereinzelt liegenden Aufschlusspunkte
kamen hinzu. Alle diese Schwierigkeiten wurden jedoch durch
das Anerbieten von Prof. Grewingk uns zu begleiten und uns
als Führer zu dienen in der für uns erfreulichsten Weise besei-
tigt. Freilich war das ein so aufopfernder Liebesdienst, wie ihn
nur ein Naturforscher dem Fachgenossen erweist. Denn Prof.
Grewingk war gerade von einer mehrwöchentlichen Abwesen-
heit nach Dorpat zurückgekehrt und ausser den akademischen
Vorlesungen, deren Beginn unmittelbar bevorstand, erwarteten
ihn zahlreiche andere Geschäfte. Eben so rasch als umsichtig
traf er alle Vorbereitungen für die Reise. Der nöthige Urlaub
wurde durch einen gemeinschaftlichen Besuch bei dem Kurator
der Universität, Herrn v. Bradke, einem alten General, der sich
bei der Erstürmung von Warschau ausgezeichnet hat, mit Leich-
tigkeit erwirkt; es wurden ferner Pferde gemiethet, während
Professor Grewingk einen sehr eleganten leichten Jagdwagen
selbst stellte, und endlich einige Lebensmittel eingekauft. So
waren wir bald reisefertig, und verliessen Mittags die freundliche
Musenstadt. Das nächste Reiseziel war der etwa 7 deutsche
Meilen nordwestlich von Dorpat gelegene Ort Talkhof. Bald
nachdem wir Dorpat verlassen, kamen wir an dem Dorfe Arro-
külla (zu deutsch : Wiesendorf) vorbei. Bei demselben, und zum
Theil unter den Häusern des Dorfes, befindet sich das sogenannte
Labyrinth, eine aus zahlreichen niedrigen Gängen bestehende
Höhle im rothen devonischen Sandsteine, welche anderen zum
Theil sehr gewagten Annahmen entgegen ihren Ursprung wahr-
scheinlich dem Graben von Sand verdankt. Diese Höhle ist
einer der Hauptfundorte für die fossilen Fischreste der devoni-
schen Schichten. Hier hat namentlich Assmuss die zahlreichen,
zum Theil riesenhaften Knochenschilder und Knochen von Pla-
codermen gesammelt, durch deren scharfsinnige Zusammensetzung
und Deutung er eine wichtige Vorarbeit für die spätere Mono-
graphie von P ander über diese so merkwürdigen, durch die
ausserordentliche Entwicklung des Haut-Skelets von allen le-
benden Formen so weit abweichenden Fische geliefert hat
192
Ausserdem sind die Ufer des nördlich von Riga in den Riga-
schen Meerbusen sich ergiessenden Aa-Flusses und die Ufer des
Landsees bei dem westlieh von Walck gelegenen Postamte Burt-
neck besonders reiche Fundorte solcher Fischreste, die nament-
lich auch von Pander für seine Arbeiten ausgebeutet worden
sind. Als wir uns weiter von der Stadt entfernten, verlor die
Gegend mehr und mehr das fruchtbare und sorgfältig bebaute
Ansehen , welches die näheren Umgebungen des ringsum von
reichen adligen Gütern umgebenen Dorpat auszeichnet. Das
Land wird zu einem wenig fruchtbaren und dünnbevölkerten
Flachland, über dessen Boden eine sandige Decke von Diluvium
sich gleichmässig verbreitet. Ueberall sah man die mit grauen
Tuchröcken bekleideten blondharigen Ehstnischen Bauern beschäf-
tigt mit ihren kleinen einspännigen Wagen den Roggen einzu-
fahren, und die Frauen in weissen Hemdärmeln und mit dem
eigentümlichen, halbkugelig gewölbten, grossen silbernen Schilde
auf der Mitte der Brust leisteten bei dem Aufladen Beihülfe.
Viel weniger vortheilhaft als das äussere Ansehen der Leute
selbst ist das Ansehen ihrer Wohnungen. Ein Ehstnisches Dorf
in Livland und Ehstland ist ein unregelmässiger Haufen schwar-
zer niedriger strohgedeckter Blockhäuser von eben so düsterem
als armseligen Eindruck und noch elenderer Beschaffenheit der
inneren Einrichtung. Erst spät Abends erreichten wir das Ziel
unserer ersten Tagereise. Wir stiegen in dem Pastorate Talkhof
ab. Da ausser den meistens unreinlichen und jeder Bequemlich-
keit baaren Dorfkrügen auf dem Lande in Livland und Ehstland
Wirthshäuser nicht vorhanden sind, so ist der gebildete Reisende
unbedingt genöthigt, die Gastfreundschaft der Gutsbesitzer und
Pfarrer in Anspruch zu nehmen. Diese wird denn auch in dem
grössten Umfange und mit der grössten Freundlichkeit geübt.
Wir wenigstens haben auf unserer ganzen Reise allen Grund
gehabt, dieselbe dankbar zu rühmen.
Das Pastorat war ein grosses stattliches und ein mit den
Bequemlichkeiten des Lebens wohl versehenes Gebäude. Wie
in Schweden und Norwegen sind die Pfarrer in den russischen
Ostsee-Provinzen im Ganzen sehr gut gestellt, und erfreuen sich
durchschnittlich einer bedeutend günstigeren äusseren Lage als
ihre Amtsbrüder in Deutschland. Die Einkünfte der Pfarrer be-
stehen in dem Ertrage eines zu dem Pastorate gehörenden, 100
Morgen oder noch mehr betragenden grösseren Stückes Land,
193
welches von dem Pfarrer entweder selbst bewirtschaftet oder
noch häufiger verpachtet wird. Der noch jugendliche Pfarrer,
der uns auf das Freundlichste aufnahm, theilte uns mit, dass zu
seinem Pastorate acht Güter gehören. Ganz Livland und Ehst-
land, zusammen über 1,100 Quadrat-Meilen gross, ist nämlich
abgesehen von dem unbedeutenden Besitze der wenigen Städte
in Gutsbezirke getheilt, deren Zahl der Quadrat-Meilen-Zahl des
Landes etwa gleichkommen mag, da Güter mit einem Areal von
ein oder mehreren Quadrat-Meilen ganz gewöhnlich sind. Die
Besitzer der Güter sind Deutsche und müssen der Ritterschaft
der betreffenden Provinzen angehören. Die Bauern sind Ehsten,
und damit der ausserordentlich überwiegende Theil der Bevölke-
rung, da ausser dem Adel nur noch die Bevölkerung der weni-
gen Städte wie Riga, Reval u. s. w. aus Deutschen besteht. Es
ist klar, dass bei solcher numerischen Schwäche des deutschen
Elementes in den Ostsee-Provinzen, der Widerstand desselben durch
das von allen Seiten energisch andringende Russenthum mit der Zeit
überwältigt werden muss. Hätte der Adel des Landes verstanden
seine ehstnischen Bauern zu germanisiren , wie dieses im Laufe der
Jahrhunderte bei ernstem Willen gewiss möglich gewesen wäre,
so würde jetzt das Land eine compacte Masse gleichartiger Be-
völkerung darstellen, von welcher eine erfolgreiche Vertheidigung
des deutschen Wesens mit Wahrscheinlichkeit zu hoffen wäre.
Hat aber, wie man behauptet, der deutsche Adel des Landes die
Germanisirung der ehstnischen Bevölkerung absichtlich unter-
lassen, weil er fürchtete mit dem Deutschthume dem unterwor-
fenen Volksstamme ein Bildungselement zuzuführen, welches des-
sen Selbstgefühl heben und damit seine Beherrschung erschweren
könnte, so hat er einen groben politischen Fehler begangen, den
er wahrscheinlich mit dem Verluste seines eigenen deutschen
Wesens durch den Untergang im Russenthum wird büssen müssen.
Das Pastorat Talkhof liegt gerade auf der Grenze der de-
vonischen und silurischen Sehichtenreihe. Der Brunnen auf dem
Hofe des Pastorates steht in rothen, denen des Keupers gleichen-
den devonischen Mergeln, und eine Viertel-Meile weiter nördlich
bei dem Dorfe Törwe sind schon graue flachgelagerte silurische
Kalksteinschichten mit Pentamerus Esthonus und Korallen (Ca-
lamoporen, Streptelasma Europaeum u. s. w.), in einer Anzahl
von kleinen Steinbrüchen, welche das Material für mehrere Kalk-
öfen liefern, aufgeschlossen. Die Schichten sind trotz ihrer un-
Zeits. d. d. geol. Ges. XIII. 1, 13
194
mittelbaren Verbindung mit den devonischen keines weges das
jüngste in den Ostsee-Provinzen überhaupt entwickelte Glied der
eilurischen Gruppe, sondern sie gehören der Zone 6 von Fkied.
Schmidt an, über welcher noch die Zonen ? und 8, welche Ge-
steine der Insel Oesel vom Alter der Schichten auf Gotland
begreifen , folgen. Bei dieser Gelegenheit mag gleich eine Be-
merkung über die geognostische Literatur der Ostsee-Provinzen
hier ihren Platz finden. Während Eichwald durch die Be-
schreibung zahlreicher Fossilien aus den silurischen Schichten
Ehstland's sich um die erste Erforschung des Landes in paläon-
tologischer Beziehung Verdienste erworben hatte und auch
manche ältere geognostische Arbeiten bereits vorlagen, so ist doch
eine tiefer greifende Erkenntniss von der Gliederung der in
Ehstland und Livland entwickelten älteren Gesteine erst in dem
grossen Werke von Murchison, E. de Verneuil und Keyser-
ling*), welches alles bis dahin Bekannte mit den eigenen Beob-
achtungen der Verfasser zu einem einzigen Bilde zusammenfassend
überhaupt eine so musterhafte Darstellung von dem geognosti-
schen Bau eines grossen Landes giebt, die wirkliche Gliederung
in. allgemeinen Zügen richtig angegeben worden. Es wurden
namentlich die unter- silurischen Schichten Ehstland's von den
ober-silurischen auf der Insel Oesel zuerst unterschieden, und
eine Zone Pentamerus- führender Kalkschichten, welche zuvor
durch den südlichen Theil von Ehstland zieht, als die Grenze
zwischen ober- und unter-silurischer Abtheilung richtig erkannt.
Allein immerhin waren es doch nur die allgemeinen Grundzüge
für die Eintheilung der älteren Gesteine der Ostsee -Provinzen,
welche in der „Geology of Russia" gegeben wurden. Die wei-
tere Ausarbeitung der Gliederung, die Ermittelung der beson-
deren geognostischen Niveaus innerhalb jeder der Hauptabthei-
lungen, konnte nur durch eine Detail-Untersuchung des Landes
gewonnen werden. Eine solche ist nun mit grossem Scharfblick
und glücklicher Combination durch Fried. Schmidt in Dorpat
ausgeführt worden. Seine „Untersuchungen über die silurische
Formation von Ehstland, Nord-Livland und Oesel" **) weisen 12
.*) The geology of Russia in Europa and the Ural Mountains. Lon-
don 1845.
**) Aus dem Archiv für die Naturkunde Liv-, Ehst- und Kurland's,
erstei* Serie, Bd. II, besonders abgedruckt. Dorpat 185S.
195
paläontologisch wohl bezeichnete Stockwerke oder Zonen, wie er
sie nennt, in der silurischen Schichtenreihe Ehstland's nach und
lehren auch deren Verbreitung an der Oberfläche durch eine
Uebersichtskarte kennen. Erst durch diese Arbeit ist die Mög-
lichkeit gewährt worden, die Gliederung der silurischen Schich-
ten in den Ostsee-Provinzen mit derjenigen in Skandinavien und
in England näher zu 'vergleichen und das Eigentümliche der-
selben zu ermitteln. Eine weitere Quelle der Belehrung für die
geognostische Kenntniss der Ostsee-Provinzen verspricht ein von
Grewingk herauszugebendes Werk „Geologie von Liv- und
Kurland" zu werden , für welche der Verfasser durch eine viel-
jährige Bereisung dieser Provinzen das Material gesammelt hat.
Eine das Werk begleitende, bereits im Druck ausgeführte geo-
gnostische Uebersichtskarte im Maassstabe von 1:1,200,000, von
welcher ich ein Probeblatt durch die Güte des Autors bereits
habe benutzen können, wird ein viel vollkommeneres Bild von der
Verbreitung der verschiedenen Gesteine in den Ostsee-Provinzen
geben, als wir bisher besitzen. Besonders die devonischen Ab-
lagerungen werden in dieser Schrift sehr eingehend behandelt
werden.
Der nächste Punkt, dem wir von Talkhof aus uns zuwen-
deten, war das Gut Laisholm an der Pedja. Eine Fahrt von
einem halben Tage führte uns dahin. So hat man Geognosie
in diesem Lande zu treiben. Halbe und ganze Tagereisen weit
liegen die vereinzelten Aufschlusspunkte festen Gesteins von ein-
ander getrennt. Zwischen ihnen herrscht in grösster Einförmig-
keit das Diluvium — grauer Quarzsand, kalkige Kiesablagerun-
gen und erratische Blöcke. Die Aufschlusspunkte bestehen ge-
wöhnlich in flachen Steinbrüchen, in denen Kalkstein zum Bren-
nen gebrochen wird, oder es sind natürliche Durchschnitte an
den Flussufern. So ist es auch bei Laisholm.
Etwa drei Werst nordwestlich von dem Gute sind in meh-
reren kleinen Steinbrüchen graue Kalksteinschichten aufgeschlos-
sen, welche aber als ziemlich arm an deutlich erhaltenen orga-
nischen Resten nur ein geringes Interesse in Anspruch nehmen.
Sie gehören zu Fried. Schmidt's Zone 5 d. i. zu der Schich-
tenfolge, welche das durch P entamerus borealis bezeich-
nete Niveau von den Schichten mit P entamerus Ehstonus
trennt. Natürlich sind sie damit zugleich für ober-silurisch er-
13*
196
klärt, denn mit dem Reichthum an Pentameren kündigt sich ja
gerade der Anfang der oberen Abtheilung der silurischen Gruppe
übereinstimmend in England, Skandinavien und Russland an.
Den ganzen folgenden Tag , während dessen wir unsere
Reise in nordwestlicher Richtung fortsetzten, bekamen wir kaum
anstehendes Gestein zu Gesicht. Nur auf dem Gute Piep tra-
fen wir einen flachen Steinbruch, in welchem versteinerungsarme,
ebenfalls noch zu Fried. Schmidt's Zone 5 gehörende graue
Kalksteinbänke gebrochen waren. Auf demselben Gute zog ein
schmaler, steil abfallender und gerade fortstreichender Kiesrücken
von 30 bis 40 Fuss Höhe unsere Aufmerksamkeit auf sieb. Der-
selbe war fast ausschliesslich ein Haufwerk von gerundeten Ge-
schieben der verschiedenen in Ehstland anstehenden silurischen
Kalkschichten, während Rollstücke nordischer Eruptiv-Gesteine
verhältnissmässig selten vorkommen. Diese diluvialen Kiesrücken,
deren wir später noch mehrere auf unserer Reise antrafen, erin- »
o
nern an die Schwedischen Asar. In Deutschland ist dagegen
kaum etwas Aehnliches bekannt. Das Gut Piep ist Eigenthum
der Familie v. Baer. Hier ist auch der ausgezeichnete verglei-
chende Anatom und Zoolog K. E. v. Baer, der unter den Na-
turforschern Russlands jetzt wohl unbedingt die angesehenste
Stelle einnimmt, im Jahre 1792 geboren. Ueberhaupt hat ja der
deutsche Adel der Ostsee-Provinzen dem Russischen Reiche und
der Wissenschaft eine ganze Reihe trefflicher Naturforscher ge-
liefert. Leider werden viele derselben, durch Familien-Rücksich-
ten gezwungen oder noch öfter, weil es ihnen misslingt in der
Hauptstadt eine ihren wissenschaftlichen Verdiensten entsprechende
äussere Stellung zu gewinnen, der ausschliesslichen wissenschaft-
lichen Thätigkeit untreu und ziehen sich vorzeitig in die Ruhe
des Landlebens ihrer heimathlichen Provinz zurück. So lebt
Graf Alexander von Keyserling, der geistvolle und gründ-
liche Zoolog und Paläontolog, der namentlich durch seine an
wichtigen wissenschaftlichen Ergebnissen so reichen Reise in das
Petschora-Land und als Mitarbeiter von Murchison und E. de
Verneuil an dem grossen Werke über die Geologie Russlands
bekannt ist, schon seit mehreren Jahren auf einer Besitzung im
westlichen Ehstland. Ebenso hat sich Herr A. Th. von Mid-
dendorff, der kühne und glückliche Reisende in den unnah-
barsten Eiswüsten des arktischen Sibiriens, auf sein Gut bei
Dorpat zurückgezogen. Noch neuerlichst hat auch Herr
197
M. VON Gruenewaldt, der durch mehrere gründliche paläon-
tologische Arbeiten, namentlich auch über die silurische Fauna
des nördlichen Ural bekannt ist, und von dem ein erfolgreicher
weiterer Anbau der Wissenschaft mit Recht erwartet werden
durfte, Petersburg verlassen und sich einem anderen Berufe zu-
gewendet. Wenn ein regeres wissenschaftliches Leben, wie es
sich nur beim Zusammenleben einer grösseren Zahl von wissen-
schaftlichen Männern entwickelt, der glänzenden Hauptstadt des
russischen Reiches in Zukunft nicht fehlen soll und wenn na-
mentlich die Naturwissenschaften, deren Bedeutung für ein wenig
entwickeltes Land wie Russland ganz besonders augenfällig ist,
zu der wünschenswerthen Blüthe gelangen sollen, so wird die
Regierung mehr als bisher darauf denken müssen, solche ausge-
zeichnete Gelehrte wie die genannten durch angemessene Stel-
lungen an die Hauptstadt zu fesseln und der ausschliesslichen
Beschäftigung mit der Wissenschaft zu erhalten.
Nachdem wir die Nacht auf dem Gute Kappo zugebracht
hatten, führte uns die folgende Tagereise schon zu interessanteren
Aufschlüssen als den bisherigen. Zuerst besuchten wir die bei
dem Dorfe Wahhoküll gelegenen Kalksteinbrüche, in welchen die
Schichten der Zone 5 (Zwischenzone) von Fried. Schmidt auf-
geschlossen sind und fanden einige der bezeichnenden Verstei-
nerungen, namentlich auch den dem norwegischen Diplograpsus
teretiusculus nahe stehenden Diplograpsus ehstonus Fried.
Schmidt, der hier, was bei den Graptolithen im Ganzen so sel-
ten , im reinen Kalkstein eingeschlossen vorkommt und deshalb
auch ohne alle Zusammendrückung mit der natürlichen Wölbung
des Körpers sich erhalten zeigt. Bald nachher traten wir in
die durch Pentamerus borealis bezeichnete Schichtenfolge
(Fried. Sghmidt's Zone 4) ein. Das ist das am leichtesten
wieder zu erkennende Niveau der ganzen Reihenfolge silurischer
Gesteine in Ehstland. Mächtige Kalksteinbänke, welche fast
ausschliesslich aus den zusammengehäuften Schalen von Penta-
merus borealis Eichw., einer kaum zollgrossen glatten dickscha-
ligen und plumpen Art der Gattung, bestehen! Es sind wahre
silurische Muschelbänke, welche zugleich in ausgezeichneter Weise
die Ueppigkeit und Fülle des Brachiopoden-Lebens während der
paläozoischen Epoche im Gegensatze zu der Sparsamkeit und
Dürftigkeit der jetzt lebenden Formen erläutern. Bemerkens-
werth ist bei dieser dichten Zusammenhäufung, dass fast immer
198
die beiden Klappen der Schale getrennt gefunden werden und
vollständige Exemplare zu den grössten Seltenheiten gehören,
während sonst Pentamerus galeatus und andere Arten der Gat-
tung durchgängig mit den vereinigten Klappen vorkommen.*)
Das lässt darauf schliessen, dass die Schalen nach dem Abster-
ben des Thieres auf dem Meeresboden mehr als gewöhnlich um-
hergerollt wurden und darauf weiset in der That auch die ab-
geriebene Oberfläche der Klappen hin. Uebrigens bestehen diese
Muschelbänke keinesweges immer aus reinem kohlensauren Kalk,
sondern häufig werden sie dolomitisch und dann sind die Penta-
meren nur in der Form von Steinkernen erhalten. Wir sahen
diese Borealis-Bank, deren Mächtigkeit übrigens nicht über 15
bis 20 Fuss betragen soll, am schönsten auf dem Gute Warrang.
Die niedrigen Mauern, welche die Felder umgeben, sind hier
überall aus Stücken des Kalkes aufgeführt und in flachen Stein-
brüchen fanden wir auch das anstehende Gestein aufgeschlossen.
Von anderen Versteinerungen ausser dem F. borealis sahen wir
nur wenig bezeichnende Korallen von grösserer vertikaler Ver-
breitung. Nach Fried. Schmidt lässt sich diese Borealis-Bank
quer durch ganz Ehstland bis zur Meeresküste bei Hapsal ver-
folgen. Das ist fürwahr eine ausgezeichnete durch das Land ge-
zogene Grenzlinie für die Scheidung der oberen Abtheilung der
silurischen Schichtenreihe von der unteren. Bruchstücke dieser
Borealis-Bank sind als Diluvial- Geschiebe übrigens über ganz
Ehstland und Livland verbreitet. In allen Kiesgruben trifft man
dergleichen an. Bemerkenswerther ist, dass sie auch unter den
Diluvial-Geschieben der norddeutschen Ebene vorkommen. Ich
kenne solche Stücke und zwar meistens von plattenförmiger Ge-
stalt eben so wohl aus den Kiesgruben von Trebnitz unweit
Breslau und von Meseritz in der Provinz Posen als aus der
bekannten Ablagerung nordischer Diluvial-Geschiebe bei Gronin-
gen in Holland. Das Gestein ist so unverkennbar, dass niemals
ein Zweifel in Betreff seiner Bestimmung entstehen kann. Es
stimmt vollständig mit demjenigen der anstehenden Bänke in Ehst-
land überein. Aus Schweden, Norwegen oder England ist nichts
Aehnliches bekannt. Deshalb ist das Ursprungsgebiet dieser
*) Nur Pentamerus conc hidium Buongniart (Gypidia conchi-
dium Dalman) kommt in den silurischen Schichten von Klinteberg auf
der Insel Gotland auch meistens in einzelnen getrennten Klappen vor.
199
Geschiebe auch nur in Ehstland zu suchen Sie gehören also
zu denjenigen Diluvial-Geschieben , deren Herkunft sich mit Be-
stimmtheit angeben lässt. Unser nächstes Nachtquartier nahmen
wir auf dem mit schönen Gärten und Parkanlagen umgebenen
Gute Borkholm. Wir wurden hier, obgleich der Eigenthümer
des Gutes, Herr von Essen, Gouverneur von Livland, abwesend
war, von einer Verwandten desselben auf das Gastfreundlichste
aufgenommen.
Nach dem Gute Borkholm hat Fried. Schmidt seine Zone 3
(Borkholm'sche Schicht) benannt, mit welcher die untere
Abtheilung der silurischen Gruppe beginnt. Wir besuchten zu-
erst einen nur etwa 10 Minuten in südwestlicher Richtung von
dem Gute entfernten, im Walde gelegenen Steinbruch, in welchem
ein gelblich grauer dolomitischer Kalkstein gebrochen und zu
Werkstücken verarbeitet wird. Wir beobachteten hier nur we-
nige von den durch Fried. Schmidt als bezeichnend für seine
Borkholm'sche Schicht angeführten Arten, wie Lichas margari-
Ufer, Proetus ramisulcatus, Leperditia brachynotha, dagegen
in grosser Häufigkeit Korallenarten und Bryozoen von grösse-
rer vertikaler Verbreitung, wie Streptelasma Europaeum, Diplo-
phyllum fasciculus , Stromutopora mammillata*) und Cosci-
niurn proavum. Eine andere Reihe von Steinbrüchen liegt nur
etwa einen Büchsenschuss weit nordwestlich von dem Gute.
Hier fanden wir ausser den genannten Fossilen auch Orthisina
anomala und Spirifer lynx. Endlich besuchten wir auch noch
einen zwei Werst nördlich von dem Gute am Abhänge eines
flachen Wiesenthals gelegenen Steinbruch. Die häufigsten Arten
waren hier Leptaena sericea, Lituites antiquissimus , Phrag-
moceras sphinx, Orthisina anomala und Syringopora Organum.
Das sind sämmtliche Arten, welche schon für das nächste tiefere
Niveau der ScHMiDT'schen Eintheilung, für die „Lyckholm'sche
Schicht" bezeichnend sind und offenbar gehören die Schichten
des Steinbruches schon dieser an, obgleich Fried. Schmidt so
weit östlich in Ehstland die Lyckholm'sche Schicht nicht mehr
unterscheidet.
*) Von dieser Art Fried. Scbmidt's, deren specifische Selbstständig-
keit noch weiterer Begründung bedarf, kommen kopfgrosse in concentri-
schen Schalen sich ablösende Massen vor, welche in einen schneeweissen
zuckerartigen Kalk versteinert die feinere Struktur des Innern deutlicher
zeigen, als Stromatoporen von irgend einer andern Lokalität.
200
Von Borkholm fuhren wir in drei bis vier Stunden nach
Wesenberg, einer der wenigen kleinen Städte oder Flecken im
Innern von Ehstland. Der kaum 5000 Einwohner zählende Ort
liegt ganz anmuthig am Fusse eines eigentümlichen , schmalen
und steil abfallenden, sehr geradlinig von Süden nach Norden
streichenden, diluvialen Kiesrückens von 50 bis 60 Fuss Höhe.
Eine malerische alte Schlossruine auf dem höchsten Punkte des
Rückens überragt die Stadt und blickt weit hinaus in das flache,
aber fruchtbare und mit reichen Gütern besetzte Land. Die Lage
der Stadt am Fusse des Hügelzuges, der sich über das sonst
ebene Land erhebt, rief mir diejenige von Bentheim in Westpha-
len in's Gedächtniss. Wesenberg ist übrigens eine der paläon-
tologisch interessantesten Lokalitäten im Innern von Ehstland.
Zwei Werst östlich von der Stadt liegen in einer ebenen Fläche
mehrere 10 bis 12 Fuss tiefe Steinbrüche, in welchen wagerecht
liegende plattenförmige Kalksteinschichten gebrochen werden. Der
Kalkstein ist gelblich grau oder auch blaugrau und zum Theil so
dicht und compact, wie der lithographische Stein von Pappen-
heim und Solenhofen. Er umschliesst Zoll-grosse bis Faust-grosse,
zum Theil mit gelben Letten ausgefüllte, unregelmässige Höhlun-
gen und diese sind mit zahlreichen Versteinerungen in vortreff-
licher Erhaltung ausgekleidet, welche zum Theil ganz frei in die
Hohlräume hineinragen. Ausserdem sind auch die Schichtflächen
der dünneren Kalksteinschichten zum Theil mit Versteinerungen
bedeckt. Die gewöhnlichsten Arten sind : Cladopora aedilis
Eichwald (LetAaea Boss. I, p. 404. Tab. 24, Fig. 12. 13.),
kleine, 1 bis tj Linien dicke, gegabelte und verästelte walzen-
runde Stämmchen bildend, Monticulipora Petropolitana (1 bis
i\ Zoll grosse halbkugelige Massen!), Leptaena sericea (unter
den Brachiopoden bei weitem die häufigste Art und oft dicht ge-
drängt auf den Schichtflächen liegend), Strophomena deltoidea
Conrad, Ort Ais testudinaria , Ort Aisina Verneuilü, C Aasmops
conicopAt Aalmus , LicAas angusta *) und Encrinurus multiseg-
*) Die Art ist identisch mit Lichas Eichwaldi Nieszkowsky, wie ich
früher (Foss. Fauna der Silur. Diluv Gesch. von Sadewitz, p. 76.) schon
vermuthete, jetzt aher bestimmt behaupten kann. Eichwald (Leth. Ross.
I, p. 1383) glaubt zwar Unterschiede der Lichas angusta Beyr. von der
Wesenberg'schen Art festhalten zu können, allein die Vergleichung der
Wesenberg'schen Exemplare mit Beyrich's Original-Exemplar von Sade-
witz lässt eine Verschiedenheit nicht erkennen.
201
mentatus. Zu den minder häufig vorkommenden Arten gehören :
Gomphoceras conulus Eichwald {Leth. Itoss. /, p. 1264. Tab.
48, Fig. 11), Orthoceras duplex, Murchisonia insignis*), Euom-
phalus gualter latus, Modiolopsis sp., Ort Ms lynx, Ort Ms as-
cendens, OrtMs Asmusi, Crania sp. (glatte flach gewölbte Art,
nicht selten auf Modiolopsis sp. aufgewachsen!), Porambonites
gigas Fried. Schmidt, Orbipora distincta Eichwald, Chaetetes
sp. (kleine verästelte Stämmchen bildend!) und Streptelasma
Europaeum m. Die Fauna in ihrer Gesammtheit weiset noch
mit Entschiedenheit auf eine Zugehörigkeit der Schichten zu der
unteren Abtheilung der silurischen Gruppe hin, wenn auch schon
einige obersilurische Typen hervortreten. Bei einer Vergleichung
der Wesenberger Fauna mit derjenigen der Sadewitzer Geschiebe,
wie ich sie in meiner Jubiläums-Schrift**) beschrieben habe, er-
giebt sich eine grosse Uebereinstimmung. Gerade einige der ge-
wöhnlichsten Arten sind gemeinsam, wie Leptaena sericea, Chas-
mops conicophthalmus und Encrinurus multisegmentatus. Auch
die Gesteinsbeschaffenheit ist zum Theil auffallend übereinstim-
mend und ich habe Handstücke bei Wesenberg geschlagen, wel-
che Chasmops conicopMhalmus, Encrinurus multisegmentatus,
Streptelasma Europaeum gleichzeitig enthaltend neben solche
des Sadewitzer Gesteines gelegt wohl zu Verwechselung Ver-
anlassung geben könnten. Dennoch sind im westlichen Ehstland
Schichten vorhanden , deren fossile Fauna mit der Sadewitzer
Fauna noch vollständiger stimmt. Das sind die Schichten, wel-
che Fried. Schmidt als Lyckholm'sche Schicht (2, a)
bezeichnet und welche zwischen der Wesenberg'schen und Bork-
holm'schen ihre Stelle hat. Namentlich mehrere der gewöhn-
lichsten Brachiopoden , Cephalopoden und Gastropoden, wie Or-
tMs solaris, OrtMs Osivaldi, Lituites aniiquissimus, Holopea
ampullacea u. s. w., welche bei Wesenberg fehlen, sind hier mit
der Sadewitzer Fauna gemeinsam. Im östlichen Ehstland hat
sich die Lyckholm'sche Schicht im Allgemeinen nicht als geschie-
*) Murchisonia bellicincta Hall bei Fried. Schmidt; Pleurotomaria
insignis Eichwald (Leth. Ross. I, pag. 1165 Tab. 39 Fig. I). Selten mit
erhaltener Schale, gewöhnlich nur als Steinkern.
**) Die fossile Fauna der silurischen Diluvial-Geschiebe von Sade-
witz bei Oels in Niederschlesien. Eine paläontologische Monographie von
Dr. Ferd. Roemer mit 6 lithograph. und 2 Kupfer-Tafeln. Breslau 1861.
(In Commission bei Weigel in Leipzig.)
202
den von der Wesenberg'schen erkennen lassen. Unter allen Um-
ständen ist es gewiss, dass das Gestein der silurischen Diluvial-
Geschiebe von Sadewitz bei Oels in dasjenige Niveau der Ehst-
ländischen Schichtenfolge gehört, welches Fried. Schmidt als
Lyekholm'sche Schicht bezeichnet, und welches entweder deutlich
getrennt wie im westlichen Ehstland, oder mehr mit der Wesen-
berg'schen Schicht verschmolzen, wie im östlichen Theile des
Landes sein kann. Auch die Herkunft der fraglichen Geschiebe
ist damit entschieden. Denn da in keiner anderen Gegend Euro-
pas silurische Gesteine von gleich grosser Uebereinstimmung an-
stehend gekannt sind , so wird man gewiss den Ursprung der
fraglichen Geschiebe auf Ehstland zurückführen müssen. Dazu
wird man um so mehr berechtigt sein, als unter den Diluvial-
Geschieben der norddeutschen Tiefebene auch andere ehstländi-
sche und liviändische Gesteine mit Sicherheit sich nachweisen
lassen, wie namentlich das unverkennbare Gestein mit Pentame-
rus borealis (Fried. Schmidt's „Borealis-Bank") und die devoni-
schen rothen Mergel und Sandsteine mit Spirifer Ärchiaci.
In Wesenberg trennte sich zu unserem lebhaften Bedauern
unser liebenswürdiger und landeskundiger Begleiter oder vielmehr
Führer, Herr Professor Dr. Gkewingk, von uns. Seine amtli-
chen Geschäfte Hessen eine längere Abwesenheit von Dorpat nicht
zu und er eilte dahin zurück. Wir selbst verliessen Wesenberg
erst am folgenden Tage und setzten unsere Reise nordwärts fort,
um an der Seeküste nun auch noch die untersten Glieder der
silurischen Schichtenreihe in Ehstland kennen zu lernen. Auf
dem Gute Kook in der Nähe der Seeküste fanden wir bei dem
Besitzer Baron v. Schilling, einem ehemaligen Reiteroffizier, der
unter Tettenborn an den Kriegen in Deutschland Theil genom-
men hatte, die gastlichste Aufnahme. Wir besuchten von hier das
keine ~ Stunde entfernte Meeresufer bei dem Gute Asserien. Der
Anblick ist überraschend und schön zugleich. Ueber eine ganz ebene,
durch fruchtbare Getreidefelder gebildete Fläche gegen Norden
fortschreitend steht man plötzlich an einem 80 Fuss hohen senk-
rechten Abstürze. Am Fusse desselben zieht sich ein schmaler
kaum 100 Schritt breiter Streifen von üppig grünenden Laub-
holzbäumen entlang und darüber hinaus breitet sich unabsehbar
die blaue Fläche des finnischen Meerbusens aus. Der senkrechte
Absturz selbst wird durch das Ausgehende der ganz flach abge-
lagerten tiefsten Glieder der silurischen Schichtenreihe gebildet.
203
Fast an der ganzen Nordküste von Ehstland , von Baltischport
bis Reval fällt das Land in ähnlicher Weise mit senkrechtem,
durch die untersten silurischen Schichten gebildeten Absturz ge-
gen den Meeresspiegel hin ab. Der mauerartige Absturz selbst
heisst in dem Lande der Glint. Seine Höhe ist wechselnd.
Oft nur 15 bis 20 Fuss hoch erreicht er dagegen in anderen
Punkten eine Höhe von mehreren hundert Fuss. Die grösste
Höhe erreicht er mit 206 Fuss bei Ontika, 8 Meilen westlich
von Narwa. Nicht immer fällt der Glint unmittelbar in das
Meer ab, sondern zuweilen breitet sich zwischen seinem Fusse
und dem Meere noch ein mehr oder minder breiter Streifen nie-
drigen Landes aus. Die Aufeinanderfolge der verschiedenen
silurischen Schichten, welche den Glint an der Nordküste von
Ehstland zusammensetzen, ist so klar und regelmässig, dass man
sie seit langer Zeit kennt und namentlich nicht etwa erst durch
die von Mürchison für England aufgestellte Gliederung des si-
lurischen Gebirges zu deren Erkennung geführt wurde. Das
unterste Glied ist überall der Blaue Thon d. i. eine Ablage-
rung von plastischem blaugrauen Thon, dessen Mächtigkeit jeden-
falls sehr bedeutend ist, da man sein Liegendes mit mehreren
hundert Fuss tiefen Bohrlöchern weder bei Reval noch bei Pe-
tersburg erreichte. Das äussere Ansehen des Thons gleicht so
ganz demjenigen von Thonen des jüngeren Flötzgebirges oder der
Tertiär-Formation, dass ohne die Auflagerung der folgenden
Schichten mit deutlichen silurischen Organismen Niemand daran
denken würde ihm ein so hohes Alter und überhaupt eine Stelle
in der silurischen Gruppe anzuweisen, deren thonige Gesteine
sonst in der Form fester Thonschiefer oder Dachschiefer erschei-
nen. Gewiss hängt dieses Verhalten des Thons, welcher un-
gleich den älteren Schichten anderer Gegenden trotz des langen
seit seiner Ablagerung verflossenen Zeitraums sich anscheinend
durchaus die Beschaffenheit des ursprünglichen Sedimentes erhal-
ten hat, mit dem Umstände zusammen, dass die Gegend, in wel-
cher die Ablagerung des Thons erfolgte, eben so wenig wie das
europäische Russland überhaupt seit dem Niederschlage der silu-
rischen Schichten von einer die Lage der Schichten wesentlich
verändernden Hebung betroffen wurde und deshalb der Thon
auch nicht die Einwirkungen des Druckes erfuhr, der bei der
Hebung von Gebirgsketten die Aufrichtung und Faltung der
Schichten nothwendig begleiten muss. Früher galt dieser „blaue
204
Thon" für ganz versteinerungslos. Neuerlichst hat aber Pan der
räthselhafte kugelige kleine Körper von augenscheinlich organi-
schem Ursprung darin entdeckt und auch papierdünne hornartige
und biegsame Blätter aus zusammengedrückten Algen bestehend
kommen vor.
Das nächste Glied über dem „blauen Thon" ist der Un-
guliten-Sandstein d. i. eine bis 130 Fuss mächtige Schich-
tenfolge von lockerem Sandstein oder Sand, in welcher einzelne
Lagen ganz erfüllt sind mit den hornartig glänzenden dunkel-
braunen kreisrunden Schalen von Obolus Apollinis. Dann folgt
der Alaunschiefer, eine nur 3 bis 10 Fuss mächtige Lage
von schwefelkiesreichem bituminösen Schieferthon, dessen Gleich-
stehen mit dem Alaunschiefer Schwedens und Norwegens zwar
nicht durch die Olenus- und Agnostus-Arten nachweisbar ist,
die bisher nicht erkannt wurden, wohl aber aus der Gleichheit
der Lagerungsverhältnisse und der Gemeinsamkeit von Diclyo-
nema ßabelliforme sich ergiebt. Dann der Grünsand, ein
thoniger Sand mit Glauconit-Körnern , meistens nur wenige Fuss
mächtig oder selbst bis zu wenigen Zoll Dicke zusammen-
schrumpfend, aber durch Pander's Entdeckungen paläontologisch
interessant geworden. Denn dieser Grünsand ist es, welcher die
räthselhaften, einfach hakenförmig gekrümmten oder kammförmig
gezähnten kleinen Körper vorzugsweise enthält, welche Pander*)
unter Benennung Conodonten als Fischzähne beschrieben und ab-
gebildet hat. Der chloritische Kalk ist die nächste Schich-
tenfolge, ein gegen 10 Fuss mächtiges Lager von Kalkstein mit
Glaukonit-Körnern. Seine Versteinerungen sind der Mehrzahl
nach mit solchen des aufliegenden Orthoceren -Kalks identisch.
Dieser letztere endlich macht den Beschluss der den Glint zu-
sammensetzenden Schichtenreihe. Es sind graue, bis 40 Fuss
mächtige Kalksteinbänke, welche petrographisch wie paläontolo-
gisch dem Orthoceren-Kalke der Insel Oeland und der Westgo-
thischen Berge ganz gleich stehen. Es zeigt sich auch hier,
dass von allen Gliedern der silurischen Schichtenreihe im nörd-
lichen Europa dieses das in seinen Merkmalen beständigste ist.
Orthoceras duplex, Orthoceras vaginatum, Asaphus expansus,
lllaenus crassicauda und Echinophaerites aurantium sind hier
*) Monographie der fossilen Fische des silurischen Systems des rus-
sisch baltischen Gouvernements. St. Petersburg 1856.
205
wie überall in Schweden und Norwegen die bezeichnendsten
Fossilien. Schon Schlotheim hat einzelne Arten des ehstlän-
dischen Orthoceren-Kalkes, wie namentlich Euomphalus gualte-
r tat us, Lituites convolvens u. s. w. nach Exemplaren, die ihm
von Reval aus zugeschickt waren, beschrieben.
Ganz so wie vorstehend die Reihenfolge der Schichten als
für den ehstländischen Glint im Allgemeinen geltend angegeben
wurde, fanden wir sie nun auch hier bei Asserien. Die untersten
Glieder waren zwar meistens durch mächtige von oben herabge-
stürzte Trümmermassen verdeckt, aber indem wir eine längere
Strecke dem Meeresufer folgten, fanden wir doch einzelne Punkte?
wo auch diese Glieder, wie namentlich der blaue Thon deutlich
aufgeschlossen waren.
Zwischen dem Orthoceren-Kalke und der Wesenberg'schen
Schicht unterscheidet Fried. Schmidt noch zwei andere Glie-
der, nämlich den B r a n d schi ef e r (i, a.) und die Jewe'sche
Schicht (1, b.). Bei unbedeutender Mächtigkeit und bei der
Identität eines grossen Theils der organischen Einschlüsse mit sol-
chen der angrenzenden Schichten können diese Glieder eine gleiche
Selbstständigkeit wie die übrigen Abtheilungen nicht beanspru-
chen. Nur ungünstige Witterung verhinderte uns den Brand-
schiefer, der bei Wannemois unweit Tolks zwischen Wesenberg
und Kook aufgeschlossen ist, selbst zu untersuchen. Sonst
waren uns von den durch Fried. Schmidt in Livland und
Ehstland unterschiedenen Gliedern nur noch die u n t er e (Zone 7)
und obere OesePsche Gruppe (Zone 8) d. i. die obersten
silurischen Schichten der Insel Oesel noch nicht durch eigene
Anschauung bekannt. Wir hatten anfangs auch einen Besuch
der Insel Oesel beabsichtigt, aber der erst im Lande selbst ge-
wonnene Maassstab für die Grösse der Entfernungen und die
Schwierigkeit der Beförderung nöthigten uns nachher darauf zu ver-
zichten. Uebrigens hatte mich die Vergleichung der in der Schmidt-
schen Sammlung in Dorpat befindlichen Versteinerungen die-
ser Schichten so sehr von deren vollständigen Uebereinstim-
mung mit den entsprechenden Schichten auf der Insel Gotland
überzeugt, dass das Bedürfniss sie ebenfalls in situ zu sehen mir
nun ein viel geringeres schien. In den untersten Theil der obe-
ren OesePschen Gruppe (Zone 8) gehören auch die dünnen Kalk-
platten mit Eurypterus remzpes, dessen vollständige Beschreibung
durch Nieszkowsky nach Exemplaren von der Insel Oesel einen
206
sehr -werth voller Beitrag zur Kenntniss der silurischen Crusta-
ceen- Formen bildet. Bekanntlieh sind auch diese Eurypterus-
Schichten durch Fr. Schmidt auf der Insel Gotland erkannt
worden.
Vergleicht, man die ganze Entwickelung der silurischen
Schichten in Ehstland und Livland mit derjenigen in Schweden
und Norwegen, so ergiebt sich Folgendes: Der Orthoceren-Kalk
(Ft\. Schmid t's Zone 1.) steht dem Orthoceren-Kalke der Insel Oe-
land, Ost- und West -Gotland's völlig gleich. Ebenso hat der
Alaunschiefer des Ehstländischen Gebiets mit Dictyonema ßa-
belliforme trotz viel geringerer Mächtigkeit in dem Alaunschiefer
von Andrarum in Schonen und der Kinnekulle in West -Got-
land sein vollständiges Aequivalent. In den tiefsten Gliedern
ist dagegen die Uebereinstimmung geringer. In Schweden ist
unter dem Alaunschiefer nur noch der Fucoiden-Sandstein vor-
handen, während in Ehstland noch zwei petrographisch und pa-
läontologisch scharf geschiedene Glieder, der Unguliten- Sandstein
und der Blaue Thon, unter dem Alaunschiefer folgen. Ist nun
der schwedische Fucoiden-Sandstein diesen beiden Gliedern verei-
nigt oder nur einem und welchem gleichzustellen? Fb. Schmidt
will nur den Unguliten-Sandstein mit dem Fucoiden-Sandstein
parallelisiren und den Blauen Thon als ein Russland eigenthüm-
liches, in Skandinavien nicht vorhandenes tiefstes Glied ansehen.
Ich selbst bin mehr geneigt, den schwedischen Fucoiden-Sand-
stein beiden Gliedern vereinigt gleichzustellen , da der Blaue
Thon wohl unzweifelhaft ebenso wie der Fucoiden-Sandstein das
krystallinische Urgebirge zur unmittelbaren Unterlage hat. An
paläontologischen Beweismitteln fehlt es ebenso für die eine wie
für die andere Annahme.
Schwieriger wird es für die über dem Orthoceras - Kalke
(Fr. Schmidt's Vaginaten-Kalk) zunächst folgenden Glieder die
Aequivalente in Schweden und Norwegen nachzuweisen. Be-
sonders werden die etwaigen Bildungen zu ermitteln sein, welche
der Wesenbergschen, der Lyckholmschen und der Borkholmschen
Schicht in Skandinavien gleichstehen, denn den Brandschiefer
(1, a.) und die Jewe'sche Schicht (1, b.) dort wiederzufinden, ist
bei der geringen Mächtigkeit und der nur unvollständigen pa-
läontologischen Selbstständigkeit dieser Glieder kaum zu erwarten.
In Schweden scheinen hierher gehörige Ablagerungen kaum be-
kannt zu sein. Da Angelin's Regio V Asaphorum ~ D
207
der Orthoceras - Kalk , seine Regio VIII Cryptonymorum
{Encrinurorujn) — E die Schichten der Insel Gotland , also
auch Fr. Schmidt's untere und obere Oesel'sche Gruppe bo-
greift, so sind die Aequivalente für die Wesenbergsche , Lyck-
holmsche und Borkholmsche Schicht nur in Angelln's Regio VI
Trinucleorum ~ D und Regio VII Harparum ~ DE zu suchen.
Vergleicht man aber die paläontologischen Merkmale , welche
Angelin als bezeichnend für diese Regionen oder Stockwerke
angiebt, so ergiebt sich keine nähere Uebereinstimmung mit ir-
gend einer der Ehstländischen Schichten. Eher scheinen in
Norwegen solche Aequivalente vorhanden zu sein. Die verstei-
nerungsreichen Kalkschichten der Halbinsel Herö bei Porsgrund
im südlichen Norwegen *) enthalten eine Fauna, durch welche
sich diese Schichten als wesentlich gleichalterig mit der Lyck-
holmschen Schicht erweisen. Namentlich gehören Lituites an-
tiquisssimus Eichw. {Lituites angulatus Saem.ann), Maclurea
neritoides, Syringophylliimlorganum uud Streptelasma Euro-
paeum zu denjenigen Arten, durch welche diese Gleichstellung
begründet wird. Ebenso ist auch das Aequivalent von Fr.
Schmidt's Gruppe der glatten Pentameren oder der Zone
4, 5, 6 in Norwegen deutlicher als in Schweden erkennbar. Und
auch bei Christiania beginnt die obere Abtheilung der silurischen
Gruppe mit Schichten, welche reich sind an glatten Pentameren
(Kjerulf's Etagen 5 a Kalksandstein, 5 ß untere Malmöschiefer
und 6 Kalkstein oder kalkiger Schiefer mit Pentamerus ob-
longus).
Die nachstehende tabellarische Zusammenstellung lässt den
Grad der Uebereinstimmung zwischen der Ehstländischen und
Skandinavischen Entwickelung mit einem Blicke übersehen :
*) Vergl. Frrd. Roemer: Bericht über eine geolog. Reise nach Nor-
wegen im Sommer 1859 in dieser Zeitschrift Jahrg. 1859 S. 585.
208
Vergleichende Uebersicht der silurischen Schichten in Ehstland
und Livland einerseits und in Skandinavien andererseits.
Stockwerke in Ehstland und Liv- Aequivalente Stockwerke in Skan-
land nach Fr. Schmidt. dinavien nach Angelin und
Kjerulf.
Blauer Thon ) Regio I Fucoidarum
Unguliten-Sandstein )*"'.' (Fucoiden-Sandstein).
Grünerde
Regio II Olenorum
Thonschiefer mit (Alaunschiefer von Andrarum,
Dictyonema flabelliforme der Kinnekulle etc.)
Chloritkalk
Regio V Asaphorum
Zone 1. Vaginaten-Kalk (Orthoceras - Kalk der Insel Oe-
\ land, Ost- und West-Gothlands.
1. a. Brand schiefer
ö J 1.6. Jewe'sche Schicht
■ Zone 2. Wesenhergsche Schicht
Herö oder Venstöb-Kalkstein 5 a
von Kjeruf und Dahll
2.#. Lyckholmsche Schicht (Schwarze Kalksteinschichten der
Halbinsel Herö bei Porsgrund.
Zone 3. Borkholmsche Schicht
Zone 4., 5., 6. Gruppe der glattten Kjerulf1s Etagen 5. a Kalksand-
*j | Pentameren (Borealis - Bank und stein, 5. (3 Malmöschiefer und 6.
w I Jörden'sche Schicht, Zwischenzone, Kalkstein mit Pentamerus ob-
Zone des vorherrschenden Petita- longus.
merus esthonus).
Angelin's Regio VIII Cryptonymo-
£ I rum ; Kjerulf's Etagen 7. a — 8. y
O [ Zone 7. Untere Oeseische Gruppe} (Schichten der Insel Gotland und
Zone 8. Obere Oeseische Gruppe ) der Insel Malmö bei Christiania.
Nachdem wir die Zusammensetzung des Glints bei Asserien
kennen gelernt hatten, war das nächste Reiseziel Narwa. Der
Weg dahin läuft längs der Seeküste und gestattet häufig weite
Durchblicke auf das Meer. Die grösste Höhe, welche der Glint
an der Küste von Ehstland überhaupt erreicht, nämlich die Höhe
von 206 Fuss bei Ontika liegt auf dieser Strecke. Die alte
Hansestadt Narwa hat ein todtes und herabgekommenes An-
sehen. Der früher bedeutende Handel ist sehr gesunken und das
deutsche Element scheint dem andrängenden Russenthum nur
noch schwachen Widerstand zu leisten. Mitten in der Stadt
stehen zahlreiche kleine Kapellen des griechischen Kultus mit
den stereotypen vergoldeten Heiligenbildern. Die Stadt liegt
malerisch auf dem hohen rechten Ufer des rasch fliessenden Na-
rowa - Stromes , des Abflusses des Peipus-Sees. Ibr gegenüber
209
und nur durch den Fluss getrennt auf einer vorspringenden Land-
zunge die alte russische Festung Iwangorod, mit Thürmen und
krenelirten Ringmauern, ganz in der ursprünglichen Gestalt er-
halten und mit ihrer griechisch-russischen Kuppelkirche den auf-
fallendsten Contrast gegen die ausgeprägt deutsche Bauart der
Stadt bildend. Hinter der Festung dehnt sich eine ganz von
einer russischen Arbeiterbevölkerung bewohnte Vorstadt aus.
Wir trafen in Narwa wieder mit Herrn General v. Helmersen
zusammen, der hier während eines Theiles des Jahres wohnt.
Er war so gütig uns auf einer Excursion zu den Fällen der
Narowa zu begleiten und uns die geognostischen Verhältnisse der
Thalwände zu erläutern. Die Fälle liegen etwa eine halbe Stunde
oberhalb der Stadt bei Joala. Durch eine schmale Insel in zwei
Arme getheilt stürzt sich der wasserreiche Strom in einem 18
Fuss hohen Sturze hinab. Besonders der Anblick des grösseren
Falles auf der rechten Seite ist malerisch. Es sind graue Kalk-
steinschichten , über welche der Strom hinabstürzt. Durch das
sehr häufige Vorkommen von Orthoceras vaginatum, 0. duplex
und Echinosphaerites aurantium wird der Kalkstein als der gewöhn-
liche Orthoceren-Kalkder Ehstländischen Küste genügend bezeich-
net. Unter dem Kalk folgen die gewöhnlichen Glieder des Glint, der
Grünsand, der Unguliten-Sandstein und der blaue Thon. Nur
der Brandschiefer oder Alaunschiefer fehlt ganz. Der Unguliten-
Sandstein , ein lockerer eisenschüssiger Sandsein , umschliesst
merkwürdige Gerolle von festerem Sandstein, in denen sich die
den Unguliten verwandten Brachiopoden - Geschlechter Keyser-
lingia und Helmer senia von P ander, welche sonst auch
in dem Unguliten - Sandstein bei Duderode unweit Petersburg
beobachtet wurden, vorkommen. Alle diese Schichten sind an
den 70 Fuss hohen senkrechten Wänden des spaltenähnlichen
Thaies entblösst, in welchem die Narowa unterhalb der Fälle
eingeengt ist. Die ganze Bildung dieses Thaies mit dem stür-
misch fliessenden Strome in der Tiefe desselben erinnerte mich leb-
haft an das Thal des Niagara unterhalb des Niagara-Falles. In
der That ist auch die Bildungsart beider ganz dieselbe. Ganz
wie bei dem Niagara ist auch das Thal der Narowa durch das
allmälige immer weitere Zurückweichen der Fälle gebildet. Ge-
rade so wie die Fälle des Niagara zuerst mehrere Meilen weiter
unterhalb bei Queenstown sich befunden haben müssen, gerade
so haben auch diejenigen der Narowa früher mehrere Werst
Zeits.d.d.geol.Ges.XIV. 1. 14
210
weiter abwärts gelegen und sind erst im Laufe langer Zeiträume
bis zu ihrer jetzigen Stelle allmälig zurückgegangen. Dieses
ganze Verhalten des Narowa-Thales ist in einem interessanten,
auf sehr sorgfältigen Beobachtungen und Messungen beruhenden
Aufsatze *) von Herrn v. Helmersen beschrieben worden.
Wenn die Verhältnisse denjenigen des Niagara - Thaies in
hohem Grade ähnlich sind, so darf doch nicht vergessen werden,
dass freilich die Dimensionen des russischen Stromes viel gerin-
ger als diejenigen des Niagara sind. Ebenso wie an den Niagara-
Fällen wird bei Joala die Kraft des fallenden Wassers als Trieb-
kraft für industrielle Unternehmungen benutzt. Auf der linken
Seite des Stromes neben dem kleineren Falle ist in den letzten
Jahren von einer Gesellschaft englischer, russischer und deutscher
Kapitalisten eine Baumwollenspinnerei errichtet, welche, wenn
ganz vollendet, die grossartigste Anlage dieser Art auf dem
Continente sein soll und schon jetzt in dem ausgedehnten Com-
plex von Gebäuden über 3000 Arbeiter beschäftigt. Auf der
rechten Seite der Narowa liegt neben dem grossen Falle die
bedeutende Tuch- und Segeltuch-Fabrik des Baron v. Stieglitz.
Von Narwa nahmen wir unsere Richtung direkt nach St.
Petersburg. Eine rasche Postfahrt von einem Tage auf der Te-
lega brachte uns dahin. Die ganze Strecke ist einförmig und
langweilig genug. Eine völlig ebene Fläche, der Oberfläche der
wagerechten silurischen Kalksteinschichten entsprechend, ohne
alle Bedeckung durch diluviale Ablagerungen und nur , mit zahl-
reichen erratischen Blöcken von Eruptiv- Gesteinen bestreut. Zu
beiden Seiten der schnurgraden Landstrasse nichts als niedriger
Buschwald von Birken, Erlen, Espen und einzelne Tannen; nur
sparsame Unterbrechungen des endlosen Waldes durch Kornfelder
und menschliche Ansiedelungen. Auf den Feldern war man erst
jetzt am 29. August mit dem Einernten des Roggens beschäftigt.
Nur einmal wird die gleichförmig ebene Fläche durch einen tie-
feren Thaleinschnitt unterbrochen , das ist bei dem Städtchen
Jamburg durch den Luga-Fluss. An dem Uebergange über den
Fluss sahen wir deutlich an den steilen Ufern den Orthoceren-
Kalk und unmittelbar darunter den Unguliten-Sandstein anstehen.
*) Die geologische Beschaffenheit des unteren Narowa-Thales und
die Versandung der Narowa -Mündung von G. v. Helmersen (in Bullet,
de VAcad. Imper. de St. Petersb. Tom. III).
211
Der letztere enthielt hier den Obolus Apollinis in deutlicherer
Erhaltung als irgendwo anders. Die Ungewissheit, ob wir recht-
zeitig nach Petersburg kommen würden , gestattete uns leider
kein längeres Verweilen zu näherer Untersuchung der betreffenden
Schichten. Bei Krasnoe Selo war die Postfahrt glücklicher
Weise zu Ende. Hier nahm uns die Eisenbahn auf und nach
1^ stündiger Fahrt gelangten wir Abends nach 10 Uhr glück-
lich nach Petersburg, wo uns die Bequemlichkeiten des guten
deutschen Gasthofes „Hotel Kaiser" auf Wassili Ostrow die An-
strengungen des Tages bald vergessen liessen.
Der Aufenthalt in Petersburg.
Eine Rundschau von der goldenen Kuppel der grossartigen
und prachtvollen Isaaks-Kirche verschaffte uns gleich am ersten
Tage eine gute Vorstellung von der Lage der nordischen Haupt-
stadt. Von diesem die ganze Gegend beherrschenden Standpunkte
übersieht man zunächst deutlich wie sich die Stadt mit ihrer
ungeheuren Ausdehnung über das Mündungsgebiet des mächtigen
Newa -Stromes verbreitet. Der Haupttheil der Stadt liegt auf
der linken oder südlichen Seite des Flusses. Der kleinere Theil
auf dem rechten Ufer und auf den Inseln , welche durch die
Theilung des Flusses in mehrere Arme kurz vor der Mündung
in das Meer gebildet werden. Dass die Stadt einen solchen, den
Rhein an Breite und Wassermenge weit übertreffenden Strom
wie die Newa in sich einschliesst und sich nicht blos an das
eine Ufer desselben anlehnt, darin liegt besonders das Grossartige
ihrer Anlage. Die zahlreichen Wasserflächen der Newa und
ihrer Verzweigungen, der die Stadt durchziehenden Kanäle und
des benachbarten Meeres erinnern entfernt an das Panorama von
Venedig aus der Vogelschau des Thurmes auf dem Marcus-
Platze. Richtet man den Blick über die Stadt hinaus gegen
Süden, so erkennt man am Horizonte niedrige, aber doch scharf
begrenzte Erhebungen. Das sind die Hügel von Pulkowa und
Czarskoje-Selo, welche aus kalkigen Schichten der silurischen und
devonischen Gruppe gebildet sich über die wagerechte Fläche
des überall in der näheren Umgebung der Stadt herrschenden
untersilurischen Blauen Thons erheben.
Auch ohne mineralogische Museen und Sammlungen zu
besuchen erhält man in Petersburg Anregung für mineralogische
14*
212
Studien. In keiner anderen Hauptstadt Europas befinden sich
so zahlreiche und grossartige Gebäude und Kunstwerke aus harten
krystallinischen Gesteinen als hier. Ueberhaupt hat wohl seit
den Zeiten der alten Aegypter keine so ausgedehnte Verarbeitung
harter Steinarten zu architektonischen und künstlerischen Zwecken
Statt gefunden. Petersburg erhält durch diese Steinarbeiten sein
eigenthümliches Gepräge. Das Hauptgestein, welches für die
monumentalen Bauten in Petersburg verwendet wird, ist der
prächtige braunrothe Granit aus den Steinbrüchen von Pütterlax
bei Wiborg in Finnland. Es ist ein Granit, der ausser dem
fleischrothen Orthoklas auch grünlichen Oligoklas, rauchgrauen
Quarz und sparsamen schwarzen Magnesia-Glimmer enthält, also
ein Granitit nach der Definition von G. Rose. Die Anordnung
der das Gestein zusammensetzenden Gemengtheile ist dabei eine
ganz eigenthümliche. Der Orthoklas bildet kugelige oder ellip-
soidische Partien von 1 bis 2 Zoll im Durchmesser, welche von
einer 1 bis 2 Linien dicken Rinde von Oligoklas umgeben werden.
Auf den Bruchflächen des Gesteins zieht sich deshalb ein grau-
grüner Ring von Oligoklas um jede der fleischrothen Orthoklas-
Partien. Die bei sorgfältiger Prüfung stets erkennbare Zwillings-
streifung unterscheidet ausser der Farbe den Oligoklas von dem
Orthoklas. Die beiden anderen Gemengtheile, der Glimmer und
der Quarz, nehmen' die Zwischenräume zwischen den Feldspath-
Sphäroiden ein. Man hat diese eigenthümliche Struktur des
Gesteins wohl als eine porphyrartige bezeichnet, in Wirklichkeit
ist sie aber eher eine variolitische, derjenigen des bekannten
Kugeldiorit von Corsika vergleichbar. Das Concentrische in
der ganzen Anordnung der Gemengtheile zeigt sich auch darin,
dass zuweilen im Centrum der Orthoklas-Partien noch ein dunkler
Kern von Glimmer und Quarz hervortritt. In manchen Theilen
von Finnland zeigt das Gestein grosse Neigung zur Verwitterung
und heisst hier Rapakivi. Auffallenderweise findet es sich mei-
nes Wissens nicht unter den erratischen Blöcken der norddeut-
schen Ebene, wenigstens nicht in Schlesien. Unter den Diluvial- -
Geschieben von Ehstland und Livland ist es dagegen häufig und
ich erinnere mich es namentlich bei Wesenberg und Narwa ge-
sehen zu haben. Aus mächtigen Blöcken dieses finnländischen
Granits sind zunächst die Quais erbaut, welche auf beiden Seiten
die Newa in Meilen - langer Ausdehnung einfassen, — wohl die
schönsten Uferbauten, deren sich irgend eine Stadt rühmen
213
kann. Es bestehen ferner daraus die Säulen an den vier Peri-
stylen der Isaaks-Kirche, herrliche glänzend glatt polirte Mono-
lithen von 56 Fuss Höhe und 7 Fuss Durchmesser an der Basis,
welche die Hauptzierde des überhaupt so prachtvollen Gebäudes
bilden. Auch die 95 Säulen im Innern der kasanschen Kathe-
drale. Die letzteren sind aus einer besonders schönen Varietät
mit sehr grossen Feldspath -Sphäroiden von oft 3j Zoll im
Durchmesser gearbeitet. Der 84 Fuss lange und 14 Fuss dicke
Säulenschaft der vor dem Winterpalast stehenden Alexander-
Säule aus diesem finnländischen Granit ist der grösste überhaupt
bekannte Monolith, welcher namentlich auch alle ägyptischen
Obelisken an Grösse übertrifft. Aus einem glänzend polirten
feinkörnigen grauen Granit sind die 20 Fuss hohen kolossalen
Karyatiden am Eingange der Eremitage d. i. des kaiserl. Kunst-
Museums gearbeitet. Im Innern der Eremitage sind zahlreiche
zum Theil 5 Fuss hohe prachtvolle Vasen aus Jaspis, Porphyr,
Malachit und Lasurstein aufgestellt. Auch das Innere der Isaaks-
Kirche ist reich an Arbeiten aus den verschiedensten Steinarten.
Die Altarwand schmücken mehrere 30 Fuss hohe Säulen von
Malachit und Lasurstein, natürlich wie alle grösseren Arbeiten
dieser beiden Steinarten nur aus dünnen, mosaikartig zusammen-
gefügten Platten oder Fournieren gebildet.
Das im Ganzen sehr mangelhafte Pflaster von Petersburg
besteht aus kleinen granitischen Diluvial-Geschieben. Zu Trottoir-
Platten verwendet man den grauen silurischen Orthoceren-Kalk
aus Ehstland und von den Ufern des Ladoga-Sees, zum Theil
auch Granit.
Unter den öffentlichen Sammlungen nahmen zunächst die-
jenigen des Berg-Corps oder des kaiserlichen Instituts der Berg-
Ingenieure unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Dieselben be-
finden sich in dem ausgedehnten palastartigen Gebäude am
Newa-Quai auf Wassili-Ostrow , welches für die Zwecke dieses
Instituts besimmt ist. In grossartigen, zum Theil prächtig ge-
schmückten Sälen sind hier die umfangreichen mineralogischen,
paläontologischen und geognostischen Sammlungen aufgestellt,
für deren Zusammenbringung seit langer Zeit fast unbeschränkte
Mittel zu Gebote gestanden haben. Hier sind zunächst die schönen
und mannigfachen Mineral- Vorkommnisse Russlands und nament-
lich des Urals und des Altai durch reiche Suiten der vollkom-
mensten und grössten Exemplare vertreten. Hier befindet sich
214
der bekannte Riesen-Goldklumpen, das grösste in den Goldwä-
schen am Ural jemals gefundene Stück von gediegenem Gold,
nebst einer ganzen Reihe anderer minder grossen Stücke, deren
Gesammtwerth im Jahre 1845 nach der Angabe von Osersky
400,000 Silberrubel betrug, ein Klumpen von Piatina, angeblich
30,000 Rubel an Werth, ein kolossaler 5 Fuss langer Malachit-
Block und andere Prachtstücke metallischer Fossilien. Nicht
minder werthvoll sind die prächtigen Krystalle von Smaragd,
Beryll, Topas, Chrysoberyll, Turmalin, Apatit u. s. w., welche
zum Theil Unica sind oder doch zu den schönsten überhaupt
jemals vorgekommenen Exemplaren gehören. Viele derselben sind
neuerlichst von Kokscharow in seinen Materialien zur Minera-
logie Russlands beschrieben und abgebildet worden. Die geogno-
stischen und paläontologischen Suiten umfassen die Ausbeute
zahlreicher wissenschaftlicher Reisen und Expeditionen • zum
Theil in die entlegensten Theile des russischen Reiches. Leider
sind diese werthvollen Suiten nicht in einer Weise angeordnet
und aufbewahrt, wie sie es bei ihrer Wichtigkeit verdienen. Wir
fanden vielfach die Etiquetten fehlend oder vertauscht oder selbst
die Stücke einer Suite unter diejenigen einer andern gemengt.
An vielen Stellen war es deutlich erkennbar, dass wiederholt
ganz unkundigen und rohen Händen die Anordnung oder das
Umlegen der Stücke anvertraut gewesen war. Nicht nur sind
bei so mangelhafter Ordnung die fraglichen Sammlungen augen-
blicklich ungeeignet zuverlässige Belehrung zu gewähren, son-
dern zum Theil haben sie durch Verwechselung oder völlige
Vernichtung der Fundortsangaben für immer ihren Werth ver-
loren. Es ist sehr zu wünschen, dass in Zukunft eine grössere
Sorgfalt auf die Erhaltung und Nutzbarmachung dieser werthvollen
Sammlungen verwendet werde. Vielleicht tritt diese mit der
angeblich beabsichtigten Umgestaltung des ganzen Institutes ein.
Bis jetzt werden in dieser nach Art eines Cadettenhauses mili-
tärisch organisirten Anstalt' einige hundert schon im zarten
Knabenalter eintretende junge Leute für den Beruf von Berg-
Ingenieuren erzogen und ausgebildet. Diese ganze Einrichtung
hat sich als unzweifelhaft unzweckmässig und kostbar erwiesen
und man soll damit umgehen, die Ausbildung der Bergbeamten
in ganz anderer, derjenigen des Auslandes mehr angepassten
Form zu bewirken.
Demnächst ist für mineralogische Studien das Museum der
215
Akademie der Wissenschaften wichtig. Dasselbe ist in geräu-
migen Sälen des ebenfalls am Quai von Wassili-Ostrow gelegenen
Akademiegebäudes aufgestellt. Die mineralogische Abtheilung
des Museums, bei welcher Herr Dr. Göbel als Custos ange-
stellt ist, enthält zunächst eine gut aufgestellte systematische
Mineralien - Sammlung , deren Hauptgrundlage die ehemalige
v. SrRüvE'sche Sammlung in Hamburg bildet. Ein besonders
werth volles und merkwürdiges Stück der Sammlung ist die be-
rühmte Pall As'sche Eisenmasse, deren Gewicht gegenwärtig
noch 1270 Pfund beträgt, nachdem früher bekanntlich ein be-
deutender Theil davon abgetrennt und an andere Museen ver-
theilt worden ist. Auch der 100 Pfund schwere, im Jahre 1807
bei Dimaschina im Gouvernement Smolensk gefallene Meteor-
stein mit ausgezeichnet unregelmässig polyedrischer Oberfläche
gehört zu den Zierden der Sammlung. Die geognostische und
paläontologische Sammlung besteht vorzugsweise in verschiedenen
geographisch angeordneten Suiten von Gesteinsstücken und Pe-
trefakten, welche von russischen Reisenden auf Expeditionen in
entlegene Gegenden des Reiches gesammelt wurden. So befindeu
sich hier namentlich auch mehrere Suiten von Gesteinen und
Petrefakten aus den russischen Besitzungen in Nord- Amerika,
welche von Grewingk zu einer Darstellung der geognostischen
Verhältnisse jener Länder benutzt worden sind.
Die geologische Abtheilung des Museums, welche unter der
vortrefflichen Leitung des Staatsraths Brandt stehend sich einer
sorgfältigen Pflege erfreut und in einer Reihe von Sälen sehr
zweckmässig aufgestellt ist, enthält auch verschiedenes paläonto-
logisch Interessante. Zunächst ist hier das berühmte im vorigen
Jahrhundert im Eise der Lena-Mündung unter 70° N. B. mit
Haut und Haar aufgefundene Mammuth aufgestellt. Der Haupt-
sache nach ist nur das Skelet erhalten, aber am Kopf und an
den Füssen befindet sich auch noch die Haut und die einge-
trockneten Sehnen. Ausserdem ist getrennt von dem Skelet
und zusammengerollt auch noch ein grosser Theil der Haut vom
Rumpfe des Körpers mit bedeutenden Partieen des dichten brau-
nen Wollhaares , mit welchem der Körper des Thieres entspre-
chend seinem nordischen Aufenthalte im Gegensatze zu den le-
benden Elephanten -Arten bekleidet war, erhalten. In gleicher
Weise befinden sich hier die die Ueberreste des unter 64° N.B.
am Wilui-Flusse in Sibirien ebenfalls mit den Weichtheilen er-
216
halten gefundenen Exemplars von Rhinoceros tichorhinus^ wel-
che einen Theil des Materials bilden, auf welchem die höchst
werth volle Monographie von Brandt über diese Art beruht.
Bei diesem ist nicht nur die auf dem Schädel angetrocknete
Kopfhaut mit Sehnen und Muskeln, sowie ein grosser Theil der
Rumpfhaut erhalten, sondern es sind auch die abgetrennten Füsse
der hinteren Extremitäten vorhanden, an denen noch die Haut
mit den eingetrockneten Muskeln und Sehnen und die hornigen
Hufen haften. Nicht ohne das lebhafteste Interesse kann man
diese in ihrer Erhaltung einzig dastehenden Ueberreste der bei-
den wichtigsten Diluvialthiere betrachten. Vielleicht gelingt es
noch einmal, ganz vollständige Exemplare derselben aus Sibirien
zu erhalten. Da es feststeht, dass dergleichen dort nicht selten
gefunden, aber gewöhnlich durch die Unkenntniss der Finder
zerstört werden, so führt hoffentlich der von der Akademie der
Wissenschaften für die Entdeckung eines solchen Thieres ausge-
setzte Preis von 10,000 Rubeln in nicht zu langer Zeit zu einem
günstigen Ergebniss.
Auch von anderen Diluvialthieren enthält die Sammlung
werth volle Ueberreste; so namentlich einen schönen Schädel des
Bos moschatus aus Sibirien , in welchem Lande dieser jetzt be-
kanntlich auf das arktische Nord -Amerika beschränkte Wieder-
käuer auffallender Weise lebend nicht mehr vorzukommen scheint.
Nach einer mündlichen Mittheilung von Brandt sind auch in der
Umgegend von Moskau Schädel dieser Art vorgekommen. Da Owen
die Art aus dem Diluvium von England beschreibt und auch bei
Berlin ein Schädel derselben sich gefunden hat, so ist der Ver-
breitungsbezirk dieses früher kaum beachteten Thieres in den
Diluvial- Ablagerungen ein sehr ausgedehnter. Für die geogra-
phische Verbreitung des Cervus megaceros ist ein in der Samm-
lung befindlicher, mit dem Geweih erhaltener Schädel dieser Art
aus dem südlichen Russland wichtig. Einen wissenschaftlichen
Schatz von hohem Werthe besitzt das Museum in den Schädeln
und Skelet - Theilen der Bhytina Stelle?-^ den einzigen Ueber-
resten, welche von dieser merkwürdigen herbivoren Cetacee,
welche durch Bering an den Aleuten zuerst in ungeheurer Zahl
der Individuen entdeckt, aber schon 26 Jahre später durch die
Nachstellungen der Menschen vernichtet und seitdem aus der
lebenden Schöpfung verschwunden ist, überhaupt auf uns ge-
kommen sind. Zu den Materialien, welche der früher im Jahre
217
1849 von Brandt gegebenen Beschreibung des Thieres zu Grunde
liegen, sind neuerlichst durch die Bemühungen von Brandt
noch verschiedene andere hinzugekommen , so dass gegenwärtig
so ziemlich alle Theile des Skelets bekannt sind. Besonders
werth voll ist, dass auch von der hornigen Gaumenplatte sich
ein Exemplar erhalten hat. Es ist ein 8 Zoll langes, hand-
breites, plattenförmiges Stück von senkrecht faseriger, hor-
niger Substanz, mit starken Querstreifen auf der Oberfläche.
Brandt bereitet die Herausgabe einer vollständigen Monographie
der Art vor, für welche verschiedene neu erworbene Materialien
benutzt werden sollen.
Von den paläontologischen Privat-Sammlungen Petersburgs
kommen vorzugsweise diejenigen von Pander, von Eichwald
und von A. v. Volborth in Betracht. Wir waren so glück-
lich alle drei Männer, welche zugleich die namhaftesten Vertreter
der Paläontologie in Petersburg darstellen, anwesend zu finden.
In Betreff Pander's Anwesenheit hatten wir uns besonders
Glück zu wünschen, da er während des grösseren Theiles des
Sommers mit einer geologischen Untersuchung am Ural beschäf-
tigt, erst unmittelbar vor unserer Ankunft von dort zurückgekehrt
war. Pander's Sammlung ist das Ergebniss vieljähriger Be-
strebungen. Denn nachdem schon im Jahre 1830 seine „Beiträge
zur Kenntniss des russischen Reichs," dieses auf gründlicher und
gewissenhafter Beobachtung beruhende Werk erschien, welches zu-
gleich die erste Beschreibung einer silurischen und überhaupt
paläozoischen Fauna darstellt, ist Pander seitdem während eines
Zeitraums von mehr als 30 Jahren unablässig bemüht gewesen,
die Materialien für eine Paläontologie des russischen Reiches
zusammenzubringen, mit deren Publication er nun in schon vor-
gerückterem Lebensalter, aber in voller geistiger Rüstigkeit durch die
in den letzten Jahren geschehene Herausgabe der höchst wichtigen
Monographie devonischer und silurischer Fischreste den Anfang
gemacht hat. Im Interesse der paläontologischen Wissenschaft
erscheint es im hohen Grade wünschenswerth, dass dem hoch-
verdienten trefflichen Mann Zeit, Kraft und äussere Mittel aus-
reichen mögen, um die Verarbeitung und Publication des reichen
wissenschaftlichen Materials, welches er zusammengebracht hat,
in gleicher Weise, wie er mit jener Monographie begonnen hat,
fortzuführen und zu beendigen. Gewiss wird es die russische
Regierung nicht an der Bewilligung der für die weiteren Publi-
218
kation erforderlichen äusseren Mittel fehlen lassen, wie ja auch
schon die ersten Monographien auf Kosten des Kaiserlichen Berg-
Corps erschienen sind. Herr Pander hatte die Güte uns einen
grossen Theil seiner Sammlung und namentlich auch die devoni-
schen und silurischen Fischreste vorzulegen und zu erläutern.
Auch die merkwürdigen zierlichen kleinen Körper aus dem un-
ter-silurischen Grünsand, welche Pander unter der Benennung
der Conodonten beschrieben und als Fischzähne gedeutet hat, sah
ich hier zuerst. Neu und bemerkenswerth war mir die Mitthei-
lung Pander's, dass die Sandsteine der Gegend von Artinskoy
am Ural, in welcher die auffallende Goniatiten-Form des Gonia-
tites Jossae und andere eigentümliche Arten vorkommen, nicht
dem Steinkohlengebirge, wie bisher und namentlich auch in dem
Werke von Murchison, E. de Verneuil und Graf Keyser-
ling angenommen wurde, sondern der Permischen Gruppe an-
gehören.
Eichwald's Sammlung hat besonders durch den Umstand
Bedeutung , dass sie die Original - Exemplare der meisten von
diesem Autor in seiner Lethaea Rossica beschriebenen Arten ent-
hält. Eichwald hat schon in einer Zeit in Russland gesam-
melt und beobachtet, als dort noch kaum ein Interesse für pa-
läontologische Studien vorhanden war und es ist namentlich auch
sein Verdienst auf manche wichtige Lokalität zuerst die Auf-
merksamkeit gelenkt zu haben.
A. v. Volborth hat die wichtigste und umfangreichste
Sammlung von den schön erhaltenen Fossilien der unter-siluri-
schen Schichten in der Umgebung von Petersburg, namentlich
der Hügel von Pawlowsk und Pulkowa zusammengebracht. Im
Sommer auf dem Lande in Pawlowsk in nächster Nähe jener
Fundorte lebend, hat er während einer langen Reihe von Jahren
dem Sammeln dieser Fossilien den grössten Fleiss und Eifer zu-
gewendet. So ist die gegenwärtige Sammlung zusammengekom-
men, welche bei der grossen Zahl von Exemplaren, in welcher
selbst die seltensten Arten der Fauna vertreten sind, zu den um-
fassendsten Vergleichungen über die Begrenzung der Species be-
fähigt. Besonders interessant waren mir die reichen Suiten der
zum Teil sehr seltenen Crinoiden- und Trilobiten-Arten der
Fauna. Nachdem A. v. Volborth über einige derselben schon
früher seine werthvollen Untersuchungen veröffentlicht und na-
mentlich zur Kenntniss dar russischen Cystideen sehr wichtige
219
Beiträge geliefert hat, bereitet er gegenwärtig die Herausgabe
einer Arbeit über die Gattung Illaenus und verwandte Geschlech-
ter vor, in welcher auch neue Aufschlüsse über den Bau der
Trilobiten überhaupt gegeben werden sollen.
Von den mineralogischen Privat-Sammlungen Petersburg^
haben wir nur diejenige von N. v. Kokscharow gesehen. Sie
ist nach dem inneren wissenschaftlichen Werthe auch jedenfalls
die bedeutendste. Alle die mannichfaltigen Mineral- Vorkommnisse
Russlands sind hier in den schönsten und lehrreichsten Suiten
vertreten. Nur der rücksichtsloseste Sammeleifer, der vor kei-
ner Mühe und keinem Geldopfer zurückschreckt und zugleich
von gründlicher wissenschaftlicher Kenntniss unterstützt wird,
hat eine so treffliche Sammlung vereinigen können. Dieselbe
begreift zahlreiche Prachtstücke und Unica, und manche russi-
sche Mineral- Vorkommnisse sind sogar durch noch vollkommenere
und kostbarere Exemplare als in der reichen Sammlung des
Berg-Corps vertreten. Einzig in ihrer Art sind namentlich die
Suiten von russischem Topas, Euclas und Perowskit. Von den
vier überhaupt bis jetzt nur gefundenen Krystallen des Russi-
schen Euclases besitzt die Sammlung drei. Zwei mit 600 Rubel
bezahlte Topas-Krystalle sind an Schönheit und Regelmässigkeit
der krystallographischen Ausbildung unübertroffen, wenn sie auch
an Grösse dem prächtigen unlängst für das Berliner Museum für
500 Thlr. erworbenen Krystalle von demselben Fundorte nachste-
hen. Die Sammlung enthält auch einen grossen Theil der Ori-
ginal-Exemplare, die den Beschreibungen in Kokscharow's
werthvollem Werke*) zu Grunde liegen und in gleicher Weise
ist für höchst wünschenswerthe Weiterführung des Werkes, wel-
ches sich allmählig zu einer vollständigen Mineralogie
Russlands vervollständigen wird, das reichste Material vor-
handen.
Einige kleinere Ausflüge machten uns auch mit dem geo-
gnostischen Verhalten der Umgebungen von St. Petersburg be-
kannt. Zuerst lernten wir die Aufschlüsse in der Gegend von
Pawlowsk auf einer Excursion kennen, auf welcher Herr v. Vol-
borth die Güte hatte uns zu begleiten. Eine Eisenbahnfahrt
von kaum mehr als einer Stunde führte uns über die wagerechte,
*) Materialien zur Mineralogie Russlands von Nicolai v Kokscharow.
3 Bde. 1852-1858.
220
durch den silurischen blauen Thon gebildete Fläche, welche süd-
wärts von Petersburg sich ausbreitet, nach Pawlowsk, dieser nach
Art eines deutschen Badeortes aus zerstreuten Landhäusern be-
stehenden ausgedehnten Sommer-Colonie der Petersburger. Der
Ort liegt wie Czarskoje Zelo und Pulkowa am Fusse des Hügel-
Plateaus, welches sich südwärts über die Ebene von blauem Thon
erhebt. Unbedeutende, nur 10 bis 20 Fuss tief eingeschnittene
Bachbetten und Wasserrisse sind die Aufschlusspunkte, in de-
nen die unter -silurischen Schichten, aus denen das Plateau be-
steht, zu Tage treten und welche zugleich die Fundorte für
die zahlreichen wohl erhaltenen Petrefakten des Orthoceren-Kal-
kes darstellen, für welche gewöhnlich schlechthin Petersburg als
Ursprungsort angegeben wird. Wir besichtigten zunächst ein
südlich von Pawlowsk bei dem Dorfe Pieselowa an dem Bach-
ufer aufgeschlossenes Schichten-Profil. Es liegt hier zu unterst
blauer Thon, darüber etwa 4 Fuss mächtig Unguliten-Sandstein
in der Form eines ganz losen zerreiblichen gelben Sandsteins,
dann versteinerungsleerer schwarzbrauner Alaunschiefer und zu
oberst rölhlich grauer dolomitischer Kalkstein und Kalkmergel
mit Orthoceras duplex, Asaphus cornigerus, Amphion Fisckeri,
Orthis-Arten u. s. w. d. i. der Orthoceren-Kalk. Mit dem Or-
thoceren-Kalke Ehstland's verglichen hat die letzt genannte
Schichtenfolge hier eine viel geringere Festigkeit und Mächtig-
keit. Das scheint überhaupt für die Gegend von Petersburg zu
gelten. Weiterhin begaben wir uns zu einer Aufschlussstelle bei
dem etwa. 6 Werst südwestlich von Pawlowsk entfernten Dorfe
Marienau. Hier überlagert eine Schichtenfolge von röthlichen und
grauen Sandsteinen, verhärteten Mergeln und Schieferthonen den
Orthoceren-Kalk. Durch die zahlreichen Fischreste, welche die
Schichtenfolge enthält wird sie leicht als devonisch bestimmt.
In ähnlicher Weise wird der Orthoceren-Kalk an zahlreichen an-
deren Punkten in der südlich von Petersburg sich ausdehnenden
Ebene von inselartigen Partien devonischer Schichten, die dann
gewöhnlich zur Bildung von mehr oder minder vorragenden klei-
nen Hügeln Veranlassung geben, überlagert. Dieses Verhalten
ist früher, als man nur silurische Schichten in der Gegend von
Petersburg zu sehen glaubte, verkannt worden. Bemerkenswerth
ist dabei, dass die devonischen Schichten unmittelbar dem unter-
silurischen Orthoceren-Kalke aufruhen und die ganze Reihenfolge
der ober-silurischen Schichten fehlt. Aber freilich ein ähnlicher
221
geognostischer Hiatus wird ja auch im nordöstlichen Livland auf
eine lange Erstreckung beobachtet.
Ein anderer Ausflug wurde unter Eichwald's gefälliger
Leitung nach Pulkowa gemacht. Das Dorf liegt am Fusse des
weithin die Gegend beherrschenden Hügels, auf welchem die durch
den Reichthum ihrer wissenschaftlichen Ausstattung berühmte,
bisher unter der Leitung von Struve stehende Centrai-Stern-
warte des russischen Reiches erbaut ist. Das 1 5 bis 20 Fuss
tiefe Bett der Pulkowka, eines unbedeutenden durch das Dorf
fliessenden Baches, ist ein Hauptfundort für die zahlreichen zier-
lichen Orthis-, Trilobiten- und Cystideen-Arten der Petersburger
Fauna, welche zuerst von Pander, dann später durch vortreff-
liche Abbildungen erläutert von E. de Verneuil in dem grossen
Werke über Russland beschrieben worden sind. Die Kinder des
Dorfes sind wohlgeübte und eifrige Sammler und nur von ihnen
kann man durch Kauf eine grössere Anzahl jener Fossilien er-
werben. Das eigene Sammeln fanden wir ziemlich erfolglos. So
sehr ist das Terrain durch die unablässigen Nachforschungen der
scharfsichtigen kleinen Sammler des Dorfes abgelesen. Wir folg-
ten vor dem Dorfe dem Laufe des Baches eine halbe Stunde
weit aufwärts. Auf dem grösseren Theile dieser Strecke ist das
Bachthal in den blauen Thon eingeschnitten. An einer Stelle
treten über demselben auch gelbliche dolomitische Mergelschich-
ten des Orthoceren - Kalkes hervor. Das ist die ursprüngliche
Lagerstätte der zahlreichen Brachiopoden- und Trilobiten-Arten.
Wenn bei Petersburg der Orthoceren-Kalk in viel grösserer Zahl
und besserer Erhaltung, als anderswo organische Reste und na-
mentlich kleinere Formen liefert, so hat dies augenscheinlich vor-
zugsweise in der mehr lockeren und mergeligen Beschaffenheit
des Gesteins, mit welcher er hier auftritt, seinen Grund. Die-
selben Orthis- und Cystideen-Arten finden sich wohl auch bei
Narwa und an anderen Punkten in Ehstland, aber aus dem
festen Kalkstein, in welchem sie dort eingeschlossen sind, lassen
sie sich viel schwieriger lösen.
Ausflug nach Moskau und Rückkehr nach Deutschland.
Obgleich ein dreiwöchentlicher Aufenthalt kaum genügt um
das, was Petersburg für naturwissenschaftliche Studien darbietet,
auch nur übersichtlich kennen zu lernen, so brachen wir doch
222
jetzt unseren Aufenthalt ab um auch noch die alte Hauptstadt
des Reiches zu besuchen. Mit der Eisenbahn legt man die 97
deutsche Meilen lange Strecke zwischen Petersburg und Moskau
in 22 Stunden zurück. Dabei geht die Fahrt besonders wegen
des langen Aufenthaltes auf den zahlreichen Stationen im Ver-
gleich mit der Beförderung auf unseren deutschen Schnellzügen
noch ziemlich langsam von Statten. Der Anblick des Landes,
welches die Eisenbahn durchschneidet, ist im Ganzen sehr ein-
förmig. Meistens auf beiden Seiten nur niedriger, 20 bis 30
Fuss hoher Wald von Birken, Erlen und Espen, seltener Nadel-
holz sichtbar. Ortschaften nur sehr vereinzelt. Dabei der Bo-
den zum Theil von der eigenthümlichen vollkommenen Horizon-
talität, wie man sie ausserhalb Russlands nur in Thalsohlen oder
ehemaligen Seebecken antrifft. So namentlich gleich anfangs nach
der Abfahrt von Petersburg. Der erste ansehnlichere Thalein-
schnitt, den die Eisenbahn überschreitet, ist derjenige des Msta-
Flusses, der sich nachher unweit des alten Nowgorod in den
Ilmen-See ergiesst. Bald darauf tritt die Bahn in 70 bis 80 Fuss
tiefen Einschnitten in ein hügeliges Gebiet ein. Das ist das
Waldai-Plateau, an den höchsten Punkten kaum über 1000 Fuss
hoch ansteigend und doch die höchste Erhebung zwischen dem
Riesengebirge und dem Ural, die Wasserscheide zwischen der
Ostsee und dem Caspischen See für die wichtigsten Wasserläufe
bildend. In dem letzten Drittel des Weges überschreitet die Bahn
einen Fluss, noch nicht von der Grösse der Weser bei Minden
und in der Entfernung sieht man eine bedeutendere Stadt mit
zahlreichen grünen Kuppeln und Thürmen. Der Fluss ist die
Wolga, hier noch ein Kind, in welchem man den Riesen unter den
europäischen Strömen, zu welchem er später heranwächst, nicht ver-
muthet. Die Stadt ist Twer, der einzige grössere Ort, an wel-
cher die Bahn in grösserer Nähe vorüberfährt. Von Twer ab
ist die Wolga für Dampfböte schiffbar und bildet die Verkehrs-
strasse nach Kasan und weiter, auf der ersten Strecke des Lau-
fes freilich nicht immer ohne Störung durch Untiefen und Sand-
bänke. Nachdem wir Twer hinter uns hatten öffnete sich der
Wald mehr und mehr und weiter angebaute Strecken wurden
sichtbar. Plötzlich sahen wir die beiden uns gegenübersitzenden
bärtigen National-Russen sich lebhaft verneigen und bekreuzigen.
Sie hatten die Kuppeln der Kirche der Muttergottes von Kasan
in der Entfernung erkannt. Gleich darauf waren wir in der al-
223
ten Czaren-Stadt angelangt. In einem uns empfohlenen, im Mit-
telpunkt der Stadt gelegenen deutschen Hotel fanden wir bald
ein uns zusagendes Quartier.
Unser erster Ausgang galt dem Kreml, dieser merkwürdigen
dicht gedrängten Zusammenhäufung von Kirchen und Palästen.
Obgleich nur auf einem niedrigen Hügel gelegen , so ist schon
von der Terrasse desselben der Blick auf die Stadt in hohem
Grade anziehend und malerisch. Noch viel grossartiger aber ist
die Umschau von dem Glockenthurme des Iwan Weliki. Da
übersieht man die ganze ungeheure Ausdehnung des Häusermee-
res. Die lebhafte grüne und rothe Färbung der Dächer der
Häuser, contrastirend mit der schneeweissen Färbung der Wände,
und die ausserordentlich grosse Zahl von Kirchen , welche sich
mit grossentheils vergoldeten oder buntgemalten Glockentürmen
und Kuppeln über die Häuser erheben, machen die Ansicht höchst
prachtvoll und malerisch, und zugleich verschieden von derjeni-
gen irgend einer anderen Hauptstadt. In der Ferne wird der
Blick durch Hügel begrenzt. Die Stadt liegt nämlich nicht in
einer ganz ebenen Fläche, sondern in einer flach wellenförmigen,
von der Mosqua in vielen Krümmungen durchzogenen Gegend.
Wie bei manchen Städten des Orients entspricht leider das
Innere der Stadt nicht ganz dem prächtigen Eindrucke der Ge-
sammtübersicht von der Höhe. Die Bauart der meist zweistöcki-
gen Häuser ist im Ganzen sehr einförmig und unschön und da-
bei die äussere Erhaltung oft sehr vernachlässigt. Palastartige
oder sonst durch Grösse oder Schönheit ausgezeichnete Gebäude
sind im Ganzen in zu geringer Zahl vorhanden um den Eindruck
des Ganzen zu bestimmen. Die Strassen sind breit und gerade,
aber schlecht gepflastert, schlecht beleuchtet und schmutzig. Bei
der ausserordentlich weitläufigen Bauart der Stadt, derzufolge sie bei
400,000 Einwohnern einen Flächenraum von 5j deutschen Meilen
im Umfang bedeckt, würden derartige allgemeine Bedürfnisse wie
Pflasterung, Strassenreinigung und Beleuchtung auch nur mit
einem unverhältnissmässig grossen Kostenaufwande sich genügend
befriedigen lassen. Aus dieser weitläufigen Bauart der Stadt
erklärt sich übrigens auch die verhältnissmässig geringe Lebhaf-
tigkeit des Verkehrs. Selbst im Mittelpunkte der Stadt zeigen
die Strassen bei weitem nicht die Menschenfülle wie die Haupt-
strassen unserer grösseren deutschen Städte, wie Berlin, Ham-
burg oder Breslau, und entfernt man sich nur etwas von den
224
Hauptstrassen, so befindet man sich häufig sogleich in Umgebun-
gen, welche nach der Unansehnlichkeit der Häuser und der Leb-
losigkeit des Verkehrs die Täuschung hervorrufen könnten, man
sei plötzlich in eine Landstadt versetzt.
Von der grössten Wichtigkeit für unseren Aufenthalt in
Moskau war für uns die Bekanntschaft mit Herrn Dr. Auer-
bach. Mit der aufopferndsten Freundlichkeit hat sich der lie-
benswürdige und kenntnissreiche Mann unserer Führung und Be-
lehrung gewidmet. Zunächst hat er uns mit seiner eigenen sehr
lehrreichen paläontologischen Sammlung bekannt gemacht. Die-
selbe enthält Suiten von Versteinerungen aus den verschiedensten
Gegenden des russischen Reichs. Von besonderem Interesse wa-
ren mir Fossilien, welche den Beweis von dem Vorhandensein
des Gault und vielleicht auch des Neocom in der Gegend von
Moskau liefern: dahin gehört Ammonites interruptus aus dem
Grünsande von Stepanowa, einer Lokalität zwischen Dimitrow
und Klin, nördlich von Moskau. Die Bestimmung ist zweifellos.
Ausserdem kommen dort auch noch ein Paar andere Gault- Am-
moniten vor. Auch die Erhaltung ist derjenigen von typischen
Gault-Lokalitäten ganz ähnlich und namentlich erinnert sie leb-
haft an diejenige der Gault-Fossilien bei Escragnolle in der Pro-
vence. Das Neocom scheint in der Gegend von Moskau durch
einen eisenschüssigen Sand vertreten zu sein, der namentlich
auch an den Sperlingsbergen, 1 Meile von der Stadt ansteht.
Derselbe ist seiner Hauptmasse nach versteinerungsleer, umschliesst
aber einzelne Knollen, in welchen der Sand durch Eisenoxydhy-
drat ganz nach Art mancher Raseneisenstein-Bildungen zu einem
groben Sandsteine zusammengebacken ist. Diese Knollen ent-
halten zahlreiche freilich nur in der Form von Steinkernen er-
haltene Fossilien. Ich glaubte unter denselben bei freilich nur
ganz flüchtiger Prüfung Ammonites Astierianus, Ammonites
Gevrilianus, Avicula Cornueliana, Thetis minor u. s. w. zu er-
kennen. Das wäre eine entschiedene Neocom-Fauna. Aber frei-
lich die Bestimmungen der Arten verlangen eine genauere Prü-
fung. Es wäre sehr zu wünschen, dass Herr Dr. Auerbach
sich entschliessen möchte, die verschiedenen auf das Vorkommen
der beiden unteren Abtheilungen der Kreide-Formation im cen-
tralen Russland bezüglichen Materialien seiner Sammlung einer
näheren Bearbeitung zu unterwerfen , denn bisher sind ja nord-
wärts vom Caucasus und dem Küstengebirge der Krim mit
225
Sicherheit nur solche Kreidebildungen nachgewiesen worden,
welche der Kreide über dem Gault und namentlich der Senon-
Bildung angehören*).
Auch eine Sammlung von Versteinerungen vom grossen
Bogdo-Berge, der merkwürdigen Erhebung triassischer Gesteine
in der Kirgisen-Steppe auf dem linken Ufer der unteren Wolga,
zog unsere Aufmerksamkeit an. Ausser dem durch L. v. Buch's
Beschreibung bekannt gewordenen Ceratites Bogdoanus erkann-
ten wir verschiedene andere Muschelkalk -Formen, namentlich
mehrere bekannte Zweischaler-Formen des deutschen Muschelkalks.
Sehr bemerkenswerth sind auch kleine kugelige, den Gyrogoniten
oder Chara-Früchten ähnliche Körper. Herr Dr. Auerbach hat
diese Sammlung während eines sechswöchentlichen Aufenthaltes
an jenem entlegenen Punkte zusammengebracht. Gewiss ist es
die bei weitem vollständigste Suite von den Versteinerungen jener
merkwürdigen Lokalität, welche irgendwo vorhanden ist. Möchte
es deshalb dem Eigenthümer gefallen auch diese Materialien bald
zu verarbeiten und im Zusammenhang mit den übrigen auf der
betreffenden Reise gemachten Beobachtungen zu veröffentlichen.
Demnächst führte uns Herr Dr. Auerbach auch in die öf-
fentlichen Sammlungen der Stadt, und zwar zunächst in diejenige
der Universität. Das mineralogische Museum der Universität
besitzt eine ziemlich gut aufgestellte Mineralien-Sammlung. Da-
gegen ist die paläontologische Abtheilung ohne Bedeutung. Das
zoologische Museum der Universität enthält manche werthvolle
Reste fossiler Wirbelthiere und namentlich auch manche der Ori-
ginal-Exemplare zu Fischer's Beschreibungen. Aber augen-
blicklich war Alles in Unordnung und die werthvollsten Gegen-
stände waren in einer für deren Erhaltung höchst nachtheiligen
Weise durch einander geworfen und zusammengehäuft. Man war
nämlich gerade damit beschäftigt, die Sammlungen der Universi-
tät in ein anderes Gebäude überzuführen. Durch ein Vermächt-
*) Während das Vorstehende geschrieben wurde kommt mir Eich-
wald's Aufsatz: Ueber den Grünsand der Umgegend von Moskwa. Mos-
kau lSb^ zu Händen. In demselben werden ebenfalls verschiedene auf
Vorkommen von älteren Kreidebildungen im Gouvernement Moskau be-
zügliche Angaben gemacht. Namentlich wird das Vorkommen des Am-
monites interruptus im Grünsande von Talitzi, und dasjenige desselben
Ammoniten in Gesellschaft von Ammonites lenatus und Inoceramus sulcatus
im Gouvernement ßjasan erwähnt.
Zeits. d. d. geol. Ges. XIV, 1. iK
226
niss des Eigenthümers ist nämlich die Stadt Moskau unlängst in
den Besitz des grossartigen Complexes von naturhistorisehen und
artistischen Sammlungen gekommen , welche durch den Grafen
Rumaenzow während einer langen Reihe von Jahren zusam-
mengebracht und bisher in Petersburg aufbewahrt waren. Ein
prachtvolles Gebäude, der bisherige Palast eines russischen Grossen,
ist von der Stadt erworben, um diese Sammlungen aufzunehmen.
Zugleich ist seitens der Universität die Vereinigung ihrer Samm-
lungen mit diesem neuen städtischen Museum beschlossen wor-
den. So wird Moskau bald ein grossartiges Institut für natur-
historische Studien besitzen und es ist nur zu wünschen, dass
der neuen Anstalt die nachhaltige und aufopfernde Sorge von
geeigneten Vorstehern nicht fehlen möge, welche in Russland bei
solchen Instituten leider oft vermisst wird. Für die mineralogi-
sche Abtheilung des neuen Museums ist glücklicher Weise in
Herrn Dr. Auerbach ein durchaus geeigneter Vorsteher ge-
wählt worden.
Bekanntlich besitzt Moskau in dem B ulletin de la so-
ciete imperiale des Natur alistes de Mose ou auch eine
gut redigirte naturwissenschaftliche Zeitschrift, welche für einen
grossen Theil des weiten Reiches das Centrai-Organ naturwis-
senschaftlicher Bestrebungen darstellt und namentlich jetzt unter
der eifrigen und umsichtigen Vertretung des Herrn Dr. Renard,
als erstem Sekretair, dem namentlich auch die auswärtige Cor-
respondenz obliegt, und des Herrn Dr. Auerbach, als zweitem
Sekretair (für die inländische Correspondenz) immer vollkom-
mener diesem Zwecke dient. Also auch von dieser Seite ist in
Moskau für die Naturwissenschaft gesorgt.
Von den Privat -Sammlungen Moskau's waren uns leider
mehrere wegen Abwesenheit der Eigenthümer unzugänglich. So
namentlich die sehr umfangreiche Sammlung von Versteinerungen
des Moskauer Jura, welche Herr H. Trautschold in den letzten
Jahren mit grossem Eifer zusammengebracht und welche ihm
das Material für die verschiedenen Publikationen über die Mos-
kauer Jura -Bildungen geboten hat. Auch die angeblich sehr
reiche und Sehens werthe Mineralien - Sammlung des durch zahl-
reiche mineralogisch -chemische Arbeiten bekannten Herrn Dr.
R. Hermann war uns wegen dessen zeitweiliger Abwesenheit
verschlossen. Der durch verschiedene Arbeiten bekannte, früher
227
in Moskau lebende Geognost und Paläontolog Fahrrnkohl ist
vor zwei Jahren verstorben.
Der Wunsch, auch die geognostischen Verhältnisse der Um-
gegend von Moskau durch eigene Anschauung kennen zu lernen,
wurde durch mehrere Excursionen, auf denen ebenfalls Herr
Dr. Auerbach unseren Führer zu machen die Güte hatte, in
befriedigender Weise erfüllt. Zunächst besuchten wir einen
geognostisch interessanten Aufschlusspunkt in der Stadt selbst.
Es ist dies ein auf dem Grundstücke von Alexejeff gelegener
Kalksteinbruch an der linken Thalwand des Jausa - Baches,
welcher den südöstlichen Theil der Stadt durchfliesst. Es wird
hier ein rauher gelber dolomitischer Kalkstein gebrochen, welcher
in mächtigen, anscheinend ganz wagerechten Bänken ansteht.
Productus semireticulatus und andere Fossilien bestimmen den
Kalkstein mit Sicherheit als Kohlenkalk. Ueber dem Kalk liegt
eine 2 bis 3 Fuss dicke Schicht von rothem Thon und über
dieser eine dünne Lage von wechselnder Mächtigkeit, welche
ganz aus Rollstücken von gelbem Hornstein besteht, dann folgt
gegen 15 Fuss mächtiger, schwarzbraune?, ganz lockerer Schiefer-
thon, welcher Ammonites crenatus und grosse Belemniten enthält,
noch höher dunkler Sand mit festen, Ammoniten einschliessenden
Mergelknollen und zuoberst eine dünne Decke von Diluvial-Sand
mit nordischen Geschieben. Der ganze sehr schöne Durchschnitt
hat eine Höhe von 35 Fuss. Der Schieferthon mit Ammonites
crenatus und den Belemniten, sowie der Sand mit Ammoniten
führenden Knollen gehören der gewöhnlichen, in der Gegend von
Moskau verbreiteten Jura-Bildung an, welche wesentlich dem
Etage Oxfordien und Etage Callovien von d'Orbigny entspricht.
So sind also innerhalb der Stadt Moskau selbst die Gesteine
zweier Formationen in deutlicher unmittelbarer Ueberlagerung zu
beobachten. Das hat schon unser unvergesslicher L. v. Büch
als eine Eigenthümlichkeit der alten russischen Hauptstadt her-
vorgehoben. Beide Hauptstädte des russischen Reiches unter-
scheiden sich übrigens in Betreff der geognostischen Beschaffen-
heit des Bodens, auf welchem sie erbaut sind, von den meisten
anderen Hauptstädten Europas. Während London, Paris, Wien
und Berlin inmitten von grossen Tertiär-Becken ihre Stelle haben,
so ruhen Petersburg und Moskau beide auf viel älteren Gesteinen. Pe-
tersburg auf den ältesten überhaupt bekannten silurischen Schichten
und Moskau auf mitteljurassischen Schichten und Kohlenkalk.
15*
228
Ein zweiter Ausflug galt der berühmten Lokalität von Kho-
roschowo (Charaschowo), einem 7 Werst d. i. eine deutsche Meile
nordwestlich von Moskau auf dem steilen Ufer der Mosqua ge-
legenen Dorfe. Der Weg dahin führt über eine weite wüste
Fläche. Auf der rechten Seite sieht man in der Entfernung das
von Peter dem Grossen erbaute Schloss Petrowsky, in welches
sich Napoleon bei dem Brande von Moskau zurückzog. Der
Aufschluss bei Khoroschowo ist die 50 Fuss hohe steile Ufer-
wand des Mosqua-Flusses, welche an ihrem Fusse durch den
Fluss bespült durch Abstürzen beständig sich erneuert. Vor-
trefflich sind hier die schwarzen Jura-Thone mit ihren zahlreichen,
zum Theil mit der farbenspielenden Perlenmutter-Schale erhal-
tenen Versteinerungen zu beobachten. Zu Tausenden kann man
hier rein gewaschen durch den Fluss die grossen vortrefflich er-
haltenen Belemniten (ß. F 'ander ianus , B. absolutus u. s. w.)
sammeln, denn der Boden ist förmlich damit bestreut. Von den
zahlreichen sonst vorkommenden Cephalopoden, Gastropoden, Ace-
phalen und Brachiopoden finden sich namentlich Aucella mos-
quensis, Rhynchonella oxyoptycha und Ammonites virgatus in
grosser Häufigkeit. Aucella mosquensis bildet in der Zusam-
menhäufung ihrer Schalen oft wahre Muschelbänke. Uebrigens
wird die ganze Uferwand bei Khoroschowo nicht durch eine ein-
zige Schicht gebildet, sondern es lassen sich auch hier die drei
Abtheilungen oder Lager erkennen, welche Trautschold in sei-
ner neuesten Arbeit*) gleich mehreren seiner Vorgänger in dem
Moskauer Jura überhaupt unterscheidet, nämlich eine untere
vorzugsweise durch Ammonites alternans und Belemnites Pan~
derianus, eine mittlere durch Belemnites absolutus und Am-
monites virgatus und eine obere durch Aucella mosquensis und
Ammonites catenulatus bezeichnete Abtheilung.
Wenn übrigens Trautschold am Schluss seiner neusten
Arbeit in Betreff des Alters des Moskauer Jura zu der freilich
nur hypothetisch ausgesprochenen Annahme gelangt, dass die
drei Abtheilungen desselben dem Inferior oolite, der ßath-For-
mation und dem Kelloway rock entsprechen, so gestehe ich, dass
mir diese Parallelisirung den unteren Theil des Moskauer Jura
bedeutend zu tief zu stellen scheint. Nach Allem was wir von
*) Der Moskauer Jura, verglichen mit dem West-Europäischen von
H. Trautschold in Moskau in dies. Zeitschr. Bd. XIII. 1861, S. 361- 453.
229
den Fossilen des Moskauer Jura kennen, scheinen mir auch die
tiefsten Schichten desselben nicht wesentlich unter das durch Am-
monites macrocephalus im westlichen Europa bezeichnete Ni-
veau hinabzureichen. Ich würde mit den früheren Autoren und
namentlich d'Oriugny den ganzen Schichten- Complex des Mos-
kauer Jura dem vereinigen Etage Callovien und Oxfordien gleich-
stellen.
Ein heftiger Platzregen vertrieb uns von der merkwürdigen
Lokalität und Hess uns in einem Bauernhause des Dorfes Kho-
roschowo Schutz suchen. Während wir unsere Kleider trock-
neten und mit Hülfe national- russischer Theemaschinen von
Messingblech, dem Zamowar, welcher in keinem Hause fehlt,
uns Thee bereiteten, theilte uns Herr Dr. Auerbach mit, dass
dasselbe Stübchen , in welchem wir uns befanden , auch schon
manchen anderen Geognosten und Paläontologen , welche gleich
uns zur Besichtigung des sehenswerthen Aufschlusspunktes ge-
kommen waren, Aufnahme gewährt habe, wie namentlich Mur-
chison, E. de Verneuil, Blasius und Anderen.
Das Ziel eines dritten Ausfluges waren die Sperlings-
berge (Worabiowe Gora). Das ist nicht sowohl ein eigentlicher
Berg oder Hügel, als vielmehr die etwa 200 Fuss betragende
Höhe der ziemlich steil abfallenden, Moskau gegenüberliegenden
Thalwand auf dem rechten Ufer des Flusses. Der Punkt wird
von allen Reisenden besucht, denn er gewährt eine prachtvoll
malerische Uebersicht über die Stadt. Diese zeigt sich hier in
ihrer ganzen ungeheuren Ausdehnung, überragt von den 800
Thürmen und Kuppeln der zahlreichen Kirchen und vor Allem
von den fünf in der Sonne glänzenden goldenen Kuppeln der
grossartigen, aus weissem Kohlenkalk erbauten neuen Kathedrale.
Eine in weitem Bogen von der Mosqua umflossene, ausgedehnte
grüne Wiesenfläche bildet den Vordergrund. In diesem erhebt
sich links dicht vor dem Beschauer, ganz an die Klöster des
Orients erinnernd und von Mauern mit Zinnen und Thürmen
umgeben, der malerisch grosse Vierecksbau des Jungfern-Klo-
sters. Rechts erhebt sich auf einem schön bewaldeten Hügel-
vorsprunge das grossartige weisse Schloss des Grafen Mamonow.
Durch den schönen Vordergrund übertrifft die Aussicht von den
Sperlingsbergen noch bei weitem diejenige von der Höhe des
Iwan Weliki im Kreml. Wir selbst genossen sie in zauberhaft
glänzender Beleuchtung bei untergehender Sonne.
230
In geognostischer Beziehung sind die Sperlingsberge eben-
falls ein merkwürdiger Punkt. Der Haupttheil des fast 200 Fuss
hohen Abhanges wird durch losen Sand gebildet, den man nach
seiner äusseren Beschaffenheit, wenn man ihn in Deutschland
anträfe, etwa für Sand des Braunkohlengebirges halten würde.
Bei näherer Betrachtung unterscheidet man in dieser Sandabla-
gerung zwei Abtheilungen, eine untere, welche einzelne Bänke
eines groben, sehr stark eisenschüssigen braunen Sandsteins mit
Steinkernen von Schalthieren umschliesst, und eine obere mit
Bänken eines quarzfelsartigen festen weissen Sandsteins, in welchem
Abdrücke von eigenthümlichen Landpflanzen vorkommen. Zu
oberst endlich folgt eine dicke Decke von Diluvium. Die An-
sichten über die Altersbestimmung der an diesem Abhänge ent-
blössten Schichten sind sehr verschieden gewesen. Murchison *),
welcher an einem zur Zeit unserer Anwesenheit nicht mehr zu-
gänglichen Punkte am Fusse des Abhanges jurassischen schwar-
zen Schieferthon mit Belemniten und Ammoniten beobachtete,
rechnet auch die ganze Reihenfolge sandiger Schichten bis zum
Diluvium hinauf, der Jura-Formation zu. Die Moskauer Geo-
logen deuten dagegen neuerlichst die Sandsteine mit Landpflanzen
als Weald-Sandstein. Nur die sorgfältige Bestimmung der in
dem eisenschüssigen Sandstein der unteren Abtheilung einge-
schlossenen Muschelreste wird eine sichere Entscheidung bringen.
Sind es wirklich Neocom-Fossilien , wie ich nach der früheren
Bemerkung bei einer flüchtigen Prüfung in Dr. Auerbach's
Sammlung zu erkennen glaubte, so kann der höher liegende
Sandstein mit Landpflanzen nicht Weald sein. An sich ist auch
das Vorhandensein der Weald-Bildung bei Moskau aus allgemeinen
geognostischen Gründen wenig wahrscheinlich und es würde
sehr unzweideutiger paläontologischer Beweismittel bedürfen, um
dennoch deren Vorhandensein anzunehmen.
Der weiteste Ausflug, den wir von Moskau aus unternah-
men, war endlich der nach Miatschkowa, einem etwa 6 deutsche
Meilen abwärts von Moskau an der Mosqua gelegenen Dorfe,
um die dortigen grossartigen Steinbrüche im Kohlenkalke zu
sehen. Auf dem Wege dahin besuchten wir zunächst die merk-
würdigen Sandsteinbrüche bei dem Dorfe Kotielniki. Es wird
hier in grossartigen, mehrere hundert Arbeiter beschäftigenden
*) M. V. K. Russia Vol. I. pag. 237 ff '. Vol. II. pag. 500.
231
Steinbrüchen ein quarzfelsartiger kieseliger weisser Sandstein ge-
brochen, der zu Mühlsteinen, Werkstücken und kleinen Trottoir-
Platten verarbeitet wird. Zu oberst liegt ganz loser weisser
Quarzsand, dann folgt Sand mit einzelnen ganz flachen kuchen-
förmigen grossen Nieren von kieseligem Sandstein und erst dann
die mächtigen Bänke von Sandstein. Dieser letztere schliesst
eine fossile Fauna ein, welche zu sehr verschiedenen Deutungen
in Betreff des Alters der ganzen Bildung geführt hat. Auer-
bach, Trautschold, Eichwald und Andere haben sich mit
diesen Fossilien beschäftigt und Aufzählungen derselben geliefert.
Bei weitem am häufigsten ist eine Inoceramus-Art von eigen-
thümlichem Habitus, der lnoc er a mus bilobus. Demnächst
eine Natica-Art, welche, da sie nur als Steinkern vorkommt, wohl
nur sehr unsicher als Natica vulgaris Reuss bestimmt wird.
Dann ein Ammonit mit einzelnen starken Knoten am Umfange
des Nabels, der nach dem Vorgange von Auerbach und Frears
gewöhnlich als Ammonites Koenigii aufgeführt wird. Seltener
ist schon ein Discusartiger flach scheibenförmiger Ammonit, der
Ammonites catenulatus Fisch. Was sonst noch vorkommt sind
Seltenheiten; Steinkerne von Zweischalern und Gastropoden, die
für die Entscheidung der Frage nach dem Alter des Sandsteins
wenig Bedeutung zu haben scheinen. Wenn nun Trautschold
und Eichwald früheren Deutungen entgegen dem Sandstein von
Kotielniki in der Kreideformation seine Stelle anweisen, so glaube
ich, dass damit das Richtige getroffen ist, meine aber zugleich,
dass die beiden Ammonites-Arten für eine nähere Bestimmung
des Niveaus, welches der Sandstein in der Kreideformation ein-
nimmt, benutzt werden können. Der A. catenulatus kommt in
der äusseren Gestalt mit dem A. Gevrilianus d'Orb. überein,
einer Art, die in dem Neocom von Frankreich zuerst aufgefun-
den, seitdem auch in den thonigen Neocom-Bildungen des nord-
westlichen Deutschlands („Hils-Thon" A. Roemer's) und na-
mentlich am Osterwald und am Süntel in Hannover erkannt
worden ist. Was ich von den Suturen des Ammoniten von Ko-
tielniki habe erkennen können, passt ebenfalls zu dem A. Ge-
vrilianus und namentlich die geringe Tiefe der wenig zerschnit-
tenen, fast nur gekerbten Loben und Sättel. Der gewöhnlich als
A. Königii gedeutete Ammonit könnte vielleicht zum A. Astie-
rianus gehören, wenigstens kenne ich ähnliche Formen der Art
aus den norddeutschen Hils-Bildungen und andererseits habe ich
232
auch im Sandstein von Kotielniki ein Bruchstück gefunden, wel-
ches sich bedeutend mehr der typischen Form des A. Astieria-
nus nähert. Durch eine scharfe Vergleichung der Loben habe
ich freilich bei dieser Art die Identificirung nicht begründen
können. Sind wirklich die beiden Ammoniten-Arten mit den
Arten d'Orbigky's identisch, so würde daraus die Zugehörigkeit
des Sandsteins von Kotielniki zur Neocom- Bildung zu folgern
sein und zugleich würde eine wesentlich gleiche Stellung mit
dem eisenschüssigen Sandstein an den Sperlingsbergen sich er-
geben.
Einige Werst von Kotielniki liegen im Walde die nicht
minder bedeutenden Steinbrüche von Witkrino (oder Lytkarino).
Alle Verhältnisse sind hier denjenigen von Kotielniki gleich.
Miatschkowa ist ein grosses, durch den Steinbruchbetrieb
wohlhabendes Dorf, welches auf dem hohen linken Ufer der
Mosqua liegt. Die ausgedehnten Steinbrüche im Kohlenkalk er-
strecken sich , im Sonnenlicht blendend weiss wie Kreide strah-
lend, auf beiden Ufern der Mosqua mehrere Werst weit entlang.
Seit Jahrhunderten haben sie das Material geliefert, aus welchem
Moskau vorzugsweise gebaut ist. Die Hauptmasse ist ein weisser
poröser rauher Kalkstein, der nicht wie die meisten älteren Kalk-
steine aus einem gleichartigen verhärteten Kalkschlamm gebildet ist,
sondern ein Aggregat von lauter Foraminiferen und Muschel-
resten darstellt, welche wohl durch einen dünnen Ueberzug von
Sinterkalk untereinander verbunden sind, zwischen denen aber
nicht wie bei gewöhnlichen Kalksteinen die Zwischenräume durch
Kalkschlamm ausgefüllt sind. Gerade dieses Gestein wird zu
Werkstücken verarbeitet und zu Kalk gebrannt. Die häufigsten
Fossilien sind iSpirifer Mosquensis (meistens jedoch nur in
einzelnen Klappen, selten in vollständigen unverdrückten Exem-
plaren!), Productus semireticulatus, Spirifer Lamarckii (sehr
selten in vollständigen unverdrückten Exemplaren !), Archaeoci-
daris Rossicus (Stacheln und sechsseitige Täfelchen der Inter-
radial-Felder !) , Chaetetes radians und Fusulina cylindrica.
Die Gehäuse der letzteren sind oft so zusammengehäuft, dass
sie das Gestein fast für sich allein zusammensetzen (Fusulina-
Kalkstein). Gewöhnlich liegen die kugeligen Gehäuse einer
zweiten Polythalamien-Art, der Borelis sphaeroidea , zwischen
denjenigen von Fusulina. In Dr. Auerbach's Sammlung sah
ich ein drittes, durch das Vorkommen an dieser Stelle sehr merk-
233
würdiges Fossil aus der Klasse der Polythalamien. Das ist
Nummulina antiquior , nach einer durch Reuss an Dr. Auer-
bach gerichteten brieflichen Mittheilung ebenso unzweifelhaft ein
ächter Nummulit , als nach dem Zeugniss von Dr. Auerbach
wirklich in dem Kohlenkalke von Miatschkowa gefunden. Ueber
dem rauhen weissen Kalke liegen Bänke eines compacten gelben
dolomitischen Kalksteins und auf diese folgen dann unmittelbar
in scheinbar gleichförmiger Lagerung schwarzbraune Jura-Mergel
mit Belemniten und Ammoniten. In manchen Steinbrüchen ist
diese unmittelbare Berührung von zwei Bildungen so verschie-
denen Alters und der lebhafte Contrast ihres petrographischen
Verhaltens sehr schön zu beobachten.
Nach einem achttägigen Aufenthalte in Moskau kehrten wir
auf demselben Wege, wie wir gekommen, mit der Eisenbahn
nach Petersburg zurück. Denn ohne Noth wird wohl Niemand
die ermüdende und einförmige sechstägige Postfahrt über War-
schau zur Rückreise von Moskau nach Deutschland wählen. In
Petersburg verweilten wir noch einige Tage und schifften uns
dann, gedrängt durch die schon sehr unfreundlich und winterlich
auftretende Witterung, auf einem der vortrefflichen Dampfschiffe
der Lübecker Linie nach Lübeck ein und langten hier nach
dreitägiger Fahrt wohlbehalten an. Wir hatten so in einem
Zeitraum von wenigen Wochen unseren ursprünglichen Plan
ausgeführt und wenn auch nicht eingehende eigentliche Unter-
suchungen angestellt, doch eine Reihe werthvoller Anschauungen
gewonnen.
Druck von J. F. Starcke in Berlin.
Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
2. Heft (Februar, März, April 1862).
A. Verhandlungen der Gesellschaft.
f. Protokoll der Februar- Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 5. Februar 1862.
Vorsitzender: Herr G. Rose.
Das Protokoll der Januar-Sitzung wird verlesen und ange-
nommen.
Der Gesellschaft ist als Mitglied beigetreten:
Herr Hüttenmeister Bischof in Mägdesprung,
vorgeschlagen durch die Herren G. Rose , Roth,
Ewald.
Für die Bibliothek sind eingegangen :
A. Als Geschenke :
v. Bennigsen-Foerder : Anleitung zur leicht ausführbaren
Erforschung der Ackerkrume und des Untergrundes ohne chemi-
sche Vorkenntnisse und ohne Anwendung der Wage. Berlin,
1861.
K. Peters: Geologische und mineralogische Studien aus
dem südöstlichen Ungarn. I. und IL — Mineralogische Notizen.
Separat- Abdruck.
Schruefer : Ueber die Juraformation in Franken. Separat-
Abdruck.
H. Trautschold: Der Moskauer Jura. Separat-Abdruck.
B. Im Austausch:
Verhandlungen der k. k. geolog. Reichsanstalt. November,
December 1861, Januar 1862.
Zeitschrift des Ingenieur- und Architekten - Vereins für das
Königreich Hannover. VII, 4.
Zeits.d.d. geol.Ges. XIV. 2. 16
236
Neue Denkschriften der allgemeinen Schweizerischen Ge-
sellschaft für die gesammten Naturwissenschaften. Bd. XVII.
und XVIII.
Archiv für Landeskunde in Mecklenburg. 1861, 8. 9. 10.
Sitzungsberichte der königlichen Bayerischen Akademie der
Wissenschaften. 1861. I, 5.
Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern.
No. 440 bis 468.
Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel.
III, 1. 2.
Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland. XXI, 1.
Memoires de la Societe des sciences naturelles de Neu-
chatel. Tom. /, //, ///, und Bulletin Tome V, Cahier 3.
Atti della Societa Elvetica riunita in Lugano. 18b'0.
Herr H. Karsten sprach über die geognostische Beschaffen-
heit der Gebirge von Caracas.*)
Herr Barth berichtete über den von den Herren von der
Decken und Thornton untersuchten, im äquatorialen Ost- Afrika
ca. 4 Grad S. Br. und 200 englische Meilen von der Küste ent-
fernten, schon von Hermann und Krapf angezeigten Schneeberg
Kilimandjäro. Es ist ein ausgebrannter, über 20,000 Fuss ho-
her Vulkan , der mit 3000 Fuss in die Schneelinie hineinragt,
und zwei eingestürzte Gipfel zeigt. Der Berg wurde nur bis
8000 Fuss erstiegen, eben so ist seine Nordseite noch unbe-
kannt.
Herr G. Rose legte Proben aus einer Sammlung von Kupfer-
erzen aus dem Klein-Namaqualande und dem Damaralande im Sü-
den und Norden des Orangeflusses in Süd -Afrika vor, die der
Missionar Herr Hahn gesammelt und dem Königl. mineralogi-
schen Museum überlassen hatte, und erläuterte ihr Vorkommen
nach den Stücken und den Mittheilungen, die wir darüber von
Delesse, Zerrenner und neuerdings von Knop erhalten haben.
Die reichen Erze brechen alle in Thonschiefer und Granit, und
bestehen in ihren unteren Teufen aus Kupferkies und Buntkupfer-
erz ohne alle andere Gangarten als Quarz, in den obern Teufen
aus Kupferoxyden, Kupfersalzen, gediegenem Kupfer und Braun-
*) Bd. XIV, S 28-2.
237
eisenerz. Auch etwas Gold findet sich im Kupferpecherz der
übersandten Erze. Knop hat in seinem Berichte sich ausführlich
über die Entstehungsweise dieser Erze in den oberen Teufen
ausgelassen, wovon der Redner das Wichtigste mittheilte.
Herr Ewald besprach eine neuerlich erschienene Abhand-
lung des Dr. Brauns über fossile Pflanzen, welche sich in den
Bonebedsandsteinen von Seinstedt im Braunschweigischen gefun-
den haben, und knüpfte daran die Mittheilung von der Ent-
deckung einer aus Farnen und Cycadeen bestehenden gleichaltri-
gen Flora in denjenigen Sandsteinen des Magdeburgischen, welche
zwischen den Keupermergeln und Asteriensandsteinen ihre Stelle
haben. Bei einem Vergleich dieser Flora mit der im unteren
Lias von Halberstadt enthaltenen stellt sich keine vollständige
Identität, wohl aber eine nahe Verwandtschaft beider heraus,
welche sich theils durch das ihnen gemeinsame Vorkommen eini-
ger Arten, z. B. der Clathropteris meniscioides, theils durch die
Aehnlichkeit ihres allgemeinen Habitus zu erkennen giebt.
Herr Soechting knüpfte an den Vortrag des Herrn G Rose
einige Erinnerungen an die Beobachtungen, welche Forbes in
Bolivia und Chili über das Auftreten von Kupfererzen neuerlich
gemacht hat, namentlich in der Gegend von Corocoro. Hier kom-
men Pseudomorphosen von gediegenem Kupfer nach Aragonit
vor, welche zuerst und gleichzeitig von Breithaupt und Redner
beschrieben wurden und über welche letzterer früher auch der
Gesellschaft Mittheilungen gemacht hatte. Forbes giebt nun das
Vorkommen dieser Gebilde näher an und erklärt ihre Entstehung
so wie die des Kupfers im Sandstein überhaupt durch Gasein-
wirkungen in Folge des Ausbruchs plutonischer Gesteine.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. o.
G. Rose. Beyrich. Roth.
16
238
2. Protokoll der März - Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 5. März 1862.
Vorsitzender: Herr Mitscherlich.
Das Protokoll der Februar-Sitzung wird verlesen und ange-
nommen.
Der Gesellschaft sind als Mitglieder beigetreten:
Herr C. Gilbert Wheeler, Mitglied der geologischen
Commission des Staates Missouri,
vorgeschlagen durch die Herren H. Rose, Beyrich,
H. Karsten.
Herr Premier-Lieutenant Meier in Goslar,
vorgeschlagen durch die Herren Beyrich, Roth,
v. Seebach.
Der Vorsitzende theilte mit, dass Se. Excellenz der Minister
für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Herr v. d. Heydt,
der Gesellschaft auf ihr Ansuchen einen Zuschuss von 200 Tha-
lern gewährt habe zur Herstellung der die Abhandlung des Berg-
referendar Heine begleitenden Karte von Ibbenbüren.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen in dem
Preussischen Staate. IX, 2. 3. 4.
Zerrenner : Ueber die Erweiterungsfähigkeit des Schwefel-
bergbaues zu Swoszowice.
B. von Cotta und H. Mueller: Gangstudien. Bd. 4,
Heft 1.
Omboni: I ghiacciaj antichi e il terreno erratico di Lom-
bardia. Separat-Abdruck.
Omboni: Bibliografia. Separat-Abdruck.
Tageblatt der 36sten Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte in Speyer.
Sr aring: Notice sur les restes du Mosasaurus et de
la tortue de Maastricht conserves au Musee de Teyler ä
Hartem. Separat-Abdruck.
B. Im Austausch:
Staring: Geologische Karte der Niederlande. Blatt 15.
Veluwe.
239
Jahresbericht der Wetterauer Gesellschaft für die gesaramte
Naturkunde. 1858 bis 1860. Hanau, 1861.
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussi-
schen Rheinlande und Westphalens. XVIII, 1. 2. Bonn, 1861.
Sitzungsberichte der mathematisch - naturwissenschaftlichen
Klasse der kön. Akademie der Wissenschaften in Wien. 1860.
No. 29. 1861. I, 6. 7. II, 4. 5. 6. 7.
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. XII, 1.
Wien.
Sitzungsberichte der kön. Bayerischen Akademie der Wissen-
schaften zu München. 1861. II, 1. 2.
Mittheilungen aus J. Perthes' geographischer Anstalt.
1862. I.
Archiv für Landeskunde in den Grossherzogthümern Meck-
lenburg. 1861. XI, XII.
Atti della Societä ltaliana di scienxe naturali. III. Fase. 4.
Milano.
The American Journal of science and arts. Vol. XXXIII.
No. 97. January, 1862.
The Canadian naturalist and geologist. VI No. 6.
Montreal, 1861.
Herr Beyrich berichtete über die Schichten-Folge, welche
bei Erfurt in den Bohrlöchern zur Aufsuchung des Steinsalzes
beobachtet worden ist, und verglich dieselbe mit der bei Weimar
auftretenden Schichten-Folge nach den Angaben des Herrn von
Seebach.
Herr Splittgerber legte Asche vom letzten Ausbruche
des Vesuvs im December 1861 vor, welche in Neapel gesam-
melt war. Sie zeichnet sich durch grosse Feinheit und dunkle
Färbung aus. Mit dem Magnet lässt sich etwas Magneteisen aus-
ziehen und vor dem Löthrohr ein schwarzes Glas erblasen.
Herr G. Rose legte einige neue Erwerbungen des Königl.
mineralogischen Museums vor, nämlich:
1) Flussspath von Kongsberg in Norwegen. Ein 5 Zoll
langer und 2j Zoll hoher Zwillingskrystall. Die Individuen
sind eine Combination des Octaeders, Hexaeders und Leucitoids,
und sind nicht wie gewöhnlich mit der Zwillingsebene einer
Octaederfläche , sondern einer darauf senkrechten Fläche verbun-
240
den ; wasserhell, wenn auch mit Sprüngen parallel den Spaltungs-
flächen durchsetzt, die Leucitoidflächen blau.
2) Apatit von Furuholmen bei Krageröe im südlichen
Norwegen, lieber zollgrosse Krystalle , wie die Krystalle von
Snarum, die zur Vergleichung ebenfalls vorgelegt wurden, aber
frischer, röthlich -weiss, glattflächig, glänzend, undurchsichtig, in
einem Kalkstein eingewachsen, der theils röthlich-weiss und kör-
nig, theils schwärzlich-grau, dicht und thonig ist und eine grosse
Menge kleiner Körner und Krystalle von Quarz enthält.
3a) Schwarzbrauner Spinell von Amity in New-York
. V. St. Nord-Am. Eine Gruppirung von mehreren Krystallen in
paralleler Stellung, von denen einer eine Kante von 2 Zoll hat,
mit etwas braunem Magnesia-Glimmer in körnigem Kalkstein.
3 b) Krystalle von der Grösse eines halben Zolles und darüber
von diesem Spinell mit Chondrodit, Molybdänglanz und braunem
Glimmer in körnigem Kalksteine daher.
4) Lazulith aus Lincolm Cty in Nord - Carolina V. St.,
über zollgrosse zwei- und ein-gliedrige Octaeder, blau, aber nur
an den Kanten durchscheinend, in Itacolumit eingewachsen.
5) Haar kies (Schwefelnickel) von der Wood's Mine in
Lancaster Cty, Pensylvanien V. St. Derselbe bildet kleine auf
derbem Magnetkies aufgewachsene Kugeln, die aus excentrisch
faserigen Zusammensetzungsstücken bestehen, aber eng aneinander
liegen, so dass sie sich gegenseitig begegnend eine dünne, etwa
ij Linien dicke Lage auf dem Magnetkies bilden. Der Haar-
kies ist mit einem grünen Anflug bedeckt.
Die beiden ersten Stücke wurden vom Dr. Krantz in Bonn,
die übrigen vom Prof. Shepabd in New -Häven in New-York
erhalten.
Herr Eck sprach über das Vorkommen des von Schaf-
haeutl als Kullipora annulata von der Zugspitze und von
v. Schauroth als Chaetetes? aus dem Val del Orco im Tretto
beschriebenen und in den Alpen für den Hallstädter Kalk bezeich-
nenden Petrefakts im Muschelkalk Oberschlesiens. Es findet sich
hier in einem gelblichen mergeligen Dolomit, welcher auf der Blei-
scharleigrube bei Beuthen den die Fauna des Mikultschützer Kalks
führenden Dolomitschichten aufgelagert ist und seinerseits wieder
in der Gegend von Alt-Tarnowitz und Himmelwitz von dem Kalke
von Kyhna, Opatowitz, Alt-Tarnowitz u. s. w. überlagert wird.
241
Herr Mitscheruich legte von Herrn Marquis de la Ribera
mitgetheilte Proben spanischer Braun- und Steinkohlen vor, so
wie Proben einiger Kohlen von den Philippinen.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. o.
Mi tscherlich. Beyrich. Roth.
3. Protokoll der April -- Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 2. April 1862.
Vorsitzender: Herr Mitscherlich.
Das Protokoll der März - Sitzung wird verlesen und ange-
nommen.
Der Gesellschaft ist als Mitglied beigetreten:
Herr Dr. phil. Stuebel in Dresden,
vorgeschlagen durch die Herren v. Cotta , Roth,
SCHEERER.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
J. O. Semper: Paläontologische Untersuchungen. I. Theil.
Neubrandenburg, 1861.
F. Chapuis: Nouvelles recherches sur les fossiles des ter-
rains secondaires de la province de Luxembourg. Premiere
partie. Separat- Abdruck.
Haughton: On the reßexion of polarized light front the
surface of transparent bodies. — On some new laws of re-
ßexion of polarized light. — On the solar and lunar diurnal
tides of the coasts of Ireland. — Short account of experi-
ments made at Dublin to determine the azimuthal motion of
the plane of a freely suspended pendulum. — The tides of
Dublin Bai/. — On the natural constants of the health urine
of man. Separat- Abdruck.
A. du Graty: La republique du Paraguay. Bruxelles,
Leipzig, Gand, 1862,
Reüss: Die fossilen Mollusken der tertiären Süsswasserkalke
242
Böhmens. — Paläontologische Beiträge. — Beiträge zur Kennt-
niss der tertiären Foraminiferen-Fauna. — Entwurf einer syste-
matischen Zusammenstellung der Forarniniferen. Separat- Abdrücke.
von Cotta: Ueber eine eigenthümliche Absonderung des
Granites.
Saemann et Triger: Sur les anomia biplicata et vesper-
tilio de Brocchi. Separat-Abdruck.
Saemann et Dollfuss: Etudes critiques sur les echino-
dermes fossiles du coraUrag de Trouville. Separat-Abdruck.
B. Im Austausch:
Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland. XXI, 2.
Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern.
1861. No. 469 bis 496.
Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in
Mecklenburg. 1861.
Archiv für Landeskunde in den Grossherzogthümern Meck-
lenburg. XII, 1. 2.
Abhandlungen herausgegeben von der Senkenbergischen Na-
turforschenden Gesellschaft. IV, 1.
Schriften der königl. physikalisch-ökonomischen Gesellschaft
zu Königsberg. II, 2. 1861.
Bulletin de la Societe geblogique de France. (2) XIX.
Feuilles 1 — 6.
Bulletin de la Societe Imperiale des naturalistes de Mos-
cou. 1861. No. 3.
Quarter ly Journal of the geological Society. XVIII, 1.
London.
Journal of the geological Society of Dublin. IX, 1.
Journal of the Royal Dublin Society. XX — XXIII.
American Journal of science and arts. XXIII. No. 98.
Herr Rammelsberg sprach einige Worte der Erinnerung
an das am 19. März 1862 verstorbene Mitglied der Gesellschaft,
den Herz. Anhalt-Bernburgischen Oberbergrath Zincken.
Herr v. Bennigsen-Foerder sprach über den auf nordische
Diluvial-Phänomene bezüglichen Theil der Mittheilungen des Herrn
v. Middendorff in den Berichten der Petersburger Akademie der
Wissenschaften vom Jahre 1860, vornehmlich Inschriften auf der
Insel Ankiew betreffend. Herr v. Middendorff bemerkt in diesem
243
Bericht, dass unter mehreren auf der kleinen Insel Sosnöwetz
am Eingange des Weissen Meeres befindlichen Riesentöpfen be-
sonders derjenige seine Aufmerksamkeit in Atispruch genommen,
welcher bei 6 Zoll Weite und vollkommen cylindrischer Gestalt
eine Tiefe von 18 Zoll besitzt und auf dessen Boden der abge-
rundete Stein, welcher bei der Aushöhlung thätig gewesen, noch
vorhanden war; in Betreff des Ursprungs der Riesentöpfe fügt
der genannte Beobachter nur schliesslich die kurze Notiz hinzu:
dass man sich leicht überzeugen könne, wie sie der
Ebbe ihre Entstehung verdanken.
Veranlasst durch die Wichtigkeit der nordischen Riesentöpfe
auf Inseln und Skären für die vom Redner vor wenigen Jahren
ausgesprochene Diluvial- Theorie , nach welcher der Europäische
Norden ein höheres, zusammenhängendes und daher mit Glet-
schern bedeckt gewesenes granitisches Massiv gebildet habe, be-
leuchtete derselbe zunächst das Unzureichende jener schliesslichen
Notiz gegenüber den eigenen Angaben des Beobachters über Tiefe
und Weite des gedachten Riesentopfes, indem Redner durch Zeich-
nung anschaulich machte , dass wenn man auch die höchst un-
wahrscheinliche Wirkung von Ebbewellen auf ein an terrassen-
förmigen granitischen Meeresufern liegendes Geröll insoweit zu-
geben wollte, dass dieses Geröll ungeachtet des steten Wechsels
zwischen stärkeren Fluth- und schwächeren Ebbewellen und un-
geachtet der stets ungleichen, durch Winde veränderten Gewalt
dieser Welle, auf derselben Stelle liegen bleibend nur in eine
drehende und daher einbohrende Bewegung durch Ebbewellen
versetzt werde, doch niemals angenommen werden könne, dass
jenes Geröll, wenn es sich um den Betrag der Länge seines
Durchmessers senkrecht in den Felsen eingebohrt habe, nun
noch, nachdem es gegen directen Einfluss der Wellen durch die
Vertiefung und zugleich durch das Wasser in derselben geschützt
sei, eine bohrende Bewegung erhalten könne, welche eine seinen
Durchmesser dreimal übertreffende cylindrische Aushöhlung zu
bewirken im Stande wäre.
Die vom Redner bei Gothenburg beobachteten Riesentöpfe
von 16 Fuss Tiefe, namentlich die dort dicht untereinander
an einer geglätteten Böschung etagenförmig vorkommenden vier
Riesentöpfe, und demnächst die längst von Agassiz gegebene,
auf Beobachtung in den Alpen gestützte Erklärung über Ursprung
der Riesentöpfe nöthigen zu der Annahme, dass sie, ihre senk-
244
rechte Richtung vorausgesetzt, als Kennzeichen ehemaligen Gletscher-
bodens angesehen werden müssen. Die Abneigung eine ehemalige
Vergletscherung des nordeuropäischen Bodens in derDiluvial-Epoche
anzunehmen findet wohl ihre Erklärung in dem Umstände, dass
bisher eine solche Vereisung des Bodens für sein gegenwärtiges
Niveau angenommen wurde, während Redner vt>r zwei Jahren
schon nachzuweisen bemüht gewesen, dass Nord -Europa in der
Diluvial-Zeit um mehr als 1000 Fuss höher gewesen als jetzt.
Herr G. Rose theilte einen Brief des Herrn von Richt-
hofen, d. d. Bangkok 8. Februar 1862 mit.
Herr Tamnau legte grosse schwarze und grüne Spinell-
Krystalle von Warwick im Staate New -York in Nord -Amerika
vor, und sagte über deren Vorkommen :
„Spinell, im Allgemeinen ein selten und sparsam vorkom-
mendes Mineral, findet sich gleichwohl in gewissen Theilen Nord-
Amerika's, namentlich in den Staaten New -York, New -Jersey
und Massachusets, häufig und wie es scheint in ziemlicher Menge.
Nach Dana ist es ganz besonders eine Region von körnigem Kalk-
stein und Serpentin, die sich von Amity (N.-Y.) bis Andover
(N.-J.) etwa 30 englische Meilen weit hinzieht, in welchem die
vorzüglichsten Fundorte dieses Minerals belegen sind. In meiner
an Nord- Amerikanischen Mineralien ungewöhnlich reichen Samm-
lung sind über 20 Lokalitäten aus den Vereinigten Staaten ver-
treten, von denen ich als die vorzüglicheren hier nur anführen
will: Warwick, Amity, Mount Eve, Oxbow, Edenville, Sommer-
ville, sämmtlich im Staate New-York, — Sparta, Byram, Frank-
lin, Newton, Hamburgh im Staate New-Jersey, — Boxborough,
Chelmsfund in Massachusets u. s. w., — doch nennen amerika-
nische Mineralogen noch viele andere Stellen, an denen man
Spinell gefunden hat.
An diesen Orten kommt der Spinell in sehr verschiedenen
Abänderungen vor. Am seltensten scheinen die rothen und
blauen durchscheinenden Varietäten zu sein; — häufiger sieht
man die verschiedensten Nüancen von grau, braun und hellgrün;
— am häufigsten scheinen dunkelgrüne und schwarze Abänderun-
gen, unter denen man überdies auch die grössten Krystalle an-
trifft. — Dieser grosse Unterschied, nicht nur in der Farbe, son-
dern in den allgemeinen äusseren Eigenschaften erinnert lebhaft
an ähnliche Verschiedenheiten bei anderen Mineralien, namentlich
bei Granat und Turmalin.
245
Der bei weitem grössere Theil der amerikanischen Spinelle
erscheint als Octaeder ohne weitere Modifikation. Viel seltener
findet sich die Combination des Octaeders mit dem Granatoeder,
— Octaeder mit abgestumpften Kanten , — wobei die Octaeder-
Flächen jederzeit sehr vorherrschend bleiben. Die übrigen am
Spinell beobachteten Gestalten habe ich an den amerikanischen
Varietäten nicht gesehen, wenigstens nicht bestimmbar deutlich;
— doch beschreibt Nuttall grüne Spinell-Krystalle von Frank-
lin, N. J., von der Combination des Octaeders mit dem Hexae-
der, — Octaeder mit abgestumpften Ecken. — Zwillings-Krystalle
erscheinen häufig, doch sind es immer nur die auch an andern
Spinellen und am Magneteisenstein nicht selten vorkommenden
Gestalten , die aus der Drehung der einen Hälfte des Octaeders
entstehen. Die hier vorgelegten Krystalle, so umfangreich sie
auch erscheinen mögen, — an dem grössten zeigt die Octaeder-
Kante eine Länge von fast 5 Zoll, — gehören doch noch bei
weitem nicht zu den grössten, die man gefunden hat. Alger
spricht von schwarzen Kry stallen von Warwick und Amity von
10 bis 16 Zoll im Durchmesser, — und Dana erzählt gar von
einem von Dr. Heran gefundenen Krystall von Amity, der 49
Pfund schwer gewesen sei. — Gegen solche Dimensionen erschei-
nen allerdings die Spinelle, die man aus der alten Welt kennt,
von sehr geringem und zwerghaftem Umfange.
Die Begleiter der amerikanischen Spinelle sind an den ver-
schiedenen Fundorten sehr verschieden. Ausser dem Kalkstein
oder Serpentin, in dem sie gewöhnlich vorkommen, sieht man sie
häufig von Chondrodit und Glimmer, zuweilen von Hornblende
und Crichtonit, und in seltneren Fällen von blauem Corund, Tur-
malin und Rutil begleitet.
Von den übrigen Mineralien, dieeder Gruppe des Spinells
zugehören und vielleicht theilweise mit ihm zu vereinigen sind,
als Chlorospinell, Hercynit, Kreittonit, Antomolith, (Gahnit,) und
Dysluit sind meines Wissens nur die beiden letzten in Amerika
gefunden worden. Antomolith kennt man von Franklin , N.-J.,
und von Haddam, Conn., — Dysluit aber, ein Zink- und Mangan-
haltender Spinell, über dessen genaue chemische Mischung man
noch nicht genügend unterrichtet ist, hat sich überhaupt nur in
den Zink-Minen von Sterling und Franklin, N.-J. gefunden, und
scheint ein sehr seltenes Mineral zu sein.
Unter den Namen „Pseudotite" und „Soft Spinell" haben
246
amerikanische Mineralogen einen Spinell beschrieben, der durch
einen viel geringeren Härtegrad von dem gewöhnlichen Vorkom-
men abweicht. Mir sind dergleichen weiche Spinelle von War-
wick und von Mount Eve, N.-J., zugekommen, und ich kann hier
ein ganz ausgezeichnetes Exemplar von der letztern Lokalität vor-
legen. Beck, welcher bemerkte, dass an derartigen Krystallen
einzelne Stellen sehr hart und andere sehr weich waren, glaubt
es als eine Einmengung von Serpentin in den Spinell - Krystall
betrachten zu müssen. Andere haben es wohl mit Recht für eine
Pseudomorphose des Spinells erklärt, dessen Umwandlung noch
nicht ganz vollendet sei. Aehnliche nur noch weiter vorgeschrit-
tene Umwandlungen von Spinell sind seit längerer Zeit vom Mon-
zoni-Berge im Fassa-Thal und aus dem Val di Fieme bekannt. —
Ob auch Shepard's Houghit von Gouvernement N.-Y., — weiss-
graue specksteinartige Massen, die zuweilen einen Kern von noch
unzersetztem rothen Spinell enthalten, — als ein Zersetzungs- und
Umwandlungs -Product aus Spinell zu betrachten ist, — dürfte
noch unentschieden erscheinen."
Herr Roth sprach über die chemische Zusammensetzung
von Magnesiaglimmer und Hornblende.
Herr Bernoulli sprach im Anschluss an einen früheren
Vortrag über die Stassfurter Salze über die Eigenthümlichkeit
des sogenannten Kieserites, einer Verbindung von schwefelsaurer
Magnesia mit 1, 2 und mehr Atomen Wasser, abweichend von
der sonst dargestellten schwefelsauren Magnesia bei anhaltender
Rothglühhitze die ganze Schwefelsäure als solche zu verlieren,
und knüpfte daran die Bemerkung, dass diese Eigenschaft der in
grossen Massen in Stassfurt abgelagerten schwefelsauren Magnesia-
Salze von Wichtigkeit für die Technik werden könne, indem sie
ein Mittel für eine billige Bereitung von Schwefelsäure an die
Hand gäbe.
Herr Rammelsberg bemerkte, dass auch noch andere Ver-
bindungen von schwefelsaurer Magnesia mit Wasser vorkommen,
z. B. 2 Mg S + H.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. o.
MlTSCH ERLICH. BEYRICH. ROTH.
247
B. Briefliche HI ittheilung.
1. Herr von Richthofen an Herrn G. Rose.
Bangkok, den 8. Februar 1862.
Ueber die Gebirge von Siam gedenke ich nächstens, wenn
ich noch das westliche Scheidegebirge gegen Birma gesehen ha-
ben werde, einige Bemerkungen nach Berlin zu schicken. Ihr
vorwaltendes Interesse liegt in ihrem ungeheuren Alter. In die
Theile, welche ich bisher gesehen habe, greift nicht ein einziges
jüngeres Schichtgebilde ein. Sie bestehen zum kleineren Theil
aus krystallinischen Schiefern , zum grösseren aus einer Reihe
sehr mannichfacher Sedimente, in denen ich keine Spur einer
Versteinerung entdecken konnte. Ich fand mich in die Gegend
von Kitzbüchel, Rattenberg und Dienten versetzt. Die Gesteine
gleichen denjenigen dieser Gegend und den unteren tiefsten Grau-
wackengebilden in auflallender Weise und stehen ihnen auch an
Mächtigkeit nicht nach. Ein sehr hornblendereicher Granitit,
welcher dem des Adamello in Südtyrol nahe steht , ist das ein-
zige ältere Eruptivgestein , welches diese Schichten durchbricht.
Ausserdem fand ich zu meiner Verwunderung ganz isolirt einige
Basalthügel und in Auswürflingen des Meeres Spuren von dem
Vorkommen sanidinhaltiger Trachyte. Abgesehen von diesen
Eruptivgesteinen erwarte ich in dem westlichen Grenzgebirge die-
selben Verhältnisse wiederzufinden. Sir Robert Schomburg
hat dasselbe an zwei Stellen überschritten: von Tsieng-mai in
Laos nach Molmen und von Tavoy nach Bangkok. Die Gesteins-
stückchen, welche er mitgebracht hat, gleichen denen von den öst-
lichen Gebirgen. Sir Robert hat sich freundlichst erboten, die-
selben dem Berliner Kabinet zukommen zu lassen und ich hoffe,
dass sie mit den Schiffen der Expedition ankommen werden. Um
die Kenntniss dieses Gebirgszuges zu vervollständigen, beabsich-
tige ich, denselben an einer dritten Stelle zu überschreiten : von
Bangkok nach Molmen.
Die Schiffe der Expedition werden in einigen Tagen die
Rhede von Bangkok verlassen. Ich trenne mich nun und be-
ginne meine Alleinreise. Geschähe die Trennung im Norden, so
würde ich sofort nach Sibirien reisen; da ich aber so weit nach
248
Süden verschlagen worden bin, so will ich die Situation benutzen,
und mich, wenn es irgend ausführbar sein sollte, zu Lande nach
Sibirien begeben. Ich gehe von hier zunächst nach Molmen,
Ranggun und Calcutta. Das Weitere kann ich erst dort mit Be-
stimmtheit festsetzen.
2. Herr Kabl F. Peters an Herrn G. Rose.
Wien, den 10. Mai 186'2.
Eine der bedeutendsten Aufgaben der österreichischen Geo-
logen ist fortan die Zusammenstellung und Vereinbarung der
vielen einzelnen Beobachtungen, welche in den östlichen und süd-
lichen Ländern — von Siebenbürgen und dem nördlichen Ungarn
an bis nach der südlichen Steiermark und nach Krain — über
die Eruptivgesteine der Tertiärperiode gemacht wurden.
Allerdings ist ein grosser Theil derselben durch die schöne Ar-
beit v. Richthofen's (Studien, Wien 1861) beinahe erledigt und
eben ist Dr. Gr. Stäche damit beschäftigt die trachytischen und
basaltischen Gesteine Siebenbürgens, dessen westliche Hälfte er
aus eigener Anschauung kennt, zu revidiren. Doch wird man
grosse Schwierigkeiten zu überwinden haben , da sich die aus-
gedehnten Gebiete auf 7 — 8 Beobachter vertheilen und die hier-
her gehörigen Alpenländer zu einer Zeit studirt wurden, wo man
über die Reihenfolge und die Verwandtschaften der ungarischen
Trachyte und Basalte noch gar nichts Näheres wusste.
Schon gegenwärtig scheint sich aus der Zusammenstellung
der (wie Stäche erkannt hat) vorwiegend basischen Gesteine
des östlichen Siebenbürgens mit den fast durchweg sauren Erup-
tivmassen der westlichen Hälfte und des südöstlichen Ungarn zu
ergeben, dass manche tertiären Feisite (Trachytporphyre),
welche v. Richthofen als ein Glied seiner Gesteinsgruppe Rhyo-
lith so trefflich beschrieben hat, von den glasigen, lithoidischen
und perlitischen Massen stratigraphisch zu trennen wären. Auch
scheint mir blos auf letztere anwendbar zu sein, was v. Richt-
hofen über die vulcanische Natur des Rhyoliths im Gegensatz
zur normalplutonischen Reihenfolge der tertiären Eruptivgesteine
dargelegt hat. Die er st er en dagegen, welche im ungarisch-tran-
silvanischen Grenzgebirge Stöcke von sehr beträchtlichem Um-
fange und — eingekeilt zwischen älteren Schichten bis zur Num-
mulitenformation aufwärts — wesentliche Bestandmassen der öst-
lichen Umrandung des ungarischen Miocänbeckens bilden, dürften
sich (wenigstens zum Theil) als das erste normalsaure Glied der
249
ganzen Reihe, entsprechend den Graniten und Felsitporphyren
der ersten und zweiten Periode, herausstellen. Das geologische
Schema der Eruptivgesteine sämmtlicher drei Perioden, welches
in unserem Kreise Hochstet ter zuerst zur Geltung zu bringen
suchte, würde dadurch in einer theoretisch sehr befriedigenden
Weise vervollständigt.
Ich hatte dieser Tage Gelegenheit in Gratz eine Thatsache
zu erfahren , welche in dieser Frage von grossem Belange ist.
Der ausgezeichnete Geologe des steiermärkischen Vereins Herr
Th. v. Zoli-ikofer, dem ich die Mittheilung derselben ver-
danke, war so freundlich mir sein Material aus den Gebirgen
von Cilli und die schönen Durchschnitte zu zeigen, welche er zu
seiner Karte neuerlich entworfen hat. Wir gelangten zu der
Ueberzeugung, dass es in der südlichen Steiermark nebst einer
grossen Menge von triassischen Felsitdurchbrüchen, welche stellen-
weise mit eigentümlichen , mehr an amphibolische Gesteine
(Porphyrite?) als an Quarzporphyre gemahnenden Tuffen zu-
sammenhängen, beträctliche Partien von kieselerdereichen Felsiten
aus einer viel jüngeren Periode gebe. Sie sind petrographisch
ident. mit manchen ungarischen Trachytporphyren (Rhyolithen
mit felsitischer Grundmasse) , zum grössten Theil sogenannte
Hornsteinporphyre. Nicht nur ihre Tuffe, sondern auch ganze
Lagermassen des Eruptivgesteins selber ruhen concordant in
den untermiocänen Schichten von Sotzka. Viel häufiger
sind sie jedoch zwischen dem triassischen Grundgebirge und den
Miocänablagerungen emporgekommen der Art, dass letztere als
angelagert aufgefasst werden konnten. An einzelnen Punkten
fand v. ZollikOFER eine mit dem ungarischen „Mühlsteinpor-
phyr" übereinstimmende Felsmasse. Leider sind die Entblössun-
gen im Allgemeinen so wenig günstig, dass sich eine scharfe
Trennung sämmtlicher tertiären Feisite von den Triasgesteinen
kaum wird durchführen lassen.
Auch der sogenannte „Grünstein trachyt" als Vorläufer
der ungarischen Oligoklastrachyte (Andesite) wird einer sorg-
fältigen Revision bedürfen , da es bei den übersichtlichen Auf-
nahmen der östlichen Länder kaum zu vermeiden war, dass ältere
Oligoklas - Amphibolgesteine von grünen Farben mit ihm zu-
sammengeworfen wurden, wogegen man anderwärts, namentlich
in den Alpenländern, Grünsteine aus der Trachytreihe für ältere
Gebilde genommen haben dürfte.
Welche Stellung endlich der Banater undRezbanyer „Syenit"
behaupten wird, das lässt sich noch kaum absehen. Nach den
Beobachtungen von Foetterle durchsetzt er im Banat nicht nur
die Jurakalksteine und den Neocom , sondern selbst die obere
Kreide. Hoffentlich wird ein genaueres Studium seiner Verhält-
nisse zum Grünsteintrachyt (Timazit, Breithaupt), mit dem er ge-
250
wohnlich in naher Verbindung steht, einiges Licht darüber ver-
breiten.*)
Gelegentlich erlaube ich mir Sie auf ein Buch aufmerksam
zu machen, welches unter dem für den Geologen und Monta-
nistiker wenig anlockenden Titel: Die ungarischen Ru-
th enen, ihr Wohngebiet etc., von Dr. H. J. Bidermann, Inns-
bruck bei Wagner, 140 Seiten 8vo., erschienen ist. Es liegt darin
ein schätzbares Material zur Geschichte des oberungari-
schen Bergbaues, das zu sammeln der thätige National-
ökonom und Statistiker als Professor an der Akademie in Ka-
sel) au Gelegenheit hatte. Von allgemeinerem Interesse sind die
Daten über die alte Geschichte der Opalgruben von Czerweniza,
über das Salzlager von Söovar, der Matallbergbau von Ara-
nyidka, Telkibanya u. s. w.
So eben wird Oesterreich um eine Edelsteingrube reicher.
Herr Goldschmidt, der Chef des Hauses, welches zu Anfang
des Jahrhunderts die Opalgruben von Czerweniza in Flor brachte,
hat das bekannte Smaragvorkommen im Glimmerschiefer des
Habachthaies (Ober-Pinzgau, Salzburg) in Angriff genommen
und die Vorbereitungen zu einem regelmässigen Abbau der häl-
tigen Schichte getroffen. Allerdings wird das Unternehmen mit
äusseren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, denn die Anbrüche
befinden sich (nächst der Sedel- oder Söll -Alpe) in einer See-
höhe von mehr als 7500 Fuss, doch lässt es sich sehr hoffnungs-
voll an. Die Ausbeute aus den gestürzten Blöcken war im
vorigeu Herbst so günstig, dass Herr Goldschmidt mehrere
recht nette Suiten zur Industrieausstellung nach London schicken
konnte. Zugleich haben die Schurfbegehungen an dieser Stelle
eine viel grössere Mannigfaltigkeit der Schiefer ergeben, als ich
bei meiner Aufnahme des Gebietes im Jahre 1853 vermuthete.
Die smaragdführende Schichte gehört eben nicht mehr der ge-
schlossenen Glimmerschieferzone an, sondern wechsellagert mehr-
fach mit choritreichen und mit weissen, Turmalin führenden Mar«
garit- oder Damourit - Schiefern. Auch wurden mehrere Kry-
stallräume von schönem Rauchtopas aufgeschlossen und farblose
Quarzkrystalle von bedeutender Grösse gefunden.
*) Da es sich beim Grünsteintrachyt wohl nicht um eine petrogra-
phische Einzelheit, sondern um die geologische Stellung einer Felsart
handelt, welche nach Richthofen in drei Welttheilen eine wichtige Rolle
spielt und deren Beziehung zu den anderen Gliedern der Traehytreihe
wohl am besten gleich in ihrem Namen ausgedrückt wird , dürfte die
BftEiTHAUPT'sche Bezeichnung kaum allgemein gebraucht werden. Vergl.
hierüber B. Cotta, die Erzlagerstätten Ungarns, 1862, Seite 28 — 30.
251
Zur Erinnerung
an
Carl Johann Zincken.
Von Herrn Rammelsberg in Berlin.
Die Deutsche geol. Gesellschaft hat eines ihrer würdigsten
Mitglieder durch den Tod verloren. Am 19. März starb zu
Bernburg der Herz. Anhalt-Bernburgische Oberbergrath Zincken,
ein durch seinen persönlichen Charakter, durch seine amtliche
Wirksamkeit und durch seine wissenschaftlichen Verdienste gleich
ausgezeichneter Mann.
Carl Johann Zincken war am 13. Juni 1790 zu Seesen
geboren und machte seine bergmännischen Studien zu Klausthal,
gerade in jener Zeit, als der Harz dem neuen Königreich West-
phalen einverleibt wurde. Als jungen Hüttenbeamten finden wir
ihn in Königshütte, Wieda und Rothehütte, dann nach Wiederher-
stellung der alten Landestheile als braunschweigischen Bergrevisor
in Blankenburg unter dem Bergrath Ribbentbop. Durch den
verstorbenen Strombeck empfohlen , berief ihn im Jahre 1820
der Herzog Alexius in seine Dienste und ernannte ihn zum
Bergrath, später zum Oberbergrath und Direktor des anhaltischen
Berg- und Hüttenwesens. Als solcher hat er länger als 30 Jahre
den Werken von Mägdesprung, Victor-Friedrichshütte, den Gru-
ben von Neudorf, Wolfsberg und Tilkerode vorgestanden und im
Betriebe derselben, insbesondere bei der Aufbereitung der Erze,
wesentliche Verbesserungen eingeführt, wobei mehrfache Reisen
ins Ausland ihm sehr zu Statten kamen. Im Jahre 1845 feierte
das gesammte Beamten- und Knappschaftspersonal das Fest sei-
ner 25jährigen anhaltischen Dienstzeit, und er empfing bei die-
sem Anlass viele Beweise der Verehrung und Theilnahme. Im
Jahre 1848 verlegte er seinen Wohnsitz nach Bernburg und lei-
tete als Ministerialrath das ihm anvertraute Departement. In
den letzten Jahren trafen ihn mehrfach schwere Schicksalsschläge
in seiner Familie, er verlor den Gebrauch eines Auges und zog
sich in Folge dessen vom Staatsdienst zurück. Vor wenig Wo-
chen erlag er einem längeren Leiden, tief betrauert von Allen,
Zeits. d.d. geol. Ges. XIV 1. 17
252
die ihm näher standen , und deren sind im Kreise unserer Ge-
sellschaft gar Manche.
Zincken's Verdienste um die mineralogischen Wissenschaften
sind um so mehr anzuerkennen, als seine dienstlichen Arbeiten
den wissenschaftlichen nur Mussestunden übrig Hessen. Als
Schriftsteller begegnen wir ihm zuerst in Strombeck's Ueber-
setzung von Sc. Breislak's Geologie; dann gab er Eschwege's
Reise nach Brasilien heraus, und Hess im Jahre 1825 seine erste
geognostische Schrift „der östliche Harz" erscheinen. Hieran
reihen sich mehrfache Abhandlungen, besonders über die Gesteins-
verhältnisse der Rosstrappe, welche in Karstf.n's Archiv und
in den Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins des
Harzes sich finden. Er hat zuerst in zwei Wintern (1829 — 30
und 1837 — 38 ) auf dem Eise der Bode die engen Wege des
Thaies geognostisch untersucht und aufgenommen.
Seine Entdeckungen in der speciellen Mineralogie sind be-
kannt; wir verdanken ihm den Zinckenit, Plagionit, den Kupfer-
antimonglanz, die Kenntniss der Selenerze, des Goldes und Palla-
diums von Tilkerode. Seine Sammlungen sind einzig in ihrer
Art durch die Bournonite von Neudorf und Wolfsberg , Blei-
glanze, Kupferkiese, Antimon- und Selenerze.
Vieljährige Studien widmete er den Verhältnissen der Erz-
gänge ; eine in grossem Maassstab angelegte Sammlung bewahrte
die Belegstücke der Beobachtungen auf, deren Veröffentlichung
jedoch leider nicht erfolgt ist.
253
€. Aufsätze.
1. Untersuchung des Alaunsteines und des
Löwigites. *)
Von Herrn A. Mitscherlich in Berlin.
Die krystallinische Verbindung, die in Tolfa fast rein vor-
kommt , und die analog zusammengesetzten Verbindungen , die
aus K(Na,NH3H)S + Ä'l(Se)S 3 2Al(Äej)H3 bestehen, bezeichne
ich mit dem Namen Alaunstein , mit dem Namen Löwigit die
amorphe Verbindung, wie sie fast rein im Steinkohlengebirge
bei Zabrze in Oberschlesien , gemengt in Tolfa und in Ungarn
vorkommt, so wie die analog zusammengesetzten Verbindungen,
die aus K(Na,NH3H)S -f 3Al(£eÖr)S + 9H bestehen, und mit
dem Namen Alaunfels das Gemenge von Alaunstein und Löwigit
mit anderen Gebirgsarten.
Zur Analyse wurden die künstlichen Alaunsteine, deren
Darstellung später angeführt werden wird, und der Alaunstein
von Tolfa durch Salzsäure, der Alaunstein von Muzsai in Un-
garn bei der Kalibestimmung durch Schwefelsäure und Wasser **),
bei der Schwefelsäurebestimmung durch Schmelzen mit kohlen-
saurem Natron aufgeschlossen.
*) Die vom Verfasser angewendeten chemischen Methoden so wie
die weitere Ausführung dieser Mittheilung s. in Ekdmann und Werther
Journal für pr. Chemie. Bd. 83, 455. 1861.
**) Journ. pr Chem. Bd. 81, 108.
17*
Alaunstein von
Tolfa.
AI 36,83
S 38,63
Ca 0,70 *
Ba 0,29
K 8,99
Na 1,84
Si —
87,28
H 12,72
100,00
Nach diesen beiden Untersuchungen ist die Zusammensetzung
des Alaunsteines von Muzsai :
AI 39,01
S 36,93
Ca 0,49
Ba 0,19
K 10,67
87,29
H 12,71
100,00
Bei den angeführten Analysen ist das Wasser durch den
Verlust, bei einem besonderen Versuche beim Alaunstein von
Tolfa durch Erhitzen bestimmt worden. Es wurde bei diesem
Versuche zugleich die Temperatur, bei der das Wasser fortging,
beobachtet um einen Anhaltepunkt für die rationelle Zusammen-
setzung des Alaunsteines zu erhalten ; ob er nämlich, da 4 Atome
Schwefelsäure, 3 Atome Thonerde, 1 Atom Kali und 6 Atome
Wasser im Alaunstein enthalten sind, besteht aus 1 Atom schwe-
felsaurem Kali, 1 Atom neutraler schwefelsaurer Thonerde und
2 Atomen Thonerdehydrat (KS +A1S3 +2A1H3 ) oder aus 1
Atom schwefelsaurem Kali, 3 Atomen basischschwefelsaurer Thon-
erde und 6 Atomen Wasser (KS -|- 3 AIS -f 6H), also ob das
Wasser im Alaunstein als Krystallisationswasser oder als Hy-
dratwasser der Thonerde anzusehen ist.
254
Alaunstein von
Muzsai.
28,82 31,32
27,10 —
— 0,39
0,13 —
— 8,13
26,62 19,24
Nach Abzug der Kiesel-
säure berechnet:
39,26 38,77
36,93
- 0,49
0,19 —
— 10,67
255
18,7125 Grm. fein zerriebener, reiner, krystallinischer Alaun-
stein wurden durch einen trocknen Luftstrom in einem Walzap-
parat von der bekannten Form bei 100 Grad während einer
Stunde getrocknet; der Verlust betrug 0,012 Grm. oder 0,065
Procent; ein anderer Versuch nach dreistündigem Trocknen er-
gab nur 0,034 Procent Verlust; es gingen ungleiche Mengen
Wasser fort, die also nur hygroskopisch im Alaunstein enthalten
sind. Der Apparat wurde nach dem Trocknen in ein Metallbad
gestellt, dessen Temperatur durch ein im Walzapparat ange-
brachtes Thermometer und bei höherer Temperatur durch er-
hitzten Schwefel bestimmt wurde. Vor dem Walzapparat befand
sich ein Chlorcalciumrohr, hinter demselben eine gewogene Glas-
kugel mit einem gewogenen Chlorcalciumapparat und an diesem
wieder ein Aspirator, der die Luft durch alle diese Apparate
hindurchsog. Durch einen Hahn wurde der Luftstrom regulirt.
Der Walzapparat wurde im Metallbade langsam erhitzt und bei der-
selben Temperatur so lange erhalten, bis kein Wasser mehr fortging.
Bei 350 Grad schied sich Wasser ab, 0,031 Procent, bei
Steigerung der Temperatur bis zum kochenden Schwefel nur Spu-
ren; eine höhere Temperatur als die des kochenden Schwefels
konnte im Metallbade nicht erlangt werden. Der Walzapparat
wurde über freiem Feuer weiter erhitzt. Bei einer Temperatur
nahe der schwachen Rothglühhitze entwickelte sich viel Wasser
zugleich mit schwefliger Säure. Der Alaunstein wurde bei die-
ser Temperatur erhalten, bis jede Wasserentwickelung aufgehört
hatte. Die Zunahme der Glaskugel und des Chlorcalciumrohres
von 100 Grad bis zur schwachen Rothgluth betrug im Ganzen
12,885 Procent von dem angewandten Alaunstein; in der Glas-
kugel befand sich noch 0,210 Procent Schwefelsäure; es sind
demnach nach dieser Bestimmung 12,675 Procent Wasser im
Alaunstein enthalten, nach der Analyse, bei der das Wasser durch
den Verlust bestimmt war, 12,72 Procent, nach der angeführten
Formel berechnet 12,95 Procent.
Das Resultat von zwei auf andere Weise ausgeführten Ana-
lysen des Alaunsteins ist folgendes:
K 9,88, S 36,01, M 37,41, H 12,62
KS 19,40, S 27,06, AI 36,07, H 12,62
während nach der Formel darin enthalten ist:
KS 20,98, S 28,90, AI 37,17, H 12,95.
256
Ist das Wasser aus dem Alaunstein durch Erhitzen entfernt,
so ist derselbe zersetzt und zwar entsprechend dem ausgetriebe-
nen Wasser; der zersetzte Alaunstein bildet ein Gemenge von
wasserfreiem Alaun (KS-J-AlSg) und Thonerde; erstere Ver-
bindung nimmt Wasser auf, bildet Alaun und löst von der aus-
geschiedenen Thonerde einen geringen Theil auf; der Alaun ent-
hält daher etwas basisch-schwefelsaure Thonerde, die man durch
Auskrystallisiren des Alauns grossentheils von demselben tren-
nen kann. Nach einem Versuch beträgt die so ausgeschiedene
basisch-schwefelsaure Thonerde 0,5'^ Procent vom Alaunstein.
Der Alaun kann vollständig durch Wasser ausgewaschen werden.
Es ist nicht möglich , alles Wasser aus dem Alaunstein auszu-
treiben, ohne dass nicht zugleich etwas Schwefelsäure fortgeht;
es ist demnach nicht möglich, den Alaunstein vollständig in Alaun
und Thonerde zu verwandeln.
Aus den angeführten Untersuchungen folgt, dass der Alaun-
stein besteht aus 1 Atom schwefelsaurem Kali, aus 1 Atom neu-
traler schwefelsaurer Thonerde und aus 2 Atomen Thonerdehy-
drat, (KS-(- A1S3 -|- 2A1H3); denn man kann nicht annehmen,
dass Krystallisationswasser so fest gehalten wird, dass kein Atom
desselben unter der Temperatur des kochenden Schwefels fort-
geht, da sonst, wenn auch das Krystallisationswasser sehr fest
gehalten wird, stets ein oder mehrere Atome bei einer Tempe-
ratur unter kochendem Schwefel frei werden. Bei Annahme eines
Thonerdehydrates im Alaunstein ist das Entweichen des Wassers
bei hoher Temperatur sehr erklärlich, da der Gibbsit, wie ich
angeführt habe, sein Wasser erst bei der Temperatur nahe dem
kochenden Schwefel verliert. Ferner bleibt bei Annahme des
Wassers als Krystallisationswasser unerklärlich , dass sich bei
dem Erhitzen des Alaunsteines Thonerde und wasserfreier Alaun
ausscheidet, und nicht, wie man vermuthen müsste, basisch-
schwefelsaure Thonerde und schwefelsaures Kali, während bei
Annahme des Thonerdehydrates die Abscheidung der Thonerde
und des wasserfreien Alaunes im Verhältniss mit dem Fortgang
des Wassers erfolgen muss; was wie angeführt der Fall ist.
In der Eigenschaft, dass die Verbindungen fester werden,
wenn sie sich mit einem anderen Körper vereinigen, gleicht das
Thonerdehydrat in dem Alaunstein allen anderen chemischen Ver-
bindungen. Es hat das Thonerdehydrat im Alaunstein eine hö-
here Temperatur zu seiner Zersetzung nöthig als das künstliche
257
und als das in der Natur vorkommende Thonerdehydrat (Gibb-
sit). Keine Spur Wasser wird ausgeschieden , wenn man den
Alaunstein mit Wasser einschliesst und bis 300 Grad erhitzt,
während der Gibbsit und die gefällte Thonerde bei demselben
Verfahren 2 Atome ihres Wassers verlieren. Der Alaunstein ist
in Salzsäure unlöslich, während die Thonerdehydrate sich darin lösen.
Aus den angeführten Gründen folgt also, dass der Alaun-
stein aus 1 At. schwefelsaurem Kali, 1 At. neutraler schwefel-
saurer Thonerde und 2 At. Thonerdehydrat (KS + ÄYS3 + 2A1H3)
und nicht wie bisher angenommen aus 1 Atom schwefelsaurem
Kali, 3 Atomen basisch-schwefelsaurer Thonerde und 6 Atomen
Krystallwasser besteht (KS + 3 AIS + 6H).
Der Löwigit hat eine dem Alaunstein sehr ähnliche Zu-
sammensetzung und besteht ebenso wie der Alaunstein aus 1
Atom Kali, 4 Atomen Schwefelsäure und 3 Atomen Thonerde,
enthält aber statt 6 Atome 9 Atome Wasser. Das physikalische
und chemische Verhalten dieses Minerals ist, wie ich gleich an-
führen werde, ganz verschieden von dem des Alaunsteines; ich
würde deshalb vorschlagen, dieses Mineral nach Loewig (siehe
diese Zeitschr. Bd. 8, p. 247), welcher zuerst seine Zusammen-
setzung sicher ermittelt hat, Löwigit zu nennen.
Die Löwigite habe ich auf dieselbe Weise aufgeschlossen
und analysirt,
wie die Alaunsteine.
Löwigit von Zabrze
Löwigit
1
o **} b: :
nach Loewig.
nach meiner
von
Tolfa.
cro "*
Iii
Analyse.
k 10,10
9,30
Na 0,39
7,17,
/ 9,80
10,66
AI 33,37
34,59
Se 0,68
26,29]
! 135,95
34,84
S 34,84
34,81
27,63
? 37,78
36,18
H 18,32
17,88
12,04)
|(16,47
18,32
Kieselsäure
Mg 0,55
3,2l[
3 \
u. organ.
Ba 0,44
Subst. 3,37
Ca 0,28
Si 0,25
0,071
Org.Subst. 0,47 Kiesels. Verb. 23,59 1
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
258
Der Wassergehalt der Löwigite wurde nicht durch beson-
dere Versuche bestimmt. Magnesia, Kalkerde und Baryt sind
Beimengungen, während Natron und Eisenoxyd zu dem Löwigit
gehören , weil erstere nach den spater angeführten Versuchen
keine künstlichen Löwigite bilden, was bei letzteren der Fall ist.
Die Aufschlussmethode durch Salzsäure ist durch die vollständige
Trennung des Löwigites von den beigemengten kieselsauren Ver-
bindungen von Bedeutung, weil ohne diese Aufschlussmethode die
Zusammensetzung des Löwigites bei starken Beimengungen sich
nicht hätte so genau bestimmen lassen. Der kleine Ueberschuss
von Schwefelsäure und Thonerde im Löwigit von Tolfa wird von
einer kleinen Beimengung von basisch-schwefelsaurer Thonerde
herrühren. Der natürliche Löwigit ist eine feste amorphe Masse;
er ist etwas löslich in Salzsäure, während der Alaunstein in
dieser vollständig unlöslich ist, löst sich ferner in Schwefelsäure
und Wasser, und im Glasrohr mit Salzsäure eingeschlossen viel
leichter als der Alaunstein.
Der Löwigit verliert eine halbe Stunde bei der Temperatur
des kochenden Schwefels erhalten 2,18 Procent Wasser, was fast
genau einem Atom entspricht. Der Rückstand mit Wasser aus-
gezogen gab 0,49 Procent schwefelsaures Kali und eine Spur
Thonerde; wenig über kochendem Schwefel erhitzt verliert er
5,67 Procent Wasser und Schwefelsäure; beim Auswaschen wurden
erhalten 3,53 Procent schwefelsaures Kali und 0, 1 Procent Thon-
erde. Vom Rückstand wurde beim Kochen mit Salzsäure ein
Theil aufgelöst. Darin befand sich :
S 4,84 Proc, AI 11,86 Proc, K 0,80 Proc.
Der Rückstand war etwas stärker erhitzt als beim ersten
Male und wieder mit Wasser ausgezogen; er verlor 25,54 Pro-
cent Wasser und Schwefelsäure. Das Ausgewaschene enthielt
in Procenten vom Rückstand berechnet:
S 9,25 Proc, K 7,88 Proc., AI 1,67 Proc.
Das Ungelöste mit Salzsäure gekocht löste sich nicht voll-
ständig. Der Rest betrug geglüht:
4,25 Proc.
In der Auflösung war enthalten:
S 19,81 Proc, AI 33,19 Proc, K 2,37 Proc.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass der Löwigit bei
viel niedrigerer Temperatur sein Wasser und auch seine Schwe-
259
feisäure verliert als der Alaunstein ; dass ferner der Löwigit durch
das Erhitzen im Verhältniss mit dem Fortgang des Wassers zer-
stört wird, aber nicht entsprechend dem Verluste wie der Alaun-
stein, da Schwefelsäure mit dem Wasser fortgeht. Untersucht
man das durch Erhitzen Zersetzte vom Löwigit, so entspricht die-
ses bei beiden Versuchen der Zusammensetzung desselben. Wäh-
rend der Alaunstein durch Erhitzen zerfällt in Alaun, der durch
Wasser ausgezogen werden kann, und in Thonerde, so zerfällt
der Löwigit in schwefelsaures Kali, das durch Wasser ausgezo-
gen werden kann, und in basisch-schwefelsaure Thonerde. Aus
diesen Gründen kann der Löwigit nicht eine Verbindung von
wasserfreiem Alaun mit Thonerdehydrat wie der Alaunstein sein,
sondern muss als eine Verbindung von schwefelsaurem Kali mit
basisch-schwefelsaurer Thonerde und chemisch gebundenem Was-
ser mit der Formel KS -f- 3Ä1S -f- 9H angesehen werden.
Schliesst man 3 Grm, schwefelsaure Thonerde und 1 Grm.
Kali- Alaun mit 10 C.C. Wasser in ein Glasrohr ein und erhitzt
bis 200 Grad, so entsteht eine Verbindung, die unter dem Mi-
kroskop untersucht aus Rhomboedern mit Kantenwinkeln von
91-| und 8 1 4- Grad besteht. Diese Verbindung ist nach der
Analyse, die nach der früher angegebenen Methode ausgeführt
ist, und nach den chemischen und physikalischen Eigenschaften
der in der Natur vorkommende Alaunstein.
Die Krystalle bilden sich um so besser aus, je mehr schwe-
felsaure Thonerde und je weniger schwefelsaures Kali in der Lö-
sung enthalten ist. Wenn die Lösungen sehr Concentrin sind,
scheidet sich kein Alaunstein aus. Die am besten ausgebildeten
Krystalle erhält man, wenn man nicht ganz rein ausgewaschen^
durch Kali aus Kali -Alaun gefällte Thonerde in Schwefelsäure
auflöst, mit vielem Wasser versetzt, in ein Rohr von Kaliglas
einschliesst und sie während mehrerer Stunden bei 230 Grad er-
hält. Es scheiden sich die Krystalle langsam aus, indem das
Kali, das auf die Alaunsteinbildung verwandt ist, durch die Zer-
setzung des Glases immer wieder ersetzt wird. Bei 2 1 0 Grad
findet keine oder eine unmerkliche Zersetzung des Glases statt,
während bei 230 Grad schon das Glas langsam zersetzt wird.
Schwefelsaures Natron und schwefelsaures Ammoniak, jedes
für sich, mit Wasser und einem grossen Ueberschuss von schwe-
felsaurer Thonerde in ein Glasrohr eingeschlossen und bis 190
Grad erhitzt gab Ammoniak- und Natron-Thonerde-Alaunstein.
260
Die Krystalle, unter dem Mikroskop untersucht, waren dieselben
wie die des Kali - Thonerde- Alaunsteines. Mit schwefelsaurer
Magnesia, schwefelsaurem Eisenoxydul, schwefelsaurem Mangan-
oxydul, schwefelsaurem Kupferoxyd und schwefelsaurer Kalkerde
wurden vielfache Versuche zur Bildung von Alaunstein angestellt,
die aber alle resultatlos blieben.
Da Thonerde und Eisenoxyd grosse Aehnlichkeit haben, und
dieselbe Form in ihren Verbindungen zeigen, so wurde schwefel-
saures Eisenoxyd im Ueberschuss mit schwefelsaurem Kali oder
schwefelsaurem Ammoniak eingeschlossen; es entstanden unter
denselben Umständen noch besser ausgebildete Krystalle von der-
selben Form wie die der Thonerde- Alaunsteine.
Der Kali-Eisenoxyd-Alaunstein wurde auf ähnliche Weise
wie die Thonerde- Alaunsteine analysirt, und nach denselben Ato-
menverhältnissen zusammengesetzt gefunden wie der Kali-Thon-
erde-Alaunstein. Er verhält sich etwas anders zur Salzsäure
und zum Wasser. Bei der Temperatur der Kochhitze löst er sich
in Salzsäure auf und wird von 230 Grad an vom Wasser zer-
setzt, indem Eisenoxyd sich ausscheidet und schwefelsaures Kali
mit der Schwefelsäure in der Lösung bleibt. Bei einem Ver-
suche, bei dem nahe 1 Grm. Kali-Eisenoxyd-Alaunstein mit20C.C.
Wasser bis 270 Grad erhitzt war, blieben 72,5 Procent unzersetzt.
Das Unzersetzte wurde bestimmt, indem der Rückstand des Alaun-
steines rein ausgewaschen, getrocknet, weiss geglüht und dann
wieder rein ausgewaschen wurde. Aus der Menge des schwe-
felsauren Kalis , das beim zweiten Auswaschen erhalten wurde,
wurde der dazu gehörige Alaunstein berechnet. Das Eisenoxyd
war vollständig rein und hatte sich dendritenartig aus den Kry-
stallen des Alaunsteines ausgeschieden ; bei manchen war die Form
der angewandten Alaunsteinkrystalle noch erhalten, die von Eisen-
oxyd angefüllt waren (Pseudomorphosen des Alaunsteines). Das
Eisenoxyd hatte ein krystallinisches Aussehen, der Kleinheit der
Formen wegen Hess sich jedoch selbst bei starker Vergrösserung
nichts genauer erkennen. Bei auffallendem Lichte sah es roth,
bei durchgehendem blau aus.
Schliesst man schwefelsaures Kali mit Aluminit und Wasser,
oder Alaun mit Wasser, oder schwefelsaures Kali im Ueberschuss
mit schwefelsaurer Thonerde in ein Glasrohr ein und erhitzt das-
selbe bis 200 Grad, so erhält man ein schweres unkrystallinisches
Pulver, das dieselben Eigenschaften und dieselbe Zusammensetzung
261
hat wie der in der Natur vorkommende Löwigit. Ein kleiner
Ueberschuss von Schwefelsäure ist bei der Bildung desselben
nicht nachtheilig. Der durch Einschliessen von einer Alaunlö-
sung dargestellte Löwigit ist analysirt. Ohne Zweifel werden
Löwigite sich darstellen lassen, die den verschiedenen Alaunstei-
nen entsprechen ; ich habe von diesen nur noch den Ammoniak-
Thonerde -Löwigit und ausserdem noch einen Kali-Chromoxyd-
Löwigit dargestellt, bei der Darstellung des letzteren aus Chrom-
oxyd-Alaun musste zu dem Alaun noch etwas Kali hinzugesetzt
werden. Versuche mit anderen Basen als mit Kali, Natron oder
Ammoniak Löwigite darzustellen blieben resultatlos.
Selensaure wie chromsaure Alaunsteine und Löwigite habe
ich nicht versucht darzustellen; bei ersterer Säure ist die Bildung
derselben sehr wahrscheinlich, da sie Alaune bildet, bei letzterer,
da man keine chromsauren Alaune kennt, nicht zu erwarten.
Zur Bildung des Alaunsteines und des Löwigites sind,
wie aus den angeführten Untersuchungen hervorgeht, drei Mo-
mente nöthig; erstens Vorhandensein von Lösungen von schwe-
felsaurer Thonerde und schwefelsaurem Kali, ferner eine Tempe-
ratur von 180 Grad und ein Druck von ungefähr 9 Atmosphä-
ren. Wo diese Umstände zusammentreffen, wird sich wie künstlich
so auch in der Natur Alaunstein bilden, wenn schwefelsaure
Thonerde, und Löwigit, wenn schwefelsaures Kali im Ueberschuss
vorhanden ist; und umgekehrt aus dem Vorhandensein dieser
Salze kann man sich auf die geologischen Verhältnisse Schlüsse
erlauben, z. B. auf die Temperatur.
Auf einem jetzt verlassenen Alaunwerke, etwa eine Stunde
westlich vom Lago di Solfore nahe beim Monte Rotondo wurde
Alaun aus einem schiefrigen Gestein (Macigno) gewonnen. Von
diesem Schiefer, der mit dem Namen Alaunstein bezeichnet
wurde, standen mir einige Stücke zu Gebote. Mit Wasser konnte
ich daraus schwefelsaures Kali und schwefelsaure Thonerde voll-
ständig ausziehen, derselbe war also nicht Alaunstein.
Man findet ferner häufig schwefelsaure Thonerde, schwefel-
saures Eisenoxyd und schwefelsaures Kali in den Solfataren, z.B.
als Alotrichin (Scacchi), als Alunogene (Beudant), als Voltait
(Scacchi), als Coquimbit (Rose) als Alaune*) u. s. w.
*) S. Scacchi: Ueber die Substanzen, die sich in den Fumarolen
der Phlegräischen Felder bilden. Diese Zeitschrift Bd. IV, p. 162 u. f.
262
Diese Salze bilden sich auf verschiedene Weise, indem ent-
weder das aus den Solfataren ausströmende Schwefelwasserstoff-
gas warm oder kalt ist, oder indem schweflige Säure einwirkt,
die durch Verbrennen von Schwefel entstanden sein kann. Ist
das Schwefelwasserstoffgas heiss und mengt sich mit Luft, so bil-
det sich schweflige Säure, die sich weiter zu Schwefelsäure oxy-
dirt, und Wasser. Die Schwefelsäure zersetzt das sie umgebende
Gestein und verbindet sich mit dem Kali, der Thonerde und dem
Eisenoxyd desselben. Ist das Schwefelwasserstoffgas kalt, so ver-
bindet sich der Schwefel desselben mit dem Eisen der Gesteine
zur höchsten Schwefelverbindung. Das SchwTefeleisen wird durch
die Luft zu schwefelsaurem Eisenoxyd und Schwefelsäure oxydirt
und die freie Schwefelsäure und die des Eisenoxydes verbinden
sich mit der Thonerde und dem Kali des Gesteines. Das Was-
ser wäscht die schwefelsauren Salze aus dem Gestein und führt
sie in tieferliegende Punkte z. B. in ein Spaltensystem. Hat die-
ses keinen Ausfluss, so wird das Wasser bis zu einer beträcht-
lichen Höhe steigen; erreicht es eine Höhe von 300 Fuss, so
kocht es in den Spalten, die dem Druck dieser Wassersäule
ausgesetzt sind, nicht mehr bei 180 Grad. Kommt zu diesen
Umständen noch eine Temperatur von 180 Grad hinzu, so bildet
sich Alaunstein, wenn schwefelsaure Thonerde, und Löwigit, wenn
schwefelsaures Kali überschüssig ist. Dieselbe Bildung findet statt,
wenn die schwefelsauren Salze in Spalten oder Höhlungen hin-
eingesickert sind, oder sich im Gestein mit Wasser befinden, wenn
eine hohe Temperatur hinzukommt. Ueber den Druck und die
Temperatur der Wasserdämpfe in einer gewissen Tiefe geben
die Untersuchungen von Duval, dem Besitzer des Lago di Sol-
fore, die er mit Bohrlöchern an diesem See angestellt hat, einige
Anhaltepunkte. Er hat achtzehn Bohrlöcher angelegt, aus denen
Wasserdämpfe herausströmen , die er zum Abdampfen des bor-
säurehaltigen Wassers des Lago di Solfore benutzt. Die Lei-
tungsröhren des Dampfes bleiben trocken und bei Verstopfung
derselben entsteht eine Explosion. Wenn man beim Bohren der
Bohrlöcher bis zum Dampf kam, was bei 100 bis 200 Fuss
Tiefe der Fall war, so wurden Steine durch den ausströmenden
Dampf so hoch geworfen, dass sie dem Auge entschwanden. Es
ist an diesem See also die nöthige Temperatur und der nöthige
Druck zur Bildung des Alaunsteines und des Löwigites vorhan-
den. Würde durch Spalten Wasser von den etwa eine Stunde
263
entfernten Alaungruben mit aufgelöster schwefelsaurer Thonerde
und mit aufgelöstem schwefelsauren Kali kommen, so würde sich
hier Alaunstein oder Löwigit bilden. Da der Alaunstein wie
der Löwigit bisher, so viel mir bekannt ist, nur in vulkanischen
Gegenden gefunden ist, so ist das Entstehen der hohen Tempe-
ratur bei der Bildung derselben erklärt, z. B. durch eine Trachyt-
eruption. Der Löwigit im Steinkohlengebirge in Oberschlesien
macht davon eine Ausnahme. Die dortigen geologischen Ver-
hältnisse sind mir zu fremd, als dass ich über seine Entstehung
etwas sagen könnte. Durch den Brand eines nahe liegenden
Flötzes würde hier die Temperatur leicht zu erklären sein.
Gewöhnlich kommt der Alaunstein und der Löwigit im Tra-
chyt oder in den Trachytglomeraten vor; so finden wir diese Salze
in der Tolfa, in Bereghszaz und Muszai in Ungarn, am Gleichen-
berge in Steiermark, auf Milo und auf Aegina. In der Tolfa
sind die geologischen Verhältnisse am Besten aufgedeckt. Der
reine Alaunstein findet sich dort in Gängen, die unten breit (bis
6 Fuss) sind und nach oben sich fein verzweigen, wie z. B. in
der Cava Gregoriana, und in Höhlungen; und der Löwigit sehr
vermengt mit anderen Gesteinen im Alaunfels. Der Alaunstein
kommt in den Gängen fasrig vor ; die Fasern stehen perpendiculär
gegen die Wandungen des Gesteines wie bei Gypsgängen.
AlauDsteingänge der Cava Gregoriana nach einer Zeichnung von Ponzi,
a Alaunstein, c Trachyt.
264
Die Bildung des Alaunsteines in den Gängen und Höhlun-
gen ist analog der Bildung desselben in der Glasröhre, die län-
gere Zeit bei 230 Grad erhalten wurde; während künstlich das
Glas das vom Alaunstein verbrauchte Kali ersetzt, so ersetzt es
in der Natur das angrenzende Gestein. Nach Ponzi ist der
Trachyt, der die Wandungen der Gänge bildet, ganz zersetzt*).
Dringen aber die Lösungen in das Gestein , so wird bei der
grossen Berührung des Gesteines mit den Salzen die Schwefel-
säure durch ihre überwiegende Verwandtschaft zum Kali dieses
im Ueberschuss auflösen , und es wird sich Löwigit bilden.
Alaunstein oder Löwigit ohne Einschliessen und Erhitzen
darzustellen ist immer fruchtlos geblieben; eine hohe Tem-
peratur ist also unbedingt bei der Bildung desselben not-
wendig. Das von Vatquelin und Riffault**) dargestellte
Salz, das dieselbe Zusammensetzung wie der Löwigit hahen soll,
hat ganz andere Eigenschaften ; es löst sich z. B. sehr leicht in
Salzsäure, kann also deshalb hier nicht in Betracht kommen.
*) Ponzi, Atl'% delV Acad. Pont. d. nuov. lincei. Sess. VII. del 13 Giugno
1858. pag. 2.
**) Ann. de Chim. et de Phys. t. 16. pag. 355 li. f.
265
2. Ueber die Zusammensetzung von Magnesia-
gümmer und Hornblende.
Von Herrn Roth in Berlin.
In manchen Gesteinen, namentlich im Granit, Gneiss, Sye-
nit? Diorit, Porphyrit, vertreten sich Magnesiaglimmer und Horn-
blende in der Art, dass bei Zunahme des einen Minerals die
Menge des andern abnimmt. Zur Beantwortung der aus diesem
Verhalten entstandenen Frage, ob denn in ihrer chemischen Zu-
sammensetzung eine gewisse Aehnlichkeit vorhanden sei, habe
ich, da leider Analysen dieser Mineralien aus einem und dem-
selben Gesteinsvorkommen nicht vorliegen, die mir bekannt ge-
wordenen Analysen- mit Zugrundelegung von Rammelsberg's
Handbuch der Mineralchemie 1830 zusammengestellt und neu
berechnet, soweit sie eine Vergleichung zulassen. Diese kann
sich selbstverständlich nur auf Hornblenden mit Thonerde oder
Eisenoxyd beziehen, deren Alkaligehalt untersucht ist, und kann
nur da angestellt werden , wo in Hornblende und Glimmer die
Menge der Eisenoxyde bestimmt oder wo die Menge des Eisens
so gering ist, dass die Oxydationsstufe vernachlässigt werden
kann. Ein Versuch, alles Eisen als Oxyd oder als Oxydul zu
berechnen, schien nicht statthaft, da hier mit seltnen Ausnahmen
stets beide Oxyde neben einander vorkommen. Er führt übri-
gens nicht zu grösserer Einfachheit der Formeln.
Die zu den Berechnungen angewendeten Atomgewichte sind
dieselben, welche ich in der Bearbeitung der „Gesteins-Analysen
1861" angewendet habe.
266
AtomgöW.
OnUci oLUH Iii L\J\J-
Kieselsäure
Si
30
53,33
Titansäure
Ti
40
40,00
Thonerde
Äl
51,4
46,69
Eisenoxyd
Se
80
30,00
Eisen oxydul
Fe
36
22,22
Manganoxydul
Mn
35,5
22,54
Kalk
Ca
28
28,57
Magnesia
Mg
20
40,00
Kali
k
47,2
16,95
Natron
Na
31
25,81
Lithion *)
Li
15
53,33
Erheblich ist die Abweichung gegen die von Rammels-
berg angewendeten Atomgewichte und Sauerstoffmengen nur bei
Kieselsäure und Lithion mit resp. 51,95 und 54,80 Proc. Sauer-
stoff.
Magnesia glimmer.
Die Zahl der verwendbaren Analysen von Magnesiaglimmer
ist nicht gross. Es kommt bei dem meist bedeutenden Eisen-
gehalt namentlich auf die Bestimmung der Eisenoxyde an, und
wenn diese, was nicht häufig geschah, ausgeführt wurde, auf die
angewendete Methode. Eine Vergleichung der Originale hat mir
gezeigt, dass v. Kobell bei dem Glimmer von Miask und Ka-
rosulik, Svanbebg bei dem Glimmer von Aborforss (aus Rapakivi)
das Eisenoxydul nicht bestimmten , dass die von ihnen für das
Eisenoxydul gegebenen Zahlen nur auf Annahme beruhen, um
eine einfache chemische Formel zu bilden, daher diese Analysen
nicht in Betracht gezogen werden können. In den Glimmern
aus Minette (16) und dem Protogin (10) bestimmte Delesse
das Eisenoxydul durch Natriumgoldchlorid, eine Methode, wel-
che nach den Versuchen von Rammelsberg und H. Rose
(Poggendorff Ann. 104.505. 1858. und 110.541. 1860) sehr
unsichere Resultate giebt. Der Glimmer aus dem Kalke des
*) Diehl. Ann. Ch, Pharm. 121.100. 1861. Reines Lithion = 15,026.
267
Gneisses von St. Philippe enthält nach Delesse nur Eisenoxy-
dul, das er an Säuren abtritt. Scheerer, Rübe, Keibel und
Defrance titrirten nach dem Schmelzen mit Boraxglas das Ei-
senoxydul durch übermangansaures Kali. Welche Methode Solt-
mann und Haughton zur Bestimmung des Eisenoxyduls an-
wendeten, findet sich in ihren Aufsätzen nicht angegeben.
Da die Analysen des sibirischen Glimmers nach H. Rose
und von Kobell 19,03 und 20,78 Proc. Eisenoxyd ergeben,
A. Mitsch erlich (1862) in zwei Versuchen, als er mit Schwe-
felsäure und Wasser bei 200 Grad aufschloss und mit überman-
gansaurem Kali titrirte, 15,39, 15,32 Proc. Eisenoxydul und
1,97, 2,53 Proc. Eisenoxyd (= 19,07, 19,55 Eisenoxyd) fand,
so schien bei der nahen Uebereinstimmung dieser Mengen der
gewagte Versuch erlaubt, diese Zahlen in die Analysen von H.
Rose und v. Kobell einzusetzen. Ebenso wurde in Chodnew's
Analyse des Glimmers vom Vesuv statt 1 1 ,02 Eisenoxyd nach
der Bestimmung von A. Mitsch erlich 3,00 Proc. Eisenoxyd und
7,03 Proc. Eisenoxydul eingesetzt.
Es erhellt aus dem Angeführten , dass die Resultate aus
den folgenden Analysen von sehr ungleichem Werth sind. Mit
den angeführten Atomgewichten ergeben sie die weiter unten
mitgetheilten Sauerstoffmengen. Die eingeklammerte Zahl be-
deutet hier und ebenso weiter unten die Nummer bei Rammels-
berg. Der Sauerstoff der Titansäure, welche nur bei wenigen
Analysen angeführt ist, wurde zu dem der Kieselsäure gerech-
net; ein Versuch R Ti anzunehmen und diesem entsprechend
Sauerstoff von den Basen R abzurechnen, giebt kein bemerkens-
werthes Resultat. Die Vernachlässigung des wenigen und nicht
bei allen Analysen angegebenen Fluors kann einen wesentlichen
Einfluss wohl kaum ausüben.
1. Scheerer. Aus grauem Gneiss von Beschert Glück bei
Brand. Dunkelbraun. 1860. Diese Zeitschrift Bd. 14. 60.
2. Keibel. Ebendaher. Dunkelbraun. 1860. ib. 60.
3. A. Defrance. Aus Zirkonsyenit, Brevig. Schwarz, ib. 100.
4. Chodnew. Sommaauswürfling. SchwTärzlichgrün. Mit
Augit verbunden. 1844. (No. 12.b) Eisen nach A. Mit-
scherlich. 1862.
Zeits. d. d. geol. Ges. XIV. 2.
18
268
5. Meitzendorff. Jefferson Co., New-York. Wahrscheinlich
aus Serpentin. Braun. 1843. (No. 3.)
a. Alles Eisen als Oxyd ber. wie von M. angegeben.
b. Alles Eisen als (1,59) Oxydul ber.
6. Grawe. Edwards, St. Lawrence Co., New-York. 1850.
(No. 1.)
a. Dunkelbraun. Ohne Glühverlust, also wohl frischer
als b. und c.
b. Silberglänzend, farblos, durchsichtig.
c. Silberglänzend , durch Wasseraufnahme opak. Von
demselben Krystalle wie b.
7. Delesse. Aus Kalk des Gneisses von St. Philippe, Vogesen.
Grünlich. 1851. (No. 2.)
a. Alles Eisen als (1,80) Oxyd ber.
b. Alles Eisen wie von D. angegeben als Oxydul ber.
8. Scheerer. Aus grauem Freiburger Gneus. Broncebraun
bis schwarz. 1861. Diese Zeitschr. Bd. 14. 56.
9. Rübe. Derselbe, ib. 56.
10. Delesse. Aus Protogin von Mer de glace. Dunkelgrün.
1849. (Nr. 24.)
11. Soltm ANN. Lepidomelan. Persberg, Wermland. Von
Strahlstein begleitet. 1840. (S. 671.) Fundort nicht ganz
sicher nach Hausmann. Göttinger Gel. Anzeigen. 1840. 945.
12. Haughton. Lepidomelan aus Granit von Ballyellin, Ir-
land. Mit weissem Glimmer verwachsen. Trans. R. Irish
Acad, 23. 597. 1859.
13. Haughton. Dunkler Glimmer aus Granit von Poison
Glen Irland. Quart J. geol. Soc. 15. 129. 1859.
14. Haughton. Dunkler Glimmer aus Granit von Canton,
China. Phil. Mag. (4.) 17. 259. 1859.
15. a H. Rose. Aus Sibirien. Dunkelgrün. 1824. (No. 16.a)
Eisen nach A. Mitscherlich. 1862.
15. b v. Kobell. Derselbe. 1827. (Nr. 16.b) Eisen nach
A. Mitscherlich. 1862.
16. Delesse. Aus Minette von Servance, Vogesen. Dunkel-
braun. 1857. (No. 11.)
269
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18
270
0
• von R
: n
: Si
R
+ R:Si
1.
8,96
10,05
20,82
^ 2,7.
3. 6,2
1 : 1,09
2.
8,94
9,66
21.23
2,8
6,6
1,14
3.
9,86
8,08
19,56
3,7
7,3
1,09
4.
10,96
9,21
21,82
3,6
7,1
1,08
5.a
i 3,32
7,70
22,03
5,2
8,6
1,05
5.b
13,67
7,16
22,03
5,7
9,2
1,06
6.a
13,19
8,11
21,41
4,9
7,9
1,00
6b
14,32
7,69
21,53
5,6
8,4
0,98
6.c
14,25
7,51
21,53
5,7
8,6
0,99
7.a
13,83
9,78
20,02
4,2
6,1
0,85
7.b
14,19
9,24
20,02
4,6
6,5
0,86
8.
7,36
12,22
21,22
1,8
5,2
1,08
9.
6,92
11,89
20,93
1,8
5,3
1,10
10.
5,37
12,89
21,98
1,25
5,1
1,20
Ii.
4,56
13,72
19,95
1,0
4,4
1,10
12.
4,32
15,09
18,96
0,86
3,8
0,98
13.
4,13
15,61
19,31
0,79
3,7
0,98
14.
5,60
15,62
18,93
1,08
3,64
0,89
I5.a
10,79
6,51
21,98
5,0
10,1
1,26
15 b
11,31
6,75
22,46
5,0
10,0
1,25
16.
10,99
7,58
21,97
4,4
8,7
1,18
Für 1, 2, 3, 4 wird man als das Nächstliegende 3. 3. 6.
und, da nach Grawe in 6.a die Kieselsäure etwas zu niedrig an-
gegeben und die Menge des Eisenoxydes nicht bestimmt wurde,
in Rücksicht auf die grosse Aehnlichkeit der Zusammensetzung
für 6.a dasselbe Verhältniss annehmen dürfen wie für 5.a Für
7.b berechnet Delesse das auch von Rammelsberg und mir
angenommene Verhältniss 4,5. 3. 7,5. Will man für 8 und 9
R : Si = 1 : 3 ausdrücken, so bleibt die Proportion 1,5. 3,4. 5
die einzig mögliche. Bei 10, dessen einzelne Sauerstoffverhält-
nisse mehr Aehnlichkeit mit 1 1 als mit 9 haben, bleibt zweifel-
haft, ob 1,5. 3. 4,5 oder 1. 3. 4 anzunehmen ist. Für 12 und
13, welche wasserfrei berechnet in Kieselsäure und Alkali ganz
mit 1 1 übereinstimmen, in Thonerde, Eisenoxyd und Eisenoxydul
abweichen, wird man 1. 3. 4 annehmen und dahin 14, auffallend
durch die grosse Menge Monoxyd, ebenfalls rechnen müssen.
Trotz der einfachen Verhältnisse in 15.a und 15.b darf man
diesen Proportionen, welche so weit von den durchgängigen,
271
auf Singulosilikate z u r ü ckz uf (ihr en d en abweichen, ihrer
Entstellung nach so lange kein grosses Gewicht beilegen, bis
weitere vollständige Analysen beweisen, dass in Magnesiaglimmern
auch andere Sättigungsstufen als die mit Sicherheit bis jetzt
allein nachgewiesenen Singulosilikate auftreten, da die Abweichung
in 10 und 16 ohne Zweifel von der schon angeführten Methode
der Eisenoxydulbestimmung herrührt. Für 16 nimmt Delesse,
der Manganoxyd berechnet, 3. 3. 6 an (10,65. 8,09. 21,97
= 4. 3. 8). Vollständige Zersetzbarkeit durch Salzsäure wird
von 10, 11, 12 angegeben.
Man erhält demnach folgende Sauerstoffverhältnisse:
R :
E
: Si
1.
2. 3. 4.
3.
3.
6.
5.b
6.b 6.c
6.
3.
9.
5.a
6.a
6.
3.
9. (5. 3. 8?)
7.a
7b
4,5.
3.
7,5.
8.
9.
1,5.
3.
4,5. (2. 3. 5?)
10.
1,5.
3.
4,5. oder 1. 3. 4.
iL
12. 13. 14.
1.
3.
4.
15.a
15 b
5.
3.
<0.?
16.
4,5.
3.
9.? (6. 3. 9?)
Die Sesquioxyde, Thonerde und Eisenoxyd, haben sehr ver-
schiedene Proportionen aufzuweisen. In 5, 6, 7 ist nur wenig
Eisen vorhanden ; auf 1 Atom Eisenoxyd kommen Atome Thon-
erde in:
1.
2.
3.
4.
8.
9.
10.
11.
4,4
4,1
m
9,2
2,1
1,4
1,0
0,65
12.
13.
iL
15.a
15.b
16.
1,1
0,9
1,6
10,0
7,9
3,2
Von den Monoxyden überwiegt bei weitem Magnesia sammt
dem stellvertretenden Eisenoxydul. Rechnet man den Sauerstoff
der Alkalien zusammen , so beträgt er stets mehr als der des
Kalkes, nur selten ist der des Kalkes bedeutender als der von
Kali oder Natron allein, oft wird gar kein Kalk angeführt.
Manche Analysen geben nur Kali und kein Natron, einige mehr
272
Natron als Kali an; Lithion findet sich nur in 5 und 16. Auf
1 Atom Alkali kommen Atome Monoxyd in:
1.
2.
3.
4.
5.a
5.b
6.a
6.b
6.c
4,5
4,1
6,2
5,5
6,4
6,6
5,8
4,7
5,6
7.a
7.b
8.
9.
10.
ii.
12.
13.
14.
8,3
8,6
7,1
5,8
2,9
1,9
1,6
1,7
2,6
15.a
15.b
16.
10,4
6,8
5,1
Auch hier kommen demnach sehr verschiedene Verhältnisse
vor; die dem Lepidomelan 11 verwandten Glimmer 10 — 14
sind viel alkalireicher als die übrigen.
Hornblende.
Von den vorhandenen Analysen sind nur die von Ram-
melsberg augestellten (Poggendorff Ann. 103. 307. 1858
und diese Zeitschrift Bd. X, t7.) in Betracht zu ziehen, da in
ihnen die Alkalien und die Eisenoxyde bestimmt wurden. Nach
dem Schmelzen mit Boraxglas wurde das Eisenoxydul mit über-
mangansaurem Kali titrirt. Der etwaige Gehalt an Fluor ist
vernachlässigt und der Sauerstoff der Titansäure zu dem der
Kieselsäure gerechnet. Den Versuch A. Mitscherlich's Be-
stimmungen der Eisenoxyde, welche auf dieselbe Weise wie bei
dem Magnesiaglimmer erhalten wurden, in die Analysen einzu-
setzen, habe ich hier wiederholt, ohne mir das Bedenkliche des-
selben zu verhehlen. Die gegen das Handwörterbuch abweichen-
den Zahlen sind den Angaben des Originalaufsatzes entnommen.
1. Stenzelberg, Trachyt. 0,19 Proc. Ti. (B No. 9.)
2. Cernosin, Wacke. 0,80 Ti. (B No. 8.)
a. Mit 13,25 Proc. Fe, 2,59 Proc. Fe nach A. Mit-
scherlich ber.
b. Mit 5,81 Proc. tfe, 7,18 Proc. Fe nach Rammels-
berg ber.
3. Filipstad, Wermland. Mit Kalkspath und grünlichweissem
Glimmer verwachsen. Fluor nicht bestimmt. (A No. 21.)
4. Vesuv. Von gelbgrünem Glimmer begleitet. (B No. 7.)
273
5. Arendal , Magnetoisensteinlager. Mit einem eingliedrigen
Feldspath verwachsen. (A No. 12.)
a. Mit 6,97 Proc. Fe, 14,48 Proc. Fe nach Rammels-
berg.
b. Mit 5,69 Proc. Fe, 14,65 Proc. Fe nach A. Mit-
SCHERLICH.
6. a Frederiksvärn. Zirkonsyenit. 0,80 Proc. Ti (A No.22.ba)
6. b „ „ 1,07 Proc. Ti (A No.22.b ß)
7. Konschekowskoi Kamen, aus Anorthit- Hornblende- Gestein.
Hie und da mit Quarz und bräunlichweissem Glimmer ver-
wachsen. 0,25 Proc. Fl, 1,01 f i. (A No. 10.)
8. Saualp. (Carinthin.) Glimmerschiefer. Mit Quarz, Zirkon,
Granat, Zoisit, Cyanit u. s. w. verwachsen. 0,21 Proc. Fl.
(A No. 27.)
9. Monroe, Orange Co., New- York. An einzelnen Stellen mit
Höhlungen erfüllt, welche von Brauneisenstein bekleidet
sind. (A No. 26.)
10. Brevig. Zirkonsyenit. 1,01 Proc. TL (A No. 4.)
11. Härtlingen. Basalttuff. Begleitet von Augit. Krystalle im
Zustand anfangender Zersetzung, zur Analyse rein schwarze
und harte Partieen. 1,01 Proc. Ti. (B No. 3.)
12. Honnef. Wacke. 1,53 Proc. TL (B No. 4.)
1 3. Pargas. Kalk. Schwarz. 1,70 Proc. Fl, Ti Spur (A No. 20.c)
14. Prakendorf, Zips. Derb, blättrig, mit Magneteisen vorkom-
mend. 1,12 Proc. Wasser. Schultz. (Handwörterb. S. 996.)
15. Pargas (Pargasit). Kalk. Hellgrün. 2,76 Proc. Fl. (A
No. 8.d)
16. Edenville, Orange Co., New- York. (Edenit.) (A No. 3.)
17. Arfvedsonit, Grönland. Mit Eudialyt und Natrolith ver-
wachsen. 10,58 Proc. Na, 0,68 Proc. K. (S. 481.)
a. Mit 23,75 Proc. Fe, 7,8 Proc. Fe nach Rammelsberg.
b. Mit 25,37 Proc. Fe, 5,93 Proc. Fe nach A. Mrr-
SCHERLICH.
274
0 von R
: S
: Si
R + ä':Si
1.
10,54
10,04
20,68
- 3,1.
3. 6,2
1 : 1,02
2.a
10,47
10,655
22,16
2,9
6,2
1,05
3.
12,40
6,94
20,18
5,4
8,7
1,05
2.b
11,49
8,42
22,16
4,1
7,9
1,11
4.
11,12
8,43
21,13
4,0
7,5
1,07
5.a
11,06
6,76
23,03
4,9
10,2
1,29
5.b
11,10
6,38
23,03
5,2
10,8
1,32
6.a
11,34
6,76
21,65
5,0
9,6
1,20
6.b
10,74
6,575
21,76
4,9
9,9
1,25
7.
11,67
5,67
23,99
6,2
12,7
1,40
8.
11,53
6,46
26,31
5,4
12,2
1,45
9.
13,78
5,77
24,50
7,2
12,7
1,25
10.
10,57
4,93
22,94
6,4
14,0
1,49
11.
11,68
7,63
23,08
4,6
9,1
1,20
12.
11,07
7,70
22,48
4,3
8,8
1,21
13.
11,84
7,01
22,01
5,1
9,4
1,16
14.
8,59
7,865
24,60
3,3
9,4
1,49
15.
13,76
3,53
24,60
11,7
20,9
1,42
16.
13,23
3,54
27,56
11,2
23,4
1,65
17.a
5,78
7,125
27,32
2,4
11,5
2,13
17.b
5,37
7,61
27,32
2,1
10,8
2,12
Die Reinheit und
Frische
der durch
hohen
Alkaligehalt
(5 — 6 Proc.) ausgezeichneten Varietäten 6.a 6.b und 10 ist nicht
ganz evident, aber das in ihnen beobachtete Sauerstoffverhältniss
wird durch 5.a 5.b und 8 sichergestellt, wie das für 1 1 durch
12 und 13. Die Uebereinstimmung in R und R von 15 und 16
tritt sehr hervor.
Diese Zahlen, welche den von Rammelsberg 1. c. 456.
gegebenen entsprechen, liefern folgende Sauerstoffverhältnisse,
aus denen sich ergiebt, dass gewisse Magnesiaglimmer
und gewisse Hör nblen den stöch iom etrisch gleich zu-
sammengesetzt sind.
275
Hornblende. O. von R : R, : Si
Glimmer.
1. 2. 3. 4.
R + R : Si
1 : 1
1
1
1
1
1. 3. 3. 6
2. a 3 6
3. 6 9
2.b 4,5 7,5
4. 4,5 7,5
5. a 5.b 5 10
6. a 6.b 5 10
7. 8. 9. 10. 6 12
11. 12. 13. 4,5 9
14. 3 9
15. 12 20
16. 12 24
17. a 2,5 11
17.b 2 10
15.a 15.b?
16?
5.b 6b 6.c
7.a 7.b
1,25
1,25
1,33
1,20
1,50
1,33
1,60
2
2
Die Sesquioxyde , Thonerde und Eisenoxyd, kommen wie
bei dem Magnesiaglimmer in sehr verschiedenen Verhältnissen
vor. In 9 und 15 wurde kein Eisenoxyd, in 17 keine Thonerde
gefunden. Durch helle Färbung und Armuth an Eisen unter-
scheiden sich 8, 9, 15, 16 von den übrigen. Es kommen auf
1 Atom Eisenoxyd Atome Thonerde in:
1. 2.a 2.b 3. 4. 5.a 5b 6.a 6.b
2,3 1,7 3,8 4,3 3,7 2,1 2,7 1,2 1,1
7. 8. 10. 11. 12. 13. 14. 16.
2,7 11,4 1,5 2,1 3,8 3,8 7,9 3,2
Von den Monoxyden überwiegt immer Magnesia-Eisenoxydul
und der Sauerstoff derselben zusammen gerechnet verhält sich
zu dem des Kalkes meist wie 2:1. In 16 wurde kein Eisen-
Mangan-Oxydul gefunden. Der Sauerstoff der Alkalien beträgt
stets die geringste Menge ; die Alkalien — meist mehr Natron
als Kali — stehen meistens in einfachen Verhältnissen zu ein-
ander. Auf 1 Atom Alkali kommen Atome Monoxyde:
1. 2.a 2.b 3. 4. 5.a 5.b 6.a 6.b 7. 8.
15,2 14,4 15,9 18,4 14,9 13,2 13,2 9,0 8,5 19,1 15,7
9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.a 17.b
17,4 7,4 14,2 16,6 13,3 33,4 15 39,1 1,0 1,0
276
Vergleicht man die Monoxyde der Magnesiaglimmer und
der Hornblenden der Zahl der Atome nach, so ist die Reihe für
Magnesiaglimmer: j "oxydul I ' A^alien ^a)'
Hornblende: jEi^oxyduli' Kalk' Alkalien (Na' *)l
Arfvedsonit: Eisenoxydul und Natron in gleicher Zahl
von Atomen.
Versucht man die aus den angeführten Analysen der Magne-
siaglimmer (G) und der Hornblenden (H) erhaltenen Sauerstoff-
verhältnisse durch Formeln auszudrücken, in welchen beide
Glieder des Doppelsalzes in den entsprechenden Singulo - und
Bisilikaten auf gleicher Sättigungsstufe stehen , so ergeben sich
folgende Formeln, an deren Stelle freilich nicht selten auch an-
dere z. Th. ebenso einfache gesetzt werden können. Bei Wieder-
holung der Analysen werden wahrscheinlich einige Glieder
schwinden und noch einfachere Beziehungen sich ergeben. Die
auf diese Weise erhaltenen Formeln für die Hornblenden sind
übrigens nicht verwickelter als die für andere gut charakteri-
sirte Mineralien, z. B. Harmotom, Oligoklas , Labrador > (s.
Rammelsberg Handw. XLIII.), wenn man für diese das Prin-
cip der gleichen Sättigungsstufe in beiden Gliedern der Doppel-
silikate festhält.
277
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278
Bezeichnet man die Singulosilikate mit S, die ßisilikate mit
B, so ist :
I. - = S. I.
3.
1. (3 = 3R* Si;
1 = & Si3)
II == S.II.
6.
1.
III. = S.I. + S.II.9.
2.
IV. = S.III.
3.
2.
V. = S.IV.
1.
1.
VI. == S.II.
6.
1.+ B.I. 3.
l.(3 = 3RSi;l=RSP)
VII. - s.u.
6.
l.-f B.IL 6.
1.
VIli.= 2S.H.
6.
1. -f B. III. 3.
2.
IX. = S.L
3.
1. + 2B.I. a.
1.
X. = S.V.
12.
1.+ B.IV.12.
1.
XI. = S.II.
6.
1.+ B.V. 24.
1.
XII. = —
B. VI. 5.
2.
xm.ä —
B.VII.2.
1.
Von diesen Singulosilikaten ist stöchiometrisch gleich zusam-
mengesetzt (vergl. Rammelsberg Poggendorff Ann. 109. 593.)
I. mit Granat und Sarkolith,
IL mit Humboldtilith,
III. mit Vesuvian,
IV. mit Mejonit und der Epidotgruppe,
V. mit Sodalith, Hauyn, Nosean, Anorthit.
Es ist hervorzuheben , dass in diesen Singulosilikaten —
mit Ausnahme der natronreichen, unter einander eng verwandten
Gruppe Sodalith, Hauyn, Nosean — von den Monoxyden stets
der Kalk überwiegt oder doch mit den übrigen Monoxyden (Mg,
Fe, Mn, Cr) in gleichem Range steht wie bei Granat, während
in Magnesiaglimmer und Hornblende stets Magnesia-Eisenoxydul
vorwaltet, bei ersterem der Kalk fast ganz zurücktritt und bei
letzterer erst den zweiten Rang einnimmt. Petrographisch ist
von diesen stöchiometrisch gleichen Zusammensetzungen die ge-
wisser Glimmer, gewisser Hornblenden und des Granates die
wichtigste und die schon von Berzelius angedeutete Auffassung
des Granates als alkalifreie, oft kalkreiche Parallele von Magnesia-
glimmer vortrefflich verwendbar (Glimmer-, Hornblende-, Granat-
Gneiss).
279
Da nach Sünarmont (Ann. CA Phys. (3.) 34. 171. 1S51)
und Grailich (Wien. Akad Ber. 11. 46. 1853) die Glimmer
dem zweigliedrigen, die Hornblende dem zwei- und eingliedrigen
System angehören . so hat die Gruppe Overhältniss = 3. 3. 6
Repräsentanten in 4, die Gruppe 6. 3. 9 in 3, die Gruppe 4,5.
3. 7,5 in 3, die Gruppe 1,5. 3. 4,5 in 3, die Gruppe 3. 3. 4
in 3 Krystallsystemen.
Findet man es bedenklich, dass bei den Magnesiaglimmern
so viel verschiedene, zwar stöchiometrisch ähnlich, aber doch un-
gleich zusammengesetzte Verbindungen isomorph auftreten, ge-
denkt man der verschiedenen Richtung der Ebenen der optischen
Axen in demselben Glimmerblatt, so wird man versucht, die
Singulosilikate der verschiedenen Magnesiaglimmer aus einander
abzuleiten und in der That lassen sich alle oben angeführten
Formeln aus zwei derselben ableiten, sodass es nur 2 isomor-
phe, stöchiometrisch ähnlich, aber doch ungleich
zusammengesetzte Magnesiaglimmer gäbe, aus deren
Zusammenkrystallisiren die übrigen entständen. Ob das optische
Verhalten dieser Annahme entspricht, lässt sich für die Glimmer
mit dem Sauerstoffverhältniss 1. 3. 4 nicht ersehen, da für die-
selben Angaben nicht vorliegen. Haughton hält den Glimmer
1 2 (Granit von Baliyellin) für optisch einaxig. Dana fand für
den Glimmer mit dem Sauerstoffverhältniss 6. 3. 9 aus Jeffer-
son Co. (Glimmer 5) und für den aus Edwards, St. Lawrence
Co., New-York (Glimmer 6), welche er zu seinen Phlogopiten
(Winkel = 5° — 20°) zählt, den Winkel der optischen Axen
zu 13° 30' und 15°; bei Glimmer vom Vesuv (4), welchen er
zu den Biotiten rechnet, war der Winkel kleiner als 5°.
Als die 2 Grundmischungen, aus denen man die übrigen
ableiten kann, ergeben sich die mit
Overhältniss: 6. 3. 9 = I.
1. 3. 4 ' = IL
3. 3. 6 =
4,5 3. 7,5 =
1,5 3. 4,5 =
(2. 3. 5. =
4 I + 6 IL
7 I + 3 IL
1 + 9 IL
2 1 + 8 IL)
Für die Hornblenden wird bei Annahme von Thonerde und
Eisenoxyd als sesquioxydische Basen die Betrachtung viel schwie-
280
riger. Der von Rammelsberg (1. c. 460.) gemachte Versuch,
bei thonerdehaltigen Hornblenden (und Augiten ; das Eisenoxyd
zu den Basen, die Thonerde zur Säure zu rechnen, um eine
Gleichmässigkeit in der Zusammensetzung zu erzielen, giebt der
Hornblende (und dem Augit) eine schon beim Spodumen von
Rammelsberg wieder aufgegebene Ausnahmestellung, zu welcher
keine Berechtigung vorzuliegen scheint und dieser Versuch führt
nicht einmal zu der gewünschten Gleichförmigkeit. Statt dass
sich R, Fe : Si, AI = 1 : 2 ergeben sollte, zeigt (Pogg. Ann.
103. 460) der Augit vom Aetna 1 : 1,78, der Carinthin 2,62,
die Hornblende von Filipstad 1 : 1,85, die vom Vesuv 2,20.
Nach der hier angenommenen Anschauung sind isomorph die
Bisilikate: 1) R Si (Tremolit, Anthophyllit etc., 2) 2 R Si -f R Si3
Arfvedsonit ; die Singulosilikate 3) 3 R2 Si -f R2 Si3, 4) 6 R2 Si
+ R2Si3, 5) 9R2 Si + 2R2 Si3, und die S. 276. unter VI
bis XI aufgeführten Hornblenden, welche aus Combinationen von
Singulosilikaten und Bisilikaten von R und R bestehen. Auch
von diesen 11 Formeln lassen sich manche von einander ab-
leiten, so ist, wie schon angegeben 5 = 3 — )- 4 ; VII — {XI -J- 3 ;
VIII = jXI+2j 3; VI = VII + VIII. Es bleiben also übrig
7 isomorphe Verbindungen: RSi; 2RSi-f-RSi3; 3 R2 Si
+J> Si» ; 6R2Si + R2Si3; (3 R2 Si + R2 Si3 ) + (6 RSi
+ 2 RSi3); ( 12R2 Si + R2 Si3 ) + ( 12 R Si + R Si3 );
(6R*Si + R* Si3) + (24RSi + RSi3),welche(z.Th.durchZu-
sammenkrystallisiren) die bis jetzt bekannten Hornblenden liefern. In
der ersten ist R Mg, Fe, Mn, Ca, in der zweiten Fe und Na,
R = J?e ; in den übrigen ist R vorzugsweise Fe Mg , in viel
geringerer Zahl von Atomen Ca, in noch geringerer Na, K
und R = AI und Fe.
Eine fast vollständige Parallele würden die Hornblenden in
den Augiten haben, bei welchen imorph sind: 1) RSi (R = Ca,
Mg, Fe, Mn), Wollastonit, Diopsid, Bronzit etc., 2) 3 RSi
+ RSi3, Aegirin (R = Fe, Ca, Na; R = Fe), 3) 3 R Si
+.2 RSi3 , Akmit (R = 3 Na + 1 Fe, R == Fe ) , 4) 9 RSi
+ RSi3, Babingtonit (R = 4 Ca + 3 Fe (Mn); R = Fe.
5) Thonerdehaltige Augite, welche Thonerde und Eisenoxyd als
Sesquioxyde berechnet ergeben:
281
a. Härtlingen Overh. 6. 3. 12 (12,13. 5,54. 25,34)
b. Aetna „ 10. 3. 20 (13,33. 3,735, 25,27)
c. Laach „ 16. 3. 32 (13,43. 2,45. 26,68)
o o , /13,66. 1,865. 27,26\
d. Schirnau. Pyrgomraittel „ 22. 3. 44 1 ^ ^ ^ ^ 27 18/
e. Vesuv (Wedding) „ 8. 3. 16 (12,50.4,85. 26,06)
Man sieht, dass a -j- b = 2 e ist. In Formeln ausgedrückt
ist: %
a. = (6R*Si + RÄ Si3) + ( 6RSi + RSi3)
b. = ( „ „ ) + (18 „ „ )
c = ( „ „ ) + (36 „ „ )
d. = ( „ „ ) + (54 „ „ )
e. = ( „ ) + (12 „ „ )
Es träte also das a — e zu Grunde liegende Singulosilicat
6 R2 Si -f- Si3, welches bei den Hornblenden vorkommt, bei
den Awgiten isolirt nicht auf, sondern nur in Combination mit
Bisilikaten. Es mag erlaubt sein noch darauf hinzuweisen, dass
bei den Gadoliniten verwandte Erscheinungen auftreten, wenn
man die Beryllerde als 3£ betrachtet. Es ist dann R* Si iso-
morph mit 30R + &+ 15 Si, 18R + R + 9Si u. s. w., wie
die Analysen in Rammelsberg Handwörterbuch S. 772 u. flg.
nachweisen.
282
3. Die geognostische Beschaffenheit der Gebirge
der Provinz Caracas.
Von Herrn H. Karsten in Berlin.
Hierzu Taf. II.
In dem zweiten Jahrgange dieser Zeitschrift legte ich den
Geognosten meine Beobachtungen über die Gebirgsformationen
vor, die das nördliche Venezuela zusammensetzen, begleitet von
einer Karte ihrer Verbreitung im nordöstlichen Theile dieses
Landes.
Meine Untersuchungen begannen im Osten der Republik
Venezuela, im Gebirge von Cumana, und reichten bis nach Ca-
racas und Pt. Cabello, ohne das südlich und östlich von diesen
Orten belegene Gebiet damals zu berühren.
Später besuchte ich auch diese Gegenden und hatte die
Ehre, dem Gründer dieser Gesellschaft, dem allgeehrten L.
v. Buch, einige Gesteinproben aus derselben zu übersenden,
welche bewiesen, dass auch sie, ebenso wie das Gebirge von
Cumana und das von Orituco bis zum Morro Unare und wie die
Ebenen von Cumana und Barzelona von sedimentären Bildungen
bedeckt seien. In Karsten's Archiv 1852 wurden einige Mit-
theilungen über das von mir Beobachtete gegeben.
In Folge dieser Mittheilung erschien im 5. Jahrgange dieser
Zeitschrift 1853 ein von Humboldt während seiner Reise ge-
zeichnetes Profil des südlichen Abfalles der Küstenkette von
Venezuela gegen das grosse Becken der Ebenen (Llanos) des
Orinoko, welches die von Humboldt in seiner Reise ausgespro-
chene Ansicht zu vertheidigen bestimmt ist, dass der neptunische,
grosse Seeboden der Llanos von vulkanischen (jetzt plutonisch
genannten) Eruptivgesteinen umgeben sei: während ich das von
Humboldt hier speciell beschriebene Gebiet als der Tertiär- und
Kreideformation angehörend bezeichnet hatte. -
283
Um diesen Widerspruch zwischen Humboldt's und meinen
Angaben über die geognostischen Verhältnisse jener Gegenden,
die ich zu wiederholten Malen besuchte und nach verschiedenen
Richtungen hin durchforschte, zu lösen, übergebe ich hiebei den
Geognosten die von mir vor zehn Jahren in jenen Gegenden
aufgenommenen Gebirgsprofile mit den Höhenangaben, die sich
in den von Codazzi herausgegebenen Karten von Venezuela be-
finden.
Beide Profile sind in der Richtung von^Nord nach Süd auf-
genommen und einen halben Längengrad von einander entfernt.
Das östliche Profil ist durch die grösste Tiefe des Valenzia-See's
gelegt, die nach CoDAZzrs Angabe gegen 300 Fuss beträgt;
es durchschneidet die hohe Küstenkette in der Cumbre von Cho-
roni, die innere niedrigere Parallelkette in der Böschung eines
Sattels bei Cura; es ist ferner durch die höchste Spitze der
Morros de St. Juan und durch den Voladero der „Galera" ge-
nannten südlichsten Hügelkette gelegt, welche die Llanos be-
grenzt.
In dem westlicheren Profile sind gleichfalls beide Küsten-
ketten durchschnitten, die nördliche in dem Hilaria (Cumbre de
Valenzia); die südlichere in niedrigen Hügelreihen bei Tinaquillo.
Die dritte den Morros von St. Juan entsprechende, aus isolirten
thurm- und mauerförmigen Felsen bestehende, die sich an meh-
reren Orten innerhalb dieses Terrains finden, z. B. westwärts
von St. Juan bei Altar und ostwärts bei St. Sebastian und Ori-
tuco, fehlen in diesem Profile; dagegen ist auch hier die Galera
durchschnitten, und zwar trifft das Profil dieselbe bei dem Städt-
chen Pao in einer Höhe von 568 Meter.
Fast einen Grad südlich von Pao erhebt sich mitten aus
den flachen ebenen Llanos ein bis gegen i500 Fuss hoher Ge-
birgsstock, die Galera del Baul : aus Syenit, Feldspathporphyr
und dioritischren Gesteinen bestehende Hügelgruppen, welchen die
tertiären Sandstein- und Mergelschiefer-Schichten aufgelagert sind.
Dieser hier ganz fremdartige, in den Llanos isolirt vorkommende
Gebirgsstock scheint ein Ausläufer des südlich vom Orinoko sich
ausdehnenden Systemes der Parima zu sein. Die bei St. Bar-
tholo am rechten Ufer des Chirgua in diesen Felsarten vorkom-
menden, zum Theil sehr grossen und rothgefärbten Feldspath-
krystalle habe ich in den Gebirgen des nördlichen Venezuela
nicht wieder beobachtet. In diesen Syeniten und Graniten sind
Zeit* d d.geol. Ges. XIV. 2. 19
284
Bänke von Sandstein eingeschlossen, welche, besonders in der
Nähe der Schichtlingsflächen, Hornblende, Glimmer und Feld-
spath enthalten und in Feldspathporphyr etc. übergehen. *)
Die Küstenkette, welche ihren Höhenpunkt in dem ostwärts
von Choroni belegenen, 2800 Meter hohen Naiguata von Caracas
hat, besteht grösstentheils aus Syenit und Hornblende - Gneiss.
Ganz gewöhnlich sind in diese plutonischen Massen, vorzüglich
an dem südlichen Abhänge, Schichtensysteme von Glimmerschiefer,
glimmerhaltigem Quarzfels, Hornblendeschiefer und ähnlichen
Felsarten eingeschlossen, deren Fallen nach NO. — Bei las
Trincheras am Westfusse des Hilaria finden sich in der Syenit-
masse eingebettet zum Theil scharfkantige Bruchstücke des auf-
gelagerten Hornblendeschiefers. Bei Pt. Cabello am nördlichen
Fusse des Hilaria, wie bei Savanna larga de St. Matheo am
südlichen Fusse des Choroni und an anderen Orten, finden sich
zwischen ähnlichen Gesteinschichten Bänke von Marmor einge-
schlossen.
Am nördlichen Fusse des Hilaria bei Valenzia steht ein
hellblauer, dem des Morro de St. Juan ähnlicher, in den unteren
Schichten kiystallinisch körniger Kalk an , welcher zollgresse
scharfkantige Bruchstücke von gelbem glimmerhaltigem Thon-
und Kieselschiefer einschliesst , wie es scheint den Gesteinen
jener älteren, plutonischen und metamorphischen Felsarten auf-
gelagert.
Die mit dieser nördlichsten, das Meer begrenzenden Gebirgs-
kette mehr oder weniger parallele, südlichere Kette hat ihren
Höhenpunkt etwas ostwärts von dem Längenmeridiane des Choroni
in dem j 670 Meter hohen Guaraima und dem 1453 Meter hohen
Roncador. Grünstein scheint in diesem Gebirgszuge das vor-
waltende Gestein; doch kommt auch Gneiss, Glimmerschiefer,
Granulit und Diorit, besonders an seinen westlichen Ausläufern,
zu Tage, z.B. in der Abra de Cura und bei Tinaquillo der beiden
anliegenden Profile. Die Gebirgsarten der Kreideformation, welche
die östliche Verlängerung dieses Gebirgszuges bis in das CapUnare
allein oder hauptsächlich zusammensetzen, bilden auch das Han-
gende in seiner westlichen Erstreckung, Jene plutonischen Ge-
birgsarten durchbrechen in einzelnen Kuppen das südwärts an
*) In Karstens Archiv 1852 ist diese Galera del Baul, und sind
auch die Llanos des Orinoko ausführlicher beschrieben.
285
sie angelehnte, aus jüngeren, neptunischen Massen bestehende
Gebirgsland, welches die weiten einförmigen Ebenen des Orinoko
begrenzt.
Von 60 Grad 30 Minuten bis 70 Grad 35 Minuten bildet
der „Galera" genannte, z. Th. 600 Meter hohe Höhenzug die
südlichsten Vorberge des Hochgebirges von Caracas und Valenzia;
über diese Längengrade hinaus flacht sich der südliche Abhang
der inneren Küstenkette des Guaraima und Roncador allraälich
in die Ebene des Orinoko ab, deren aus jungen Tertiärschichten
bestehende , unter sehr geringem Winkel fallende Gesteine von
dem aus der Gebirgszone stammenden Alluvium bedeckt sind.
Der grösste Theil dieser Gebirgszone ist, wie schon bemerkt,
aus neptunischen Felsarten zusammengesetzt, die noch jetzt orga-
nische Reste erkennen lassen.
Selbst in dem Thale, welches von den beiden, aus plutoni-
schen Felsarten bestehenden, nördlichsten Gebirgsketten einge-
schlossen wird , finden sich in der Nähe von Caracas bei Cau-
cagua und St. Lucia, in Kalk- und Thonschiefer eingelagert, die
Tertiärepoche bezeichnende Fossilien.
Durch widersinnige Auflagerung, wie auch durch Verschie-
denheit in der Richtung des Streichens und der Grösse der
Falllinie der verschiedenen neptunischen Schichten, lassen sich
dieselben als zwei Epochen angehörend erkennen. Ammoniten
und Inoceramen charakterisiren die unteren Schichten, mit steiler
Falllinie von WSW nach ONO streichend ; während die oberen,
unter geringerem Winkel fallenden, meist von W nach O strei-
chenden Schichten durch die Häufigkeit der in ihnen vorkom-
menden Foraminiferen charakterisirt sind.
Die erstere, weniger ausgedehnt vorkommende Formation
besteht aus Kalk-, Kiesel- und Thonschiefern , die in ihren un-
teren Schichten dunkler, dichter, ja selbst z. Th. krystallinisch
sind; es sind die blauschwarzen Schiefer von Piedras azules und
Parapara Humbüldt's, die besonders in dem östlichen Profile
durchschnitten wurden : so auch bei Moja dulce und Mal paso
zwischen St. Juan und Parapara.
Die Polythalamienschiefer, theils aus hellblauem Kalke, theils
aus feinkörnigen Thonschiefer- , Kalk - und Quarz-Breccien be-
stehend, welche einen grossen Theil des in den beiden vorlie-
genden Profilen dargestellten Terrains einnehmen, wurden von
Humboldt als grüne Schiefer und Grünstein bezeichnet. Auch
19*
286
diese jüngeren wurden an einigen Orten krystallinisch beobachtet,
z. B. bei las Quabraitas in der Nähe von St. Juan, wo sie das
Hangende einer cbloritischen, serpentinähnlichen Felsart bilden.
In St. Juan beobachtete ich bei meinem ersten Besuche einen
Findling mit Krystallen von glasigem Feldspath, der mich hoffen
Hess, die von Humboldt hier in der Nähe , d. h. am Cerro de
Flores beobachteten augitischen Gesteine zu entdecken, welche
demselben die Idee erweckten, die Ebenen des Orinoko seien
hier im Norden gleich wie im Westen von vulkanischen Ge-
steinen umgeben.
Dies ist mir jedoch nicht gelungen ; weder an dem von
Humboldt speciell bezeichneten Orte, dem Cerro de Flores,
noch sonst irgendwo in Venezuela habe ich Augite aufgefunden
und ich bin überzeugt, dass, falls ein augithaltiges Gestein in
dieser Umgebung der Llanos vorkommt, dasselbe ein sehr be-
schränktes Vorkommen hat.
Jedenfalls ist die eben angeführte Ansicht Humboldt's eine
irrige, und am allerwenigsten ist der Ort dieser vulkanischen
oder plutonischen Eruptivgesteine in die Galera von Ortiz und
Parapara, S. Francisco und Pao etc. zu verlegen.
Diese Galera, die letzten Vorberge an der Grenze der Lla-
nos, bestehen aus Schichten eines röthlichen harten quarzigen
Sandsteines und leicht verwitternder Thonschiefer, die meistens
eine sehr steile Falllinie zeigen , nicht selten saiger stehen und
zuweilen, wie in dem westlichen Profile in der Galera von Pao,
wellig gebogen sind.
Es sind diese Gesteinschichten zerklüftet, an den Klüftungs-
wänden mit Quarzkrystallen besetzt, und auf den Thonschiefern
finden sich oft Figuren und Eindrücke, die an die Chirotherien-
Spuren erinnern. Beim Volador in der Nähe von Ortiz fand
ich Polythalamien in ihnen. In der Nähe von Pao beobachtete
ich die in dem Profil gezeichnete, widersinnige Auflagerung die-
ser Gesteinschichten auf diejenigen der Kreide.
Die für diese Polytbalamienschiefer ausnahmsweise bedeu-
tend grosse Falllinie der Gesteine der Galera wiederholt sich im
ganzen Umkreise der Gebirgszone an den jüngsten neptunischen
Schichten; so auch an der Nordküste bei Panapo östlich von
Riochico und am Cabo blanco bei La Guayra.
Am südlichen Fusse der Galera de Pao fand ich in der
Quebrada de potrero einen leicht verwitternden, blauen mit
287
Sandsteinschichten wechselnden Schieferthon gegen Norden unter
15 Grad fallend, der verschiedene Molluskenreste, unter andern
auch die in der Gegend von Caracas bei Caucagua (Quebrada
Merecure) beobachtete Scalaria enthielt.
Der gleiche Thon schien es mir zu sein, der eine Tagereise
weiter südlich bei Huises mit dem in den Llanos sehr verbrei-
teten, quarzigen Conglomeraten und Sandsteinen wechsellagert,
welcher hier gleichfalls zweischalige, wahrscheinlich tertiäre oder
quartäre Mollusken enthält.
Bei Calabozo war das Liegende dieser Gesteine ein mäch-
tiges Lager von weissem Quarzgerölle.
288
4. Ueber den opatowitzer Kalkstein des obersch le-
sischen Muschelkalks.
Von Herrn Heinrich Eck in Berlin.
Bevor ich mich dem eigentlichen Gegenstande dieser Arbeit,
dem sogenannten opatowitzer Kalkstein des oberschlesischen Mu-
schelkalks, zuwende, erscheint es zweckmässig, einen kurzen Rück-
blick auf die geschichtliche Entwicklung der gegenwärtig allge-
mein angenommenen Gliederung und eine kurze Uebersicht über
die neuerdings von mir unterschiedenen Abtheilungen des ober-
schlesichen Muschelkalks zu geben.
Geschichtliches über die Gliederung des oberschle-
sischen Muschelkalks.
Es ist bekannt, dass die seit langer Zeit von dem oberschle-
sischen Bergmann mit Rücksicht auf die tarnowitzer Bleierzlage
unterschiedenen 3 Abtheilungen des „erzführenden Flözkalks":
Sohlenstein , Dachgestein und opatowitzer Kalkstein durch den
von Karsten 1827 geführten Nachweis der dolomitischen Natur
des Dachgesteins auch eine gewisse wissenschaftliche Begründung
erhielten. Wir finden daher auch, wenn wir davon absehen, dass
Pusch seltsamerweise in seiner geognostischen Beschreibung von
Polen 4833 den opatowitzer Kalkstein der Juraformation zuwei-
sen und in einer späteren Mittheilung über die geognostischen
Verhältnisse Polens nach neueren Beobachtungen in Karsteis's
Archiv Bd. 12. 1839 sogar den Dolomit als ein Aequivalent des
Keupers betrachtet wissen wollte, die obige Eintheilung im All-
gemeinen von allen späteren Forschern beibehalten ; namentlich
sind Versuche zu einer weiteren, auf paläantologische Charaktere
gegründeten Gliederung nicht gemacht, im Gegentheil die ur-
sprünglichen Grenzen besonders der oberen Abtheilung, des opa-
towitzer Kalksteins, mit Vernachlässigung paläontologischer Ver-
schiedenheiten allmälig erheblich erweitert worden. Anfangs nur
i89
für den, bei Opatowitz anstehenden und durch den Einschluss
zahlreicher Reste grosser Saurier ausgezeichneten Kalkstein auf-
gestellt, wurden nämlich dieser Abtheilung nach und nach alle
Kalke zugerechnet, welche sich bei zunehmenden Aufschlüssen
als dem Dolomit aufgelagert erwiesen. So erklärte Mentzel in
seiner Notiz über das Vorkommen der Deltliyris rostrata (Spi-
rifer Ment%eii Dunk.) im Muschelkalk Schlesiens in Bkonn's
Jahrbuch für Mineral. 1842 den Kalk des sogenannten höhni-
schen Steinbruchs nordwestlich von Tarnowitz, welcher durch
den Einchluss so vieler, dem deutschen Muschelkalk fremder Ver-
steinerungen von Anfang an das Interesse aller Paläontologen in
Anspruch nahm, für ident mit dem Kalkstein von Opatowitz,
obwohl auch ihm schon damals die geringe Uebereinstimmung
in den organischen Einschlüssen beider nicht entgangen war.
Und auf Herrn v. Carnale's geognostischer Karte von Ober-
schlesien (1. Auflage 1843, 2. 1857) und desselben geognosti-
scher Karte der Erzlagerstätten des Muschelkalks bei Tarno-
witz und ßeuthen (1855), auf welchen wir die Grenzen der
Formation mit grosser Sorgfalt aufgetragen und auch die 3 Ab-
theilungen derselben mit verschiedenen Farben bezeichnet se-
hen, finden wir dem opatowitzer Kalkstein ausserdem noch
zugerechnet: die Kalke von Lübeck und dem östlich davon
liegenden Josephka - Vorwerk und diejenigen nördlich und süd-
lich von Mikultschütz (der letztere ist auf der zweiten Auflage
der geognostischen Karte von Oberschlesien seltsamerweise dem
Dolomit zugezählt) , welche ebenfalls als dem Dolomit aufge-
lagert erkannt wurden , und von denen , wie wir weiter un-
ten sehen werden , der letzte mit dem Kalke des höhnischen
Bruchs, der vorletzte mit dem von Opatowitz zu vereinigen ist,
die beiden ersten aber einer besonderen Abtheilung angehören.
Aber nicht blos die Schichten dieser Lokalitäten sehen wir auf
den genannten Karten mit der Farbe des opatowitzer Kalksteins
bezeichnet, sondern auch, als dem Sohlenstein aufgelagerte Par-
tieen, die Kalke von Chorzow, Radzionkau und Krappitz, welche
sich bei gehöriger Berücksichtigung der Lagerungsverhältnisse
und der organischen Einschlüsse unzweifelhaft als einer der tief-
sten Abtheilungen des oberschlesischen Muschelkalks zugehörig
erweisen. Es kann uns daher nicht befremden, wenn Herr
v. Meyer, einerseits auf die Richtigkeit dieser letzten Bestimmung
des Herrn v. Carnael vertrauend und andererseits gestützt auf
290
die völlige Uebereinstimmung der organischen Reste in den
Schichten von Lagiewnik und Petersdorf mit denen von Chor-
zow, consequenterweise auch die Kalke dieser beiden Lokalitäten
dem opatowitzer Kalkstein zuwies, obwohl auch er schon am
Schlüsse seiner Untersuchungen über die Saurierreste des ober-
schlesischen Muschelkalks sich der Bemerkung nicht enthalten
konnte: „Opatowitz, Rybna, Larischhof und Alt-Tarnowitz unter-
scheiden sich durch die Grösse der Thiere und die geringe An-
zahl der Species so sehr von den übrigen Lokalitäten (Chorzow,
Lagiewnik und Petersdorf), dass man glauben sollte, letztere ge-
hörten nicht demselben Niveau an." Doch hat es dieser, ledig-
lich auf die petrographische Beschaffenheit des Dachgesteins ge-
gründeten Gliederung gegenüber nicht an Anfängen zu einer,
auf paläontologische Charaktere basirenden Gruppirung einzelner
Schichten des oberschlesischen Muschelkalks gefehlt, die ich um
so lieber hier anführe, als sie mir während meiner Untersuchun-
gen in Oberschlesien gänzlich unbekannt waren, und ihre Ueber-
einstimmung mit den von mir erlangten Resultaten mir eine er-
freuliche Bürgschaft für die Richtigkeit der letzteren gewährt.
So machte Herr Professor Beyrich in der Sitzung der allge-
meinen Versammlung der deutschen geologischen Gesellschaft in
Greifswald vom 24. September 1850 auf die Notwendigkeit
aufmerksam, die Kalke von Opatowitz, Rybna u. s. w. einerseits
und die des böhmschen Steinbruchs und südlich von Mikultschütz
andererseits von einander getrennt zu halten, und auch Mentzel
wies, seinen früheren Fehler verbessernd, 1855 in seinen (unge-
druckten) Vorschlägen zur näheren Erforschung der oberschlesi-
schen Muschelkalkformation (in den Akten des Königl. Ober-
Bergamts zu Breslau) auf die paläontologische Verschiedenheit
der Kalke von Mikultschütz , Laband , des böhmschen Stein-
bruchs und von Kamin von allen anderen Muschelkalkschichten
hin, erwähnt die Untrennbarkeit der Kalke von Chorzow, La-
giewnik, Maczeikowitz , Petersdorf, Gr. Strehlitz und Krappitz
und stellte die Identität dieser Schichten mit dem unzweifelhaften
d. h. vom Dolomit überlagerten Sohlenstein wenigstens als Ver-
muthung hin.
Gliederung des oberschle sischen Müsch elkalks.
Indem ich mich nun zu einer kurzen Uebersicht über die,
von mir im oberschlesischen Muschelkalk unterschiedenen Ab-
291
theilungen wende, schliesse ich von demselben diejenigen unter-
sten, ihm bisher zugerechneten, gelblichen, mergeligen Kalk-
schichten aus, welche sich durch die Häufigkeit der Myopho-
ria fallax v. Seebach und der Natica Gaillardoti Lefr.
auszeichnen und von meinem Freunde C. v. Seebach zuerst für
ein Aequivalent der Kalkschichten des Roth Thüringens u. s. w.
angesprochen wurden. Diese ausser Betracht gelassen, lässt sich
der Muschelkalk Oberschlesiens von unten nach oben in folgen-
der Weise unterabtheilen:
I. Unterer oberschlesischer Muschelkalk
(umfasst den Sohlenstein im eigentlichen Sinne des Wortes als
Bezeichnung für das Liegende der beiden Dolomitmulden von
Tarnowitz und Beuthen [ — nicht in dem Sinne, in welchem man
dasselbe später in der Gegend zwischen Krappitz und Stuben-
dorf anwendete, da man hier den ganzen Muschelkalk als Soh-
lenstein bezeichnet hat — ], und die unteren Schichten des Dolomits.)
1. Bräunlicher, grossspäthiger , zelliger Kalk, petrefakten-
leer.
2. Die Schichten von Chorzow, Michalkowitz u. s. w. Wech-
sellagernde Schichtengruppen von wellig- und dünngeschichtetem,
grauem, dichtem Kalk und röthlichem, krystallinischem, splittri-
gem Kalk. Zahlreiche wurmförmige Concretionen. Die haupt-
sächlichsten Petrefakten sind: Encrinus gracilis, Entrochus du-
bius , Pecten discites und inaequistriatus , Monotis Alber tu,
Lima lineata und striata, Gervillia socialis, costata, polyo-
donta, subglobosa, Mytilus vetustus, Nucula Goldfussi, Myo-
phoria vulgaris, laevtgata, elegans, ovata, orbicularis, Myo-
concha gastrochaena, Myacites musculoides und grandis, Turbo
gregarius, Pleurotomaria Albertiana, Natica oolithica und
Gaillardoti , Dentalium laeve, Nautilus bidorsatus, Ceratites
Strombecki und die von v. Meyer beschriebenen Fisch- und
Saurierreste, die letzteren nur kleinen, höchstens mittelgrossen
Thieren angehörend. Als negative Merkmale sind bemerkens-
werth die Seltenheit von Terebratula vulgaris und Itelzia tri-
gonella und das Fehlen von Terebratula angusta.
3. Angustakalk. Graue oder blaue, dichte bis splittrige
Kalkschichten mit einzelnen Schichten von weissem oder röthli-
chem, porösem Kalk. Führen: Terebratula angusta und vul
292
garis und Ret%ia trigonella sehr häufig, Trochiteri vom Typus
des Encrinus liliiformis , Cidaris transversa, Lima lineata,
Euomphalus exiguus, Pleurotomaria Albertiana, Ammonites
iy'uchii und Ottanis u. s. w Sie bilden das unmittelbare Lie-
gende der beiden, von Dolomit ausgefüllten Mulden von Tarno-
witz und Beuthen.
4. Die Schichten von Gorasdze, im Kuhthale am Anna-
berge u. s. w. Bis 8 Fuss mächtige Bänke eines weissen, po-
rösen Kalks, getrennt durch Zwischenlagen von grauem, dichtem
Kalkstein. Stylolithenreich. Encrinus - Stielglieder, Terebratula
vulgaris, Betzia trigonella, Cucullaea Beyrichi, Myophoria
elegans, Turbonilla scalata, Pleurotomaria Albertiana, Euom-
phalus exiguus u. s. w. Diese Schichten haben in der Gegend
von Tarnowitz und Beuthen , wie aus den im tiefen Friedrich-
stolln in der Nähe des Glückhilfschachts bei Tarnowitz gefun-
denen Petrefakten hervorgeht, ihr Aequivalent in den unteren
Schichten des Dolomits.
II. Mittlerer oberschlesischer Muschelkalk
(= mittlerer Theil des Dolomits von Tarnowitz und Beuthen).
5. Dolomit mit Kalkspath und kleineren Gypsvorkomm-
nissen.
III. Oberer oberschlesischer Muschelkalk
(umfasst den opatowitzer Kalkstein im weiteren Sinne excl. der
Kalke von Chorzow, Radzionkau und Krappitz und die oberen
Dolomitschichten von Tarnowitz und Beuthen).
6. Die Encriniten- und Terebratelschichten.
7. Der mikultschützer Kalk. Die erste Trennung, welche
mir in den, dem opatowitzer Kalkstein bisher zugerechneten Schich-
ten nothwendig erschien, war die Trennung der Kalke südlich
von Mikultschütz und nordwestlich von Tarnowitz (im sogenann-
ten böhmschen Bruch), welche durch den Einschluss vieler, dem
deutschen Muschelkalk fremder, thierischer Reste schon längst
die Aufmerksamkeit der Paläontologen auf sich gezogen haben,
von denjenigen Kalkschichten, welche bei Rybna, Opatowitz,
Alt-Tarnowitz, nördlich von Mikultschütz u. s. w. anstehen und
im scharfen Gegensatz zu den vorigen nur deutsche Muschel-
293
kalkformen einschliessen. Schwieriger war die Frage zu ent-
scheiden, welches von diesen beiden Niveaus das ältere, welches
das jüngere sei; doch gaben in dieser Hinsicht die interessanten
neuen Aufschlüsse auf der Bleischarlei- und Samuelsglücksgrube
bei Beutben, auf welche Herr Ober-Bergrath Websky in Bres-
lau mich aufmerksam zu machen die Güte hatte, vollständige
Aufklärung. Hier führen nämlich die oberen Dolomitschichten
die, den mikultschützer Kalk charakterisirenden Petrefakten ; über-
lagert werden sie von
8. einem mergeligen, zum Theil oolithischen und, wie wei-
ter unten gezeigt werden soll, auch paläontologisch wohl cha-
rakterisirten Dolomit, und da dieser seinerseits wieder in der
Gegend von Alt-Tarnowitz von
9. dem Kalke von Rybna, Opatowitz u. s. w. überlagert
wird, so folgt, dass auch der mikultschützer Kalk einem ent-
schieden älteren Niveau angehört, als der rybnaer.
Es ergiebt sich aus diesen Verhältnissen von selbst, dass
wir den Dolomit des oberschlesischen Muschelkalks in der bis-
herigen Ausdehnung durchaus nicht mehr als geognostisches Ni-
veau betrachten dürfen.
Oberer oberschlesischer Muschelkalk.
Die nähere Begründung und Beschreibung der beiden un-
teren Abtheilungen muss ich einer späteren, ausführlichen Arbeit
vorbehalten. Wenn ich demnach im Folgenden eine kurze Schil-
derung der oberen Schichten des schlesischen Muschelkalks zu
geben beabsichtige, so verstehe ich darunter diejenigen Muschel-
kalkschichten, welche über einem, wie es scheint, constant vorhan-
denen, massigen, ungeschichteten, an Kalkspath und kleineren
Gyps Vorkommnissen reichen Dolomit ( =■ mittlerer Theil des
Dolomites von Tarnowitz und Beuthen) gelagert sind. Suchen
wir uns zunächst über die Verbreitung der soeben näher be-
zeichneten Schichtengruppe zu orientiren, so gehören derselben
von den, auf der geognostischen Karte von Oberschlesien von
Herrn v. Carnall verzeichneten Muschelkalkpartieen folgende an:
1) die Kalke von Rybna, Opatowitz, Alt-Tarnowitz, Wilkowitz,
Colonie Georgendorf, Miedar, nordwestlich von Tarnowitz
(im böhmschen Steinbruch) , Lübeck, Josephkavorwerk öst-
lich von Lübeck, und nördlich von Mikultschütz; sämmtlich
294
bereits von Herrn v. Carnall als opatowitzer Kalkstein
angegeben ;
2) die oberen Dolomitschichten in den beiden, von Dolomit aus-
gefüllten Mulden von Tarnowitz und Beuthen , der Kalk
südlich von Mikultschütz, der Dolomit von Laband und
Himmelwitz; sämmtlich von Herrn v. Carnall als Dolomit
verzeichnet ;
3) die Kalke von Kamminietz, südlich von Broslawitz und La-
band, von Herrn v. Carnall als Sohlenstein angegeben;
endlich alle Schichten, welche in der ausgedehnten Muschel-
kalkpartie zwischen Krappitz, Tost, Stubendorf und Radun
im Norden einer, ungefähr von Gr. Stein nach Colonie Ste-
phanshain (Col. Strehlitz) gezogenen Linie liegen, und eine
vereinzelte Partie südlich von Rosniontau, welche von Herrn
v. Carnall ebenfalls dem Sohlenkalk zugewiesen worden
sind, da derselbe hier, wo der Dolomit von Tarnowitz und
Beuthen grösstenteils durch Kalkstein vertreten ist, wo also
der petrographische Anhalt zu einer Gliederung fehlte, den
ganzen Muschelkalk als Sohlenstein verzeichnet hat.
Es sind dagegen unserer Schichtengruppe, wie gesagt, nicht
zuzuzählen die, von Herrn v. Carnall dem opatowitzer Kalk-
stein zugewiesenen Kalke von Chorzow, Radzionkau und Krappitz.
Noch verwischter ist übrigens die Gliederung des Muschel-
kalks auf dem geognostischen Uebersichtsblatt zu der Flözkarte
des oberschlesischen Steinkohlengebirges bei Beuthen, Gleiwitz,
Mislowitz und Nicolai von Herrn C. Mauve; zwar finden wir
bereits auf derselben sehr richtig den Kalk von Chorzow dem
Sohlenkalk zugewiesen, aber nicht blos diesen, sondern auch den
Kalk nördlich von Mikultschütz, den schon Herr v. Carnall
mit Recht als opatowitzer Kalk angegeben hat, und den Kalk
von Laband, wie überhaupt (bis auf die Schichten südlich von
Mikultschütz, die auch hier als Dolomit verzeichnet sind) alle
Kalke; es ist daher diese Karte, was die Triasformation betrifft,
eine mehr petrographische als geognostische.
In den oben näher bezeichneten, theils aus Kalkstein, theils
aus Dolomit gebildeten , oberen Schichten des oberschlesischen
Muschelkalks wurden nach den organischen Einschlüssen vier
Abtheilungen, nämlich in der Reihenfolge von unten nach oben:
1) die Encriniten- und Terebratelschichten ;
2) der mikultschützer Kalk oder die Schichten mit Spirifer
295
Ment%eli Dunk., Rhynchonella decurtata Gm. sp., Pem-
phix Sueurii Desm. sp. ;
3) der mergelige Dolomit mit Roggenstein, und
4) der rybnaer Kalk oder die Schichten mit häufigem Pecten
discites Sc hl. sp. , Ammonites (Ceratites) nodosus Brug.,
Hybodus plicatilis und Mougeoti Ag. und zahlreichen Resten
grosser Saurier
unterschieden, welche im Folgenden kurz beschrieben und be-
gründet werden sollen.
1. Die Encriniten- und T erevratelscilicliten.
Petrographischer Charakter.
Die unterste, ca. 20 Fuss mächtige und der folgenden eng
sich anschliessende Abtheilung wird theils durch Dolomit, theils
durch einen grauen, dichten Kalk gebildet, welcher in einzelnen
Bänken äusserst trochitenreich und in Folge dessen durch und
durch späthig ist; dieselben wechsellagern mit einem grauen,
dichten, knollig abgesonderten Kalk, welcher nach oben hin die
Terebratula vulgaris in ausserordentlicher Häufigkeit einschliesst.
Noch selten sind Einschlüsse von weisslichen Hornsteinknollen,
welche erst in der folgenden Abtheilung überaus häufig werden.
Schichtenfolge.
Bei Kamminietz östlich von Peiskretscham finden wir von
unten nach oben folgende Schichtenreihe entblösst:
1) 2 Fuss grauer, dichter, knollig abgesonderter Kalk,
2) 2 Fuss Encrinitenkalk,
3) 6 Zoll wie 1.,
4) ly Fuss Encrinitenkalk mit zerstreut vorkommender Tere-
bratula vulgaris, Ostrea complicata,
5) Schotterlage von grauem, dichtem Kalk, sehr reich an Te-
rebratula vulgaris und mit Ostrea complicata, Lima striata
und lineata, Myophoria vulgaris. Anstehend finden wir
diese Schicht auf der Nordseite des Dramathaies in einer
Mächtigkeit von 3 Fuss bei Lübeck aufgeschlossen, wo sie
von einer dritten
6) i~ bis 3 Fuss mächtigen Encrinitenschicht überlagert wird,
welche ausser den unten bezeichneten Trochiten und der
296
Terebratula vulgaris auch die Ret%ia trigonella in grosser
Häufigkeit einschliesst.
Verbreitung.
Es sind dies diejenigen Schichten, welche wir auf der Karte
des Herrn v. Carnall bei Kamminietz und Bonjowitz als Soh-
lenkalk, bei Lübeck und östlich davon bei dem Josephkavorwerk
als opatowitzer Kalkstein angegeben finden , weil man sie an
letzterem Orte beim Abteufen eines Brunnens über dem oben
näher bezeichneten Dolomit lagernd angetroffen haben soll. Dass
auch sie in den beiden, von Dolomit ausgefüllten Mulden in der
Gegend von Tarnowitz und Beuthen durch Dolomit vertreten
sind, beweisen die Aufschlüsse der Bleischarleigrube östlich von
Beuthen, da auch hier der untere Theil der oberen Dolomit-
schichten durch die Häufigkeit der unten bezeichneten Trochiten,
der Terebratula vulgaris und der Retzia trigonella sich aus-
zeichnet. In gleicher Weise, aber hier wieder durch Kalkstein
gebildet, finden wir unsere Schichten auch in der Muschelkalk-
partie von Gr. Stein und Gr. Strehlitz aufgeschlossen, wo sie
auf der Karte des Herrn v. Carnall dem Sohlenstein zugewie-
sen sind. Durch mehrere kleine Versuchsarbeiten im Walde nörd-
lich von Gorasdze und westlich von Gr. Stein selbst und südlich
und östlich von der Colonie Stephanshain (Col. Strehlitz) ent-
blösst, scheinen sie hier eine zusammenhängende, von Westen
nach Osten streichende und nach Norden einfallende, schmale
Zone zu bilden, welche, wenn es gelingt, sie an mehreren Zwi-
schenpunkten mit grösserer Bestimmtheit nachzuweisen, bei der
Constanz der organischen Einschlüsse einen ausgezeichneten Orien-
tirungshorizont abgeben wird.
Organische Einschlüsse.
Bis jetzt sind in dieser Abtheilung, in welcher die geringe
Zahl der Arten gewissermassen durch die Unzahl der Indi-
viduen aufgewogen wird, von organischen Resten nur aufge-
funden :
Crinoi dea.
Entrochus cf. Encrinus liliiformis Lam. (ich werde mich bei
der Bezeichnung loser Stielglieder der, zuerst von Herrn
Professor Beyrich vorgeschlagenen Methode bedienen),
Entrochus cf. Encrinus gracilis Buch,
Entrochus dubius Goldf. (= Pentacrinus dubius Goldf.).
297
Brachiopoda.
Terebratula vulgaris Sc hl.,
Retzia trigonella Sc hl. sp.
Pelecypoda.
Ostrea complicata Golof. Mit den vorigen an allen Auf-
schlusspunkten.
Uinnites comtus Goldf. sp. Einziges Exemplar in der ber-
liner Sammlung mit der Fundpunktsangabe „Peiskret-
seham", wahrscheinlich von Kamminietz.
Lima striata Schl. sp. Lübeck.
Lima li?ieata Schl, sp. Kamminietz, südöstlich von Colonie
Stephanshain.
Myophoiia vulgaris Schl. sp. Kamminietz.
2. Der mikuMseliützer Kalk.
Petrographischer Charakter.
Die zweite ca. 40 Fuss mächtige Abtheilung, deren Aufla-
gerung auf die erste z. B. bei Lübeck direct beobachtet werden
kann, wird ebenfalls theils durch Dolomit, theils durch Kalkstein
gebildet, dessen petrographische Beschaffenheit äusserst variabel,
dessen Petrefakten aber desto constanter und um so bezeichnen-
der sind, als sie grossen theils ausschliesslich diesen Schichten
angehören. So verschieden sich aber auch unsere Kalke in ihrem
petrographischen Charakter an den einzelnen Aufschlusspunkten
zeigen, so verändern sie denselben doch in ihrer ganzen Mäch-
tigkeit meist nur wenig und unterscheiden sich durch diese
grössere Gleichartigkeit sehr von allen älteren Abtheilungen des
Muschelkalks, welche aus wechsellagernden Schichtengruppen pe-
trographisch sehr von einander abweichender Kalke gebildet wer-
den. Sehr bezeichnend für unsere Schichten sind Einschlüsse
von weisslichem Hornstein in zusammenhängenden Lagen, Kugeln
oder Knollen, welche meist irgend ein Petrefakt, welches den
Concentrationspunkt für die kieselige Masse abgegeben hat, ent-
halten und im Innern durch organische Substanz gewöhnlich
grau bis schwarz gefärbt sind.
Verbreitung.
Es gehören zu dieser Abtheilung:
1. Der Kalk nordwestlich von Tarnowitz (in den sogenann-
ten böhmschen Steinbrüchen), von Herrn v. Garn all als opa-
298
towitzer Kalk angegeben; in seinen unteren Lagen grau und
dicht und durch die Häufigkeit der Terebratula vulgaris und
Ret%ia trigonella einen engen Anschluss an die Kalke der vo-
rigen Abtheilung vermittelnd ; die oberen Schichten, von den un-
teren durch eine ca. i~ Fuss mächtige Schicht eines grauen,
dichten, knolligen Kalks getrennt, werden durch einen weissen
oder gelblichen Kalkstein gebildet, dessen Schichtflächen styloli-
thenartige Bildungen in grosser Häufigkeit aufweisen.
2. Der Kalk von Lübeck und auf der Anhöhe südlich von
Broslawitz, letzterer von Herrn v. Carnall als Sohlenkalk be-
zeichnet; ein weisser, dichter Kalk, in seinen unteren Lagen
ebenfalls reich an terebratula vulgaris.
3. Der Kalk südlich von Mikultschütz, von Herrn v. Car-
nall als Dolomit angegeben; ein röthlicher, dichter Kalk, wel-
cher in den oberen Lagen ein gelbliches, mergeliges, zerfressenes
Ansehn annimmt und in seinen unteren sich ebenfalls durch die
Häufigkeit der Terebratula vulgaris auszeichnet.
4. Der Kalk von Laband, von Herrn v. Carnall dem
Sohlenstein zugerechnet; ein weisser, dichter Kalk, in seinen obe-
ren Lagen erst röthlich grau und grobsplittrig , dann schmutzig
grau und petrefaktenarm.
5. Der mittlere Theil der oberen Dolomitschichten in den
beiden mit Dolomit ausgefüllten Mulden von Tarnowitz und Beu-
then, welcher ebenfalls, wie die neuen Aufschlüsse auf der Blei-
scharlei- und Samuelsglückgrube bei Beuthen ergeben haben, die
Fauna des mikultschützer Kalks einschliesst. Aus diesem Niveau
stammen auch die zahlreichen, nach Karsten aus Dolomit bestehen-
den Trochiten {Entrochus cf. Encrinus liliif 'ormis, Entrochus du-
biuSi Entrochus silesiacus Beyr.), welche früher in Gemeinschaft
mit den von v. Meyer Cidaris transversa benannten Echinidensta-
cheln und den wahrscheinlich dazu gehörigen Schalentäfelchen
von der jetzt versiegten Jazekquelle am Rossberge bei Beuthen
ausgeworfen wurden.
6. Der Kalk von Colonie Stephanshain (Col. Strehlitz),
von Herrn v. Carnall als Sohlenkalk angegeben; ein röthlicher,
grobsplittriger Kalk, welcher in seinen unteren Lagen ebenfalls
die Terebratula vulgaris häufig einschliesst, wie dies ein im
Dorfe abgeteufter Brunnen ergab, mit welchem man in ca. 25 Fuss
Teufe den Encrinitenkalk anhieb.
7. Der weissliche oder gelbliche, poröse Kalk von Gr. Stein
299
(am Waldsaurae westlich davon) und am Waldrande südlich von
Tarnau und Stubendorf, von Herrn v. Garn au, ebenfalls als
Sohlenstein angegeben ; dürfte mit dem vorigen zusammenhängen
und einen zweiten von Westen nach Osten streichenden und
nach Norden einfallenden Kalkzug bilden , welcher sich nörd-
lich von dem Kalke der ersten Abtheilung und parallel mit dem-
selben hinzieht.
8. Eine, wie es scheint, isolirte kleine Kalkpartie dieser
Abtheilung steht endlich südlich von Rosniontau bei Gr. Streh-
litz an, von Herrn v. Carnall ebenfalls dem Sohlenstein zuge-
wiesen ; ein röthlicher, dichter oder splittriger Kalk, dessen Schich-
ten mit ca. 50 Grad gegen Südosten einfallen, in einer Mächtig-
keit von ca. 10 Fuss aufgeschlossen, rings von Sohlenkalk um-
geben, aber durch seine Petrefakten unzweifelhaft als dieser
Abtheilung zugehörig sich erweisend.
Organische Einschlüsse.
Die in den Schichten dieses Niveaus bis jetzt aufgefundenen,
organischen Reste sind folgende:
Amorphozoa.
Spongiae. Auf dieses Niveau beschränkt.
Scyphia caminensis Beyr. Kamin bei Beuthen.
2 neue Formen aus den Steinbrüchen nordwestlich von Tar-
nowitz sollen später beschrieben und abgebildet werden.
Actinozoa.
Polypi, Auf dieses Niveau beschränkt.
Montlivaltia triasica Dunk. Mikultschütz ; Laband.
Thamnastraea silesiaca Beyr. Mikultschütz ; Bleischarlei-
grube; Gr. Stein.
Crinoidea.
Entrochus cf. Encrinus liliiformis Lam. Nordwestlich von
Tarnowitz; Mikultschütz; sehr häufig am Rossberg, auf
der Bleischarleigrube, bei Gr. Stein; südwestlich von
Tarnau; Colonie Stephanshain; südlich von Rosniontau.
Entrochus cf. Encrinus gracilis Buch. Bleischarleigrube;
Mikultschütz ; Gr. Stein.
Entrochus dubius Goldf. Nordwestlich von Tarnowitz;
Mikultschütz; sehr häufig am Rossberg; in aus diesem
Niveau stammenden Gesteinsbruchstücken bei Brosla-
witz; Gr. Stein, südlich von Rosniontau.
Zeits. 3. d. geol. Ges. XIV. 2- 20
300
Entrochus silesiacus Beyr. Kamin; Samuelsglückgrube;
Rossberg; Mikultschütz ; Laband ; Colonie Stephanshain ;
südlich von Rosniontau ; Gr. Stein. Auf dieses Niveau
beschränkt.
Encrinus aculeatus Mey. Mikultschütz. Auf dieses Niveau
beschränkt. Hierher gehören wahrscheinlich die cir-
rhentragenden, runden Stielglieder, welche sich ziemlich
häufig nordwestlich von Tarnowitz, bei Mikultschütz,
Laband und Colonie Stephanshain finden.
Krone von ? (= Calathocrinus digitatus Mey. Palaeontogr.
I. t. 32, f. 2 und 3). Einziges Exemplar aus dem
Steinbruch nordwestlich von Tarnowitz.
E c h i n i d e a.
Cidaris transversa Mey. Die höchst wahrscheinlich zusam-
mengehörigen Schalentäfelchen und Stacheln sehr häufig
bei Mikultschütz, Laband, Gr. Stein, Colonie Stephans-
hain; selten nordwestlich von Tarnowitz; am Rossberg;
südlich von Nakel; südwestlich von Tarnau; in losen
Gesteinsbruchstücken bei Broslawitz.
Radiolus cf. Radiolus Waechteri und Radiolus catenife-
rus (= Cidaris Waechteri Wissm. und catenifera Ag.,
Muenst. Beitr. 4. t. 5, f. 22 und t. 3, f. 23). In aus
diesem Niveau stammenden Gesteinsbruchstücken bei
Broslawitz.
ollusca.
Brachiopoda.
Terebratula vulgaris Schl. In den unteren Schichten sehr
häufig, in den oberen seltener. Nordwestlich von Tar-
nowitz; Lübeck; südlich von Boslawitz; Mikultschütz;
Laband; Bleischarleigrube ; Gr. Stein ; Colonie Stephans-
hain; südlich von Rosniontau.
Rhynchonella decurtata Gib. sp. Sehr häufig bei Mikult-
schütz und Laband; Lübeck; Samuelsglückgrube; süd-
lich von Tarnau; in losen Gesteinsbruchstücken bei
Broslawitz. Auf dieses Niveau beschränkt.
Rhynchonella Mentzeli Buch sp. Mit Sicherheit bisher
nur nordwestlich von Tarnowitz gefunden und hier die
Rhynchonella decurtata vertretend. Auf dieses Niveau
beschränkt. Die Angabe Mentzel's bei L. v. Buch:
über Terebratula Mentzeli im tarnowitzer Muschelkalk,
301
in Bronn's Jahrbuch für Min. 1843, dass dieselbe
auch bei Petersdorf vorgekommen sei , beruht sicher
auf einer Verwechselung des Fundpunkts ; das Exem-
plar stammte vielleicht von dem, nicht weit von Pe-
tersdorf gelegenen Laband. Quenstedt versetzt sie
in seinem Handbuch der Petrefaktenkunde S. 451 irr-
thümlich in das Sohlgestein von Tarnowitz.
Sptrifer Ment%eli Dunk. Sehr häutig. Nordwestlich von
Tarnowitz; Lübeck; südlich von Broslawitz; Mikult-
schütz; Samuelsglückgrube; Laband; südlich von Ros-
niontau. Auf dieses Niveau beschränkt. In der Jugend
bestachelt.
Spirifer fragilis Schl. sp. Sehr häufig. Nordwestlich von
Tarnowitz; Samuelsglückgrube; Mikultschütz ; Laband;
Lübeck; Colonie Stephanshain; südlich von Tarnau;
südlich von Rosniontau; Gr. Stein. Auf die Schichten
dieser und der vierten Abtheilung beschränkt; nicht im
Sohlenkalk.
Ret%ia trigonella Schl. sp. Nordwestlich von Tarnowitz ;
Lübeck; Mikultschütz; Bleischarleigrube; Laband; in
Gesteinsbruchstücken nördlich von Broslawitz; Gr. Stein;
südlich von Nakel und Tarnau; Colonie Stephanshain;
südlich von Rosniontau.
Orlicula discoides Schl. sp. Nordwestlich von Tarnowitz.
Liingula tenuissima Bronn. Nordwestlich von Tarnowitz.
Pelecy poda.
Ostrea complicata Goldf. Nordwestlich von Tarnowitz.
Ostrea spondyloides Schl. Nordwestlich von Tarnowitz;
Mikultschütz.
Anomia {Ostred) tenuis Dunk. Nordwestlich von Tarnowitz.
Hinnites comtus Goldf. sp. Nordwestlich von Tarnowitz.
Pecten discites Schl. sp. Nordwestlich von Tarnowitz ; süd-
lich von Broslawitz.
Pecten reticulatus Schl. sp. (incl. Pecten Schröteri Gie-
bel). Nordwestlich von Tarnowitz; Lübeck ; am Ross-
berg; südlich von Rosniontau. Auf die Schichten die-
ser Abtheilung und des rybnaer Kalks beschränkt. Die
Angabe von Pusch, dass derselbe auch bei Lagiewnik
vorgekommen, beruht wohl auf einer Verwechselung.
Pecten {laevigatus ? Schl. sp.). Zu diesem stelle ich vor-
20*
302
läufig einen Pecten, welcher sich indess von dem äch-
ten laevigatus durch regelmässige, concentrische An-
wachsstreifen unterscheidet. Nordwestlich von Tarnowitz.
Lima lineata Schl. sp. (= planicostata Dunk.). Nordwest-
lich von Tarnowitz; in Gesteinsbruchstücken bei Bros-
lawitz; südlich von Rosniontau.
Lima striata Schl. sp. Nordwestlich von Tarnowitz;
Rossberg.
Lima costata Dunk. Nordwestlich von Tarnowitz ; Mikult-
schütz; südlich von Broslawitz; Laband; Bleischarlei-
grube; Lübeck; südlich von Rosniontau; in Gesteins-
bruchstücken nördlich von Broslawitz. Auf dieses Ni-
veau beschränkt.
Cassianella tenuistria Muenst. sp. Mikultschütz. Auf
dieses Niveau beschränkt.
Gervillia socialis Schl, sp. Nordwestlich von Tarnowitz;
südlich von Broslawitz.
Gervillia costata Schl. sp. Nordwestlich von Tarnowitz;
Mikultschütz.
Mytilus vetustus Goldf. Nordwestlich von Tarnowitz.
Myoconcha gastrochaena Dunk. sp. Nordwestlich von Tar-
nowitz.
Area triasina F. Roem. (Die beste Abbildung gab Giebel
in seinen Verst. des Muschelk. bei Lieskau t. 4, f. 8).
Nordwestlich von Tarnowitz; südlich von Broslawitz.
Der Ansicht Dünker's, dass diese Form mit Cucullaea
Beyrichi v. Stromb. identisch sei, welcher sich auch
mein Freund C. v. Seebach in seiner Conchylienfauna
der weimarschen Trias angeschlossen hat, kann ich
nicht beitreten. Area triasina unterscheidet sich von
der letzteren durch eine sehr deutliche, vom Wirbel
nach dem Bauchrande herabziehende Einsenkung, durch
die starke, von der Wirbelspitze nach der hinteren
Ecke verlaufende Kante, durch die geringe Wölbung,
die niedrigere, schmale Ligamentfläche und die kurz
vor der Schalenmitte gelegenen Wirbel. Da bei den
weimarschen Exemplaren , welche meinem Freunde C.
v. Seebach vorgelegen haben, die vom Wirbel herab-
ziehende Einsenkung „kaum bemerkbar" ist, so dürften
sie der Cucullaea Beyrichi zuzuweisen sein. Area
303
triasina ist in Oberschlesien auf dieses Niveau be-
schränkt, während Cucullaea Beyrichi tiefer liegt ; doch
dürfte hierauf wenig Gewicht zu legen sein, da nach
Giebel bei Lieskau beide Formen (denn Giebel's
Area socialis ist mit Cucullaea Beyrichi vereinbar)
nebeneinander vorkommen.
Area Hausmanni Dunk. Nordwestlich von Tarnowitz. Auf
dieses Niveau beschränkt.
Myophoria elegans Dunk. sp. Nordwestlich von Tarnowitz;
Karchowitz ; 'Gr. Stein ; südlich von Tarnau ; südlich
von Rosniontau.
Myophoria laevigata Alb. sp. Ein Exemplar südlich von
Broslawitz.
Myophoria Goldfussi Alb. sp.? Ein Exemplar nordwest-
lich von Tarnowitz.
Cypricardia sp. n. Mikultschütz. Soll später beschrieben
und abgebildet werden.
? Venus ventricosa Dunk. Nordwestlich von Tarnowitz ; im
tiefen Friedrichstolln zwischen Lichtloch 15 und 16.
G astropoda.
Turbonilla nodulifera Dunk. Nordwestlich von Tarnowitz ;
Laband.
Turritetla obsoleta Ziet. Nordwestlich von Tarnowitz.
Pleurotomaria Albertiana Goldf. sp. Nordwestlich von
Tarnowitz ; Mikultschütz ; Laband ; südlich von Brosla-
witz; südlich von Nakel; im tiefen Friedrichstolln zwi-
schen Lichtloch 15 und 16.
Euomphalus sp. ? Soll später beschrieben und abgebildet
werden. Mikultschütz; Laband. Der Querschnitt der
Windungen vierseitig; der Rücken gekielt, die Fläche
zwischen Kiel und unterer Kante längsgestreift. Die
Abbildung, welche mein Freund C. v. Seebach von
demselben gegeben hat, ist unrichtig; es können ihr
nur mangelhaft erhaltene Exemplare zu Grunde gele-
gen haben. Die Identität mit Euomphalus exiguus
Phil, ist zweifelhaft, da Dunker für diesen einen ge-
wölbten Rücken angiebt.
7 bis 10 neue Gasteropodenformen, meist von Mikultschütz.
304
Entomozoa.
Crustacea.
Pemphix Sueuiü Desm. sp.
Lissocardia silesiaca Mey. Bisher nur nordwestlich von
Lissocardia magna Mey. > Tarnowitz gefunden ; auf die-
Myrtonius serratus Mey. ses Niveau beschränkt.
Aphtartus omatus Mey.
Spon dyl o zoa.
Pisces.
Acrodus Braunil Ag. Nordwestlich von Tarnowitz.
Dieses Niveau gehört durch den Einschluss alpiner Trias-
formen zu den schärfst charakterisirten Abtheilungen des ober-
schlesischen Muschelkalks; abgesehen hiervon bilden im Allge-
meinen das Vorherrschen der Crinoiden und Brachiopoden und
das fast völlige Fehlen von Fisch- und Saurierresten die hervor-
stechendsten Charactere der beiden geschilderten Abtheilungen
im Gegensatz zu den beiden folgenden.
3. Der mergelige Dolomit mit Roggenstein.
Petrographischer Charakter.
Der mikultschützer Kalk wird von einem gelblichen oder
weisslichen, mergeligen Dolomit (Dolomitmergel Karsten's und
v. Carnall's) überlagert, welcher sich in seinen unteren Schich-
ten durch eine deutlich oolithische Struktur auszeichnet und hier
die weiter unten aufgeführten Petrefakten einschliesst. Einlage-
rungen von Hornstein sind demselben bereits fremd.
Verbreitung.
Den oberen Theil der oberen Dolomitschichten in den beiden
von Dolomit ausgefüllten Mulden von Tarnowitz und Beuthen
bildend, finden wir die Gesteine dieser Abtheilung in der beu-
thener Mulde aufgeschlossen: im Felde der Bleischarleigrube in
einem unscheinbaren Steinbruch bei Brzezinka, am Windmühlen-
berge bei Beuthen, südlich von Scharlei, nördlich von Theresia-
grube, bei Miechowitz, bei Wieschowa und Laband (hier von Herrn
v. Carnall als isolirte Dolomitpartien angegeben) ; in der tarno-
witzer Mulde wurden sie mit dem Gotthelf-, dem alten Bomagobog-
und mit dem tiefen Friedrichstolln zwischen Lichtloch 15 und 16
überfahren und sind ferner bei Versucharbeiten nach Eisenerzen
305
nahe unter Tage liegend beim Glückhilfschacht der Friedrichs-
grube, bei Alt-Tarnowitz und bei der Colonie Bergfreiheit ange-
troffen worden. In dieses Niveau gehört auch das Gestein von
Himmelwitz nördlich von Gr. Strehlitz, welches Herrn v. Car-
nall zur Angabe einer isolirten (übrigens zu weit nach Norden
ausgedehnten) Dolomitpartie daselbst veranlasst hat, und von
welchem unbedenklich angenommen werden kann, dass es überall
zwischen den Schichten des mikultschützer Kalks und denen der
folgenden Abtheilung vorhanden sei, wenn wir es auch sonst
nirgends in jenem Muschelkalkzuge aufgeschlossen finden.
Organische Einschlüsse.
Von organischen Resten haben sich in dieser Abtheilung
bisher gefunden:
Ein Petrefact, ähnlich dem von Schafhaeutl als TSullipora
annulata in Bronn/s Jahrbuch für Min. etc. 1853 von
der Zugspitze und von v. Schauroth als Chaetetes ?
aus Findlingen im Val del Orco bei Recoaro in den Denk-
schriften der wiener Akad., math.-nat. Kl., Bd. 17 be-
schriebenen Leitpetrefact des Mendoladolomits und des
hallstädter Kalks. Sein Vorkommen in Oberschlesien
wurde von Herrn Professor Beyrich nach ein paar we-
niger deutlichen Stücken der früher OTTo'schen Samm-
lung längst vermuthet. Fand sich zum Theil massenweise
in der Nähe des Glückhilfschachts, im tiefen Friedrich-
stolln zwischen Lichtloch 15 und 16 und bei Himmelwitz.
Ueber die zoologische Natur desselben haben leider auch
die oberschlesischen Exemplare bis jetzt noch keinen ge-
nügenden Aufschluss gegeben.
Pelecypoda.
Monotis Albertü Goldf. (— Pecten Älbertii Gieb.) Colonie
Bergfreiheit.
Gervillia socialis Sc hl. sp. Glückhilfschacht.
Gervillia costata Sc hl. sp. Glückhilfschacht.
Myophoria vulgaris Schl. sp. Häufig. Glückhilfschacht;
Bleischarleigrube.
Myophoria laevigata Alb. sp. Häufig. Glückhilfschacht;
Bleischarleigrube.
Gastropoda.
Chemnit%ia sp. n. Ein kleines Schneckchen, ähnlich einer von
306
Muenster am bindlocher Berge aufgefundenen Form.
Soll später beschrieben und abgebildet werden. Sehr
häufig. Glückhilfschacht; Alt- Tarnowitz ; Colonie Berg-
freiheit; südlich von Scharlei; Bleischarleigrube.
Natica sp. ? (oolithica ? Zenk.) Sehr häufig. Glückhilfschacht.
Natica turbilina Muenst. Glückhilfschacht.
Pleurotomaria Alhertiana Goldf. sp. Im tiefen Friedrich-
stolln zwischen Lichtloch 15 und 16.
Pisces.
Arcodus lateralis Ag. ) r. , ♦
Glückhilischacht.
Fischschuppen.
Sauri.
Kleine nothosaurusartige Zähne. Glückhilfschacht.
4. »er rybzmer Kalk.
Petrographischer Charakter.
Die vierte Abtheilung und den Schluss des Muschelkalks
bildet ein grauer, braungefleckter oder röthlicher Kalk mit splitt-
rigem Bruch, welcher sich durch die Häufigkeit des Pecten dis-
cites Schl. sp. , den Einschluss von Ammonites nodosus Brug.
und seine zahlreichen Fisch- und Saurierreste auszeichnet. Ein-
lagerungen von Hornstein sind ihm fremd.
Verbreitung.
Wir finden ihn, die Gesteine der vorigen Abtheilung über-
lagernd, aufgeschlossen bei Alt -Tarnowitz, Opatowitz, Rybna,
Larischhof, Wilkowitz, Colonie Georgendorf, Miedar und (wenn
auch in seiner petrographischen Beschaffenheit abweichend und
sich mehr an die Gesteine der vorigen Abtheilung anschliessend)
nördlich von Mikultschütz ; an diesen Punkten ist er auch bereits
von Herrn v. Carnall als opatowitzer Kalkstein angegeben wor-
den. Ausserdem aber bildet derselbe in ganz gleicher petrogra-
phischer und paläontologischer Beschaffenheit noch einen Kalkzug,
welcher, den beiden oben erwähnten Kalkzügen des Encriniten-
und mikultschützer Kalkes parallel, mit westöstlichem Streichen
und nördlichem Einfallen von Tarnau an über Nakel, Stuben-
dorf, Suchow, Gr. und Kl. Rosmierka bis in die Gegend nörd-
lich von Himmelwitz sich forterstreckt und auf der Karte des
Herrn v. Carnall dem Sohlenstein zugewiesen worden ist.
307
Organische Einschlüsse.
Von Petrefakten sind in dieser Abtheilung bis jetzt aufge-
funden:
Crinoidea.
Entrochus dubius Goldf. Ein einzelnes, wohl verschwemm-
tes Säulenglied von Opatowitz.
Brachiopoda.
Terebratula vulgaris Schl. Rybna; Larischhof; Stubendorf.
Spirifer fragilis Schl. sp. Rybna; Wilkowitz; Stubendorf.
Lingula tenuissima Bronn. Opatowitz.
Pelecypoda.
Ostrea placunoides Müenst. Stubendorf.
Ostrea complicata Goldf. (incl. Ostrea decemcostata Müenst.
Rybna. Stubendorf
Ostrea spondyloides Schl. Rybna.
Pecten discites Schl. sp. Häufig. Rybna; Opatowitz; Alt-
Tarnowitz; Larischhof; Rosmierka.
Pecten laevigatus Schl. sp. Larischhof.
Pecten reticulatus Schl. sp. Rybna.
Lima striata Schl. sp. Opatowitz; Alt-Tarnowitz.
Monotis Aibertii Goldf. Stubendorf; Kl. Rosmierka.
Gervillia socialis Schl. sp. Alt-Tarnowitz; Kl. Rosmierka.
Gervillia costata Schl. sp. Stubendorf; Kl. Rosmierka.
Myophoria vulgaris Schl. sp. Alt-Tarnowitz.
Cordula dubia Müenst. Opatowitz; Wilkowitz.
Cephalopoda.
Nautilus bidorsatus Schl. Rybna.
Ammonites {Ceratites) nodosus Brug. Rybna; Larischhof.
Rhyncholithus hirundo Faure «Big. Rybna.
Pisces.
Schädel:
Saurichthys tenuirostris Muenst. Opatowitz.
Flossenstacheln:
Leiacanthus {Hybodus) Opatowit%anus Mey. Opatowitz.
Leiacanthus {Hybodus) Tarnowitzanus Mey. Alt-Tarnowitz.
Hybodus major Ag. Rybna; Larischhof.
Hybodus tenuis Ag. Alt-Tarnowitz.
Zähne:
Hybodus plicatilis Ag. Rybna; Larischhof; Col. Georgen-
dorf; Stubendorf; Kl. Rosmierka.
308
Hyhodus Mougeoti Ag. Rybna; Larischhof; Alt-Tarnowitz;
Kl. Rosmierka.
Hybodus obliquus Ag. Rybna.
Hybodus longiconus Ag. Opatowitz; Wilkowitz; Kl. Ros-
mierka.
Hybodus simplex Mey. Alt-Tarnowitz.
Acrodus Gaillardoti Ag. Rybna; Alt-Tarnowitz; Larisch-
hof; Wilkowitz; Kl. Rosmierka; Suchow.
Acrodus lateralis Ag. Rybna.
Acrodus acutus Ag. Rybna.
Acrodus Braunii Ag. Rybna.
Acrodus immarginatus Mey. Larischhof.
Strophodus angustissimus Ag. Alt-Tarnowitz.
Saurichthys Mougeoti Ag. Rybna; Larischhof; Wilkowitz;
Stubendorf ; Kl. Rosmierka.
Saurichthys apicalis Ag. Opatowitz.
Colobodus varius Gieb. Rybna; Wilkowitz; Alt-Tarnowitz.
Placodus- Zähne. Rybna; Alt-Tarnowitz; Opatowitz; La-
rischhof.
Schuppen von Rybna, Alt-Tarnowitz, Larischhof, Opatowitz
cf. Palaeontogr. I, t. 29 f. 4 — 10, 12, 13. Dieselben bei
Wilkowitz; Col. Georgendorf; Stubendorf; Kl. Rosmierka.
Wirbel von Larischhof cf. Palaeontogr. I, t. 29 f. 55, 56.
Sauri. Ueber die Saurierreste von Rybna, Larischhof, Opato-
witz, Alt-Tarnowitz cf. v. Meyer: die Saurier des Mu-
schelkalks. Schon v. Meyer macht darauf aufmerksam,
dass sich dieselben durch die Grösse der Thiere, denen
sie angehört haben, sehr von den Saurierresten der tiefe-
ren Abtheilungen des Muschelkalks unterscheiden.
Die Angabe von v. Oeynhausen und Pusch, dass bei Stu-
bendorf auch die Ret%ia trigonella vorgekommen sei, bezieht
sich wohl auf Exemplare aus dem südlich von Stubendorf anste-
henden mikultschützer Kalk.
Das fast völlige Fehlen der Crinoiden bildet für die Ge-
steine dieser, wie der vorigen Abtheilung, ein sehr bezeichnen-
des, negatives Merkmal und einen scharfen Contrast gegen alle
älteren Glieder des Muschelkalks.
Uebersehen wir schliesslich noch einmal schematisch die ver-
ticale Verbreitung der einzelnen Petrefakten, so finden sich im
3«
0
ja
5-
Scyphia caminensis
= Nullipora annulata . ......
Montlivaltia triasica
Thamnastraea silesiaca ......
Entrochus cf. Encrinus liliiformis
- dubius
silesiacus
Encrinus gracilis
aculeatus
= Calathocrinus digitatiis .....
Cidaris transversa
Radioiiis cf. Radiolus Waechteri . .
Terebralula vulgaris
Rhynchonella decurtata
Mentzeli
Spirifer Mentzeli .
fragilis
Retzia triogonella
Orbicula discoidea
Lingula tenuissima
Ostrea placunoides
complicata
spondyloides
Änomia tenuis
Pecten discites
laevigatus .
- reticulatus
Lima striata
lineata
costata
Hinnites comtus
Cassianella tenuistria
Monotis Albertii .........
Gervillia socialis
- costata
Mytilus vetustus
Area triasina
Hausmanni
Myopkoria vulgaris
elegans
laevigata
Goldfussi?
Myoconcha gastrochaena
Cypricardia sp. n
? Venus ventricosa
Corbula dubia
310
OB &
O
a
P
H £
'S g
m u
Turbonilla nodulifera . .
Turritella obsoleta . . .
Pleurotomaria Albertiana
Euomphalus sp. ? . . . .
Natica sp.?
turbilina ....
Chemnitzia sp. n
Nautilus bidorsatus . . .
^Im/nontfes nodosus . . .
Rhyncholithus hirundo . .
Pemphix Sueurii ....
Lissocardia silesiaca . .•
- magna . . .
Myrtonius serratus . . .
Aphthartus ornatus . . .
Saurichthys tenuirostris .
apicalis . . .
Mougeoti . .
Leiacanthus Opatowitzanus
Tarnoicitzanus
Hybodus major . . ... .
tenuis
plicatilis ....
Mougeoti ....
- obliquus ....
longiconus . . .
simplex ....
Acrodus lateralis ....
Gaillardoti . . .
acutus
Braunii ....
immarginatus . .
Strophodus angustissimus
Colobodus varius ....
Placodus sp. ?
Reste grosser Saurier . .
Ich habe in den vorliegenden vorläufigen Notizen jede Ver-
gleichung der Glieder des oberschlesischen Muschelkalks mit de-
nen anderer Gegenden absichtlich vermieden, um mich nicht einer
übereilten Parallelisirung schuldig zu machen. Doch kann ich
nicht unterlassen, schliesslich noch auf den wichtigen Einfluss
hinzuweisen, welchen die gewonnenen Resultate bei der Beurthei-
311
lung der Stellung des Virgloriakalks v. Richthofen's in den
Alpen, welcher die Fauna des mikultschützer Kalks einschliesst,
ausüben müssen; denn, da es keinem Zweifel unterliegen kann,
dass wir den rybnaer Kalk als ein Aequivalent der Disciten-
und Ceratitenschichten des deutschen Muschelkalks aufzufassen
haben, so folgt aus der Ueberlagerung des mikultschützer Kalks
durch den rybnaer, dass auch der Virgloriakalk v. Richtho
fen's nur als ein Glied des Muschelkalks betrachtet werden kann.
312
5. Ueber den Pechstein und Perlstein.
Von Herrn H. Fischer zu Freiburg in Baden
In den neuesten mineralogischen, petrographischen und geo-
logischen Schriften ist noch fast einhellig der Ansicht gehuldigt,
dass die Pechsteine, Perlsteine, Obsidiane und Bimssteine, welche
Andr. Wagner (Gesch. d. Urwelt 1857. I. 264) zusammen mit
dem kühn gebildeten Worte „Glasite" belegt, vulkanische Sch m el z-
produkte feldspathhaltiger Gesteins-Materialien seien. G. Bischof
dagegen betrachtet in seiner ehem. und pbys. Geologie (II. 2222
und 2246) die Perl- und Pechsteine als Zersetzungsprodukte, zum
Theil wenigstens von Trachytporphyren.
Der Ansicht von J. N. v. Fuchs , der schon vor mehr als
20 Jahren die Beobachtung machte, dass eingekochtes Wasserglas
eine bimssteinähnliche Beschaffenheit annehme, und dass auch
Pechstein in ähnlicher Weise (d. h. auf nassem Wege) sich ge-
bildet haben möchte, wurde kaum irgendwo Erwähnung gethan,
geschweige Beifall geschenkt. (Vergl. Fuchs gesammelte Schrif-
ten 1856 pg. 210 oder: Münch, gel. Anzeigen 1838. N. 26—30:
Vortrag gelesen 25. Aug. 1837). Im Jahre 1833 betrachtete
Fuchs selbst den Pechstein noch als verglaste Substanz. Vergl.
bayr. Annal. 345 oder gesammelte Schriften 148. Ueber den Opal
und den Zustand der Gestaltlosigkeit, Amorphismus.
Andr. Wagner jedoch tritt in seinem obenangeführten
Werke jener Anschauung bei , und wenn ich meinerseits diesem
Forscher auch eine Reihe der in seinem IV. Abschnitte ausge-
sprochenen Ideen gerne ungetheilt überlasse, so schlage ich mich
doch bezüglich der Pechsteine mit ihm offen auf die Seite von
Fuchs und hoffe im Folgenden einige Thatsachen zur Erörterung
zu bringen, welche manchen Geologen — wenn auch vielleicht
nicht zu dieser Ansicht zu bestimmen — doch wohl zu einer
vorurteilsfreieren Betrachtung der ihm zugänglichen Gesteine aus
dieser Gruppe zu veranlassen oder neue Discussionen hierüber
ins Leben zu rufen vermögen.
Der Ausspruch von Fuchs (a. a. O. Zusätze 1) lautet so:
313
„Aus der glasartigen Beschaffenheit eines Körpers ist nicht im-
mer zu schliessen, dass er ein Produkt des Feuers sei, denn es
kann Aehnliches auch auf nassem Wege entstehen. So giebt
z. B. die Auflösung des Wasserglases, wenn sie langsam
eintrocknet, eine dem gemeinen Glase, dem Ansehen nach, ganz
ähnliche Masse. Es ist mir daher mehr als wahrscheinlich, dass
der Pechstein auf ähnliche Weise entstanden sei, und ich glaube
dieses um so mehr , da er Wasser enthält und im Feuer sich
aufbläht. Für den neptunischen Ursprung desselben spricht auch
der Umstand, dass er bisweilen in den Hornstein (?) übergeht,"
Meine eigenen Beobachtungen sind nun folgende. Bei einer
Musterung der obengenannten Gesteine unserer Universitäts-
Sammlung mittelst einer starken Lupe fiel mir an einem flach-
muschligen, ganz und gar nicht körnig struirten, grünen, meissner
Pechsteine augenblicklich die täuschende Aehnlichkeit auf, die
seine innere, feinere Struktur, (welche nur das bewaffnete
Auge scharf genug wahrnimmt), mit der von reinem, stark ein-
gekochtem Wasserglas besitzt, während z. B. eine sog. Schaum-
schlacke, an die man dabei etwa sich erinnert fühlen könnte, und
wie ich eine solche von Hausen im Wiesenthal vor mir habe,
ein wesentlich anderes Bild darbietet.
Am Schönsten zeigte sich mir jene Struktur von allen mir
vorliegenden Pechsteinen an den grünen von Meissen , einiger-
massen auch noch an den rothen von da. Dieselbe ist gewisser-
massen concentrisch-schalig, aber auf höchst eigenthümliche Weise
durch den (an amorphe Massen, wie Opal u. s. w. erinnernden)
gross- oder kleinmuschligen Bruch vielfach maskirt. Bas, was
dem freien Auge als verworren weisse Zeichnungen auf der ganz
frischen Oberfläche des Pechsteins erscheint, ergiebt sich bei
Vergrösserung als die versteckten Durchschnitte der Schalenrän-
der. Legt man neben einen solchen Pechstein ein Stückchen des
genannten Wasserglases, so wird man durch die Aehnlichkeit
in dem Bau, in dem Ineinandergreifen der Schalenränder u. s. w.
wirklich überrascht, während die danebengelegte Schaumschlacke
durch die Beschaffenheit ihrer, wenn auch noch so reichlichen, in
*) Dies ist besonders dann der Fall, wenn man das Kochen in einer
Porzellanschale vornimmt, an welche die Flamme nicht unmittelbar schlägt,
sondern welche in eine zweite, mit Wasser gefüllte Schale gesetzt ist, de-
ren Wasser erhitzt wird, so dass das Eindicken ganz langsam geschieht.
314
der Substanz eingebetteten Bläschen doch nicht an schalige
Struktur erinnert. — Natürlich muss man bei der Vergleichung
des Wasserglases, welches unter Zutritt der Luft eingekocht ist,
absehen von den vielen Hohlräumen, während der Pechstein bei
seiner concentiisch-schaligen, mehr oder weniger deutlich hervor-
tretenden Struktur ganz dicht, solid ist. Ich halte es jedoch kei-
neswegs für zu fernliegend, dass es der synthetischen Chemie
gelingen möchte, an die Wasserglas-Substanz anschliessend die
Pechsteinsubstanz mit allen ihren Bestandtheilen und Eigenschaf-
ten dereinst noch nachzuahmen.
Dieselbe Struktur, wie an den meissner Pechsteinen, sah ich
auch an einem grünlichgrauen, ungarischen Pechsteine mit undeut-
lich krystallinischen Sanidin - Ausscheidungen, der aus dem Hli-
niker Thal bei Schemnitz stammt. Je dunkler jedoch die Pech-
steine, desto undeutlicher wird das oben geschilderte Bild.
Der Ansicht von G. Bischof, dass Pech- und Perlsteine
Z er set z u ng s produkte von andern Felsarten, z. B. Trachytpor-
phyren seien, wobei er besonders als Beleg auf die concentrisch-
schalige Struktur verweiset, muss ich mehrere gewichtige Beden-
ken entgegenstellen. Sollte der Basalt, der zuweilen in dieser
Art verwittert, als Analogon gelten, so ist dies, genau genom-
men, schon in so fern ein ganz anderer Fall, als der Basalt ein
mechanisches Gemenge von Mineralien ist und auch im concen-
trisch-schaüg verwitterten Zustande ein solches bleibt, während
der Pechstein der Hauptsache nach als homogene Masse dasteht.
Noch viel weniger hat dann der Basalt bis in seine feinsten
Theilchen eine concentrisch-schalige Struktur, wie der Pechstein ;
dies hat nicht einmal der schöne sog. Kugeldiorit von Corsica,
der doch schon am frischen Felsen eine, wenn auch nicht in
Schalen sich ablösende, so doch concentrische (und zugleich ex-
centrisch-strahlige) Anordnung seiner Theilchen aufweiset. Sehen
wir uns nun aber nach den concentrisch-schalig vorkommenden,
einfachen Mineralsubstanzen um, so ist wohl z. B. der Ma-
lachit zuweilen ein Umwandlungsprodukt aus Cuprit (Chessy bei
Lyon), dann sah ich ihn aber gerade nicht schalig und, wo ich
ihn sonst schalig traf, konnte ich mich wenigstens , wenn er
selbst auch da aus einem andern Mineral hervorgegangen sein
sollte, keineswegs überzeugen, dass er die schalige Struktur des-
halb habe, weil er Umwandlungsprodukt sei. Vielmehr ist bei
Malachit, gediegen Arsen, schaliger. Blende, eine, wenigstens unter
315
der Lupe noch sicher nachweisbare excentrisch-fasrige oder eine
blättrige Struktur (bei manchen Blenden, Wolfram) mit im Spiele;
nicht sicher zu erkennen ist dies beim schaligen Zinnober
(sog. Korallenerz); doch glaube ich kaum, dass hier, wie auch
beim schaligen Baryt, Quarz (sog. Kappenquarz), Vesuvian,
Pistazit, bei den Eisennieren, Erbsensteinen und Rogensteinen
die schalige Struktur von einem Zersetzungsprozess wird herge-
leitet werden wollen, sondern doch wohl eher von der mit dem
Entstehen des betreffenden Minerals gegebenen Tendenz zu einer
bestimmten Anordnung der Theilchen,
Von allen diesen Substanzen ist es allein der Rogenstein-
Kalk, der auch im Grossen vorkommt, wie der Pechstein. Ge-
rade beim Rogenstein lässt sich aber die Schalenstruktur bis ins
Kleine verfolgen , und er ist doch gewiss auch als solcher eine
primäre Bildung, kein Zersetzungsprodukt einer andern Fels-
art; sonst soll natürlich seine Entstehungsgeschichte hier in keine
Beziehung zu der des Pechsteins u. s. w. gebracht werden.
Der concentrisch - schalige Bau scheint beim Pechstein da und
dort selbst auch im Grossen zu Tage zu treten, wie sich aus der
in Lyell's Geologie (übersetzt v. Cotta. II. Bd. S. 314) mit-
getheilten Abbildung eines Pechsteinfelsens von Chiaja di luna auf
der Insel Ponza im IVJittelmeer ergiebt.
Wie aus Obigem hervorgeht, konnte ich mich in diesem Falle
mit Btschof's Ansicht nicht befreunden. Die zuvor beschriebene
Aehnlichkeit des Pechsteins (und Perlsteins zum Theil) mit einge-
kochtem Wasserglase trug daher lebhaft dazu bei, in mir auch
den Gedanken, als seien die Pechsleine und Perlsteine mit ihrem
grossen Wassergehalte und ihrem Bitumen Umschmelzungsprodukte
von Feldspathgesteinen, — eine Anschauung, die sich ohnehin bei
mir nie recht hatte zur Geltung bringen können — , vollends zu
verscheuchen. Vielmehr trat an dessen Stelle eine andere Idee,
welche vielleicht mehr für sich hat und mir einer weitern Prüfung
werth zu sein schien.
Ich bin nämlich, anstatt diese Gesteine für durch Schmel-
zung schon vorher gebildet gewesener, fester, krystallinischer
Gesteine entstandene Produkte zu halten, im Gegentheil auf den
Gedanken gekommen, die Pechsteine und Perlsteine seien
die beim Uebergang aus dem festweichen in den festen
Zustand nicht zur wirklich krystallinischen Ausbil-
dung gelangten, sondern fast amorph gebliebenen
Zeits. a. d. geol. Ges. XIV. 2. 21
316
Reste derjenigen Substrat- oder Teig-Substanz, aus
welcher, wenn die Verhältnisse für krystallinische Ausbildung
beim Erstarren local günstiger gewesen wären, sich gerade erst
hätten im einen Fall (bei den Pechsteinen) Porphyre, im an-
dern dagegen (bei den Perlsteinen) Trachyte ausbilden sollen
und können. Es ist ja doch allgemein anerkannt, dass diese
besprochenen je zusammengehörigen Felsarten auch wirklich in
einander verlaufen, Pechsteine in Porphyre, Perlsteine in Trachyte,
und dass andererseits auch Porphyre und Trachyte sich nicht
ferne stehen. Pechstein soll, wenngleich selten, auch säulen-
förmig abgesondert, wie Porphyr, vorkommen, z. B. auf Scuir of
Egg auf der Hebriden- Insel Egg; jedoch wäre dies nach Nau-
mann (Geol. II. 701.) kein eigentlicher Pechstein.
Sehen wir vollends, wie manche sog. Pechsteine, z. B. vom
Hliniker-Thale, eigentlich nur Pechsteine mit nicht gross- und
flachmuschligem, sondern kleinmuschligem Brnche und mit Sani-
dinausscheidungen sind, und werfen wir schliesslich dann noch
einen Blick auf die von Th. Scheereb (Artikel Pechstein in
Liebig Handwörterb. d. Chem. 1854 od. Leönh. Jahrb. 1855.
S. 60) zusammengestellten älteren und neuesten Analysen
von Pechstein, Perlstein und Obsidian mit Bimsstein, wo bei
letzteren ausser der übrigen Uebereinstimmung auch Wasser auf-
geführt wird: so finden wir uns wirklich versucht, die Grenzen
dieser Körper unter sich qua mineralogische Species feilen zu
lassen (Obsidian und Bimsstein sind ohnedies schon vereinigt),
und sie mehr nur noch als Varietäten einer und derselben Sub-
stanz zu betrachten, welcher ich aber dann einen geschickteren
Namen wünschen möchte, der erstens nicht aus einem deutschen
Hauptworte mit griechisch -lateinischer Endsilbe bestände, wie
Glasit, und zweitens auch nicht in seinem Begriffe eine Andeu-
tung der Bildungsgeschichte, eine Hypothese involvirte. Freilich
wollte gerade von A. Wagneb mit jenem Namen nicht auf die
S chm e 1 z flüssigkeit des Glases, sondern auf das glasähnliche
Aussehen jener Körper angespielt werden.
Bei künstlichen Gläsern, also wirklich aus feurigem Flusse
erstarrten Substanzen, ist von vornherein zu erwarten, dass sie in
Splittern nach einer vor dem Löthrohr wiederholt mit ihnen vor-
genommenen Schmelzung und Wiedererkaltung je nach der
Raschheit der letztern und nach etwaigem Gehalte
an flüchtigen Bestandtheilen wenigstens annähernd die-
317
selbe innere Beschaffenheit wieder annehmen würden, die sie
als einmal zum Glase gewordener Schmelzfluss zuvor hatten.
Es wird sich das auch meistens so herausstellen. Ich machte
mehrfach diese Probe an künstlichem Glas, dessen Splitter ich
öfter schmolz und wieder erkalten lie?s. Während es bei den
ersten Schmelzungen auf der Oberfläche ziemlich glatt und im
Innern von wenigen Bläschen besetzt, im Allgemeinen also sehr
durchsichtig blieb, so wurde es bei weiterem Schmelzen und
Wiedererkalten auf der Oberfläche immer rauher, es verschrumpfte
stellenweise gleichsam, begreiflich weil die sog. fixen Alkalien ja
doch eigentlich nicht fix sind und, wie die gelbe Natronfärbung
der Löthrohrflamme am Besten beweisst, fortan entweichen ; es
findet also Substanzverlust statt. Die innere Struktur des
Kügelchens jedoch erleidet keine wesentliche Umänderung da-
bei. Denselben Versuch stellte , ich mit Glassflüssen an, die sich
in Porcellanfabriken gebildet hatten.
In der Schlackensammlung, ^die ich mir im Laufe der Zeit
zu solcherlei Vergleichungen anlegte, fand ich — zur Steuer der
Wahrheit sei es ganz unparteiisch hier erwähnt — ein einzelnes
Stück, welches ein unerwartetes Verhalten hierin darbot. Dasselbe
ist homogen glasartig, obsidianähnlich, nur in dünnsten Kanten
oder flachen Splittern durchscheinend, violett, bei auffallendem
Lichte schwarz, mit grossmuschligem Bruche, (Gar-Schlacke aus
dem Hohofen von Kandern). Auf der einen (concaven) Ober-
fläche desselben nimmt man dichtgedrängte, winzige, nicht tief
in die Masse dringende, durchlöcherte Bläschen wahr, die wohl
dadurch bedingt sind, dass die Schlacke über eine Oberfläche
(? glühende Kohlen, es ist auch ein Stückchen Holzkohle einge-
backen) geflossen war, aus welcher sich Gase entwickelten, die
aber wegen der Erstarrung der Substanz grösstentheils nicht ganz
bis zur freien, gegenüberliegenden (convexen) Oberfläche des
Stromes gelangen konnten, denn letztere zeigt weit spärlichere,
feine, lochartige Eindrücke. Auf den Seitenflächen dieser Schlacke,
die ich geflissentlich zur Vergleichung für andere Beobachter ganz
genau hier beschrieb, sind fast gar keine Löcher zu sehen.
Diese Garschlacke nun schmilzt in Splittern vor dem Löth-
rohr leicht zu einem blasigen, farblosen Glase, gewinnt also auch
nicht mehr ihr früheres Aussehen, welches in diesem Falle grössten-
theils homogen glasartig war. Der Hauptbestandteil ist Kalk-
silikat.
21*
318
Es liegt demnach hier bei einer entschiedenen Silikat-
Schlacke ein Fall vor, welcher der oben berührten Erwartung,
es werden Gläser nach dem Erkalten wieder ihre frühere Struk-
tur annehmen, widerspricht. Es ist auch bekannt, dass manche
Gläser krystallinisch werden. Ich wüsste ferner im Augenblicke
die Möglichkeit nicht zu bestreiten, dass ein Schmelzprodukt nach
dem Erkalten sogar die concentrisch - schalige Textur annehmen
könnte, und von diesem Standpunkte Hesse sich also noch
immer behaupten, der Pechstein könne trotz der von mir behaup-
teten innern Textur gleichwohl ein Schmelzprodukt sein.
Wir wollen nun aber der Reihe nach die andern Nebenum-
stände mustern und ihren Werth prüfen.
Dass die Pechsteine, welche Farbe sie auch haben, sich zu
weissem, blasigem Glase brennen, hätte noch nichts zu be-
deuten, denn auch dies ist eben bei unserer violetten Gar-Schlacke
der Fall, bei deren Erhitzung sich, wie es scheint, Gase entwickeln
und das Blasigwerden bedingen; Wasser ist beim Erhitzen im
Kölbchen keines darin nachweisbar, so wenig als ein Geruch
nach bituminösen Stoffen oder ein Ansatz solcher am Glase.
Bedenklicher für die plutonische Anschauung ist aber schon
der Gehalt der Pechsteine an Wasser (3 — 10 pct.) und das von
ältern und neuern Chemikern (Ficinus, Knox, Delesse) darin
aufgefundene Bitumen. Aus dem Wassergehalt schliesst Rammels-
Berg auf submarine Bildung des Pechsteins; dann müsste wohl
das Bitumen gleichzeitig mit hineingekommen sein; denn an eine
nachträgliche Aufnahme vermöge etwaiger Permeabilität möchte
doch bei den Pechsteinen aller Fundorte kaum zu denken sein,
auch wenn wir uns der künstlichen Färbung der gleichfalls sehr
dicht und impermeabel aussehenden Quarze und Chalcedone
(vergl. Noeggerath in Leonh. Jahrb. 1847. 473) erinnern.
Ferner wird es am Platze sein, die in neuerer Zeit zu all-
gemeinerer Annahme gelangten Ansichten" über die Genesis
derjenigen Mineralien aufzusuchen, die nicht versteckt, wie der
Pechstein, sondern evident concentrisch -schalige Textur zeigen,
und da begegnen wir eben einer Reihe von Species, deren schalige
Varietäten heutzutage kaum mehr von Jemandem für schmelz-
flüssige Produkte angesprochen werden, wie z. B. Erbsen- und
Rogensteine, Bohnerze und Eisennieren, Wolfram, Zinkblüthe,
Malachit, Sphärosiderit, Baryt, Quarz, Vesuvian (vergl. Bischof
319
a. a. O. II. 505), Pistazit (ebenda 416), gediegen Arsen, Zink-
blende, Korallenerz.
Ferner giebt es manche Beziehungen des Pechsteins zu an-
deren krystallinischen Gesteinen, mit denen er eng verknüpft vor-
kommt (vorzugsweise Porphyr), die meines Erachtens bei der
Supposition, dass Pechstein ein Schmelzprodukt sei, nach physi-
kalischen Gesetzen sich nicht wohl erklären lassen, und ich glaube
hierzu einige Thatsachen hinzufügen zu können bezüglich der
Entwicklung des Glimmers und Feldspathes im Pechstein, welche
trotz der grossen Verbreitung des Pechsteins, so weit mir be-
kannt ist, noch nicht von anderer Seite zur Sprache gebracht
wurden.
Den Pechstein im Grossen an Ort und Stelle zu untersuchen,
hatte ich leider selbst noch keine Gelegenheit. Bei meinen Unter-
suchungen über die schwarzwälder Felsarten habe ich mich aber
schon oft davon überzeugt, dass man durch ein gründliches, in
alle Einzelnheiten eingehendes, mineralogisches und wo nöthig
auch chemisches, möglichst unbefangenes Studium von Felsarten-
Handstücken zu Resultaten gelangt, die bei einer etwa ersten
oder wiederholten Untersuchung der Fundstätte selbst Einem be-
sonders zur Verhütung haltloser Hypothesen ausserordentlich zu
Statten kommen.
Betrachtet man nun z. B. Handstücke von Pechstein in
seinem Zusammenvorkommen mit Porphyr, so kann ich mir ein
für allemal nicht vorstellen, mit welcher Eklektik der Stellen
desselben Materials der Schmelzprocess hätte vor sich gehen
müssen, um solche Ergebnisse zu liefern, wie wir sie z. B. bei
Meissen finden.
Meine Einbildungskraft ist nämlich nicht so stark, um zu
begreifen, wie bei dem zur Schmelzung des Pechstein- oder Por-
phyr-Materials - — wie man hier will - — nöthigen Hitzegrade
einzelne Porphyrstellen oder Feldspathkrystalle oder Glimmer-
blättchen in so buntem Wechsel intact zwischen den wirklich
zur Schmelzung gelangt sein sollenden Gesteinspartieen geblieben
wären, als wirklich solche Stellen unversehrt neben einander an-
getroffen werden.
Sollte man hier eine Schmelzung statuiren, so müsste man
nothwendig den intact gebliebenen Stellen einen weit höhern
Schmelzpunkt zuschreiben. Nun liegt aber der Gedanke gewiss
nahe genug, von einem und demselben Stücke zwei Splitter
320
gleich gross und gleich dünn ausgewählt und unmittelbar da
nebeneinander abgelöst, wo einerseits Pechsteinsubstans und an-
dererseits Felsitsubstanz (also Teigsubstanz des Porphyrs) oder
aber gar eine mit deutlicher Spaltungsfläche versehene Feldspath-
partikel aneinanderstossen — gleichzeitig in die Platinpincette
zu fassen und der Löthrohrflamme zum Schmelzen auszusetzen.
Da wird man sich aber überzeugen können, dass der Felsit- oder
Feldspathsplitter und der Pechsteinsplitter gleichzeitig und zwar
zu ganz gleichmässig blasigem, weissem Glase schmelzen.
Nehmen wir dagegen an, dass im Pechstein gleichsam die
amorph erstarrten Reste derjenigen Ur- Teigmasse noch vorliegen,
aus deren noch festweichem Zustande in den weitaus zahlreich-
sten und zugleich günstigsten Fällen sich Porphyre oder Granite
oder Gneisse entwickelten, wozu dieser Teig das Material ja
enthält, wie eine Vergleichung der Analyse von Pechsteinen
einerseits und Graniten, Porphyren u. s. w. andererseits lehrt:
so frappirt es uns dann in keiner Weise mehr, dass z. B. der
Pech stein so oft in Porphyr übergeht oder dass er als eine kry-
stallinisch unvollkommener gebliebene Gesteinsbildung sogenannte
Gänge zwischen Porphyr, z. B. bei Chemnitz oder ganze Berge
im Bereiche des Porphyrs, wie in Peru, oder auch Gänge im
Granit bildet, wie zu Newry in Irland (G. Leonhard top.
Mineral. 411), oder aber dass er Felsit- oder Porphyr -Kugeln*),
also solche Partikeln einschliesst, wo die Felsitbildung oder gar
Porphyrentwicklung wirklich schon zu Stande gekommen war.
Von dieser letztern Erscheinung führt Breithaupt (Paragen. 51. ff.)
eine ziemlich verwickelte Erklärungsweise von A. v. Gutbier.
an, ohne ihr jedoch in allen Punkten beizupflichten.
Wenn in der Pechsteinsubstanz selbst blos einzelne Feld-
*) Jenzsch (Ueber den Sanidin- Quarzporphyr von Zwickau, den
Pechstein etc., in Leonh. Jahrb. 1858. 655) konnte an keiner einzigen
der in Pechstein eingeschlossenen Porphyr-Kugeln auch nur eine Spur
von Schmelzung entdecken, wie sie von Andern, z. B. Geinitz, behauptet
wird. Jenzsch hat übrigens über den Pechstein wieder ganz eigene, von
den unsrigen völlig abweichende Ansichten gewonnen, worüber ich auf
Zeitsch. d. geol. Ges. VIII. 43 (Leonh. Jahrb. 1857. 184) und auf eben-
dies Jahrbuch (a o. a. O. 185S. S. 651. ff.) verweise. — Just. Roth
(die Gesteins-Analysen. 1S61. XXXIII. ff.) denkt sich den Pechstein vor-
läufig als durch überhitzte Wasserdämpfe umgewandelten Quarzporphyr,
letztern also wiederum als primäre Bildung, wie eben die . meisten
Geologen bis jetzt.
321
spathkrystalle oder Glimmerblättchen oder Quarzkörner oder Kugeln
von Chalcedon oder Hornstein eingebettet uns begegnen, so wird
auch dieses Alles unter obiger Voraussetzung seine höchst ein-
fache Erklärung in dem Umstände finden, dass an verschie-
denen Stellen einer und derselben im Festwerden begriffenen,
krystallisationsfähigen Substanz die Verhältnisse für individuelle
(d. h. Krystall-) Gestaltung verschieden günstig sich eingestellt
haben mochten, gerade wie wir dies mehrfach in den Gebirgen
antreffen, dass dasselbe Gestein, welches im Grossen feinkörnig
ausgebildet ist, an einer oder mehreren Stellen desselben Berges
oder Bergzuges auf einmal sich sehr grob- oder grosskörnig, also
in krystallinischer Hinsicht viel mehr begünstigt herausstellt.
Was die angeblich im Pechstein eingeschlossenen Faserkohlen-
Fragmente betrifft, so Hessen sich diese, was vielleicht Mancher
nicht ahnte, nicht einmal bei der Annahme, es sei der Pechstein
ein Schmelzprodukt, von vornherein bestreiten, denn ich fand in
der obenbeschriebenen Hochofen - Garschlacke von Kandern in
zwei Exemplaren gleichfalls Stückchen von Holzkohle (Birken-
kohle ?) eingebacken, deren Faserstruktur noch deutlich er-
halten war.
Die Conservation der Holzstruktur eines in einen gallert-
artigen Pechsteinstrom gerathenen Kohlenstückchens hätte aber
nun vollends gar nichts Befremdendes an sich, vielmehr Hesse
sich hierbei sogleich an die Uebergänge von Pechstein in sog.
Thonstein erinnern, worin (Wagner a. a. O. I. 245) Gallionella
gefunden wurde.
Höchst merkwürdig war mir aber vor Allem, an grünen
und scheckigen (roth, braun und grünlich gefleckten) Stücken
von Pechstein aus Meissen die erste Entwicklung des
Glimmers zu entdecken. Es finden sich nämlich in solchen
Exemplaren mit der deutlichsten innerlich schaligen Struktur
(aus welcher, wenn die Schalen wirklich besser auf der Ober-
fläche hervortreten, der Perlstein hervorgeht) einmal einzelne
dunklere Zonen. Jene unter ihnen, welche in der Entwick-
lung schon einen Schritt weiter gediehen sind, nehmen ein iri-
sirendes Ansehen an, wodurch sie schon auffälliger werden; in
dem nächsten Stadium erscheinen sie bereits als deutlicher im
Umriss erkennbare Glimmerblättchen, die aber noch so ent-
schieden in der Pechsteinsubstanz eingebettet sind, dass ihre Ober-
fläche noch ganz unverkennbar den Pe ch s tei n br u c h! ! ! zeigt.
322
was sich besonders deutlich ergiebt, wenn man eine solche mit
dem Auge wohl fixirte Stelle verschieden nach dem Lichte dreht
und gleichzeitig unter der Lupe betrachtet, wo man bald meint,
man habe wirklich schon ein ausgebildetes Glimmerblättchen vor
sich, das sich abheben liesse, bald aber, je nach dem auffallen-
den Lichte, wieder den vorherrschenden Eindruck des Pechstein-
bruches erhält, so dass der Gedanke an mögliche Abtrennung
des Blättchens ganz wegfällt. Im letzten Stadium haben wir
vollständig differenzirte Glimmerblättchen theils halb-
metallisch schillernd, theils schwarz vor uns, die bald fest mit
der einen ganzen Endfläche auf der Pechsteinfläche aufgewachsen,
bald mehr nur mit einer Kante eingewachsen scheinen, mit dem
übrigen Theile aber frei hervorstehen. Alle diese Stadien sind
— wohlverstanden — in der Regel leicht an Handstücken von
der gewöhnlichen Grösse gleichzeitig nebeneinander wahrzu-
nehmen, und ich gestehe, dass ich noch von keinem mineralogi-
schen Funde so überrascht war, wie von dieser schon beim ersten
Anblick so klaren und durch ihre Einfachheit anziehenden ge-
netischen Stufenfolge eines Minerales*J.
Ich fand an ganz sauber gewaschenen Pechsteinexemplaren
von Meissen, die ich mit freiem Auge und mit der Lupe Stelle
für Stelle genau untersuchte, vereinzelt auch die durch ihre Spalt-
barkeit leicht erkennbaren Feldspathkryställchen und zwar
sowohl mitten im ganz frischen Gestein, als sogar auch noch auf
den verwitterten Kluftflächen, und sie hatten im rothen Pechstein
rothe, im grünen eine grüne Farbe. Alle bis jetzt gefundenen
Stellen muss ich zufolge des Mangels an Zwillingsstreifung für
Orthoklas halten, wäre aber begierig, ob sich bei sehr reichem
Material, über das ich leider nicht zu gebieten habe, nicht auch
die von mir z. B. in den schwarzwälder Porphyren so reichlich
aufgefundenen Oligoklaskryställchen vereinzelt nachweisen liessen.
Eine der erwähnten Kluftflächen zeigte überdies stellenweise
eine dünne, etwa 1 Millim. starke, weisse Kruste, welche sich
unter der Lupe als ein netzartiges, löcheriges Gebilde, vollkommen
*) An Handstücken, auf welchen noch der Bergschmand oder linien-
dicke Staubschichten liegen, und ohne gute Lupen sieht man solche feinere
Verhältnisse freilich nicht, die doch gewiss auch zur Sache gehören und
die dem Studium der Felsarten im Grossen erst das nöthige Licht ver-
leihen können.
323
dem Bimsstein ähnlich, erwies, welches nicht etwa blosser
Flechtenthallus ist, (der ja auf Platinblech geglüht zu Asche
würde), sondern vor dem Löthrohr an den Kanten zu email-
artigem Glase schmilzt.
Auch in einem Stücke dunkelpechbraunen Pechsteines von
Planitz bei Zwickau erkannte ich neben den nicht seltenen, schwarz-
braunen, wegen der dunklen Farbe des Gesteins leicht zu über-
sehenden, bei Hin- und Herdrehen des Stückes nach dem Lichte
jedoch besser auffälligen, wohlausgebildeten Glimmerblättchen
einige wenige etwas lichter braune Stellen, die sich für den An-
blick gegenüber der übrigen Pechsteinsubstanz gleichsam zur
Spaltbarkeit emporgeschwungen hatten und mineralogisch als
Feldspath -Lamellen mit ganz scharfen Begrenzungen deutlich
vorliegen.
In einem braun und roth gesprenkelten meissner Pechstein
traf ich sogar Lamellen, welche bei derselben ungefähren
Grösse und Form, wie die im nämlichen Stücke vorfindlichen
vollkommen entwickelten Feldspathkryställchen, insofern noch
unvollständig waren, dass sie auf derselben Ebene theils schon
Spaltbarkeit, theils noch Pechsteinbruch zeigten! Ich denke,
das ist Alles, was man verlangen kann, und ich bin gerne erbötig,
jedem skeptischen Fachgenossen die ganze Suite ausführlich hier
vorzuzeigen.
Auch die Quarz körner fehlen nicht; ich fand solche unter
Anderm in ebendemselben gesprenkelten Pechsteinexemplare (in
welchem ausserdem vielfach Felsitsubstanz mit ihrem matten
Bruche und von theils rother, theils grünlicher Farbe ausgeschie-
den ist), etwa wie Hirsekörner ein- oder zum Theil fast auf-
gewachsen, so dass sie sich ziemlich leicht absprengen lassen.
Vor dem Löthrohr zeigen diese Quarzkörner öfter das inter-
essante Verhalten, dass sie mit einer dünnen, schmelzbaren Pech-
steinkruste umzogen sind, innerhalb welcher dann erst der un-
schmelzbare Quarzkern liegt.
Wollte Jemand nun, mit Rücksicht auf die obigen Beobach-
tungen, aus der relativen Häufigkeit der einzelnen Individuen
der Mineralien Glimmer, Feldspath (Orthoklas) und Quarz einen
Schluss auf deren relativ früheres oder späteres Heraus-
krystallisiren aus der Ur - Teigmasse ziehen, so wäre wohl der
Glimmer das ältere, weil reichlichste Ausscheidungsprodukt, die
zwei übrigen hielten sich untereinander etwa das Gleichgewicht.
324
Doch möchte ich mich vorläufig zu einer solchen Folgerung noch
gar nicht verstehen, denn diese Gestaltungen von Glimmer, Feld-
spath u. s. w. können ja gleichzeitig, aber bei dem einen leichter
als bei dem andern stattgefunden haben. Höchstens bezüglich
der Individuen jeder dieser Mineralspecies unter sich Hesse
sich vielleicht sagen, dass beim schliesslichen Starr wer-
den der wohl zuvor als festweiche, gallertarige Masse vorhanden
gewesenen und allmälig fester gewordenen Teigmasse gewisse
Glimmerblättchen und Feldspath- Lamellen auf einem frühern,
andere auf einem spätem Bildungsstadium gleichsam überrascht
wurden.
Eine Grenze zwischen Pechstein und Per Istein existirt
nun, was ihren chemischen Gehalt, specifisches Gewicht, Härte
betrifft, eigentlich nicht (vergleiche oben), sondern bloss in der
Absonderung. Am Perlstein ist die körnig -schalige Struktur
einer Varietät schon von Beudant (Voyage min. et geol. en
Hongrie III. 373., Naum. Geol. 2. Aufl. I. G13.) hervorgehoben
worden. Vergl. auch Pettko in: Naturwiss. Abhandlungen
von Haidinger, Bd. I. 1847. 298.
Die sogenannten Sph är u 1 i t- Kugeln, welche angeblich in
Pechstein, Perlstein und Obsidian, jeweils von der etwaigen Zu-
sammensetzung ihres Muttergesteins, aber wasserfrei vorkommen,
unterscheiden sich durch etwas höhern Grad der Härte und des
specifischen Gewichtes, sowie dadurch, dass sie oft radialfasrige
Struktur besitzen. Ich selbst fand an durchgeschlagenen Sphärulit-
Körnern öfter nur an der Peripherie eine unterbrochen radial-
fasrige Struktur angedeutet ; das Centrum glich eher einem Trachyt
oder Porphyr.
An einem Stücke Perlstein vom Kliniker -Thale, wo solche
Sphärulitkügelchen vereinzelt zwischen einer grösseren Anzahl
im Perlstein eingebetteter unvollkommener Sanidinkrystalle sich
vorfinden, machen sie auf mich ganz den Eindruck von kleinen
Concentrationspunkten krystallisationsfähiger Substanz, die es aber
durch irgend welche Umstände nicht einmal zur Gestaltung der
neben ihnen vorkommenden Häufchen von Sanidinmasse (ordent-
liche Krystalle sind es meist nicht) hatten bringen können.
Wie die Pechsteine mit Porphyren, so sind die Perlsteine
bekanntlich mit Trachyten verknüpft, und als Vorläufer zur
Trachytbildung mag man just jene im Perlstein gelegenen Sani-
dinpartikein betrachten; auch habe ich an pechsteinartigem Perl-
325
stein von Hlinik ganz dieselbe Entwicklung von schwarzen
Glimmerblättchen wahrgenommen wie im meissner Pechstein,
nur weniger reichlich und schön.
Das Anschwellen und Sichaufblähen zu blumenkohlähnlichen
Massen bei manchen Perlsteinen erinnert wohl auch viel eher
an Mineralbildungen auf nassem Wege (Scolecit, Vermiculit), als
an Glasfluss. Die gelblich -weissen Sanidinpartikeln in jenem
Perlstein schmelzen (zugleich unter Natronfärbung) ohne Auf-
blähen und viel schwieriger als die sie umgebende Perlstein-
substanz.
In einem pechsteinartigen Perlit aus den Euganeen (vom
Monte Pandice [? Pendise] bei Teolo S. W. Padua) sah ich bei-
läufig erwähnt ausser weissen Sanidinkrystallen und schwarzen
Glimmerblättchen in Hohlräumen auch noch dichtgehäufte, weisse
Kügelchen von Hyalith und hierauf sitzend seidenglänzende
Büschel eines haarförmigen, zeolithischen Minerals, von welchem
ich anderwärts nichts angeführt finde. Zepharowich erwähnt in
seinem werthvollen mineralogischen Lexicon Oestreichs S. 323.
bloss Prehnit von dieser Localität, die S. 312 dieses Werkes
„Pendise," auf der gedruckten Etiquette aus dem heidelberger
Mineralien - Comptoir „Pandice" genannt ist.
In dem fast sandsteinähnlichen, hellgrauen, typischen Perlit
vom Monte Menone bei Bataglia in den Euganeen sind die
schwarzen Glimmerblättchen reichlicher als die mit der Grund-
masse gleichfarbigen Feldspath - Lamellen.
Wenn ich nun im Obigen meine Beobachtungen, die ich,
vom mineralogischen Standpunkte aus, an Pech- und Perlsteinen
machte, mittheilte, so hatte ich zunächst den Zweck im Auge,
vorzüglich solchen Forschern, die in der Lage sind, an Ort und
Stelle das Vorkommen jener Gesteine und ihre Beziehungen zu
den umgebenden Felsarten im Grossen vergleichen zu können,
die daran geknüpften theoretischen Ansichten zur Prüfung zu
empfehlen. Da schon mehrere Sachkenner nach Besichtigung der
beschriebenen Belegstücke sich zu meiner Anschauung hinneigten,
so gewinnt es vielleicht der eine oder andere Fachgenosse, der
meinethalb von vornherein der gegentheiligen Ansicht zugethan
sein mag, über sich, angesichts der Gesteine selbst den Maass-
stab der Möglichkeit , oder Wahrscheinlichkeit unparteiisch auch
an diese Auffassung zu legen. Wenn wir dadurch der Wahrheit
einen kleinen Schritt näher rückten, so würde ich mich durch
326
den Gedanken, dass andererseits damit für die Aufklärung des
Heerdes der Pechsteine u. s. w. noch nicht viel gewonnen sei,
eben nicht stören lassen. Die eigenthümlichen Vorkommnisse
von Pechstein als effusive Lager mitten im Sandstein (Roth-
liegenden) u. s. w. könnten dann später stets noch Anlass zu
weiteren Erörterungen geben.
327
6. Bericht über einen Ausflug; in Java.
Von Ferdinand Freiherr von Richthofen.
(Briefliche Mittheilung an Herrn Beyrich d. d. Batavia den 26. Octbr. 1861.)
Ich kehre eben von einem geologischen Ausflug zurück, den
ich während sechs Wochen nach einem entlegenen, fast nie von
einem Europäer besuchten Theile von Java unternommen habe.
Erlauben Sie mir, Ihnen darüber einen kurzen Bericht zu senden.
Es wäre verlorene Mühe, hier mit Ausführlichkeit zu Werke
gehen zu wollen, nachdem Herr Junghuhn in so meisterhafter
Weise die Gliederung und Beschaffenheit der ganzen Insel in
allen ihren Theilen beschrieben hat. Welch unendlicher Reich-
thum an Material, welche Fülle an mühsam errungenen Beobach-
tungen in diesem Meisterwerk enthalten sind, das wird erst klar,
wenn man selbst einen Theil des Landes sieht und auf jedem
Schritt bis in die entlegensten Gegenden nur ein Abbild jener
genauen Beschreibungen erblickt. Was ich auch beobachtete,
Alles fand ich auf das Ausführlichste schon in Herrn Junghuhn's
Werk erwähnt. Verlangen Sie daher von mir keine Erweiterung
der Kenntniss von Java, ich bin nicht im Stande sie zu geben;
ich schreibe Ihnen diese Zeilen nur in der Hoffnung, dass eine
kurze Aufzeichnung der Beobachtungen Ihnen trotzdem von In-
teresse sein wird, da doch die Anschauungen und die Auffas-
sungsweise zweier Beobachter niemals vollkommen gleich sind.
Die Thetis ankerte am 21. Juli d. J. vor Pasuruan im öst-
lichen Java. Es wurde dort ein kleiner Ausflug nach der näch-
sten Gegend unternommen; aber die Kürze des Aufenthaltes er-
laubte leider nicht, die interessantesten Theile der Umgebung,
insbesondere den thätigen Vulkan Bromo, zu besuchen. Als am
25. desselben Monats die Thetis die Rhede von Pasuruan ver-
liess, blieben fünf Herren von der Expedition am Land zurück,
um die Reise nach Batavia über Land zu machen. Ich konnte
mich der Gesellschaft erst von Samarang aus anschliessen. Wir
328
sahen Land und Leute so gut, als es irgend ein Fremder gesehen
hat; aber eingehende geologische Beobachtungen und Sammlungen
waren unmöglich, daher ich diese Reise hier mit Stillschweigen
übergehe. Als aber die Thetis Anfang September Batavia ver-
liess, um zwei Monate auf der Rhede von Singapore zu liegen,
richtete ich an den Gesandten in Java die Bitte, zurückbleiben
zu dürfen, um dieselben zwei Monate besser benutzen zu können.
Derselbe gewährte bereitwilligst mein Gesuch. Als ich darauf
meinen Plan dem holländischen Gouvernement mittheilte, ertheilte
mir auch dieses in der zuvorkommendsten Weise alle zur Er-
leichterung einer Landreise nothwendigen Vergünstigungen. Ich
bin dafür dem stellvertretenden Generalgouverneur Herrn Prins
und dem Allgemeinen Staatssecretair Herrn London, denen ich
das Glück hatte auch persönlich näher zu treten, zum grössten
Dank verpflichtet. Ganz besonders aber war es Herr Jung-
huhn, der mir in einer Weise entgegenkam, die mich zu seinem
bleibenden Schuldner macht. Derselbe machte einen ausführlichen
Reiseplan und lud mich ein, ihn in seiner Begleitung auszuführen.
Ich folgte natürlich mit Freuden, denn einen besseren Führer
konnte ich nicht haben; in entlegenen Theilen als Fremder allein
zu reisen, ist aber hier kaum ausführbar, und ich hätte ohne diese
ausgezeichnete Hilfe nur wenig sehen können. Ich verliess
Batavia am 9. September und bin heute hierher zurückgekommen,
so dass ich 47 Tage unterwegs war, davon 34 mit Herrn
Junghuhn.
Der Reiseplan hatte eine nähere Kenntniss des südlichen
Theils der Prean ger Re gentschaften zum Zweck. Diesen
Namen führt eine der Residentschaften, in welche Java getheiltwird ;
sie ist die grösste, nimmt den siebenten Theil von Java ein und ist
ein durchaus gebirgiges Land. Westlich liegt nur noch die wenig ge-
birgige Residentschaft Bantam, nördlich liegen Buitenzorg, Batavia
und Krawang vor, eine flache Abdachung der Preanger Gebirge.
Oestlich folgen dann die anderen achtzehn Residentschaften, welche
das eigentliche Java bilden. In den Preanger Regentschaften ist
die grösste Massenerhebung auf Java, wiewohl ausser ihrem
mächtigen nordwestlichen Eckpfeiler, dem Gedeh - Gebirge, kein
Berg eine bedeutende Höhe erreicht. Oestlich von ihrem Gebiet
setzen zunächst noch Massengebirge fort mit einzelnen sehr be-
deutenden Erhebungen, bis sie sich in einzelne Kegel auflösen,
die bei ihrer schönen erhabenen Gestalt eine Höhe von 10,000
329
bis 11500 Fuss erreichen und öfters zu kleinen Reihen und
Gruppen vereinigt sind, die neben sich nur selten noch eine
kleine Massenerhebung aufkommen lassen. Dies Alles hat Herr
Junghuhn meisterhaft und ausführlich beschrieben.
Die allgemeine Configuration der Preanger Regentschaften
ist ziemlich einfach. In der Mitte ist ein grosses flaches Plateau
von 2500 Fuss Höhe, rings umgeben von einem elliptischen
Kranz vulkanischer Gebirge von 4 bis 5000 Fuss Kammhöhe
und mit Gipfeln von mehr als 7000 Fuss. Nach Norden senken
sie sich schnell auf ein breites niederes Vorland, nach Süden
verflachen sie sich von der Kammhöhe allmälig bis zum Meer.
Dort ist das Küstenland flach, fruchtbar und oft morastig, hier
bleibt die gebirgige Natur constant bis an den Strand ; nur an
wenigen Stellen breiten sich kleine Alluvialflächen zwischen den
steileren Vorsprüngen der Küste aus. Die nördliche Vorlage ist
reich bebaut und bevölkert; auf ihr liegt Batavia und höher hin-
auf der Sommerpalast Buitenzorg. Die südliche Vorlage ist der
Kultur noch wenig erschlossen; in den höheren Theilen sind
grosse Flächen mit Urwald bedeckt, in den tieferen sind hohe
Gräser, hier Allang Allang und Klaga genannt, an die Stelle
getreten. Es wimmelt hier von Tigern, Panthern, Rhinocerossen,
wilden Stieren {Bos sundaicus), wilden Hunden (Canis rutilans)
Wildschweinen, Hirschen, Kidangs (Cervus muntjak) und anderen
Thieren, die grösstentheils in den stärker bevölkerten nördlichen
Theilen längst ausgestorben sind. Die Bevölkerung hingegen ist
gering und arm, die Communication der weitzerstreuten kleinen
Dörfer untereinander im ursprünglichsten Zustande; mit dem
Norden ist sie äusserst unbedeutend; dieser Mangel an Trans-
portmitteln verbietet jede Entwicklung der Kultur.
Das Plateau von Bandong ist eine weite, schöne Hochebene,
ausserordentlich fruchtbar und stark bevölkert. Nach allen Seiten
findet die Communication über Gebirgspässe statt, da das Thal,
welches die Gewässer der Hochebene von Norden abführt, sehr
eng ist. Der Gebirgskranz ist im Norden und Süden eine ein-
fache Kette; nach Westen bietet er eine Lücke, im Nordwesten
aber erheben sich zwei der gewaltigsten Berge der ganzen Insel,
der Salak und der Gedeh, ersterer etwas weiter abgelegen,
letzerer mit seinen Abfällen unmittelbar in die Hochebene hin-
abreichend. Der Gedeh ist ein mächtiger Gebirgsstock, dessen
höchster Gipfel den Namen Panggerango trägt. Oestlich
330
senkt er sich weit und tief hinab bis zur Kluft des Tjitaron-
Flusses, der die Gewässer der Hochebene abführt. Daraus er-
hebt sich der lange nördliche Zug, dessen bekanntester Berg der
Tankuban Prahu ist; einige andere Gipfel tragen die Namen
Burangrang und Bukit Tunggul. Der nordöstliche und östliche
Thcil der Umwallung ist weniger durch auffallende Gipfel aus-
gezeichnet. Erst der südliche bringt sie wieder in grösserer
Zahl. Der Zug beginnt hier mit dem vielgipfeligen Gunung-
Guntur- Gebirge, setzt in westsüdwestlicher Richtung in der
breiten Masse des Mala war- Gebirges fort, gipfelt dann weiter-
hin im GunungTilu und Gunung Patuha und zieht in
dem langen Rückendes Gunung Brengbreng immer in west-
südwestlicher Richtung über dem Bereich der Grenzen des Pla-
teau's hinaus bis zur Südküste fort. Fast alle genannten Berge
sind Vulkane, und ich habe die meisten von ihnen erstiegen ; aber
mehrere von ihnen sind längst in ihren Gipfelkrateren erloschen,
und man findet jetzt eine weit grössere Zahl von Schauplätzen
vulkanischer Thätigkeit zwischen den Hauptgipfeln zerstreut, be-
sonders auf dem südlichen Kamm. — Dem Plateau von Bandong
schliesst sich jenseits seiner südöstlichen Umwallung halbmond-
förmig ein anderes kleineres Hochthal an, das Plateau von
Trogon und Garut; dann folgt eine zweite Gebirgsreihe, aus
der sich die weiter nach Osten fortsetzenden Züge entwickeln.
Die Hauptgipfel in dieser zweiten Gebirgsreihe sind der Gunung
Telaga Bodas, der Gunung Tjikorai und der Gunung
Papandayan, der sich durch Vermittelung des Gunung
Vayarj dem Malawar- Gebirge anschliesst; sie sind sämmtlich
Vulkane, aber nur noch mit geringer Thätigkeit.
Es würde mich zu weit führen, Ihnen hier eine chronolo-
gische Aufzählung der Fülle von neuen interessanten Erschei-
nungen zu geben, die wir täglich zu sehen bekamen. Ich kann
mich um so mehr auf eine kurze Skizze beschränken, als die
Reihe der Formationen klein, und der allgemeine geognostische
Bau ausserordentlich einfach ist. Trachyt, trachytische Conglo-
merate, trachytische Sedimente und dichte Kalke — dies sind
die wesentlichsten Elemente desselben. Die Trachyte steigen in
einzelnen Kegeln aus dem elliptischen Gebirgskranz auf, der das
Plateau von Bandong umgiebt. Der Kamm des Gebirges selbst
besteht aus groben trachytischen Conglomeraten, welche durch
eruptive und sedimentäre Thätigkeit entstanden sind ; das Plateau
331
ist, wie Junghuhn bewiesen hat, ein ausgefülltes Süsswasser-
becken, eingesenkt in diese Conglomerate. Die langen Gehänge
nach Norden und Süden endlich bestehen aus Sedimentärtuffen
des Trachyts. Nummulitenformation und eocäne Bildungen über-
haupt, die man so häufig auf Java angenommen hat, scheinen
nicht allein hier, sondern auf der gesammten Insel vollständig
zu fehlen. Das Alter der genannten Gesteinsreihe ist mit Wahr-
scheinlichkeit mittel- oder jung- tertiär. In dem elliptischen
Kranz, aus dem die Trachytkegel aufsteigen, dauert die vulkanische
Thätigkeit in zahlreichen Solfataren und Fumarolen noch heute
fort.
Die in grossen Massen auftretenden Trachyte scheinen
fast sämmtlich Hornblende- Oligoklas- Gemenge zu sein. Denn
wo immer man in ihnen Gemengtheile deutlich erkennen kann,
da sind es diese beiden Mineralien. In Japan, auf Formosa, auf
Luzon und auf Mindanao herrschten mehr Andesite ; aber im
westlichen Java bemerkte ich die Augitbeimengung niemals in
den grossen Massen. Innerhalb des Bereiches eines Hornblende-
Oligoklas-Gemenges schwanken aber die Gesteine in hohem
Grade. Ich fand fast alle augitfreien Abänderungen wieder,
welche ich in Ungarn beobachtet habe. Nur Eine grosse Reihe
beobachtete ich nie auf Java. In den Karpathen sind zwei Reihen
von Trachyten deutlich zu unterscheiden; ich nannte sie in einer
Arbeit, deren Druck in dem Jahrbuch der geologischen Reichs-
anstalt, wie ich eben erfahre, beendet ist, „Graue Trachyte" und
„Grünsteintrachyte", zwei sehr unvollkommene Benennungen, die
ich nur anwandte, um die Gruppen vorläufig auseinanderzuhalten.
Die letzteren nun, welche in Ungarn allemal das ältere und zu-
gleich das erzführende Gestein sind, habe ich auf Java nicht ge-
sehen; selbst in fremden Samminngen fand ich nie ein Stück da-
von. Alles gehört den grauen Trachyten an. Es ist jedoch
nicht unmöglich, dass auch jene vorhanden sind. Auf dem Pla-
teau von Bandong sind zwei kleine Gebirgszüge, und ein dritter
zieht nördlich von demselben weg, welche sich durch ihre auf-
fallenden, ganz von denen der anderen Trachyte abweichenden
Formen auszeichnen. Sie bestehen aus Eruptivgesteinen und haben
eine beinahe nordsüdliche Richtung, also fast rechtwinklig zu der
herrschenden Richtung der Gebirgszüge auf Java. Die Gehänge
sind schroff, und das Gestein neigt an ihnen zu säulenförmiger
Zerklüftung. Die Kämme, welche nur eine geringe Höhe haben,
Zeits. d. d. geol. Ges. XIV. 2. 22
332
sind scharf und es steigen Reihen von Kuppeln aus ihnen auf.
Das verwitterte Gestein ist auffallend unfruchtbar und die Ge-
hänge sind gänzlich unangebaut. Ich hatte leider nach Beendi-
gung meiner Reise nicht mehr Zeit diese Berge zu sehen. Doch
hat sie Herr Junghuhn auf seiner geognostischen Karte von
Java besonders unterschieden und in seinem Werke beschrieben.
Er nennt das Gestein ,, Porphyr" und hält es für das älteste der
Gegend. Die Beschreibung leitet auf eine gewisse Aehnlichkeit
mit einigen Abänderungen derjenigen Gesteine von Schemnitz,
welche früher als „Porphyr", „Grünstein" u. s. w. beschrieben
worden sind. Merkwürdig ist es, dass darin auch Spuren von
Bleierzen auftreten, während sonst Erze in Java überhaupt nicht
vorkommen und schon die Erinnerung von etwas Eisenkies in
einem Gestein eine auffallende Erscheinung ist.
Ausser den in grossen Massen auftretenden Trachyten
kommen noch viele andere in mehr untergeordneter Art vor.
Hunderte von Gängen und Gangzügen durchsetzen die Sedimen-
tärgebilde. Jeder von ihnen breitet sich in der Höhe über irgend
einer Schicht aus. Das verschiedene Niveau dieser Schichten
beweist gleichzeitig, dass die Eruptionen submarin waren, dass
sie mit der Zeit der Ablagerung der Sedimentärgebilde zusammen-
fallen und dass sie einer langen Periode angehören, während
der sie in verschiedenen Epochen aufwärts drangen. Wie in den
Augitporphyr- und Melaphyr-Gebirgen der Trias in Südtyrol und
in den Trachytgebirgen Ungarns und Siebenbürgens, so ist auch
hier die grösste Mannichfaltigkeit der Gesteine in diesen kleinen
Gangmassen vertreten. Es finden sich in ihnen Gesteine, welche
man von wahren Basalten nicht trennen kann, ganz besonders aber
Trachytgemenge mit Beimengungen von Augit 'im verschiedensten
Maasse; ferner dieselben Gesteine, welche in den grossen Massen-
gebirgen vertreten sind, und endlich auch Sanidingesteine. Wir
beobachteten diese in nicht unbedeutender Ausdehnung, wiewohl
dem Hauptgestein stets untergeordnet, auf dem Kamm des Ge-
birgszuges, welchen die Ebene von Bandong südlich begrenzt. Es
scheinen an sie mehrere der hier auftretenden Solfataren gebunden
zu sein. Das Gestein hat grosse Aehnlichkeit mit dem des St.
Anna - Sees am Büdösch in Siebenbürgen, welches ich in der er-
wähnten Abhandlung beschrieben habe. Die in Ungarn so häufig
auftretenden Rhyolithe sah ich in ganz Java nicht. Doch hat
Herr Junghuhn ein Ganggestein gefunden, welches voll von
333
wohlausgebildeten, an beiden Enden auskrystallisirten, einen halben
Zoll langen Quarzkry stallen ist, die sich bei der Verwitterung
herauslösen. Da der Gang im Tertiärgebirge aufsetzt, so könnte
das Gestein wohl den Rhyolithen angehören.
Es ist in den ungarischen Trachytgebirgen oft verzweifelt,
wenn man auf den waldbedeckten Kämmen tagelang herumwan-
dert und keinen Aufschluss finden kann. Erst nach langer Zeit
erhält man darüber Klarheit, dass die Masse des Gebirges aus
groben Conglomeraten besteht, aus denen nur einzelne Gipfel
von festem Trachyt hervorragen, während sich an den Flanken
feinere Sedimente anlehnen. Gerade so ist es im östlichen Java.
Wir erhielten einige Aufschlüsse durch die Wege, welche für
unsere Reise theils ausgebessert, theils ganz neu angelegt worden
waren. So lange sie auf der Höhe des Kammes führten, sahen
wir sie in grobe, mit einer röthlichen und orangegelben Farbe
verwitternde Conglomerate eingeschnitten. Tiefer hinab hört die
eigentümliche Färbung auf, aber die groben Conglomerate waren
dann um so deutlicher aufgeschlossen. Schichtung ist an ihnen
nicht zu bemerken ; dennoch sind die Einschlüsse an den Kanten
abgerundet. Man hat es daher wahrscheinlich weder mit eigent-
lichen Sedimenten, noch mit Reibungsconglomeraten zu thun,
sondern mit Gesteinen, welche durch vereinigte eruptive und sedi-
mentäre Thätigkeit untermeerisch entstanden sind ; Gebilden, in die
sich die Trachyte bei ihren untermeerischen Ausbrüchen gewisser-
maassen einhüllten, und welche an beiden Flanken der Züge
massenhaft angehäuft sind. In der Ferne mögen sie sich zu
Schichten ausbreiten, welche, je weiter der Abstand ist, desto
regelmässiger, dünner und feinkörniger werden ; aber in unmittel-
barer Nähe nehmen sie vollständig den Charakter von Eruptiv-
tuffen an. Die jetzigen kleinen Ausbrüche aus den Gipfeln
der Vulkane geben ein Bild dieser früheren submarinen Massen-
ausbrüche. Wie sich bei jenen ungeheure Massen von grossen
Steinblöcken am Fuss des Vulkans anhäufen, die kleineren Aus-
würflinge aber weiter fortfliegen, und die feine Asche die Gegend
in weitem Umkreis bedeckt, oft noch mehrere Fuss dick in der
Nähe des Berges, dann immer mehr an Mächtigkeit abnehmend
je weiter sie geführt wird — so scheint es sich auch bei den
submarinen Ausbrüchen verhalten zu haben; nur waren dieselben
in manchen Perioden weit grossartiger, das Meer war an der
Ausbruchsstelle stärker aufgeregt, und die Strömungen mussten
22*
334
auf die Fortführung der im Wasser suspendirten Theile einen
weit stärkeren Einfluss ausüben, als der Wind auf die in die
Luft geschleuderte Asche.
Wie diese Eruptivtuffe der Gebirgskämme in geschichtete
trachytischeSedimente übergehen, ist nirgends aufgeschlossen.
Man sieht nur, wenn man sich vom Kamm aus den ausgedehnten
Flanken zuwendet, allmälig einzelne Entblössungen der letzteren
mit einer äusserst geringen Neigung vom Gebirge abwärts. Der
Gesammtcomplex der Sedimente muss ausserordentlich mächtig
sein. Man sieht sie am Südabhang allenthalben schon in mehr
als 3000 Fuss Höhe anstehen und verfolgt sie der ganzen Küste
entlang bis an das Meer. Die Neigung ist so gering, dass man
die Gesammtmächtigkeit der regelmässig auf einander lagernden
Schichten auf mindestens 2000 Fuss veranschlagen muss. Die
unteren Theile mögen vielleicht mit den Eruptivtuffen des Kammes
gleichzeitig entstanden sein und mit ihnen unmittelbar zusammen-
hängen. Die oberen Theile aber scheinen an dieselben heranzu-
reichen und von späterer Entstehung zu sein. Das Hauptgestein
des ganzen Complexes sind (1) feinkörnige mergelige Tuffsand-
steine und sandige Mergel von sehr lockerem Gefüge und von
bräunlicher, grauer und schwärzlicher Farbe. Das Korn wechselt
von sehr feinem Conglomerat durch grobe und feine Sandsteine
bis zu vollkommen erdiger Beschaffenheit. Der tuffartige Cha-
rakter des Gesteines ist deutlich; seine Bestandteile lassen keinen
Zweifel über die Enstehung aus trachytischem Material. Beson-
ders ist viel feinkörniges Titaneisen beigemengt. Diese Gesteine
gehen einerseits über in (2) gelbliche glimmerartige Mergel,
welche rhomboidisch zerklüften, dabei aber doch in Platten ge-
schichtet sind, andererseits in (3) Bänke von trachytischen runden
Meeresgeröllen, welche concentrisch schalig verwittern, und (4)
trachytische Conglomerate mit festem trachytischem Bindemittel.
Die Fragmente sind gross, schwach an den Kanten abgerollt und
gehören verschiedenen Trachyten an. Diese viererlei Gesteine
wechseln in den mannichfaltigsten Abänderungen durch den
ganzen Complex unregelmässig mit einander ab, meist ohne Ueber-
gang ineinander; aber die feinkörnigen braunen Tuffsandsteine
sind bei weitem vorherrschend.
Die trachytischen Tuffe sind, wie ich bereits erwähnte, viel-
fach von Trachyt durchsetzt. Meist sieht man ihn in grossen
Gangmassen an den Gehängen aufsetzen, aus denen er in Fels-
335
massen hervortritt, und in einiger Höhe verschwinden. Ist diese
Stelle aufgeschlossen, so findet man, dass er sich auf einer Schicht
ausbreitet und ein Reibungsconglomerat bildet, dann aber Erup-
tivtuffe um die Durchbruchsstelle angehäuft sind, die sich weiter
hinweg in Sedimentärtuffe verwandeln. Die neuen Schichten
ziehen über die so entstandene Unebenheit hinweg und erst nach
Ueberlagerung einiger weiterer Schichten ist die alte regelmässige
Lagerung hergestellt. Wo der Trachyt die schon fertig gebil-
deten Schichten durchsetzt, sieht man häufig Contacteinwirkungen.
Das Eruptivgestein ist plattig abgesondert, parallel den Wänden
des Ganges ; das Nebengestein ist gehärtet und gefrittet und
ebenfalls plattig abgesondert. Zugleich erkennt man an der Strei-
fung im Querbruch die frühere Schichtung der fest verkitteten
Masse. Die neuen Absonderungsflächen fanden wir an einer
Stelle mit Eisenkies überzogen.
Der ganze Complex der trachytischen Sedimente ist sehr
reich an Versteinerungen. Herr Junghuhn hat dieselben schon
vor langer Zeit in grossem Maassstab gesammelt und dem Museum
in Leyden wohlgeordnet überliefert. Es ist sehr zu bedauern,
dass sie dort unbearbeitet liegen. Herr Herklots hat die See-
igel beschrieben; aber ausser ihnen ist von dem reichen und
werthvollen Material nichts bekannt geworden. Herr Junghuhn
hat neue Sammlungen angelegt und schon wieder eine ansehnliche
Menge beisammen, wiewohl nicht so viele als das erste Mal; er
hat sie für das Museum in Berlin bestimmt, wo sie hoffentlich
ein besseres Schicksal haben werden. — Der Reichthum an Ver-
steinerungen in der gesammten Reihenfolge der Schichten ist
ausserordentlich. Aber meisst trifft man sie zerbrochen, unvoll-
kommen und ganz unbestimmbar. Herr Junghuhn hat die Lo-
calitäten ausfindig gemacht wo sie besser erhalten sind, und wir
haben an einer von ihnen, bei dem Ort Tjitavu an der Süd-
küste, gesammelt. Ich schickte Ihnen von dort 3 bis 400 Stück,
von denen allerdings ein grosser Theil unbestimmbar ist. Die
Fauna scheint sich zu der jetzt an der Südküste von Java leben-
den ungefähr so zu verhalten, wie diejenige unserer Miocänschichten
zu der Fauna des atlantischen Meeres. Auch der Erhaltungszu-
stand erinnert an unsere mitteltertiären Versteinerungen ; manche
Schalen haben noch eine Spur ihrer Farbenzeichnung. Die Fau-
nen verschiedener Orte weichen in der Facies ein wenig von ein-
ander ab. Bei Tjitavu herrschen Zweischaler, Siphonobranchiaten
336
und Seeigel. Herr Junghuhn hat von einem Ort eine grosse
Zahl von Foraminiferen gesammelt. Dem ganzen Complex eigent-
thümlich und überall vorkommend sind Balanen, welche wir an
einem Ort (im Tji - Bapaluca-Thal) zu einer Balanen breccie zu-
sammengehäuft fanden, und merkwürdigerweise kreisrunde Orbi-
tuliten, welche ebenfalls oft das Gestein erfüllen und eine Grösse
von zwei Zoll im Durchmesser erreichen. Trotz dieses Vorkom-
mens glaube ich doch mit Bestimmtheit, dass die trachytischen
Sedimente der mittleren Tertiärperiode oder überhaupt dem jün-
geren Theil dieser Formationen angehören. Dafür spricht nicht
nur das Alter, welches die Trachyte überall haben, wenn man es
mit Sicherheit bestimmte, sondern ganz besonders die auf den
ersten Blick auffallende Aehnlichkeit der eingeschlossenen mit der
jetzt an der Küste lebenden Fauna, sowie der ganze Erhaltungs-
znstand der Fossilien und die Beschaffenheit des Gesteins. Die
Versteinerungen beschränken sich fast ausschliesslich auf die fei-
neren Tuffschichten.
Ein weiteres wichtiges Sedimentgebilde ist K al k s tei n , der
in mächtigen Bänken in dem versteinerungsreichen District Rongga
im südwestlichen Theil der Hochebene von Bandong auftritt, sonst
aber im westlichen Java eine geringe Verbreitung hat, während
er im mittleren und östlichen Theil der Insel eine bedeutende
Rolle spielt. Herr Junghuhn hat ihn und sein Vorkommen
genau beschrieben und bereits die Ansicht ausgesprochen, dass
man in diesen Kalkmassen alte Korallenbänke vor sich habe.
Sie lagern allemal auf den Sedimentärtuffen und sind kurz und
schroff abgesetzt, gleichen überhaupt in ihrem Vorkommen und
ihrer Gestalt den Korallenriffen, welche noch jetzt an der Südküste
in der Entstehung begriffen sind. Auch das Gestein gleicht dem-
jenigen der gehobenen Theile dieser Riffe, so dass ich mich
dieser Ansicht vollkommen anschliesse. Der Kalkstein führt keine
Versteinerungen, aber in seiner Nähe findet man bedeutende An-
sammlungen davon. Nummulitenkalk kommt im westlichen Java
nicht vor und, wie ich bereits aussprach, ist wahrscheinlich die
Formation in ganz Java nicht vorhanden. Vielleicht hat man die
Orbituliten mit Nummuliten verwechselt. Kohlen wurden von
Herrn Junghuhn an verschiedenen Stellen nachgewiesen, aber
theils nicht abbauwürdig, theils zu weit von Hafenplätzen und in
ganz unzugänglichen Gegenden gelegen. Auch die schönen
Blätterabdrücke, welche Herr Junghuhn sammelte und Herr
337
Goi.ppert beschrieb, stammen nach allen mündlichen und schrift-
lichen Beschreibungen zweifellos aus demselben Schichtcncomplex.
Die Sedimente, welche sich jetzt noch an der Küste bilden,
sind theils Korallenriffe, über die ich Ihnen einen besonderen Be-
richt einschicke, theils Anhäufungen von Sand, welcher durch
die überaus heftige und stets andauernde Brandung angesammelt
wird. Das Land ist in Hebung begriffen, und die neugebildeten
Sanddünen werden daher bald zu flachen Küstenlandschaften er-
hoben, welche von einer echten Strandflora, wie Spinifex squar-
?'Osus, Convolvulus pes caprae, Pancratiwn ceylanicum, Scae-
vola- Arten, Wäldern von gespreizten Pandaneen und Cycadeen
bewachsen sind. An den eben erst gehobenen Theilen des San-
des erkennt man eine ausserordentlich feine Schichtung, welche
durch die regelmässigen Lagen von Titaneisensand deutlich her-
vortritt. An vielen Stellen ist der Strandsand weiss und besteht
fast *nur aus den fein zertrümmerten Gehäusen von Korallen,
Schnecken, Muscheln und Seeigeln. An anderen Orten kommt
dazu eine erhebliche Beimengung des zerriebenen Materials der
Tuffschichten und eine grosse Menge von Titaneisensand, den
die Ebbe oft als eine Lage von der Dicke mehrerer Linien zu-
rücklässt. Auf weite Strecken aber fehlt der Korallensand ganz,
und das Material der zerstörten Tuffschichten bildet den einzigen
Bestandtheil des Strandsandes. Es gewährt dann einen eigen-
thümlichen Anblick, am Strande dieselben Gebilde, allerdings nur
regenerirt, fort und fort entstehen zu sehen, welche man 2 und
3000 Fuss über dem Meere als festes Gestein kennen lernte, das
sich vor einer Reihe langer Perioden aus dem Meere absetzte.
Von hohem Interesse sind die fortdauernden Aeusserun-
gen vulkanischer Thätigkeit in diesem Theil von Java.
Jeder Krater, jede Fumarole oder Solfatara ist verschieden und
zeigt dieselbe Grunderscheinung unter ganz abweichenden Ver-
hältnissen. Einige Kratere, die seit Menschengedenken die ge-
ringe Thätigkeit des Ruhezustandes haben, geben noch keines-
wegs Sicherheit vor gewaltigen Ausbrüchen. Nur zwei unter
ihnen haben sie in historischer Zeit geliefert; der Papandayan
hatte einen Ausbruch in 1772, der Gunung Guntur hat sie noch
stetig fort; gegenwärtig ist man sehr vor einem neuen Ausbruch
besorgt. Herr Junghuhn hat die genauesten Beschreibungen
aller Kratere geliefert, die ich mit ihm besucht habe, besonders
in seinem grossen Werk über Java. Viele von ihnen sind da-
338
durch sehr bekannt geworden. Ich erlaube mir daher, Ihnen
nur einige Bemerkungen über den Zustand zu schreiben, in dem
wir einige der Kratere jetzt angetroffen haben. Alle Vulkane
die ich im Folgenden erwähne, sind in den Preanger Regent-
schaften in dem Gebirgskranz um die Hochebene von Bandong.
Ich beginne mit dem grossen Eckpfeiler an der nordwestlichen
Ecke desselben und gehe über den Nord- und Ost -Rand nach
dem südlichen Zug über, in dem bei weitem die meisten Kratere
sich befinden.
Das Ged eh- Gebirge ist eines der schönsten Kegelgebirge
von Java und besonders bekannt durch seine Lage in der Nähe
von Batavia und Buitenzorg. Es hat zwei Gipfel: den Gedeh,
einen flachea und breiten Kegel, der nach Junghuhn's Messungen
zu 9230 Pariser Fuss Höhe aufragt,und den Panggerango,
einen ungewöhnlich steilen Kegel von 9326 Fuss Höhe. Letzerer
ist gänzlich erloschen, der erstere aber noch fortdauernd thätig.
Das ganze Gebirge besteht aus einem blaugrauen Hornblende-
Oligoklas-Trachyt. Der Panggerango ist ein aufgesetzter Erup-
tionskegel, der an der Oberfläche nur steil geneigte Schichten von
Rapilli und vulkanischer Asche entblösst. Ich sah darunter auch
rundblasigen graulichen Bimsstein, den einzigen, dem ich in Java
begegnete. Auf der Höhe ist ein flach eingesenkter Krater,
dessen Flora in ihren Gattungen auffallend derjenigen unsrer
niederen Gebirge gleicht. — Der Gedeh hat einen sehr grossen
nach Norden in einer weiten Senkung geöffneten Krater. Der
Ausgang ist durch eine hochaufragende Trümmermasse, die in
einem langen Grat bis zum südlichen Kraterrand fortzieht, zwei-
geteilt. Der ganze Krater besteht daher aus zwei grossen
Schluchten, die von Süd nach Nord ziehen. Die westliche nimmt
ungeheure Steinmassen mit sich und zeigt die Spuren grossartiger
Zerstörung durch Wasser. Unterhalb ihres Ausgangs sind ganze
Berge von Trümmermassen angehäuft. Im östlichen Theil des
Kraters hingegen ist ein tiefer Kessel eingesenkt, aus dem fort-
dauernd Dämpfe ausströmen. — Die Kraterwände erschliessen in
der Tiefe mächtige Massen von festen Conglomeraten, die in
unregelmässige, aber doch im Allgemeinen horizontale Lagen an-
geordnet sind. Ueber ihnen liegen auf der Höhe dicke geschich-
tete Massen von schaumiger Lava und Rapilli, dünner und regel-
mässiger geschichtet als die festen Bänke. Dieser regelmässige,
aus grosser Ferne deutlich erkennbare Bau der beinahe tausend
339
Fuss hohen Kraterwand giebt dem Krater des Gedeh einen eigen-
tümlichen Charakter. Es scheint, dass die Bänke des festen Ge-
steins in den tieferen Theilen durch grosse Lava- Ausbrüche ent-
standen sind, und dass diese überhaupt in früherer Zeit bei diesem
Vulkan eine bedeutende Rolle spielten. Die nordöstlichen Ab-
hänge des Gedeh entblössen mächtige Ströme conglomeratischer
Lava, welche bis tief herab reichen. An einer Stelle sieht man
neben dem bequemen Reitweg, welcher auf beide Gipfel des Ge-
birges führt, einen starken Strom heissen Wassers aus einer
Spalte in den Lavafelsen hervorbrechen.
Der Tankuban-Prahu, welcher sich dicht bei dem bei-
nahe 4000 Fuss hochgelegenen Dorf Lembang, dem Aufenthalts-
ort des Herrn Junghuhn, erhebt, hat einen der grössten und
schönsten Kratere auf Java. Wenn man den Berg von Weitem
sieht, ist man nicht geneigt, ihn für einen Vulcan zu halten. In
einer Reihe von Bergen, welche die Ebene von Bandong nur
um 4000 Fuss überragen, Und von denen manche die Kegelform
der Vulkane haben, ohne dabei irgend welche Spuren der Thätig-
keit zu zeigen, sieht man einen langen, flachen Berg, dessen Ab-
hänge sanft und nicht viel über die Kammhöhe ansteigen. Die
Bewohner der Gegend haben ihn mit der Form eines umgekehrten
Kahnes verglichen und ihm daher seinen Namen Tankuban
Prahu (umgekehrter Kahn) gegeben. Eine lange gerade Linie
schneidet im Profil die Höhe des Berges ab ; sie ist der Rand
des grossen Kraters. Wenn man sich dem Tankuban Prahu von
Süden her nähert, so kommt man von den Alluvionen der Hoch-
ebene von Bandong zu sehr groben, meist conglomeratischen
trachytischen Sedimenten, welche mit sanfter Neigung aus jenem
ansteigen. Folgt man eine Stunde diesen ansteigenden Schichten,
so kommt man plötzlich in der Höhe von beinahe 4000 Fuss
zu einem steilen Abbruch, der dem Fuss des Vulkans parallel
ist. Mauerartig umzieht er die thalartige Niederung, in welche
die sanften Abhänge des Vulkans übergehen, und welche das
Dorf Lembang trägt. Der Boden besteht hier aus mächtigen
Schichten von vulkanischer Asche und Auswürflingen, welche
von der früheren heftigen Thätigkeit des Vulkans zeugen. Dieser
selbst erhebt sich sehr allmälig, an den Abhängen von Barran-
cos radienförmig durchschnitten. In dichtem Urwald steigt man
an und steht plötzlich am Rande des grossen elliptischen Kraters,
der von West nach Ost einen Durchmesser von mehr als einer
340
viertel deutschen Meile hat, während der andere Durehmesser
kaum die Hälfte dieses Betrages erreicht. Der Boden ist in zwei
runde Kessel getheilt, die durch einen Grat, welcher den nörd-
lichen mit dem südlichen Kraterrand verbindet, getrennt sind.
Der Anblick ist überaus grossartig. Der Kraterrand ist in allen
Theilen beinahe gleich. Der Abbruch ist schroff, und die Wände
ziehen steil nach der Tiefe der beiden Kessel hinab; zum Theil
bestehen sie aus nackten Felsen, zum Theil hat sich eine eigen-
tümliche Kratervegetation daran angesiedelt. Man kann an dem
Grat, der die beiden Kratere trennt, nach der Tiefe hinabsteigen.
Die Beschaffenheit der beiden Kraterböden soll sich oft ändern;
Herr Jükghuhn hat eine langjährige Reihe von Umgestaltungen
nachgewiesen. Im westlichen Kessel (Kawa Upas) fanden wir
jetzt ein trübes Wasserbecken am Fuss der Kratermauer, die an
einer Stelle eine Höhe von 1200 Fuss hat. Es füllt die Hälfte
des Bodens. In der andern Hälfte werden aus verschiedenen
Schlotten die gelblich-weissen Dämpfe mit furchtbarer iGewalt
und unter lautem Dröhnen und Tosen ausgestossen. Manchmal
lässt die Gewalt etwas nach; aber mit ungeheurem Getöse brechen
sich die Dämpfe wieder Bahn und strömen mit neuer Heftigkeit
in hohen Säulen auf, die sich in dicken weissen Wolken zu-
sammenballen. Früher war an der Stelle dieser Schlotte ein kochen-
des Wasserbecken, aus dem die Dämpfe mit Gewalt herausge-
stossen wurden. Jetzt war die Fläche schwarz wie aufgeschüttetes
Schiesspulver und bildete einen grellen Contrast zu den blenden-
den Dämpfen. Die Scene war unnahbar, und ich konnte daher
die pulverförmige schwarze Substanz, welche mit den Dämpfen
herausgeworfen zu werden scheint, nicht untersuchen. Kochende
Schlamm- und Schwefelpfuhle, aus denen ebenfalls Dämpfe in
dünnen Strahlen hervorbrechen, schnitten sie an den meisten
Stellen von dem solideren Felsgeröll ab, auf dem wir uns be-
fanden. Die Fumarolenthätigkeit ist jetzt in der Kawa Upas
ungewöhnlich stark und bringt ununterbrochen Veränderungen
des Kraterbodens mit sich. Mächtige Massen lösen sich von dem
Riegel, der beide Kratere trennt, und stürzen in die Tiefe, so
dass vielleicht in wenigen Jahren das Hinabsteigen sehr erschwert
sein wird.
Der östliche Krater (Kawa ratu) ist ein kahleres und öderes
Chaos als der westliche; die Vegetation steigt nicht so weit her-
ab, in der Tiefe ist kein Wasserbecken ; die kochenden Pfuhle
341
aber sind ausgedehnter, und es steigen allenthalben Dämpfe aus
kleinen Oeffnungen und Spalten auf. An keiner Stelle des Kra-
ters jedoch ist eine so ausgedehnte Fumarolenthätigkeit wie im
westlichen Kessel.
Die Kraterwände am Takuban Prahu sind ähnlich denen
am Krater des Gedeh, nur dass sie sich hier ganz herumziehen,
während sie am Gedeh nur einen Halbkreis bilden. Auch hier
bestehen sie aus fest verschmolzenen conglomeratischen Laven.
Die trachytische Ausbildung vom Grundgestein der Masse des
Berges fanden wir nicht aufgeschlossen. Die Laven sind meist
verglast und verschlackt, zum Theil schaumig aufgebläht und
stets von schwärzlicher Farbe. Von Augit sahen wir auch hier
keine Spur. Ueber den mächtigea Lavabänken folgen auf der
Höhe, wie auf dem Gedeh, Schichten von Aschenauswürfen,
welche die Abhänge des Berges bis zu seinem Fuss bedecken.
Einige Tage später besuchte ich allein den Gunung Gun-
tur oder Donnersberg, einen Vulkan der nur noch mit dem
Bromo im östlichen Java an Heftigkeit und Häufigkeit seiner
Ausbrüche wetteifert. Sein Schuttkegel, der 6100 Par. Fuss
hoch ist,- reicht unmittelbar hinab in das fruchtbare und dichtbe-
völkerte Thal von Trogon. Zwischen diesem Thal und der
Hochebene von Bandong erhebt sich ein Gebirgszug, der in seiner
ganzen Erstreckung vulkanisch ist und früher in vielen Krateren
thätig gewesen zu sein scheint. Sein höchster Gipfel ist der
Gunung Mesigit (6650'). Dicht bei dem Dorf Trogon ist dem
bewaldeten Gebirgszug schmarotzerhaft der nackte schwarze
Schuttkegel des Gunung Guntur angesetzt. Ein unbedeutender
Sattel verbindet ihn mit dem Kamm, ein tieferer Sattel mit dem
westlich gelegenen Gunung Putri. Nach allen anderen Seiten
reichen die Schuttmassen bis tief hinab in das Thal. Lavaströme
kommen von der Mitte der Höhe herab und breiten sich am Fuss
des Berges aus. Sie schaffen hier ein Labyrinth von Lavadäm-
men, Hügeln und grossen Kesseln, die von Wasserbecken aus-
gefüllt sind. Die Blöcke sind wild übereinandergethürmt und
bilden ein wunderbares Chaos, reich an landschaftlicher Schön-
heit und an interessanten Momenten zur Beobachtung. Heisse
Quellen kommen unter den Lavaströmen hervor, die wahrschein-
lich im Innern noch nicht völlig abgekühlt sind. Die Abhänge
des Berges sind schwarz und kahl; nur in den kleinen Barran-
eos, welche sich herabziehen, haben sich Gräser und Bambusge-
342
büsche angesiedelt, an denen hier und da eine Nepenthes rankt.
Die Besteigung ist nicht unbeschwerlich, denn der Gunung Gun-
tur ist ein Schuttkegel im vollsten Sinne des Wortes. Seine
Abhänge bestehen aus losen vulkanischen Auswürflingen, rauhen
und scharfkantigen Steinblöcken, die meisten porös und schaumig
aufgebläht. Unten ist die Neigung nicht bedeutend, aber sie
wird steiler und steiler. Die Steine von den letzten Ausbrüchen
liegen so lose, dass die grössten Blöcke nachgeben, wenn man
darauf tritt. Bei jedem Schritt vorwärts kommt man wenigstens
um einen halben zurück. Leider wurde ich für meine Mühe
schlecht belohnt; ich fand den Gipfel in so dichten Nebel ein-
gehüllt, dass ich weder den Grund, noch den gegenüberliegenden
Rand des Kraters sehen konnte. Nur Eine Erscheinung Hess
sich beobachten. Es war dies ein ganzes System concentrischer,
dem Kraterrand paralleler Spalten, welche die Grenzen der
Schuttmassen bezeichneten, die zunächst in den Kessel hinab-
stürzen sollten. Die innersten Spalten klafften schon weit; die
äussersten waren verdeckt; ihre Anwesenheit liess sich nur an
einem weissen Zersetzungsprodukt und an den Dämpfen erkennen,
welche aus jeder von ihnen aufstiegen. Der Boden war so heiss,
dass man an vielen Stellen nicht die Hand darauf halten konnte.
Das Gestein des Gunung Guntur lässt sich nur an den Aus-
würflingen erkennen, da, wie gesagt, der ganze Berg daraus be-
steht. Es ist von schwärzlicher Farbe und stets verschlackt;
so spröde, dass ein Schlag mit dem Hammer einen grossen Block
in ein Haufwerk kleiner Würfel zertrümmert. Die Grundmasse
ist porös und von fettglänzendem Bruch. Doch sah ich weder
Bimssteine noch eigentliche Obsidiane, wiewohl letztere in geringer
Entfernung vom Gunung Guntur, wahrscheinlich als Erguss aus
einem längst erloschenen Vulkan, vorkommen. Ihr Gestein scheint
mit dem des Guntur identisch zu sein. In beiden enthält die
Grundmasse eine grosse Zahl weisslicher Krystalle eines Feld-
spaths, von dem ich jedoch seiner spröden Beschaffenheit wegen
nicht festzusetzen vermochte, ob er Oligoklas oder glasiger Feld-
spath sei. Herr Apothekermajor Mayer in Batavia hat schöne
Stücke davon gesammelt, welche er einer Analyse unterwerfen
wollte. — Der Gunung Guntur soll jetzt wieder sehr drohend
sein, und man befürchtet um so mehr einen heftigen Ausbruch,
als er durch die ungewöhnlich lange Zeit von mehr als zehn
Jahren ruhig gewesen ist. Gewöhnlich hat er von Zeit zu Zeit
343
einen besonders heftigen Ausbruch, der das ganze Thal mit Aus-
würflingen bedeckt. Das Dorf Trogon wurde schon so hoch
überschüttet, dass sämmtliche Häuser bedeckt waren, und nur die
Kronen der Cocospalmen noch hervorragten. Die Reisfelder
wurden unbrauchbar gemacht und alle Cultur vernichtet. Dann
verliessen gewöhnlich die Bewohner, soweit sie nicht umgekom-
men waren, ihre frühere Stätte für mehrere Jahre, siedelten sich
aber allemal wieder nach und nach auf dem neuen, fruchtbaren
Boden an.
Nur eine Meile von diesem Vulkan entfernt liegt der Pa-
pandayan, ein Vulkan von eigenthümlicher Art. In einem
bewaldeten Gebirgszug von flachen Anhöhen sieht man zur Seite
einer der minder hervorragenden Höhen einen grossen, nach Süd-
ost geöffneten Kessel, dessen nackte, bleiche Steinmassen in
grellem Contrast zu der üppigen Vegetation der Umgebung
stehen. Wasserdämpfe und schwefelige Gase entweichen noch
fortdauernd aus dem Boden, und es setzen sich dicke Krusten von
Schwefel ab. Die eruptive Thätigkeit des Vulkans aber beschränkt
sich nach den Ueberlieferungen auf einem einzigen Ausbruch,
der im Jahre 1772 stattfand und so furchtbar war, dass über
vierzig grosse Dörfer verschüttet und fast sämmtliche Einwohner
getödtet wurden. Früher soll kein Krater existirt, sondern viel-
mehr ein Berggipfel sich an der Stelle des jetzigen Kessels er-
hoben haben. Dies dürfte wohl wenig Glauben verdienen und
eher anzunehmen sein, dass der frühere Krater erloschen und mit
Wald bedeckt war. Der Ausbruch war ganz besonderer Art.
Es regnete nicht Asche, sondern grosse Steinblöcke, die noch
jetzt zu einem unfruchtbaren Steinmeer am Fuss des Berges zu-
sammengehäuft liegen. Auch war der Ausbruch plötzlich und
hatte keine anderen Folgen, als dass sich eine bleibende Stätte
der Solfatarenthätigkeit gebildet hat. Herr Junghuhn nennt
daher gewiss mit Recht den Papandayan einen Explosionskrater.
Der Kessel selbst reicht in seiner Gestalt und in seinen Eigen-
schaften weit von anderen Krateren ab. Es ist hier nichts von
Lavaströmen, von übereinander geschichteten Conglomeratbänken,
von Rapilli und vulkanischer Asche zu sehen. Man sieht nur
feste trachytische Wände, welche einen grossen, unregelmässigen
Kessel umgeben und sich nach einer Seite öffnen, wo der Boden
des Kessels unmittelbar in den Bergabhang übergeht. Man kann
von dieser Seite auf einem bequemen Wege bis in den Krater
344
hineinreiten. Ein Strom von grossen Blöcken, unter denen allent-
halben schwefelsäurehaltige Quellen hervorsprudeln, zieht sich an
dem sanftgeneigten Abhang aus der Oeffnung des Kraters herab.
Betritt man diesen, so steigt man nach den jenseitigen Theilen
des Kraterbodens höher und höher hinan. Aber man sieht auch
hier nichts als chaotische Haufwerke von eckigen Trachytblöcken
in allen Stadien verschiedener Zersetzungsvorgänge; dazwischen
strömen Dämpfe aus, bald mit lautem Getöse aus runden Schlot-
ten, bald mit Zischen aus unsichtbaren Oeffnungen zwischen den
mit Schwefelkrusten verbundenen Steinblöcken. Schwefelsäure-
haltige Massen rieseln über das Steinmeer hinab und verursachen
eine schnelle und tief eingreifende Zersetzung. Das ursprüngliche
Gestein ist selten deutlich erkennbar. Es schien mir in drei
verschiedenen Hornblende - Oligoklas - Trachyten zu bestehen, von
denen jeder seinen eigenen Gang der Zersetzung hat, und dieser
wechselt wiederum bei jedem einzelnen Block, je nachdem er den
Dämpfen und Kraterwässern oder nur atmosphärischen Einflüssen
ausgesetzt ist. Das Endresultat ist eine lockere weisse, kaolin-
artige Masse, welche unter dem Namen „Kreide" zum Weiss-
tünchen der Häuser angewendete wird. Wahrscheinlich ist sie
dasselbe Zersetzungsprodukt, welches bei Bereghszäsz im nord-
östlichen Ungarn unter ähnlichen Verhältnissen vorkommt und
auch dort unter dem Namen „Kreide" einen Handelsartikel bildet.
Die Höhe des Kraterbodens von Papandayan beträgt nach Jung-
huhn 6600 Pariser Fuss.
Vom Gunung Guntur und Papandayan nach Westen hin
ist das ganze Gebirge vulkanisch; aber die eruptive Thätigkeit
ist längst erloschen. Die hohen Gipfel, wie der Tjikorai (8645
P. F.), der Malawar (7090 F.), der Patuha (7420 F.) und
andere, haben eine regelmässige Kegelform, und jeder hat auf der
Höhe die trichterförmige Vertiefung eines Kraters, von dem die
Geschichte nichts mehr erzählt. Die Waldvegetation füllt meist
das ganze Becken aus, und man kann daher nicht einmal die
Gesteine und die Einwirkungen früherer Thätigkeit erkennen.
Aber in tieferen Theilen des Gebirges giebt es oft an Stellen
wo man es am wenigsten erwarten würde, Kratera, in denen die
Solfataren- und Fumarolenthätigkeit noch heute fortdauert. Von
Weitem sieht man aus der Waldfläche eine kleine weisse Wolke
aufsteigen. Es gehört zu den überraschendsten Scenen, wenn
man näher herankommt und mitten im Dickicht des üppigsten
345
tropischen Urwaldes den kahlen und öden Schauplatz der Wir-
kung unterirdischer Kräfte sieht. Ein voller Baumwuchs reicht
bis dicht heran und umschliesst das bleiche Steingewürfel, aus
dem die Dämpfe aufsteigen. Am wunderbarsten ist die Scene
an der Kawa Wayang, welche mitten am sanft geneigten Ab-
hang des G Urning Wayang liegt, selbst geneigt wie dieser und
nur wenig vertieft. Sie besteht aus einem Chaos weiss über-
zogener Steintrümmer, zwischen denen allenthalben Dämpfe auf-
steigen und Schwefel sich absetzt. Der Durchmesser mag, auf die
Horizontalebene reducirt, 200 bis 3Ü0 Schritt betragen. Die An-
häufung der Steintrümmer scheint nach der Tiefe fortzusetzen,
denn die Dämpfe finden überall Auswege und dringen ganz un-
regelmässig angeordnet hervor. Es ist daher auch nicht ganz
gefahrlos zwischen den Blöcken herumzugehen. Oft kommt man
an Stellen, wo der stark zersetzte, lockere Boden unterminirt ist
und nachgiebt. Der Schwefelabsatz ist sehr bedeutend, so wie
der Gehalt der Dämpfe an schwefeliger Säure und Schwefel-
wasserstoffgas ; auch Federalaun kommt in geringer Menge vor.
Im südöstlichsten, höchsten Theii des Kraters ist die Zerberstung
am stärksten. In einer tiefen Kluft sahen wir dort einen grossen
bogenförmigen Strahl kochenden schlammigen Wassers, der con-
stant mit grosser Heftigkeit herausgeschleudert wurde und ein
kleines Wasserbecken mit unterirdischem Abfluss speist. Am
unteren Ende des Beckens, wo das Wasser schon bedeutend ab-
gekühlt ist, fanden wir noch eine Temperatur von 72 Grad C;
der Geschmack war stark nach Alaun. Ich bekam hier zum
ersten Mal einen Begriff von den Schlammausbrüchen der Vul-
kane. Würde das Ventil einmal für längere Zeit geschlossen, so
würde bei der ersten Ueberwindung des Widerstandes eine unge-
heure Menge viel schlammigeren Wassers herausgeschleudert
werden.
Das Gestein an der Kawa Wayang ist dasjenige des ganzen
Berges, ein Hornblende-Oligoklas-Trachyt mit grossen Krystallen
von beiden Mineralien. Es ist zähe und nur noch in der Mitte
grosser, schwer zersprengbarer Blöcke zu erkennen. Ich be-
obachtete nur Einen Trachyt in der ganzen Solfatara. Die Zer-
setzung ist bei jedem Stück ganz gleich. Das Gestein wird isa-
bellgelb und ausserordentlich feinzellig, die Oligoklaskrystalle
weiss, die Hornblendekrystalle braun. Nach und nach verschwin-
den beide Mineralien vollständig, und es bleibt ein homogenes?
346
sprödes, aber doch weiches, sehr lockeres und leichtes Gestein
mit einzelnen grösseren Zellen übrig, sehr ähnlich manchen Ge-
steinen im Gebirge von Bereghszäsz. Zuweilen ist es von Kiesel-
säure durchdrungen und hat dann einen fettglänzenden Bruch ;
doch findet man auch die Kieselsäure frei im zelligen, halbopal-
artigen Zustand. — Alle Gesteinsblöcke, und überhaupt der
ganze Boden der Kawa, sind mit einem weissen Ueberzug be-
deckt, der mehrere concentrische Schalen bildet und wahrschein-
lich wesentlich aus kieselsaurer Thonerde mit freier Kieselsäure
und etwas Schwefel besteht. Zum Theil mag er vom Ueber-
strömen mit dem schlammigen Wasser herrühren; aber die Ver-
witterung durch schwefeligsaure Dämpfe muss, wenn nachträglich
Regengüsse hinzutreten, bei freiliegenden Bruchstücken dieselbe
Wirkung ausüben, denn ich fand den gleichen Ueberzug von
geringerer Dicke auf der Oberfläche des Vulkans de Taal bei
Manila in mehr als 1500 Fuss Höhe über dem Boden des
Kraters.
Herr Junghuhn hielt auch die Solfatara des Gunung
Wayang für einen Explosionskrater. Auch ich glaube, dass
sie vollständig diesem Begriff entspricht. Sie steht hinsichtlich
ihrer Entstehung jedenfalls auf derselben Stufe wie der Krater
des Papandayan, nur dass dieser bedeutend grossartiger ist. Bei
beiden giebt es keine Auswürflinge und keine vulkanische Asche
mit Ausnahme der bei der ersten Explosion herausgeschleuderten
Trachytblöcke.
In dieselbe Kategorie scheint ferner die Kawa Tjiwidai
zu gehören, welche etwas weiter westlich liegt, ebenfalls mitten
im Urwalde und mitten an einem Abhang. Die kurze Zeit, auf
welche sich der Besuch der einzelnen Orte beschränken musste,
Hess leider ein genaueres Studium nicht zu; aber schon ein flüch-
tiger Blick zeigte in der Kawa Tjiwidai eine Fülle interessanter
Erscheinungen. Der dampfende Kessel liegt an der Vereinigungs-
stelle zweier kleiner Bäche. Zwischen der Gabelung zieht sich
von dem mit dichtem Buschwerk bewachsenen Abhang ein ödes,
kahles Trümmerhaufwerk herab, das von den beiden anderen,
ebenfalls bewachsenen Gehängen durch die beiden breiten Bach-
betten getrennt ist. Das ganze gabelförmige Bachbett, das an
der Stelle der Vereinigung eine bedeutende Breite hat, ist ein
Schlammpfuhl, aus dem an zahllosen Stellen aus kleinen offenen
Trichtern die Gase aufwirbeln. Oft steht darüber eine schmutzige
347
kochende Wasserlaake, die beständigen Zufluss aus der Tiefe er-
hält. Ueberall brodelt und zischt es und kracht es und knackt
es von platzenden Blasen, in denen der Schlamm selbst manch-
mal aufkocht. In gleich starkem Maasse findet die Gas- und
Dampf- Entwickelung auf dem Trümmerh aufwerk zwischen den
Blöcken Statt, oft aus festem Sandboden, auf dem man trotz
seiner hohen Temperatur sicher treten kann. Sticht man mit
einem Stock hinein, so nehmen die Gase gierig diesen neuen
Ausweg. Die Gestalt dieser Solfatara ist durchaus unregelmässig
und zeigt keine Spur von kreisförmigem Umriss. •
Die Gesteine der Kawa Tjiwidai weichen sehr von denen
der bisher genannten Kratere und Solfataren ab. Ich sah nicht
ein einziges Bruchstück, aus dem ich mit Sicherheit hätte auf
die Herstammung aus Trachyt schliessen können. Weit herum
um die Kawa sieht man im Urwald kein anstehendes Gestein, da-
her man. auch von dieser Seite keinen Aufschluss erhalten kann.
Wo immer aber ich einen Block in der Kawa selbst anschlug,
fand ich einen gelblichgrauen Sandstein mit einzelnen abgerollten
Quarzstückchen, wie dies schon Herr Junghuhn in seiner meister-
haften Beschreibung dieses dampfenden Kessels anführt. Ohne
Zweifel sind alle diese Gesteine Bruchstücke von Sedimenten,
und zwar wahrscheinlich von solchen einer älteren Formation,
welche den trachy tischen Sedimenten als Basis dient; denn wir
sahen in dieser ganzen jüngeren Schichtenreihe kein ähnliches
Gestein, keins überhaupt mit Quarzgehalt und Quarzeinschlüssen;
es ist auch wohl zur Zeit ihrer Bildung kein Material für Quarz-
sandsteine vorhanden gewesen. Man hat es also wahrscheinlich
hier mit dem Aufbruch einer älteren Formation zu thun, die
ausserdem in ganz Java nicht mehr erscheint. Man erkennt in
dem Gestein die Schichtung noch sehr deutlich. Im Innern sind
zuweilen rundliche Höhlungen bemerkbar wie in Mandelsteinen ;
wahrscheinlich rühren sie von aufgelösten und weggeführten Ein-
schlüssen her.
Eine zweite Merkwürdigkeit der Kawa Tjiwidai ist das Vor-
kommen von Alunitfels in Bruchstücken; er ist weiss und
gelblich, dolomitähnlich, hart und spröde und von zahlreichen
kleinen Drusenräumen mit Alunitkrystallen durchzogen. In
scharfer Begrenzung wechseln mit diesen hellen Theilen dunklere
Partien, wo alle Hohlräume mit Schwefel ausgefüllt sind. Die
ersteren gleichen mit ihrem zuckerkörnigen Gefüge auffallend
Zeits. d. d. geol.Ges. XIV. 2. 23
348
dem Alunitfels der Gebirge von Bereghszäsz. Um die Ana-
logie noch deutlicher zu machen, enthält auch das javanische Ge-
stein Einschlüsse von milchblauem chalcedonartigen Quarz. Ich
suchte in dem erwähnten Aufsatz über die ungarischen Trachytge-
birge zu zeigen, dass dort der Alunitfels durch Umwandlung des Rhyo-
lithes entstanden sei ; ebenso scheint er hier aus dem unreinen Quarz-
sandstein entstanden zu sein, von dem sich eine Analogie der
chemischen Gesammtzusammensetzung mit dem Rhyolith wohl
erwarten lässt. Es giebt zahlreiche Uebergangsstufen aus dem
Sandstein in den Alunitfels, und die chemische Analyse der
Stücke, welche ich Ihnen zusende, wird wohl über den Vor-
gang einiges Licht zu verbreiten vermögen. — Die Schwefelab-
sätze sind hier verhältnissmässig gering. Dagegen beobachteten
wir eine dieser Solfatara ganz eigenthümliche Erscheinung; es
ist das massenhafte Auftreten eines graulich weissen, durchschei-
nenden, krystallisirten Minerals. Die spiessigen Krystallaggregate
stehen in dichten Bündeln nebeneinander und bilden Ueberzüge
auf andern Gegenständen. Die Länge der Krystalle und somit
die Dicke des Ueberzuges beträgt einen halben bis dreiviertel
Zoll. Das Mineral kommt vorwaltend längs der Grenze des
Trümmerhaufwerks mit dem schlammigen Theil der Kawa vor.
Alle Steine sind dort auf den dem Tümpel zugekehrten Flächen
damit überzogen, und auf einigen Strecken, die viele Quadrat-
klafter gross sind, bildet es eine zusammenhängende Decke auf
dem Schlamm, die mit ihren aufrechtstehenden, dicht aneinander-
gedrängten Krystallnadeln einem steinernen Moosteppich gleicht.
Allemal ist es umgeben von stark nach Alaun schmeckendem
Wasser. Das Mineral selbst ist unlöslich und geschmacklos.
Es erinnert am meisten an Strontianit. Ob es welcher ist,
muss die Analyse entscheiden; doch wäre gerade die Entstehung
dieses Minerals in schwefelsäurehaltigen Kraterwässern wohl
denkbar.
Es wäre von hohem Interesse, diese secundären Gebilde in
der Kawa Tjiwidai, welche so weit von denen in anderen Kra-
teren und Solfataren abweichen, näher zu untersuchen. Leider
erlaubte dies meine Zeit nicht. Einige Erscheinungen wieder-
holen sich an der Kawa Patuha, welche eine Stunde weiter
westlich liegt, und auf die ich auch näher eingehe. Doch vorher
erlauben Sie mir noch einige Worte über den Gunung Pa-
tuha, welcher uach Junghuhn 7725 Par. Fuss hoch und einer
349
der Hauptgipfel des in Rede stehenden Vulkanenzuges ist.
Dieser Berg erhebt sich auf einer breiten, über 6000 Fuss hohen
Grundlage als ein regelmässiger Kegel. Auf der Höhe ist ein
6 bis 700 Fuss tiefer, längst erloschener Krater. Furchtbar steil
senken sich von dem schmalen, ringförmigen und sehr ungleichen
Kraterrand die Wände hinab, oben mit Sträuehern, in der Mitte
mit Farnbäumen und Häusern und im untersten Theil nur noch
mit Häusern bewachsen, bis zu dem schwarzen, vegetationsleeren
Boden. Es ist unmöglich, in die Tiefe des imposanten Kessels
hinabzusteigen Ein besonderes Interesse knüpft sich an diesen
alten Krater dadurch, dass wahrscheinlich in ihm die Thätigkeit
des Patuha begann. Bei keinem anderen Vulkane sahen wir
Spuren einer so grossartigen Thätigkeit wie bei diesem. Am
nördlichen und westlichen Fuss dehnen sich die Lavaströme un-
glaublich weit aus. Das ganze unebene Vorland nach diesen
Seiten fanden wir, wo immer wir es aufgeschlossen sahen, aus
Lavaströmen bestehend. Der dichte Urwald, der die Gegend
weithin bedeckt, überzieht auch diese Lavafelder. Vom Gipfel
des Patuha sieht man mitten im Wald einzelne scharf abgegrenzte
Grasflächen ; es sind die ausgefüllten Becken von Seen, welche
sich in den Unebenheiten des Lavafeldes gebildet hatten. Nur
einer von ihnen besteht noch jetzt : der 4800 Fuss hohe Telaga
Patengan. der grösste See auf Java. Herr Junghuhn hatte
ihn eben durch Anlage eines Weges zugänglich machen lassen,
und wir verbrachten an den einsamen, mit Urwald bewachsenen
Ufern des schönen Sees mehrere Tage. Die Lavaströme des
Patuha schliessen ihn von allen Seiten ein und bilden Inseln
darin. Der See nimmt durch sie seinen unterirdischen Abfluss.
Die gesammte Lava des Patuha scheint Einem Trachyt anzuge-
hören, der sich durch grosse weisse Oligoklaskrystalle auszeichnet.
Er ist bald schwarz, bald roth; bald fester, bald porös und
schaumig aufgebläht. Grosse Massen bestehen aus Reibungs-
conglomerat, in dem die Einschlüsse von Bindemittel nicht ver-
schieden sind. Das zähflüssige Material ist in gewundenen, ge-
drehten, tauartigen und striemigen Formen erstarrt, alle Bestand-
teile sind fest mit einander verbunden und nur durch Verwitterung
erkennbar. Besonders interessant sind Blöcke, welche auf der
verwitterten Aussenfläche ein vollkommen schiefriges Gefüge zu
haben scheinen. Es wechseln, wenn man die Stücke zerschlägt,
Lagen der rothen und der schwarzen Modification, aber sie sind
23*
350
fest mit einander verschmolzen und ganz unregelmässig, so dass
der Querbruch wie der marmorirte Schnitt eines Buches aussieht.
Diese Gesteine gleichen so genau manchen Laven der tertiären
Vulkane von Nagy Szöllös im nordöstlichen Ungarn, dass man
die Handstücke mit einander verwechseln könnte.
Von dem gänzlich erloschenen Gipfelkrater des Patuha
scheint die vulkanische Thätigkeit auf tiefergelegene Stellen des
Gebirges übergegangen zu sein. Am Fuss der steilen Abhänge
des Kegels liegt 6685 Par. Fuss über dem Meer die Kawa Pa-
tuha, welche im Erlöschen begriffen ist, und etwas weiter ab
gegen den Telaga Patengan die Kawa Tjibuni, ungefähr 5000 F.
hoch ; in ihr ist noch eine bedeutende Solfataren-Thätigkeit.
Die Kawa Patuha ist ein vollkommen kreisrunder Kessel
von Tausend Schritt im Durchmesser. Die nördliche Krater-
wand ist ein steiler, felsiger Absturz, mit dem der Kegel des
Patuha endigt ; die übrigen Wände sind niedriger und nirgends
schroff. Gebüsche von echter Kraterflora reichen an ihnen hin-
ab bis zum Kraterboden, wo sie scharf begrenzt abschneiden.
Der letztere ändert sich häufig, wie Herr6 Junghuhn durch wie-
derholten Besuch nachgewiesen hat. Jetzt fanden wir ihn zur
Hälfte von einem trüben Wasserspiegel eingenommen, dessen
Farbe ein eignes Gemisch von Milchblau und Gelb war. Der
übrige Theil des Grundes ist mit Steinen und trocknem Schlamm
bedeckt, die aus der Ferne zu einem gleichförmigen blendenden
Weiss verschwimmen. Der grelle Abstand des Kraterbodens zu
dem tiefem Grün der Wände, dazu der kreisförmige Umriss des
Kessels und die schöne Form des Patuha, der unmittelbar daraus
ansteigt, Alles dies giebt dieser Kawa einen eigenthümlichen
Anblick. Man kann nach dem Grund hinabsteigen und auf dem
Boden sicher herumgehen. Solfataren und Fumarolen scheinen
gegenwärtig nicht zu existiren, Herr Junghuhn fand sie noch
vor einigen Jahren in geringer Thätigkeit, während bei seinem
ersten Besuch vor dem Jahr 1840 so wenig wie jetzt eine Spur
davon vorhanden war. Dies lässt wohl darauf schliessen, dass
die vulkanische Thätigkeit im Erlöschen begriffen ist. Um so
heftiger aber muss sie gerade in diesem Krater früher gewesen
sein. Nirgends sah ich so bedeutende Schwefelmassen an einem
Ort aufgehäuft wie hier. Sie sind nicht mehr als krystallisirte
Incrustirungen vorhanden, sondern auf secundärer Lagerstätte als
Schichtgebilde. An der Oberfläche meint man grauen Schlamm
351
zu sehen ; aber wenn man die Decke fortnimmt, sieht man dar-
unter regelmässige dicke Schichten von reinem gelbem Schwefel,
die mit Sedimenten von Thon und verunreinigtem Schwefel
wechsellagern. Kleine Bäche und Tagwässer spülen mehr und
mehr die Schichten nach der See zusammen und ebnen den
Grund aus. An einer mehr geschützten Stelle sahen wir auf
dem grauen Boden eine ausgedehnte, zwei Fuss mächtige Scholle,
schroff abgesetzt und scheinbar aus reinem Schwefel bestehend.
Sie war von Tausenden schmaler, aber tiefer Risse durchzogen,
an denen es ersichtlich war, dass der ganze obere Theil der Scholle
Schwefel war; darunter folgte Thon und weiter abwärts wieder
Schwefel. Die Wände der Klüfte waren dicht besetzt mit kleinen
kugeligen Agglomeraten von Schwefel, von sehr geringer Grösse
bis zu der einer Erbse. Wahrscheinlich bilden sie sich bei den
Wirbeln des Wassers in dem Netzwerk der engen Risse. Die-
selben Schwefelkügelchen sind auf dem ganzen Kraterboden sehr
häufig auf den grauen thonigen Sedimenten zerstreut. Die Menge
des Schwefels, welcher bereits nach \der Mitte des Beckens zu-
sammengespült ist, muss sehr bedeutend sein, da schon ganze
Schichten entfernt sind. Wir sehen einzelne 4 bis 8 Zoll mäch-
tige Lagen von reinem Schwefel so weit weggeführt, dass nur
noch Hunderte von kleinen Schwefelpyramiden an der Stelle
standen, jede mit einem kleinen Stein belastet. Das Wasser des
Sees scheint einen unterirdischen Abfluss zu haben. Das Niveau
desselben ist seit Herrn Jukghuhn's erstem Besuch bedeutend
reducirt.
In ihren Gesteinen verbindet die Kawa Patuha die beiden
zuletzt genannten Solfataren Kawa Wayang und Kawa Tjiwidai.
Es finden sich die Trachyte der ersteren mit allen Zersetzungs-
erscheinungen, deren ich dort erwähnte; daneben aber kommen
dieselben Quarzsandsteine vor, welche die Kawa Tjiwidai charak-
terisiren, mit allen Uebergängen in Alunitfels, und dieser selbst
findet sich genau so wie dort in einzelnen Blöcken. Das Ge-
stein gleicht jenem bis auf die scharfbegrenzten dunklen Theile,
welche in ihren Hohlräumen mit Schwefel erfüllt sind. Es kommt
aber hier noch ein drittes Gestein vor, welches die folgende Sol-
fatara charakterisirt.
Die Kawa Tji-Buni, auf unsrer ganzen Reise der einzige
Ort, den Herr Junghuhn früher noch nicht besucht hatte, ist
eine Solfatara im Bett des Tjibuni- Flusses, der wenig oberhalb
352
und an der Südküste der Insel mündet. Wir stiegen in ein
steilwandiges, wohl 500 Fuss tiefes Spaltenthal mit bewaldeten
Wänden hinab. Schon von oben sahen wir dicke Dampfwolken
aus der Tiefe aufsteigen. Der Bach fliesst über zahlreiche Trüm-
mer und grosse Blöcke. Zwischen diesen ist ein Brodeln, Sieden,
Dampfen und Brausen, als ob das ganze Bachbett eine chemische
Fabrik wäre. Kochende schmutzige Pfuhle liegen bald offen da,
bald sind sie durch eine feste Kruste überdeckt, die nur durch
eine kleine Oeffnung in das Innere blicken lässt. Träte man
auf den anscheinend festen Boden, so würde man im kochenden
Modder versinken; wir konnten oft mit langen Stöcken keinen
Grund finden. Die Gase entwickeln sich oft mit heftigem Auf-
spritzen aus diesen Modderpfuhlen und Tümpeln, durchdringen
in Strömen von Blasen das klare Wasser des kleinen Baches
und strömen aus rauchenden Röhren am Gehänge heraus. Dass
es vorwaltend schwefelige Gase sind, welche mit den dicken
weissen Dampfwolken heraufkommen, ist schon am Geruch zu
merken, ausserdem aber auch an den massenhaften Sublimationen
von reinem Schwefel, von denen die meisten unerreichbar sind.
Die Gesteine der Kawa Tjibuni sind wesentlich zweierlei.
Am häufigsten ist ein gewöhnlicher grauer Hornblende-Oligoklas-
Trachyt vertreten. Aber auszeichnend für diesen Ort ist der
Sanidin-Trachyt, dessen ich früher als analog dem Trachyt des
St. Anna-Sees in Siebenbürgen erwähnte. Er ist auch das dritte
Gestein der Kawa Patuha, doch ist er dort nur untergeordnet.
Ich breche hier meine schon etwas zu lang gewordenen
Mittheilungen ab. Sie werden daraus ersehen, dass ich bloss
eine Darstellung des wirklich Beobachteten zu geben versuchte,
ohne weitere Folgerungen und Verallgemeinerungen. Dazu war
die Beobachtung zu unvollkommen und das Feld derselben zu
klein. Ich bedaure, dass sie gerade diejenige der Inseln des
Archipels betreffen, welche unter allen allein in ihrem geognosti-
schen Bau erforscht und bekannt ist, und welche zugleich unter
allen die einfachsten Verhältnisse zu bieten scheint. Allein es
sind gerade über Java noch manche Irrthümer verbreitet, die
nur dadurch entstanden sein können, dass man zweifelhafte
Quellen benutzt hat, während doch Herr Junghuhn in seinem
grossen Werk eine so staunenswerthe Menge der sichersten und
zuverlässigsten Nachrichten giebt. So finde ich unter vielen
Anderen in Naumann's „Geognosie" (1. Aufl. Bd. I. S. 185)
353
angegeben, dass der Papandayan vor seiner Eruption im Jahre
1762 einer der höchsten Berge der Insel war, und nicht nur
diese ganze Masse in sich selbst zusammenbrach, sondern ein
ganzer Landstrich von I 5 engl. Meilen Länge und 6 Meilen
Breite dabei versunken sei. Die Gestalt des Gebirges lässt mit
Sicherheit erkennen, dass der jetzt ungefähr 7000 Fuss hohe
Berg nie viel höher gewesen sein kann. Um aber einer der
höchsten Berge von Java gewesen zu sein, müsste sein Gipfel
mindestens 4000 Fuss über seine jetzige Höhe aufgeragt haben.
Was aber die Versenkung des angrenzenden Landstrichs betrifft,
so haben Herrn Junghuhn's genaue Erkundigungen das Resultat
ergeben, dass ein solches Ereigniss nicht stattgefunden hat, son-
dern nur, dass die Gegend mit Steinen überschüttet worden ist.
Von allen anderen Inseln des Archipels, ist in geologischer
Hinsicht, selbst in Batavia, so viel wie gar nichts bekannt, und
doch scheint, nach den wenigen Notizen, welche man hier und
da erfährt, der ostindische Archipel zu den interessantesten Theilen
der Erde zu gehören. Es wäre gewiss eine der lohnendsten
Aufgaben, die sich ein Geolog stellen könnte, eine Reihe von
Jahren der Erforschung dieser Inseln zuzuwenden, in ähnlicher
Weise, wie Herr Wallace dieselben durch die letzten Jahre für
ornithologische und entomologische Zwecke ausgebeutet hat. Der
Reichthum der Formationen auf einigen von den Inseln, beson-
ders Sumatra, Borneo und Celebes, scheint sehr gross zu sein.
Die Eruptivgesteine, welche vielfach in die Sedimentgebilde ein-
greifen, und die Rolle, welche die Vulkane und vulkanischen
Sedimente spielen, erhöhen das Interesse. Bis jetzt ist meines
Wissens noch nicht eine einzige Formation sicher bestimmt und
noch nicht ein einziges Gestein genauer untersucht worden.
Korallenriffbildungen der verschiedensten Art sind überall in
grösstem Maassstab vorhanden und bieten allein der Forschung
ein reiches Feld. Aber auch manche der anziehendsten Fragen
der Geologie, die Geschichte der Länder während der letzten
Perioden, die Geschichte ihrer Hebungen und Senkungen und
allmäligen Formveränderungen, die Auflösung von grossen Länder-
strecken in Gruppen und Reihen von Inseln, und dann wiederum
die zeitweilige Verbindung derselben zu ausgedehnten Festländern,
die Absperrung früher über weite Länder verbreiteter Faunen
auf einzelnen Inseln und ihre allmälige Umgestaltung auf den-
selben, das Verhältniss der einzelnen Inseln zu einander und
354
ihrer Gesammtheit zu den Continenten von Asien und Australien
— alle diese Fragen und hundert andere bieten sich hier mit
so viel Aussicht auf befriedigende Lösung, wie kaum anderswo.
Herr Wallace hat sie vom geologischen Standpunkte aus an-
gebahnt und fand glänzende Stützpunkte für die Theorien von
Herrn Dabwin. Von den vulkanischen Erscheinungen kennt
man nur die auf der Insel Java, und etwas Weniges von Me-
nado auf Celebes. Im ganzen übrigen Theil des Archipels sind
sie unerforscht, und die Petrographie der Vulkane wartet selbst
auf Java eines Bearbeiters. Sowie für das rein wissenschaftliche,
so würde man aber auch für die praktischen Interessen hier ein
reiches Feld finden. Von Erzlagerstätten kennt man diejenigen
des Zinns auf Banca; alle anderen sind unvollkommen oder gar
nicht bekannt. Weiss man doch noch nicht einmal, welchen For-
mationen die einzelnen Kohlenlager des Archipels angehören;
selbst von dem grossen Lager von Banjermassin auf Borneo ist
das Alter noch nicht festgestellt. Und doch weiss man mit
Sicherheit, dass der Archipel, mit Ausnahme von Java, den
Molukken und einigen anderen Inseln, in allen Theilen ausser-
ordentlich reich an Kohlen und an Erzlagerstätten aller Art ist.
Eine wissenschaftliche Untersuchnng wäre unter diesen Um-
ständen von grosser praktischer Wichtigkeit. Die wenigen Geo-
logen, welche auf dem Archipel ausserhalb Java gereist sind,
betrieben entweder, wie Zollinger, die Geologie nur nebenbei,
theils beschränkten sie sich auf einen flüchtigen Besuch einer
oder der anderen Insel, theils starben sie, ohne etwas veröffent-
licht zu haben. Jetzt ist endlich durch den Eifer und die Be-
harrlichkeit von Herrn Cornet de Groot {hoofdingenieur und
chef van het mijnwezen) seit einigen Jahren ein Institut ge-
schaffen, das seinen Sitz in Buitenzorg hat und die Erforschung,
zugleich aber auch die technische Bearbeitung der Erz- und
Kohlen - Lagerstätten des Archipels, so weit sie Eigenthum des
Staates sind, zum Zweck hat. Aber da der Archipel sehr aus-
gedehnt und der Zweck wesentlich praktisch ist, so haben die
wenigen Mitglieder so viel zur Erfüllung dieser Aufgabe zu
thun, dass ihnen zu wissenschaftlicher Erforschung keine Zeit
bleibt. Das Institut hat ein chemisches Laboratorium, eine Biblio-
thek und eine Sammlung. Letztere enthält viel werthvolles
Material, hat aber mehr Interesse für den Bergmann als für den
Geologen. Die Zinnlagerstätten von Banca und Biliton und
355
mehrere Kohlenlagerstätten sind reich vertreten, aber es fehlt
gänzlich an Versteinerungen und ausgedehnten petrographischen
Sammlungen. Der Leiter der Anstalt hat mit grossem Verständ-
niss dessen, was auf den Inseln zu thun ist, angeordnet, dass
jeder Ingenieur auf seinen Reisen nach den einzelnen festge-
setzten Punkten genau aufzeichnet, was er gesehen hat. So er-
freulich es auch ist, dadurch von manchem ganz unbekannten
Lande eine oberflächliche Idee zu bekommen, kann doch dabei
wegen des rein praktischen Interesses nicht viel für die wirklich
geognostische Kenntniss des Landes herauskommen. Man sieht
eine Karte mit einer buntgemalten Linie, welche den Reiseweg
des Ingenieurs bezeichnet. Ein Zoll dieser Linie bedeutet Thon-
schiefer, ein zweiter Zoll Kalkstein, ein dritter Sandstein, ein
vierter Granit, ein fünfter wieder Thonschiefer u. s. f. ; aber
man wird dadurch natürlich weder mit einer einzigen Formation,
noch mit einem Lagerungsverhältniss bekannt. Es ist ein grosser
Fortschritt, dass ein solches Institut einmal geschaffen wurde,
und Herrn De Groot's Verdienst kann nicht hoch genug ge-
schätzt werden; aber bei der Ueberwältigung durch die prakti-
schen Interessen thäte hier nebenbei noch eine geologische
Reichsanstalt noth, wie sie Oesterreich besitzt, und wie sie in
Englisch Indien vor wenigen Jahren errichtet worden ist. —
Uebrigens würde ein Geolog, der eine Forschungsreise im Archi-
pel unternehmen wollte, von der holländischen Regierung mit
offenen Armen empfangen werden. Es ist derselben ausserordent-
lich viel an der Erweiterung der Kenntnise über ihre Besitzun-
gen gelegen, und wie sie jedes Unternehmen, welches darauf
hinzielt, begünstigt und unterstützt, davon könnte ich Ihnen aus
meiner eignen kurzen Erfahrung die auffallendsten Beweise geben.
Ein solcher Reisender könnte an der Westküste von Sumatra
beginnen, die gesund und zum grossen Theil leicht zugänglich
ist. Sie scheint ganz besonders interessant zu sein. Vulkane
von 10 bis 12000 Fuss Höhe ragen dort aus Gebirgen hervor,
die aus einer grossen Reihe von Formationen zu bestehen
scheinen. Vorläufig thäte nur eine ganz allgemeine Aufnahme
der verschiedenen Inseln noth. Die Zeit zu Specialaufnahmen
liegt wohl noch sehr fern.
Von geognostischen Thatsachen aus dem Archipel will ich
hier nur einer einzigen erwähnen. Ich sah bei Herrn Jung-
356
huhn einige Versteinerungen von Timor, welche Dr. Schneider,
ein deutscher Arzt, von dort mitgebracht hat. Es sind Brachio-
poden und Crinoideenstiele; unter ersteren zwei grosse Spiriferen,
welche an Arten aus dem Bergkalk erinnern. Das Vorkommen
so alter Formationen in diesen Gegenden, war meines Wissens,
bisher unbekannt.
357
7. Ueber das Vorkommen von Nummnlitenformation
auf Japan und den Philippinen.
Von Ferdinand Freiherr von Richthofen.
Batavia den 27. October 1861.
Man kennt bisher meines Wissens die Nummulitenformation
in ihrer östlichen Verbreitung nur bis nach Britisch-Indien, in ihrer
Erstreckuug nach Süden kaum über den Wendekreis des Krebses
hinaus. Auf Java kommt sie nicht vor; es scheint, dass man
hier die in den trachytischen Tuffen sehr häufigen Orbituliten
für Nummuliten angesehen hat. Die Bergwerks-Ingenieure von
Niederländisch Indien erwähnen die Formation im südlichen
Borneo, wo sie die Kohlen von Banjermassin führen soll. Es
fehlt jedoch noch an einer genaueren Untersuchung sowohl der
als Nummuliten angegebenen Gebilde, als der damit vorkommen-
den Versteinerungen überhaupt, und es wäre wohl möglich, dass
die orbitulitenführenden Schichten von Java auch nach Borneo
fortsetzen und dort die schon so häufig vorgekommene Ver-
wechselung wiederholt worden ist. Es war mir um so mehr
interessant, mit Sicherheit nachweisen zu können, dass die Num-
mulitenformation in der That viel weiter nach Osten und Süden
verbreitet ist, als man bisher annahm ; ich fand sie im September
vorigen Jahres im östlichen Japan, also gegen 50 Längen-
grade östlicher als ihr bisheriger östlichster Fundort, im Mai
dieses Jahres auf Luzon mit Sicherheit bis zum 14. Breitengrade.
1. Vorkommen in Japan.
Da das Innere von Japan dem Fremden verschlossen ist,
so ist man für geognostische Untersuchungen auf Quellen eigner
Art angewiesen. Die Nummulitenformation fand ich in den Ver-
kaufsläden von Yokohama bei Yeddo ; sie ist dort unter den viel-
fachen Steinschleifereien vertreten, zu welchen die Japaner das
verschiedenste Material verwenden. Ich kaufte kleine Kästchen
358
und Kugeln aus einem schwärzlichen, mergeligen Kalk, der dicht
mit Nummuliten erfüllt ist. Als Fundort gab man mir die öst-
lich von Yeddo gelegenen Gebirge an, also wahrscheinlich die
Fürstentümer Simosa und Kadsusa; auch sagte man mir, dass
das Gestein dort in grossen Massen vorkomme. Die wenigen
Stücke blieben zwar die einzigen Spuren von Nummulitenfor-
mation, welche ich beobachtete, aber sie genügen doch, um das
Vorkommen derselben festzustellen.
2. Vorkommen auf den Philippinen.
Auf Luzon scheint die Nuramulitenformation sehr ver-
breitet zu sein und mit ihren mächtigen Kalkmassen eine nicht
unbedeutende Rolle im Gebirgsbau zu spielen. Jeder Bewohner
von Manila kennt die Cueva di San Matteo, eine grosse Kalk-
steinhöhle, welche nur drei deutsche Meilen von der Hauptstadt
entfernt in einem engen Thal des Trachytgebirges liegt. Eine
bedeutende Kalkmasse, welche gegen Norden weit fortsetzen soll,
ist zwischen den Trachyten eingeschlossen und kommt an der
steilen Thalwand zwischen ihnen zum Vorschein. In der Tiefe
ist der Eingang zur Höhle. -- In beinahe südlicher Richtung
von diesem Ort tritt eine zweite, ebenso isolirte Kalksteinmasse
auf, gleich der vorigen ganz von Trachytgebirge umgeben; man
sieht sie auf halbem Wege von Antipolo nach Bosoboso
als einen zerklüfteten, allseitig schroff ansteigenden, oben ver-
ebneten Berg von sehr charakteristischer Gestalt. Verlängert
man die Richtungslinie noch weiter, so kommt man in geringer
Entfernung zu einigen kleinen Kalksteinmassen, welche gleich-
sam pfeilerförmig aus dem Trachyt herausragen. Sie liegen
nordöstlich von dem Dorf Binan go n an am nördlichen Ufer
der Laguna de Bay und werden benutzt; ihr Kalkstein ist der
bequemen Lage wegen der einzige, der zu technischen Zwecken
nach Manila gebracht wird. Nach den Mittheilungen von Herrn
Wood in Manila treten dieselben Kalke noch weiterhin bei
Halahala (span. Jalagala) und Mahahay (span. Majayjay)
am nordöstlichen und südlichen Ufer der Laguna de Bay auf.
Man hat oft vergeblich nach Fossilien in diesen Kalken gesucht
und, da man keine fand, sie wegen des äusseren Ansehens als
der Juraformation angehörend betrachtet. Ich war so glücklich,
bei Binangonan, wo der Kalk durch Steinbrüche besser als an
den anderen Orten blossgelegt ist, eine Unzahl von Nummuliten
359
darin zu finden ; sie gehören mehreren Arten von verschiedener
Grösse an. Ausser ihnen und einigen undeutlichen Austern
scheinen keine Versteinerungen vorzukommen. Die Identität des
Kalksteins von Binangonan mit den anderen Kalkmassen, welche
auf derselben Linie auftreten, ist unzweifelhaft, wenn man die
Beschaffenheit des Kalkes und sein geognostisches Auftreten in
Betracht zieht. Ueberall ist es ein gelblich-weisser, sehr harter
und spröder Kalkstein, der dem Nummulitenkalk des Karstes in
Istrien und Dalmatien auffallend gleicht. Er ist nirgends den
Trachyten aufgesetzt, sondern ragt aus ihnen hervor und ist das
ältere der beiden Gebilde. Man sieht dies fast an allen Stellen
genau, besonders aber bei Binangonan. Hier, wie bei San Matteo,
ist der Kalk an der Grenze in grobkörnigen Marmor verwandelt;
an mehreren Stellen bildet der Trachyt mit ihm grobe Breccien
und schliesst noch ausserdem vereinzelte grosse Blöcke des Kalk-
steins ein. - Wahrscheinlich gehören derselben Formation die
hohen, schroffen Kalkgipfel der Sierra de Zambales an, welche
nordwestlich von der Provinz Pampanja in eine Bergreihe von
groteskem Profil angeordnet und von Manila aus deutlich sicht-
bar sind ; ebenso wohl auch noch ein grosser Theil der weiteren
Kalkgebirge auf der Insel Luzon.
Dies sind die beiden sicheren Fundorte der Formation. Ich
vermuthe ein ferneres Vorkommen an der Südküste der grossen
Insel Mindarao (in 7 G. N. Br.). Das Land springt im west-
lichen Theil weit gegen Süden vor. Am Ende des Vorsprungs
liegt Zamboanga, das zwar schon seit drei Jahrhunderten in
den Händen der Spanier ist, aber doch noch ein eng begrenztes
Gebiet hat. Ein ungefähr 4000 Fuss hohes, dicht bewaldetes
und pfadloses Gebirge schneidet den flachen fruchtbaren Vor-
sprung in einer Breite von kaum anderthalb Meilen ab. Hinter
dem Gebirge beginnt das Gebiet der Moro's (Mohamedaner),
welche noch nicht unterjocht sind und das Reisen schon in
jenem Gebirge gefährlich machen. Ich konnte der Kürze des
Aufenthalts wegen nur einige Ausflüge in die nach Süden her-
abkommenden Schluchten machen und fand, dass das Gebirge
aus Sedimentgebilden und Trachyten besteht. Erstere sind eine
Reihe von Kalken, unreinen Sandsteinen mit Pflanzenabdrücken^
dunklen weichen Schiefern und blauen Kalkmergeln ; die Kalk-
steine walten, wie es scheint, der Masse nach bedeutend vor und
gleichen auffallend den Nummulitenkalken von Luzon; ich fand
360
jedoch weder im Geröll der Bachbetten, noch in der kleinen
Kalkpartie, die ich anstehend sah, eine Spur eines Nummuliten,
nur Massen von Austerschalen. Leider hatte ich keine Zeit, um
die Fundstellen der Versteinerungen in den braunen Kalkmergeln
aufzusuchen ; die sehr fragmentarischen Reste, welche ich in den
Geschieben der Bäche sah, zeigten Spuren eines nicht bedeuten-
den Alters der Formation. Sie ist aber jedenfalls älter als die
Trachyte, denn man sieht Massen der verschiedensten Contact-
produkte: Reibungsconglomerate, krystallinisch- körnigen Kalk,
dunkelgrüne hornsteinartige Gesteine mit noch deutlich erkenn-
barer Schichtung, porcellanartig cämentirte Sandsteine u. s. w.
Dieses Altersverhältniss, verbunden mit dem jugendlichen Aus-
sehen der Versteinerungen und der petrographischen Aehnlich-
keit des Kalksteins mit dem Nummulitenkalk von Luzon, lassen
es mir bis zu weiterer Feststellung am wahrscheinlichsten
erscheinen, dass die reich entwickelte Gesteinsreihe der Ge-
birge von Zamboango der Nummulitenformation angehört.
Wahrscheinlich bildet auch die vortreffliche Braunkohle, welche
man in neuester Zeit im Seno de Sibugai östlich von Zamboango
gefunden hat, ein Glied jener Gesteinsreihe; sie ist die schwär-
zeste und beste aller Braunkohlen, welche ich bisher von diesen
Inseln sah.
Es ist wohl kaum wahrscheinlich, dass das Vorkommen der
Nummulitenformation auf Nippon und Luzon isolirt ist, um so
mehr, als man alle bisher gefundenen Gebilde derselben als
Niederschläge aus Einem grossen Meer ansehen darf, das sich
mindestens vom westlichen Europa bis zum östlichen Himalaya
ausgedehnt haben muss. Es spricht kein Grund gegen die einstige
Ausdehnung desselben bis zu den japanischen und philippinischen
Inseln. Man darf dies wohl als das wahrscheinlichste annehmen
und erwarten, dass man die Nummulitenformation vom Himalaya
durch ganz China verbreitet finden und sie auch noch auf an-
deren Inseln wie Formosa und Yesso nachweisen wird.
361
8. Bemerkungen über Siam und die hinterindische
Halbinsel.
Von Ferdinand Freiherr von Richthofen.
(Briefliche Mittheilung an Herrn Beyrich d.d. Calcutta, den 8. Mai 1862.)
Meinen letzten Brief schickte ich Ihnen vom 3. Januar von
Bangkok. Einige Tage später unternahm ich eine Excursion
nach der Ostkäste des Golfs von Siam. Es ist eine gebirgige
Küste mit vielen Vorsprüngen und einer grossen Zahl vorliegender
Inseln. In einem kleinen Boot, das überall an Land gezogen
werden konnte, vertraute ich mich dem Meere an und landete
auf allen Inseln und an vielen Vorgebirgen. Ueberall fand ich
gute Aufschlüsse, aber trotzdem keine bestimmbare Formation.
Ausser krystallinischen Schiefern, Granit und grossen Zügen von
Urkalk, treten uralte Gebilde auf, in denen ich keine Spur von
Versteinerungen entdecken konnte, besonders rothe Sandsteine
und Conglomerate, die mit Thonschiefern, glimmerigen alten Schie-
fern und einer Reihe andrer Gesteine vom Aussehen der Ur-Sedimente
von Kitzbüchl und Schwaz am Nordrand der Alpen wechseln. Die
rothen Sandsteine bilden grosse Züge und setzen in ihnen ganze
Inseln allein zusammen. Ein anderer Zug besteht aus den
ältesten Grauwackengesteinen, oder wenigstens aus Schichten,
welche den ältesten Sillurgesteinen vom Harz genau gleichen.
Ausser diesen alten Gebilden tritt nur Basalt auf und zwar an
einer einzigen, isolirten Stelle. Est scheint, dass er unterseeisch
mehr verbreitet ist, da ich auf einer Insel unter den Auswürf-
lingen der Fluth Stücke von vulkanischen Gesteinen fand.
Der Ausflug im Golf von Siam dauerte drei Wochen.
Einige Tage später unternahm die ganze Gesandtschaft einen
kleinen Ausflug nach dem Fuss der nordöstlich von Bangkok
gelegenen Gebirge. Wir erreichten ihn bei dem buddhistischen
Wallfahrtsort Prabät. Dort sind Berge von krystallinischem
Kalk, der von einem hornblendereichen Granit durchbrochen
362
wird. Die Contactstellen versetzten mich durch ihren Mineral-
reichthum (besonders Granat und Vesuvian) an die analogen
Stellen bei Predazzo und am Monzoni. Der Kalkstein ist ur-
sprünglich wenig krystallinisch, wird aber im Contact zum grob-
körnigsten Marmor.
Die interessanteste Reise begann ich am 16. Februar, dem
Tage meiner Trennung von der Expedition, von Bangkok aus.
Ich ging von dort aus, so direct wie möglich, über Land nach
Malmen. Der Weg war noch von keinem Europäer ausgeführt
worden. Ich brauchte dazu volle 43 Tage, obgleich ich kaum
einen Tag aussetzte. Nur die ersten 5 Tage war ich in einer
halb cultivirten Gegend, die übrigen 38 in völliger Wildniss.
Endloser Wald und Bambusgebüsch bedeckt die breite Gebirgs-
gegend. Hier und da sind kleine Ansiedlungen eines Gebirgs-
volkes, der Kariengs, darin zerstreut. Ein chinesischer Diener
war mein einziger Begleiter bei dieser Ueberlandreise.
Das Gebirge zwischen dem Thal des Menam und dem des
Salwen, resp. dem bengalischen Meerbusen, hat eine merkwürdige
Oberflächengestaltung. Es besteht aus einer grossen Zahl paral-
leler Züge, welche gleich den Schichtgebilden, aus denen sie
bestehen, im Allgemeinen von SSO. nach NNW. streichen. Von
Westen greift Meer und Ebene, von Osten nur Ebene so hoch
und so weit in dieses System paralleler Züge ein, dass die
äussersten Gebirge gänzlich bedeckt sind und nur in Reihen von
kleinen Inseln aus Meer uud Ebene hervorragen. Nähert man
sich von beiden Seiten dem Centraizuge, so verbinden sich die
Inseln mehr und mehr zu Reihen, zwischen denen hindurch
immer noch ein ebenes Land fortsetzt. Die centralen Züge sind
zusammenhängend, aber die Kämme sind durch tiefe und breite
Einsenkungen unterbrochen, welche nur wenig über das Niveau
der Ebenen zu beiden Seiten hervorragen. Der Pass der drei
Pajoden z. B., den ich überschritt, hat kaum 700 Fuss Höhe.
Der geognostische Bau des Gebirges ist einfach: es treten
wenige Formationen auf, welche in einfachem Schichten verband
stehen. Eruptivgesteine beobachtete ich fast gar nicht ; doch folgt
nördlicher eine Reihe herrlicher Granitgipfel, die ich nur aus der
Ferne sah. Es erging mir in diesen Gebirgen, wie den früheren
Besuchern der Alpen. Nicht eine einzige Formation konnte ich
bestimmen, und über die mächtig entwickelten Kalke kann ich
eben so viel sagen, wie jene Beobachter über die „Alpenkalke."
363
Niemand hätte damals geahnt, dass man in den Kalkalpen über-
all Versteinerungen finden kann. So auch werden vielleicht
spätere Beobachter in den Siamesischen „Alpenkalkenu die
schönsten Fossilien finden, wo ich nichts als unbestimmbare
Spuren sah.
Die ältesten Gebilde fand ich dort, wo ich das Gebirge von
Osten betrat: krystallinische Kalke in mächtigen Zügen und
Glimmerschiefer. Sie behaupten aber nicht das Feld auf dieser
Seite. Wenn Sie das Gesammtgebirge auf einer guten Karte
betrachten, so sehen Sie ganz richtig seine Erstreckung in der
Richtung des Meridians angegeben. Trotzdem behalten die
Bergzüge, die Thäler und die Schichten mit geringen Abweichun-
gen die angegebene Streichrichtung von SSO. nach NNW. bei.
So kommt es, dass die Urgebirge, welche mit einzelnen Hügeln
im Thal des Menam beginnen, in ihrem weiteren Streichen die
Wasserscheide gegen den Salwen erreichen, und jenseits derselben
in immer gleicher Richtung fortziehen. Sie bilden hier ein hohes
Gebirge mit dem 7150 Fuss hohen Gipfel des Moly-it, über-
setzen den nordsüdlich fliessenden Salwen in schiefer Richtung,
und erstrecken sich weiter gegen das Königreich Ava. Dr.
BtUJSDisin Ranggun, der beste und wohl der einzige gründliche
Kenner der Gebirge in den englischen Besitzungen in Hinter-
indien, hat diesen mächtigen Zug von Urgebirge nachgewiesen.
Er besteht nicht mehr aus Glimmerschiefer und Urkalk, wie in
Siam, sondern wesentlich aus Gneuss, eigentümlichen Quarziten,
die in Gneuss übergehen, etwas Glimmerschiefer und mächtigen
Thonschiefern. Aus dem Kamm brechen steile Granitkuppen
hervor.
Nachdem ich die siamesischen Ausläufer dieses Zuges ver-
quert hatte, kam ich weiter westlich in anscheinend sehr alte
Sedimentgebirge, deren Züge jenem centralen Stamm parallel
sind. Sie schienen mir aus vier verschiedenen Systemen von
Schichten zu bestehen, zwei Reihen von Sandsteinen, und wenig-
stens zwei verschiedenen Kalksteinen. Zunächst dem Urgebirge
folgte ein mächtiger Zug von Kalkstein, mit castellartigen 3 bis
4000 Fuss hohen Gipfeln, von so kühnen und schroffen Formen
wie in den wildesten Theilen unsrer Kalkalpen. Einige ragen
unmittelbar aus der Ebene auf; aber der grössere Theil schien
mir einem System von feinkörnigen rothen Sandsteinen aufgesetzt,
welche denen an der Ostküste des Golfs von Siam entsprechen
Zeits. d. d.geol. Ges. XIV. 2, 24
364
und ein flachwelliges, mit dichten Bambusgebüschen bedecktes
Land bilden. Der Kalk ist gelblichgrau mit feinkörnigem, etwas
dolomitischem Gefüge. Ich fand darin keine Spur von Ver-
steinerungen. Ebensowenig ist Schichtung zu erkennen.
Weiter westlich aber folgt ein anderer Kalk, welcher viel
breitere Züge bildet. Er zeichnet sich vor dem vorerwähnten
Kalk durch seine schwärzlich graue Färbung, durch sehr voll-
kommene Schichtung, durch Wechsellagerung mit mergeligen
Schichten, und durch seine Versteinerungsführung aus. Er bildet
den Pass der „drei Pagoden," über den ich in das Gebiet
des Attaran-Flusses gelangte, und eine schroffe Gipfelreihe längs
dem rechten Ufer dieses Flusses. Oft ist er auf weite Strecken
söhlig gelagert; dann bildet er ausgedehnte Plateau's, mit viel-
fach durchfurchter, von tiefen Thälern durchsetzter Oberfläche.
Diese Plateau's tragen eine üppige und artenreiche Vegetation
und sind wahre Oasen in dem einförmigen Bambuswald. Wo
aber die Schichten dieses Systems geneigt sind, da entstehen
ungemein wilde und schroffe Ketten. Statt der massigen Formen
des vorigen Kalkes lösen sich die Höhen von diesem in die
wunderlichsten Thürme und Obelisken auf. Die Wände fallen
steil in die Ebene hinab, und nur wenige Schritte weiter steigt
eine andere, ebenso gebaute Kalkmasse auf. Wahrscheinlich ver-
ursachen die weicheren mergeligen Zwischenlagerungen diese
Scheidung in isolirte Stöcke.
Dieser zweite Kalkstein steht in enger Verbindung mit
einem zweiten Sandstein, der von Herrn Oldham, mit allen
Einlagerungen als „Maulmein-series" bezeichnet wurde. Er
bildet einen niederen Höhenzug bei Molmen und Martaban, hat
aber in weiterer Erstreckung einen bedeutenden Verbreitungsbe-
zirk. Es ist ein weisser, zuweilen röthlicher Quarzsandstein,
meist dick geschichtet. Es kommen darin vielfache Einlagerungen
von weissen, mergeligen und dunkelgrauen, thonschieferartigen
Schichten vor. Es ist noch kein Aufschluss über das Verhält-
niss des Kalksteins der drei Pagoden zu dem Molmen-Sandstein
bekannt, da jener in der Nähe dieses Ortes nur aus Alluvium
aufsteigt, und stets von den Sandsteinen getrennt ist. Nach dem
Fallen der Schichten des Sandssteins schien es mir wahrschein-
lich, dass der Kalk auf dem Sandstein lagert. Herr Oldham
aber kam zu dem entgegengesetzten Schluss.
Ueber das Alter aller dieser Schichten lässt sich, wie ge-
365
sagt, noch nichts feststellen. Nur für den Kalkstein der drei
Pagoden fand ich einen kleinen Anhalt in den Felsen von Da-
masat bei Molmen. Einzelne Schichten desselben sind dort dicht
erfüllt mit Bivalven. Es scheint kaum möglich, etwas sicher
Bestimmbares aus dem harten Gestein herauszuschlagen. Doch
hatte Alles, was ich erhielt*), die Form von Myophorien und
erinnerte besonders - an diejenigen der alpinen Trias. Schon
früher hatte es Herr Oldham für wahrscheinlich gehalten, dass
der Sandstein von Molmen triassisch sei; aber sichere Beweise
fehlen für diese Schicht ebenso wie für alle anderen. Nach dem
Charakter der Gesteine und den allgemeinen Lagerungsverhält-
nissen sind wir Beide der Meinung, dass von den gebirgsbilden-
den Gesteinen der Gegend keines jünger ist als triassisch.
Zwischen die älteren Gebirge aber greifen jüngere Gebilde ein,
denen man nach dem Gesteinscharakter ein miocänes und plio-
cänes Alter zuweisen muss. Ich fand sie auf der siamesischen
Seite als tiefe Ausfüllung zwischen den höheren Ketten, aber
erst in der Nähe der Wasserscheide. Tiefer hinab sind sie
wahrscheinlich unter dem mächtigen Aluvium vergraben. Es ist
eigenthümlich, dass ich am Golf von Siam keine Spur davon
finden konnte. Dagegen sind sie auf der westlichen Seite des
Gebirges in mehreren Thälern aufgeschlossen, wiewohl ebenfalls
nur in den höheren Theilen zunächst der Wasserscheide. Ich
fand sie am Attaran sehr entwickelt; Dr. Brandis brachte die-
selben Gesteine, welche ich dort fand, vom oberen Sungin, einem
Nebenfluss des Salwen. Bei Sir Robert Schomburgk sah ich
einige kleine Bruchstücke aus Laos, welche ihnen ebenfalls
gleichen, und im Thal des Jrawaddi wurde die Verbreitung
analoger Schichten früher von Herrn Oldham nachgewiesen
und neuerdings von Herrn Blanford studirt. Graue Mergel,
graublaue Tegel, lockere, grobkörnige, rothe Sandsteine und sehr
grobe Conglomerate sind die häufigsten Gesteine dieses jugend-
lichen Systems. In dem Letten fand ich auf der siamesischen
Seite dünne Schmitzen von Braunkohle; aber nach Versteinerun-
*) Leider ist die Kiste, welche alle auf dem Wege von Bangkok
nach Molmen gesammelten Steine und überdies werthvolle Landschnecken
enthielt, auf eine unbegreifliche Weise am Bord des Dampfers verloren
gegangen. Es scheint, dass sie für eine Geldkiste gehalten und gestohlen
worden ist; man warnte mich wenigstens vorher vor dieser Eventualität.
24*
366
gen sali ich mich vergeblich um. Ich fand die Formation nicht
höher als 400 Fuss über dem Meer und es scheint, dass sie auch
an den anderen Orten nicht höher vorkommt.
Eruptivgesteine sind in dem west - siamesischen Gebirge
etwas sehr Seltenes. Ausser den Graniten des Hauptzuges und
denselben Gesteinen eines südwestlicheren Zuges, welcher von
Tavay aus schon von Dr. Helfer besucht wurde und dann
wieder bei Martaban in einem 3000 Fuss hohen Berg culminirt,
sah ich an einer einzigen Stelle Spuren eines quarzfreien rothen
Porphyrs, welcher den Kalkstein der drei Pagoden zu durch-
setzen scheint.
Die Gegend von Molmen und Martaban ist eine der schönsten,
welche ich gesehen habe. Die langen Züge der Sandsteinhügel,
die weiten Aluvialebenen, welche sich zwischen ihnen ausbreiten,
die breiten Betten der drei Flüsse, welche sich hier vereinigen
(Attaran, Gyaing und Salwen), die schroffen Kalksteinriffe und
die hohe krystallinische Kette mit dem granitischen Moly-it im
Nordost vereinigen sich zu einer überaus malerischen Landschaft.
Besonders fesseln die Kalksteinriffe. Sie steigen vereinzelt aus
dem Alluvium auf wie schroffe Inseln im Meer, sind aber deutlich
in lange Züge angeordnet, welche der allgemeinen Streichrichtung
folgen. Ich besuchte zwei von ihnen und fand, dass sie ganz
verschiedene Kalksteine haben. Eine hatte entschieden den
Kalkstein der drei Pagoden; es war hier, wo ich die genannten
Versteinerungen fand. Die andere Insel hatte einen weissen,
schwach krystallinischen, ungeschichteten Kalk, dessen Identität
mit dem ersterwähnten von der siamesischen Seite aber durchaus
nicht sicher ist. Die Züge setzen noch weit nach NNW. fort,
nach dem Thal des Jrawaddi im Königreich Birma. Es folgen
aber weiter gegen die Hauptkette noch mehrere andere Züge
von Kalkstein, welche nach Handstücken alle den Kalk der drei
Pagoden zu führen scheinen. Den Hauptketten selbst sollen an
den Flanken auch noch einzelne Riffe aufgesetzt sein, das Haupt-
gebiet des Kalksteins aber erst jenseits der Hauptkette in den
sogenannten Shan - Staaten folgen, d. h. den an Siam und an
Birma tributären Lao-Staaten. Insbesondere soll die sogenannte
Karennie, das Gebiet der unabhängigen Rothen Kariengs zu
beiden Seiten des Salwen vor seinem Durchbruch durch die
Centraikette Ein grosses pittoreskes Kalksteingebiet sein.
Die Alluvialbildungen bei Molmen würden einem dort
367
wohnenden Geologen ein schönes Feld zur Beobachtung bieten.
Das Festland wächst unter den Augen der Bewohner. Die Belu-
Insel, ein Sandsteingebirge, trennt zwei breite Mündungen des
Salwen. Als die Portugiesen ihre Factorei in Martaban hatten,
benutzten sie die westliche Einfahrt. Jetzt kann man dort nur
noch mit kleinen Böten fahren, und in wenigen Jahren wird
wahrscheinlich die Insel mit dem Lande verbunden sein. Zu den
Anschwemmungen kommt die fortdauernde Hebung des Landes.
Schon am Golf von Siam begegnete ich Beweisen dafür auf
jedem Schritt. Auch bei Molmen bieten sie sich häufig. Ich
will nur Einen anführen. In dem zunächst gelegenen Kalkriff
sind Höhlen, ein Gegenstand des Cultus für die buddhistischen
Bewohner. Der Eingang zu einer derselben ist 15 Fuss über
der Ebene, welche zur Regenzeit noch häufig einen Fuss hoch
überschwemmt wird. In dem Eingange sind Millionen einer
hübschen bunten Neritina durch Tropfsteinmasse zu einem
festen Conglomerat verbunden. Die Schnecken haben Farbe
und Glanz, als ob die Thiere erst gestorben wären.
Ich erreichte Molmen am 31. März, verliess den Ort am
,13. April per Dampfschiff, und langte nach einem kurzen Aufent-
halt in Ranggun und Akyab am 2 1 . April in Calcutta an. Rang-
gun liegt in der weiten Ebene des Jrawaddi ; aber dicht bei der
Stadt ist ein hügeliges, gebrochenes Land, das aus wohlgeschich-
teten, grauen und röthlichen Mergeln besteht. Sie sind ver-
schieden von den früher als wahrscheinlich miocän angeführten
Schichten, sehen jünger aus, und sind wahrscheinlich dieselben
Schichten, in denen man im Thal des Jrawaddi so viele Säuge-
thierreste gefunden hat. Sie werden hier für pliocän gehalten.
Das Gebirgsland von Pegu besteht nach den Mittheilungen von
Dr. Brandis in weiter Erstreckung aus einem grauen Sandstein,
von dem mir derselbe einige Stücke zeigte. Sie gleichen unsern
Macigno- und Flysch-Sandsteinen zum Verwechseln. Dieselben
Schichten fand ich bei Akyal (Arracan) anstehend j auch hier
ist noch das regelmässigste Streichen in der alten Richtung
SSO -= NNW.; auch hier erinnerten mich die Schichten auf das
Lebhafteste an unsere südeuropäischen eocänen Sandsteine. Als
ich nach Calcutta kam, langte eben ein Brief von Dr. Blanford,
dem Geologen für Birma, an, worin derselbe mittheilte, dass er
in Zwischenschichten desselben Sandsteins eine Unzahl von Num-
muliten und andere Versteinerungen dieser Formation gefunden
368
habe. Nun versicherten mir Herren in Akyab, welche die ganze
Küste von da bis Cap Negrais kennen, dass dieselbe durchaus
aus den grauen Sandsteinen von Akyab bestehe. Die Nummu-
liten - Formation hat also aller Wahrscheinlichkeit nach im west-
lichen Hinterindien eine bedeutende Ausdehnung. Herr OldhAM
fand sie vor einigen Jahren im Khassia - Gebirge östlich vom
Bramaputra. Sie scheint also von diesem Fluss beinahe bis
zum Salwen grosse Strecken zu bedecken. Um so wunderbarer
muss es erscheinen, dass sie hier so plötzlich abgeschnitten ist.
Ich glaube bestimmt versichern zu können, dass entlang den
Wegen, welche ich in Siam durch die östlichen und westlichen
Gebirge gemacht habe, keine Spur von Nummuliten- Formation
auftritt. Das Vorkommen bei Manila, worüber ich Ihnen in
meinem letzten Briefe berichtete, bleibt übrigens immer noch das
südlichste.
In Calcutta hat mich Herr Oldham in sein Haus aufge-
nommen, und ich habe volle Gelegenheit sein vortreffliches Insti-
tut kennen zu lernen. Es wird stark gearbeitet; Herr Oldham
selbst hat einen bewundernswürdigen Fleiss. Aber das Land ist
so ausgedehnt, dass man selbst hier nur eine schwache Idee da- »
von bekommt, und die Aufnahmen gehen langsam vorwärts. Es
wird von verschiedenen Mittelpunkten aus vorgedrungen. Das
Institut hat reiche Sammlungen von Versteinerungen von einzelnen
Localitäten, und es wird gegenwärtig fleissig daran gearbeitet.
Herr Oldham publicirt eben die Flora der Radjmahali-Schichten,
die merkwürdige Aehnlichkeit mit der Flora der Grestner und
Haibacher Schichten von Oesterreich und Kronstadt hat. Herr
Theobald bearbeitet eine reiche Fauna aus schwarzen Schichten
vom äussersten Nordwesten. Sie werden für Lias gehalten.
Mit echten Lias- Ammoniten kommt dort ein scharfkantiger
Ceratit vor (mit gezackten Sätteln).
9. Geognostisch- mineralogische Beobachtungen im
Quellgebiete des Rheins.
Von Herrn G. vom Rath in Bonn.
Hierzu Tafel II. *>f — V.
Les Alpes, qui seront a jamais une region classique pour la
geologie, laut ä cause des actions qui ont donne naissance ä
celle' chaine que par les profondes et importantes dechirures
dans lesquelles eile expose sa Constitution interne, ont fourni
les observations fondamenlales pour la theorie du metamorphisme
Daubree, Etudes et experiences synlheliques sur le
metamorphisme.
Die Beobachtungen, deren Mittheilung die folgenden Blätter
gewidmet sind, sammelte ich auf zwei Reisen (1860 u. 61),
während welcher meine besondere Aufmerksamkeit auf die kry-
stallinisch-schiefrigen Gesteine eines Theiles der Centraizone der
Alpen gerichtet war. Während die Erforschung der Nebenzonen
dieses Gebirges in überraschender Weise fortschreitet, kann man
ein Gleiches nicht rühmen in Betreff der Mittelzone, jener mäch-
tigen Gesteinsmasse, welche Schichtung mit krystallinischem Ge-
füge zu vereinigen scheint; und dennoch liegt nur hier der
Schlüssel zu dem Räthsel der Alpen-Entstehung. Finden sich
in diesem Gebiete nur umgewandelte Schichten oder auch eruptive
Massen? Kann die Grenze zwischen den Bildungen der Mittel-
zone und denjenigen der Nebenzone stets mit Sicherheit und
Schärfe gezogen werden, oder gehen beide an einzelnen Stellen
ohne abnorme Lagerung in einander über? Welches Gesetz be-
herrscht die Schichtenstellung der krystallinischen Schiefer ?
Welcherlei Zusammenhang besteht zwischen ihrer Stellung und
ihrem Metamorphismus? Kann vielleicht die bekannte Fächer-
stellung als eine Folge der krystallinischen Erstarrung angesehen
werden? In welchem Grade wurde die Gestalt des Gebirges
und seiner Glieder durch den Schichtenbau, in welchem durch
370
Zerreissung und Erosion bedingt ? — Diese und ähnliche Fragen
schwebten mir als leitende Gesichtspunkte vor. Vermag ich auch
keine derselben zu einer entscheidenden Lösung zu bringen, so
hoffe ich doch durch Mittheilung einiger Beobachtungen, die sich
zum Theil über abgelegene, wenig untersuchte Thäler und Höhen
erstrecken, zur endlichen Erklärung von Problemen beizutragen,
welche seit fast hundert Jahren*) den menschlichen Geist be-
schäftigen. Wenn es einer Aufforderung bedürfte, die Aufmerk-
samkeit von Neuem und immer wieder auf jene seit einem Jahr-
hundert in der Schwebe befindlichen Fragen zu lenken, so liegt
sie in den „Synthetischen Versuchen über den Metamorphismus''
von Daubree. Dieser geistvolle Forscher lehrte, eine wie grosse
gesteinsumbildende Kraft das überhitzte Wasser und seine Dämpfe
besitzen. Während früher nur Vermuthungen über die Kräfte,
durch welche sedimentäre Bildungen umgewandelt wurden, mög-
lich waren, so hat Daubree eine Theorie des Metamorphismus
auf Experimente gegründet.
Wenn auch jede Eintheilung der Gebirge, welche das west-
liche Graubündten erfüllen und umranden, mehr oder weniger
künstlich, nicht in der Natur begründet ist, so erscheint es doch
einer leichtern Uebersicht angemessen, unser Gebiet in drei
Theile zu sondern :
I. Das westliche Gebirge, welches in einem nach
Ost geöffneten Bogen die obersten Quellarme des Vorderrheins
umschliesst, dessen bekannteste Theile die Namen Krispalt, Six-
madnn, Lukmanier tragen.
II. Das südliche Gebirge, dessen nördlicher Zweig
sich in der Greina-Hochfläche mit dem westlichen Gebirge ver-
bindet, dessen höchste Gipfel, das Güfer- und das Rheinwaldhorn,
den Ursprung des Hinterrheins bezeichnen.
III. Die nördliche Gebirgskette, welche Grau-
bündten von Glarus und St. Gallen scheidet, deren höchster
Gipfel der Tödi, der westlichste der Calandaberg bei Chur ist.
*) De Saussure begann seine Reisen im Jahre 1760 und ver-
öffentlichte 1779 die ersten Bände seiner „Vuyages dam les Alpes."
371
I. Das westliche Gebirge.
Uebersicht. Der St. Gotthard, von dem aus die vier
Ströme nach den vier Weltgegenden fliessen, hat in der ganzen
Erstreckung der Alpen seines Gleichen nicht. Zwei Querthäler,
das eine von N. das andere von S. in das Gebirgsinnere ein-
dringend, verwandeln sich an ihrem Ursprünge mit westlicher
Umbiegung in Längenthäler, und bleiben durch einen nur wenig
hohen Gebirgskamm geschieden. Dennoch stellt sich diese Oert-
lichkeit als der Knotenpunkt im Gebirge dar: von ihr laufen
aus die Ketten und an einander gereihten Berggruppen, zwischen
welche die beiden grossen Längenthäler der Rhone und des
Rheins eingebettet sind. Das kleine Längenthal Urseren, einst
ein See, jetzt eine liebliche Wiesenfläche, wird gegen O. ver-
schlossen durch den von S. nach N. laufenden Bergkamra Six-
madun, welchen das Thal und der Pass der Unteralp von den
eigentlichen Gotthardbergen trennt. An den östlichen Abhängen
jenes Querkamms entspringen die obersten Quellen des Vorder-
rheins; an denselben schaaren sich die beiden grossen Gebirgs-
ketten, welche nördlich und südlich den Rhein begleiten. Die
Querkette Sixmadunkulminirt im Radus(2931 met. hoch)*), dessen
weisse von N. und S. symmetrisch sich hebende Spitze das etwa
67 Kilom. lange Rheinthal bis Chur übersieht. Ihre nordsüd-
liche Erstreckung von dort, wo sie am Krispalt sich mit dem
nördlichen Gebirge verbindet, bis zu ihrem Vereinigungspunkte
mit der südlichen Kette, beträgt nahe 12 Km. Die tiefste Ein-
senkung des Kammes (2051 m.) liegt am Südfusse des Krispalt's,
nahe dem Oberalpsee, die zweite ist der Kohlenpass (2388 m.),
südlich vom Radus. Mit dem Krispalt beginnt die nördliche
Kette, welche sich bis zu den Grauen Hörnern bei Ragatz und
dem Calanda bei Chur erstreckt. Sie bildet einen der gross-
artigsten und in geognostischer Hinsicht merkwürdigsten Theile
der Alpen. So verwickelt ihre Gestaltung und ihr Schichtenbau
von der Tödi-Gruppe an gegen O. wird, so einfach und regel-
mässig stellt sich zunächst dem Sixmadun ihr westliches Ende
dar. Von demselben zweigen sich gegen die Thalschaft Tavetsch,
*) Die in diesem Aufsatz angeführten Höhen sind dem DuFOtm'schen
topographischen Atlas der Schweiz, einem Meisterwerk europäischer Kar-
tographie entnommen.
372
der obersten am Vorderrhein, vier Queräste ab, welche drei unter
sich sehr gleichartige Thäler einschliessen. Gleich hohen scharfen
Dächern, die spitzen Giebel gegen den Rhein gewendet, stellen
sich jene Queräste dar ; die Dachfirste ist theils eine gerade hori-
zontale Linie, wie am Krispalt-Grath, dem westlichsten jener
vier, oder eingekerbt und gezackt wie am Querast des Pizner
(zunächst östlich vom Krispalt) und am Culm de Vi, dem öst-
lichsten und grössten dieser Aeste, welcher von dem Oberalp-
stock sich abzweigt. Am Querjoch Chichle, (zunächst westlich
vom Culm de Vi) ist die scharfe Firste nur in ihrem nördlichen
Theile erhalten, der südliche ist bis auf einige Trümmer zerstört«
Senkrechte glatte Tafeln bilden die Dachgiebel, welche theils
noch unversehrt sind, wie am Krispalt, theils durch grosse Fels-
stürze eingeschnitten und ausgebrochen sind, so am Piner. Jene
vier Bergdächer, von einfacher und doch grossartiger Gestalt,
geben dem Tavetscher Hochgebirge ein bedeutendes Gepräge.
Die Bildung des Tavetscher Thalgebiets wird vorzugsweise be-
dingt durch zwei einander ähnliche Bergrücken, welche vom
nördlichen Hochgebirge auslaufend, einen gegen NO. geöffneten
Bogen beschreiben, und das Thal in zwei nur durch enge Schluch-
ten verbundene Kessel scheiden. Der obere Rücken lehnt sich
gegen den Grath des Krispalts und schliesst den kleinen ge-
schützten Thalkessel von Selva ; der untere verbindet sich mit
dem Culm de Vi, drängt den Rhein bei Mompe Tavetsch in
eine tiefe Schlucht und bildet die untere Grenze der grössern
Thalweitung von Sedrun. Unterhalb der Thalenge von Tompe
Tavetsch weicht der Fuss der nördlichen Berge wieder zurück
und umschliesst die Thalebene von Dissentis, welche sich unter-
halb dieses Ortes zwar zusammenzieht, doch nicht so vollständig
geschlossen ist wie der Sedruner Kessel. Nördlich von Dissentis
zu dem Kamme, der vom Oberalpstock gegen das Rosein- Thal
läuft, erhebt sich das Hochgebirge in einer einzigen steil geneig-
ten Wand, welche nur durch wenig hervortretende Queräste
unterbrochen wird. — So die nördliche Umwallung des oberen
Vorderrheinthals. — Im S. wird die Reihe der Gotthard-Spitzen,
Saashorn, Leckihorn, Lucendro u. s. w. ausgezeichnet durch ihre
scharfe Gestalt und den überaus steilen südlichen Abfall, fortgesetzt
östlich vom hohen Unteralppass durch eine ununterbrochene hohe
Kette bis zum P. Rondadura. Die Gipfel gleichen auch hier
scharfen Gräthen, die steileren schneelosen Flächen nach S., die
373
vergletscherten Abhänge nach N. wendend. Oestlich von der
Rondadura. von diesem Berge durch die merkwürdige Lukmanier-
Hochebene geschieden, steigt der Scopi empor, einer der höchsten
und interessantesten Berge in unserem Gebiete. Mit der schön-
geformten Pyramide des Scopi hängen zusammen gegen NO.
die Camadra-Gipfel; nördlich von denselben ruhen die Medelser-
Gletscher, die grössten im Gebiete des Vorderrheins. Hier wie-
derholt sich nun die Bildung einer Querkette, grossartiger als
im Sixraadun, indem von der Camadra-Masse mit südnördlicher
Richtung eine verbundene Reihe von Gipfeln (Lavaz, Valesa u.
Muraun) sich erhebt, durch welche die Landschaften Dissentis,
Tavetsch und Medels zu einem grösseren Thalgebiete vereinigt
werden. Diese dominirende Querkette (des Murauns) endet, ohne
sich mit dem nördlichen Gebirge zu vereinigen, in dem breiten
jähen Absturz der Garvera-Felsen.
Von der südlichen Kette, der Fortsetzung der Gotthard-
Gipfel, ziehen sich vier Thäler zum Vorderrhein hinab : Maigels,
Cornera, Nalps und Medels (das Thal des Mittelrheins). Diesen
Thälern ist ein grösserer Raum zu ihrer Entwicklung geboten
als jenen drei nördlichen Zweigthälern, da das südliche Hochge-
birge sich doppelt so weit von der Sohle des Hauptthals ent-
fernt als das nördliche. Dem Zuge der Val Maigels stellt -sich
die isolirte Erhebung des P. Cavradi entgegen ; am Fuss des-
selben verändert das Thal seine nördliche Richtung in eine öst-
liche und mündet als ein Zweigthal in die V. Cornera, welche
sich bei Tchamut, den obersten Winterwohnungen am Vorder-
rhein, mit dem Hauptthal vereinigt. Es folgt gegen 0. die V.
Nalps, deren Ursprung an der Rondadura- Spitze, deren Ende
in der Thalweitung von Sedrun liegt. Endlich das Mittelrhein-
thal, das grösste der südlichen Nebenthäler, in mehreren Dörfern
bewohnt, eine eigene Thalschaft bildend, beginnt in der Luk-
manier Ebene und endet gegenüber Dissentis. Während jene
drei nördlichen Thäler in ihrem kurzen Laufe gleichsam offen
sind, ist den drei südlichen Thälern Cornera, Nalps, Medels
gemeinsam, dass sie in ihren oberen Theilen weit und mulden-
förmig gestaltet, ihre Oeffnungen zum Rhein aber enge ungang-
bare Erosionsschluchten sind. Die Pfade, welche vom Rhein
nach Cornera und Medels hineinführen, steigen wohl tausend
Fuss über den Fluss empor und dann hinab ins Thal. —
Zu einem Blick auf die Thaltiefe des Vorderrheins, ist be-
374
sonders der Culm de Vi geeignet. Von hier bietet Tavetsch
ein deutliches Beispiel dar von der den Canlon Graubündten
besonders auszeichnenden Erscheinung der Abgeschlossenheit der
einzelnen Thalschaften von einander. Der Boden des Tavetscher
Thalkessels wird gebildet durch drei mit einander verschmolzene
Alluvions- Kegel, die unter Neigungen von 6 bis 7 Grad aus
jenen nördlichen Thälern herabziehen. Die Bäche, deren Allu-
vionen das urbare Land gebildet, haben dasselbe in tiefen Rinnen
zerschnitten und theilweise wieder zerstört. Eigenthümlich ist
es, dass aus dem südlichen Gebirge keine Alluvionen im Haupt-
thal angehäuft: eine Erscheinung, die sich genau so in der
Thalweitung von Dissentis wiederholt. Weder Cornera noch
Nalps, noch Medels haben Schutthügel vor sich. Da die Thal-
öffhungen gurgeiförmig, so erscheint das südliche Gebirge mehr
geschlossen; es erhebt sich als eine breite, steile, waldbedeckte
Wand unmittelbar über dem Rhein. Vom obern Ende der 3 Km.
langen, 1 Km. breiten Thalflur von Sedrun hebt sich der Weg
zum Ursprung des Rheins wenige hundert Fuss empor an jenem
gebogenen Bergrücken, einem Ausläufer des Krispalt's, tritt in
eine Thalenge ein, einem kleineren, doch treuen Abbilde der
Schlucht von Mompe Tavetsch. Bei der Kapelle Sta. Brigitta
treten die Gehänge wieder etwas auseinander und umranden
den kleinen Thalgrund mit den beiden Dörfern Alt- und Neu-
Selva. Diese kaum 1200 m. lange, schmale Ebene wird ge-
schlossen durch einen 100 m. hohen Felskopf, der untersten Stufe
des von den Quellbächen des Rheins rings umflossenen Cavradi.
Dem Felskopf gegenüber liegt Tchamut, überragend die letzte
unbebaute Thalweitung, welche gegen W. sich etwa 1200 m.
ausdehnt. In grosser Nähe sieht man nun das Thal enden vor
der noch über 1000 m. höheren Mauer des Sixmadun's, man
steht an der Wiege des segenreichen Stroms*).
*) Die oberen Thalweitungen von Selva und Tchamut erfreuen sich
in Anbetracht ihrer bedeutenden Meereshöhe (1538 und 1640 m.) einer
milden und geschützten Lage. Die Vorhöhen des Krispalt's umschliessen
jene im Gebirge fast verlorenen Orte, so dass die kalten Nordwinde sie
nicht erreichen können und es möglich ist mit Vortheil Getreide zu
bauen bis zu einer Erhebung gleich derjenigen von Samaden im über-
engadin ; nicht sowohl in der Thalebene, weil diese etwas sumpfig, son-
dern an den gegen S. gewandten Abhängen, (wie bei uns den Wein).
375
Der St. Gotthard. Da die beiden grossen Gebirgsketten des
Krispalt's und des Lukmanier' s von der Bergmasse des Gotthardt
auslaufen, so wird es passend sein, den altbekannten*) geognostischen
Bau desselben uns zu vergegenwärtigen, bevor wir die Gesteine und
ihre Lagerung im obern Vorderrhein -Thal und seiner Gebirgs-
umgebung kennen lernen. Eine Vorstellung von dem Gebirgs-
bau des St. Gotthardt zwischen dem Bedretto- und dem Ursern-
Die Ebene von Sedrun, obgleich 150 bis 250 m. tiefer gelegen als die
Fluren von Selva und Tcbamut, geniesst keines milderen Klima's als
jene; das Getreide reift nicht früher als dort. Daran tragen Schuld jene
drei nördlichen Thaler — besonders Strim — , durch welche sehr häufig
erkältende Luftströme in die Sedruner Tiefe hinabsinken. „Könnte man
das Strim-Thal schliessen, so würde im Tavetsch Wein wachsen," ist eine
im Munde des Volks fortlebende Aeusserung des P. Placidus Spescha
(geb. 1752 zu Trons, gest. zu Selva). Da Tavetsch eine der höchst-
liegenclen Gegenden Europa's ist, in welchen Getreide gebaut wird, so ist
es vielleicht nicht ohne Interesse zu erfahren, in welcher Weise die Be-
stellung der Aecker dort geschieht. Wollte man mit der Aussaat (es
wird von Getreide nur Sommerfrucht — Roggen und Gerste — gebaut)
bis zum freiwilligen Schmelzen der Schneedecke warten, so würde die
kurze Sommerzeit die Frucht nicht zur Reife bringen. Im März schon
gräbt man deshalb anf den verschiedenen Aeckern durch die meist drei
Ellen mächtige feste Schneelage Löcher, aus denen man die dunkle Erde
hervorholt und über den Scheee streut. Hierdurch wird unter Einwir-
kung der Sonne das Wegthauen desselben ausserordentlich beschleunigt.
Oft schneit es zwar wieder darüber mehrere Fuss hoch, es muss von
Neuem gegraben und gestreut werden, was sich bisweilen drei bis vier
Mal wiederholt. Doch zu Ende des April ist der Acker gewöhnlieh
schneefrei und die Aussaat geschehen. Den Frösten des Mai widersteht
das Saatkorn sehr, verderblich sind der reifenden Frucht die September-
Fröste. Mitte September oder später geschieht die Erndte. Es erscheint
bemerkenswert!], .dass zur Aussaat in Tavetsch nur die dort gereifte
Frucht benutzt werden kann. Ihre kleineren Körner haben sich akkli-
matisirt und widerstehen dem Frühlingsfrost. Wiederholt hat man den
Versuch mit italienischem und deutschem Getreide gemacht, welches in
Menge eingeführt wird, doch stets erfahren, dass das unter milderem
Himmelstrich gereifte Korn in der hohen Lage von Tavetsch nicht auf-
kommt.
*) Treffliche, naturwahre Schilderungen des St. Gotthardt lieferten
schon :
Besson, in der Beschreibung seiner 1777 ausgeführten Reise, Manuel
pour les savans et les curieux, qui voyagent en Suisse, Lausanne 1786;
Hör. Ben. de Saussure, welcher 1775 und 1783 den St. Gotthard
besuchte, im III. B. der Voyages dans les Alpes, Neuchatel 1796 ;
376
Thal ge vinnt man durch das Bild eines halb geöffneten Buches,
dessen Rücken abwärts, dessen geöffnete Blätter aufwärts ge-
richtet sind, so dass ein Querschnitt die Gestalt eines nach oben
geöffneten Fächers liefert. Die Blätter des Buches werden im
Gotthard- Gebirge dargestellt durch mächtige Tafeln von Glimmer-
schiefer, Gneiss, Granitgneiss, deren Streichen zwischen SW —
NO. und WSW —ONO. schwankt (h. 5 — h. 7). Unter einem
Winkel von fast 30 G. hebt sich bei Airolo das nördliche Ge-
hänge des Liviner Thaies empor bis zu der oberen Terrasse Ci-
mar dei bosco. Oberhalb derselben beginnt die Tremola-Schlucht,
welche zwischen hohen unersteiglichen Felswänden eingesenkt
ist und mit einem Felskessel beginnt, dessen Wandungen un-
mittelbar bis zum Scheitel des Passes emporsteigen. Diesem
Felsenkessel in vielen Kehren sich entwindend, gelangt die Strasse
auf die wilde Felsebene, wo die Gewässer sich scheiden. — Die
Bergwand von Airolo bis zu jener ebenen Terasse, wo der Baum-
wuchs endet, besteht aus Glimmerschiefer, — in welchem theils
dunkler, theils silberweisser Glimmer überwiegt — in h. 5 strei-
chenden, 65 G. gegen NW. fallenden Schichten. Dieselben
Schichten setzen auch jene Ebene und die Oeffnung der Tremola-
Schlucht bis zum untern Schutzhause zusammen, fallen indess
auf dieser Strecke steiler (70 G. — 75 G.). Der Glimmerschiefer
des südlichen Gotthard - Gehänges ist reich an schönen Ab-
änderungen, wozu das Eintreten des Granats — roth, in dodekae-
drischen bis 1 Zoll grossen Krystallen — und des Strahlsteins —
dunkelgrün, in Büscheln und Garben bis zwei, drei Zoll Grösse
gruppirt — beiträgt. — Zwischengelagert findet sich reiner
Hornblendeschiefer. Bei dem untern Schutzhause, wo die Strasse
in die Lawinen -bedrohte Enge tritt, ändert sich der Charakter
der Felsen, indem der Glimmerschiefer Feldspath aufnimmt und
Gneiss wird, welcher auch sogleich in den für ihn bezeichnenden
hohen glatten Wänden emporsteigt. Die Schichtenstellung bleibt
dieselbe wie bei dem zunächst angrenzenden Glimmerschiefer.
Dr. Lusser. in seinem Aufsatze: Geognostische Forschung und Dar-
stellung des Alpendurchschuitts vom St. Gotthard bis Art am Zugersee,
Denkschr. d. Schweiz. Ges. f. d. ges. Naturwiss. I. B. I. Abth. S. 144
bis 171. Zürich 1829; besonders aber
Ch. Lard\, Essai sur la Constitution geognostique du St. Gotthard
(mit einer geognost. Karte und Profilen) , Denkschriften etc. I. B. 2. Abth.
S. 200 -2S0. Zürich 1833.
377
Wer nicht an die Gesteinsübergänge in den Alpen gewohnt ist,
muss in hohem Grade überrascht sein, alsbald bei weiterem
Eindringen in die Tremola -Schlucht den Gneiss in Granit sich
wandeln zu sehen. Er bildet vorzugsweise die westlichen, sich
zur Fibbia emporhebenden Felsen, an deren Fuss sich Halden
von mehr oder weniger kubischen Blöcken lehnen. Der Granit
der V. Tremola ist licht, vollkommen krystallinisch-körnig: schnee-
weisser Feldspath, weisser und grünlich-weisser Oligoklas, grauer
oder röthlicher Quarz, hellgrüner oder silberweisser Talk in
kleinen, häufig zu kugligen Partien gruppirten Blättchen, dunkler
Magnesiaglimmer in einzelnen wenig häufigen Blättchen; un-
wesentliche Gemengtheile: rothe, stecknadelkopfgrosse Granaten,
grössere Oktaeder von Magneteisen, Schwefelkies-Würfel ; Blöcke
dieses Granits finden sich am südlichen Abhänge des Berges
bis gegen Airolo hinunter zerstreut, auch in den grössern lässt
sich keine Schieferstruktur wahrnehmen. Wohl aber wiederholen
die Klüfte, welche, die in der Tremola- Schlucht abstürzenden
Granitwände durchsetzen, das Streichen und Fallen der Gneiss-
Schichten am Ausgang der Schlucht. Die Mächtigkeit dieser
Granitmasse, scheint nicht sehr bedeutend, denn bevor man an
dem steilen Abhang bis zur Gipfelfläche aufgestiegen, ist man
wieder von Gneiss umgeben, welcher in gleicher Beschaffenheit
bis zur Lucendro-Brücke herrscht, auch die Gipfel zur Rechten
und zur Linken des Passes bildet. Der Gneiss der Gotthard-
Höhe ist ein Granitgneiss, jenem Granite von der Tremola nahe
verwandt: schneeweisser Feldspath, meist in bis zollgrossen
(doch nicht wohl ausgebildeten) Zwillingen, Quarz in reichlicher
Menge bildet Partien von körniger Zusammensetzung, fast sand-
ähnlich, von röthlich- weisser Farbe, grünlich-weisser Oligoklas,
untergeordnet, doch deutlich; schwärzlich -brauner Glimmer und
lichtgrüner Talk — theils in einzelnen Blättchen, theils in ver-
webten Flasern — umgeben die grösseren Feldspath - Krystalle,
häufen sich nur selten in solcher Menge an, dass sie den Längs-
bruch des Gesteins bedecken. Kleine Granat-Körner erscheinen
als untergeordneter Gemengtheil. Vom Hospiz aus sieht man
die Schichten dieses Granitgneisses zum Gipfel der Fibbia (gegen
SW.) und zum Sasso di S. Gottardo oder der Prosa (gegen NO.)
emporsteigen; sie streichen auf der Passhöhe und am nord-
östlichen Abhang der Fibbia h. 5. und fallen 45 bis . 50 G.
gegen NW.
378
Nahe dem Scheitel des Passes fallen also die Schichten
weniger steil als ferner von demselben an der Tremola, eine
Abweichung von dem regelmässigen Fächer, deren Grund viel-
leicht in einer Einsenkung zu suchen, welche die Bergmassen
der Fibbia*) erfahren haben. Die Granitgneiss - Schichten,
welche diesen Gipfel zusammensetzen, heben sich wenigstens in
*) Besteigung der Fibbia. Der ganze nördliche Abhang dieses
Berges, vom Gipfel sowohl gegen die Gotthard -Seen als gegen das Lu-
cendo-Thal, besteht aus demselben beschriebenen Granitgneiss. Der
nördliche, sich gegen das Hospiz senkende Abhang zeigt grosse nebenein-
ander gereihte Felsrippen, welche in eigenthümlichen buckeiförmigen Ab-
sätzen zum Gipfel ansteigen. Die so gebildeten Felsgewölbe haben eine
rauhe Oberfläche, da die zollgrossen Feldspathkörner leistenförmig vor-
ragen, mit dem längern Durchmesser nahe in derselben Richtung, der
Streichungsrichtung der Schichten, geordnet. Der Gipfel des Berges,
gegen N. ein auf den Schichtenflächen ruhendes Schneefeld tragend,
gegen S. durch senkrechte Wände abgeschnitten, ist aufgelösst in ein
Haufwerk kolossaler Blöcke, an denen die Schieferung kaum zu er-
kennen. Der Granitgneiss der Fibbia ist eine der hauptsächlichsten
Lagerstätten der Gottharder Mineralien. Man gelangt zu einer solchen,
nachdem man vom Gipfel, auf dem sich gegen den Lucendro ziehenden
Felsgrath hinabkletternd, bis in den obersten Theil des Lucendro-Thals
gelangt ist — dicht bei der Senkung, welche die beiden Gipfel Fibbia
und Lucendro verbindet. Es ist eine Kluft, die sich zwischen den Strei-
chungsflächen der Granitgneiss-Schichten öffnet; ihr Streichen h. 5., das
Fallen 50 G. gegen NW. Da die Schichten sich nach oben und unten
schnell wieder schliessen, so ist die Ausdehnung der Kluft in der Rich-
tung des Fallens nicht bedeutend, etwa 50 F.; der grösste Querdurch-
messer 4 bis 5 F. Zu Tage hatte sich diese Krystallhöhle als eine
mächtige Quarzausscheidung dargestellt. Nachdem man dieselbe durch-
brochen, war man in den Kluftraum gelangt, aus dem man eine grosse
Menge Adular, dunklen Bergkrystall, und ausgezeichnet schöne Eisenrosen
entnahm. Als ich am Ende der gegen 10 Schritte langen Kluft den
die Wandungen bedeckenden feuchten Lehm forträumte, fand ich noch
Stücke jener drei Mineralien. Die kühnen, der Gefahr trotzenden Kry-
stallgräber suchen und finden in den entlegeneren Theilen des Gebirges
stets neue Krystallklüfte, öffnen sie durch Sprengen und bringen die
Mineralien in den Handel. — - Die Krystallhöhlen liegen keineswegs immer
im Streichen der Schichten, schneiden dieselben vielmehr unter den ver-
schiedensten Winkeln. — Saussure (welcher schon 1775 den Gipfel der
Fibbia erstieg, den er indess Cime de Fieüd nennt, während der P. di
Lucendro der Generalstabs-Karte bei Saussure Fibbia heisst) beschreibt
die Krystallgrotte Sand-Ralm im oberen Götschenen-Thal ; sie liegt eben-
falls im Granitgneiss, ist umschlossen von einem Quarzgang, der die
379
W. sehr bald wieder empor am Lucendro und Leckihorn. Der
Granitgneiss des St. Gotthard's wird von vielen Gängen eines
weissen feinkörnigen Gesteins durchsetzt, welche zwar zuweilen
in der Richtung der Schichtfläche liegen, meist aber unregel-
mässig nach allen Richtungen laufen, hier anschwellend, dort sich
zusammenschnürend. Eine sorgsame Beobachtung dieser im Gra-
nitgneiss der Alpen so gewöhnlichen Gänge lehrte, dass sie
nahe gleichzeitiger und gleichartiger Bildung sind wie die Haupt-
masse. Oft durchsetzen sich diese Gang-ähnlichen Ausscheidun-
gen, indem sie sich verwerfen oder sie sind durch Klüfte mannich-
fach gegen einander verschoben. Vom Hospiz hebt sich die rauhe
mit einer Gruppe von Seen erfüllte Felsfläche noch eine kurze
Strecke unmerkbar (nur etwa 60 F.) empor, um sich dann stetig,
doch in mehreren stärker und weniger geneigten Stufen zum
Urserner Thale zu senken. Das Hochthal des Passes in der
Nähe seines Scheitels weit und offen, zieht sich gegen N. mehr
zusammen und endet als eine Felsenge mit steilem Absturz bei
Hospital. Hat man den Scheitel des Berges erreicht, so sieht
Schichten fast rechtwinklig durchsetzt, war erfüllt von Bergkrystall,
von weissem, wenig durchscheinendem, in Rhomboedern krystallisirtem
Kalkspath und von vielem schwärzlich - grünem Chlorit-Sande,
(Saussure, Voyages d. I. Alpes T. VII. p. 82 — 87). Jener von mir be-
suchten Höhle, zwischen der Fibbia und dem Lucendro, entstammt mit
Wahrscheinlichkeit auch eine Eisenglanz - Stufe, auf welcher Dr. A.
Krantz an der Stelle, wo durch Zufall eine Eisenrose weggebrochen war,
zwei Zirkon-Krystalle auffand. Die Krystalle, zwei Linien lang, eine dick,
zeigen das erste quadratische Prisma mit dem Hauptoktaeder. Die Farbe
ist bräunlich-gelb, Demantglanz. Diese Krystalle scheinen sehr selten zu
sein, denn es gelang weder Dr. Krantz in seiner Sammlung, noch mir
unter vielen vom Gotthard mitgebrachten Eisenrosen andere Zirkone auf-
zufinden. Drei Zirkon-Fundorte sind in den Alpen bekannt: Saualpe in
Kärnthen, auf einem Quarzlager im Gneiss, in Begleitung von Kalkspath
und Epidot; Pfitschthal in Tyrol, mit Chlorit, Granat, Diopsid, Rutil,
Periklin, Apatit, auf Klüften eines an derbem Granat reichen Chlorit-
schiefers; St. Gotthard mit Bergkrystall, Adular und Eisenglanz. Schon
Lirdy in seiner vortrefflichen Arbeit über den St. Gotthard führt den
Zirkon auf, kannte aber von demselben nur ein einziges Stück, von
welchem er sagt: es scheint mir alle äussere Kennzeichen des Zirkon's
zu besitzen. Lard\'s Angabe beruhte indess auf einem Irrthum, da der
von ihm für Zirkon gehaltene Krystall Anatas war. Später im N. Jahrb.
1842. S. 217 und 1844. S. 160-163 beschrieb D. Fr. Wiser den Gott-
harder Zirkon, der von allen am Gotthard vorkommenden Mineralien
das seltenste geblieben ist.
Zeits. d, d. geol. Ges. XIV. 2. 25
380
man die Granitgneiss- Schichten sich steiler emporrichten. Bei
der Brücke über den Lucendro-Bach, dem Hauptarme der Gott-
hard-Reuss, steigen die Bänke senkrecht empor«, doch nur auf
eine sehr kurze Strecke, dann fallen sie bis gegen Hospital gleich-
massig steil (meist über 70 G.) südlich. Der Scheitel des
Schichtenfächers bezeichnet auch die Grenze der höheren kry-
stallinischen Ausbildung des Gesteins. An der Lucendro-Brücke
weicht der Granitgneiss einem feldspatharmen Gneiss in deut-
liche Schichten zerklüftet. — Zwar nimmt strichweise dieser
Gneiss wieder ein gröberes- Korn an und ist weniger schiefrig,
wie an der Einmündung des Thaies Fortune;*) doch der Gra-
nitgneiss des St. Gotthardt wird nicht mehr herrschend. Die
Schlucht, durch welche die Reuss in die Ebene hinabstürzt, zeigt
Glimmerschiefer entblösst. Hier tritt die Strasse in das von der
Furca bis zum Oberalpsee etwa 2i Km. messende Ursener Län-
genthal ein, offenbar ein verbindendes Glied zwischen den grossen
Thälern der Rhone und des Rheins und doch von beiden durch
hohe Pässe geschieden. Im Thalboden, dessen tiefster Theil
zwischen Hospital und Andermatt durch horizontale Alluvions-
Schichten bedeckt wird, und am Fusse der das Thal gegen
NW. und SO. einschliessenden Bergwände erscheint ein zusammen-
gehöriges Schichtensystem; Talk- und Chloritschiefer (bei Ander-
matt, im Annathal, bei Zumdorf), grüner und grauer Schiefer,
körniger Kalk durch zwischengelagerte Kalkblättchen schiefrig
(vor dem Urner Loch, am südlichen Fusse des Teufelsberges),
und Glimmerschiefer. In diese im Vergleiche zu dem feldspath-
reichen Gneiss leicht zerstörbaren Gesteine ist das Thal seiner
ganzen Länge nach eingesenkt. Das Streichen der Schichten
ist zwischen h. 5 u. 6, also parallel der Längenrichtung des
Thals von der Furca bis zur Oberalp, ihr Fallen sehr steil, an
den südlichen Bergen gegen S, an den nördlichen Wänden senk-
recht. Auf die Ursener Schichtmasse, wechselnd in Betreff des
Ansehens und der Mischung, folgt gegen N. wieder Granitgneiss,
welcher auf die Marmor-Schichten südlich des Urner Lochs grenzt;
*) Dieses Thal bewahrt den ältesten Namen des St. Gotthardts.
Forti nei hiessen die Berge um 1300. als noch kein Pass nach Italien
über sie führte. Um 1319 wurde der Weg an der Teufelsbrücke ge-
bahnt,- 1708 das Urnerloch gebrochen, s. G. Theobald, das Bündner
Oberland, S. 89. Besson, Manuel etc. S. 222.
381
dies durchbricht den Granitgneiss. Das festere Gestein giebt der Berg-
wand im NW. des Ursener Thals ihr eigentümliches Ansehen: in
breiter glatter Fläche steigt sie empor, von Schluchten nur wenig ge-
rissen ; als eine scharfe Felskante, zuweilen in spitze Pfeiler zertrüm-
mert,*) erscheint die First. Diese zweite Zone von Granitgneiss (in
welchen die Reuss sich die schauerliche Schöllinen- Schlucht ge-
rissen) erstreckt sich bis gegen Wasen, dann folgt dünnschiefriger
Gneiss und Glimmerschiefer bis Amstäg. Vom Urner Loch bis
über Amstäg hinaus, wo die krystallinischen Schiefer ihr Ende
erreichen, ist bei stets gleichem Streichen das Fallen unausgesetzt
südlich, steil, doch um so weniger, je näher der Grenze der
Centraizone.
Das Räthsel der Fächerstellung des St. Gotthard wird
nicht aufgehellt durch das Studium der gegen N. und S. an den
kolossalen Fächer (dessen Querdurchmesser von NNW. bis SSO.
zwischen 18 bis 20 Km. beträgt) zunächst angrenzenden Ge-
steinsmassen. Im N. ruhen auf den nach S. einschiessenden
Gneissschichten mit abweichender Lagerung die Berge von Jura-
Kalkstein. Während gegen N. der Schichtenfächer sich so weit
— bis gegen Erstfeld — fortsetzt, wird die Grenze des südlichen
Flügels durch die Sohle des Bedretto-Thals bezeichnet. In der-
selben, ihr parallel, läuft eine antikline Schichtenlinie. Bei Ma-
drano, wo die Strasse den Gneiss in drei Tunneln durchbricht,
stehen die Schichten senkrecht. Die südlich sich aufthürmenden
Berge, aus Gneiss und krystallinischen Schiefern gebildet, neigen
ihre Schichten gegen S. Ueberblickt man dieses Bergland von
der Fibbia oder dem Scopi, so wird man durch den überaus
rauhen, wirren Charakter desselben überrascht. Der Grund liegt
in dem Umstände, dass man von dieser Seite nur gegen die zer-
rissenen, emporgerichteten Schichtenköpfe blickt.
*) Diese Bildung zeigt recht ausgezeichnet der Spitzberg, nördlich
von Realp, an welchem vorbei man die Kette übersteigen kann. Am
Spitzberg finden sich die schönen rosenrot hen Flussspath-Krystalle, meist nur
vom Oktaeder begrenzt, zuweilen indess allein vom Granatoeder. Der
grösste dort gefundene Flussspath (im Besitze des Kpl. Meyer zu An-
dermatt, hat über 3 Zoll Kantenlänge. Ein zweiter Fundort rosenrothen
Flussspaths, liegt im Felli-Thal, welches bei Jntschi sich zur Reuss
öffnet. Einige andere Fundstätten führt Wiser an, N. Jahrb. 1840,
S. 217.
25*
382
Wie verändern sich nun die Schichten des St. Gotthard
und ihre Lagerung im Fortstreichen gegen 0.?
Die Thäler Canaria und Unteralp. Wenig öst-
lich vom Airolo bei Madrano zieht sich vom Thal des
Tessin die Val Canaria gegen NO. aufwärts, an denselben
Bergen beginnend, von denen gegen N. die Thäler der Unteralp,
Maigels und Cornera hinabsteigen. Die Mündung der steilab-
stürzenden Canaria - Schlucht schneidet ein in die Zone der
N. fallenden Glimmerschiefer- und Gneissschichten. Weiter hinauf
beobachteten Lardy und Stud^r eine wiederholte Wechsellagerung
von Glimmerschiefer, Talk-, Granat -reichem Hornblendschiefer,
körnigem Kalk, Dolomit*) und Gyps**). Diese letzteren Bil-
dungen (Kalk, Dolomit, Gyps) gehören einer Schichtenfolge an,
welche sich aus Wallis her am Südabhange des Gotthard's bis
über den Greina-Pass verfolgen lässt, doch nicht in einem un-
unterbrochenen Zuge, sondern bald mächtig anschwellend, bald
sich auskeilend und wieder beginnend. In der obern V. Canaria
und am Schipsius ruht mit nördlichem Fallen auf jenen Schichten
Gneiss. Diese Ueberlagerung des Granatschiefers und der Kalk-
gesteine durch Gneiss werden wir wreiter im O. unseres Gebietes
wiederfinden; gegen W. wendet sich die Lagerung bald; schon
*) Der Dolomit aus Canaria ähnelt demjenigen von Campo longo,
ist weiss und zuckerartig, sein specif. Gew. nach Lardy 2,780.
**) „Dans le Val-Can. le gypse forme deux puissantes couches qui
occupent tout le fond de ce vctllon et le traversent dans une direction
oblique, elles sont separees par une couche de calcaire grenu ou sacha-
röide, et dinstinctement encaissees dans le schiste micace. Les couches de
gypse ont plus de 1000 pieds d'epaisseur.'( Lardy, a. a. O. S. 250. Auch
Anhydrit findet sich in V. Canaria.
„Ueber dem N. fallenden Gyps am Fusse der rechten Thalseite (Ca-
naria) steigt der Dolomit, wohl bei 30 Meter hoch an mit gleichem N. fallen,
in der Höhe reichlich mit Talk gemengt. Ueber ihm folgt bei 100 Meter
mächtig quarziger Glimmerschiefer, dann Talkschiefer, gedrängt voll von
zum Theil nussgrossen Granatdodecäedern und nun das schöne ebenfalls
Granat-führende Hornblendgestein, welches man aus den Gotthard - Samm-
lungen kennt; noch höher Gneiss." Studer, Geol. d. Schweiz I., 405.
Das Studium des Gypses und des Dolomit's in Livenen bewog schon
1834 Collegno zu dem Glauben, diese beiden Gesteine seien durch Ein-
wirkung Magnesia -Sulfat -haltiger Quellen auf kohlensauren Kalk ent-
standen. Daubree, Metam. S. 37.
383
im oberen Bedretto-Thale ruhen die Kalk -Bildungen auf dem
Glimmerschiefer und dem Gneiss.
Wie an der Gotthard-Strasse so setzt auch hier das N. fallen
über die Wasserscheide fort, denn im oberen Theile des Ober-
alpthals sieht man ausschliesslich steil N. fallende Glimmergneiss-
Schichten. Der herrschende Gneiss, eine schöne Varietät, ist
vollkommen schiefrig, reich an schwarzem und silberweissem
Glimmer in verwebten Flasern und Lagen, welche ein feinkörniges
Gemenge von weissem Feldspath und Quarz umhüllen. Dies
Gestein findet sich im Thalboden der Unteralp wie auf dem
Sohlen- Passe, welcher über die Sixmadun - Kette, zwischen den
Gipfeln Badus und Canarien, führt, zieht durch Maigels, Cornera
bis nach Nalps. Das mittlere Streichen der Schichten in der
Unteralp ist h. 5£, doch ist es nicht ganz constant. Auf sehr
kurze Entfernungen, von etwa 30 Schritten, kommen Abweichun-
gen im Streichen von 2 h. vor. Oberhalb des Thalausgangs bei
Andermatt tritt statt des weissen Glimmers Talk in das Gestein,
welches streckenweise dem Gneiss der Teufelsbrücke (an den
prallen Wänden des linken Reuss- Ufers) ganz ähnlich wird:
weisser Feldspath in Krystallen bis Zoll gross, kleinere Oligoklas-
Körner von weisser oder grünlich-weisser Farbe, Quarz in klein-
körnig zusammengesetzten Partien, schwarzer Glimmer, hellgrüner
Talk, die beiden letzteren mit einander verwebt. Dies Gestein
ist merkwürdig durch den häufigen Wechsel, welchem seine
Schichtung und Zerklüftung unterworfen ist. Gewöhnlich stellt
es sich geschichtet und schiefrig dar, so dass die Schichtenklüfte sich
in Räumen von wenigen Zollen oder Fussen wiederholen; dann
beobachtet man keine Querklüfte. Nicht selten aber schwellen
die Feldspathkörner an, die Schichtklüfte werden so selten, dass
man auf Strecken von 10 bis 20 Schritten nicht eine findet.
Wohl aber behalten die Feldspathlinsen und die sie umhüllenden
Flasern von Glimmer und Talk die Streichungsrichtung bei. Mit
dem Zurücktreten der Schichtabsonderung tritt regelmässig eine
Querablösung ein ; nicht ebenflächig, sondern gewölbt theilt sie
die Felsen in mächtige über einander liegende Schalen. Recht
beachtenswerth erscheint es, dass in dieser Gneiss-Zone mit grob-
körnigem Gefüge nnd zurücktretenden Schichtungsklüften immer
wieder oft nur fuss- oder handbreite Schichten eines dichten
Glimmer - Thonschiefers eingeschaltet sind. Beispiele dieser
Wechsellagerung finden sich sowohl in den Schöllinen als auch
384
in der Unteralp. — Wo die Unteralp sich mit der von der
Oberalp steil abstürzenden Schlucht und dem Reussthal vereinigt?
verlieren die Gesteine das grobkörnige, granitähnliche Gefüge
und sinken zurück in grünen Schiefer, Chlorit- und zerfallenden
grauen Thonschiefer, deren Streichen h. 5^ bis 6|-, das Fallen
meist über 70 Grad gegen S., doch, wie bei morschen Schichten
erklärlich, unregelmässig. In diese Bildungen ist auch die Ober-
Alp-Schlucht eingerissen, während die Oberalp selbst von Glimmer-
schiefer und -gneiss umgeben ist. Denn in der Querkette des
Sixmadun's nehmen, indem der Talk gleichzeitig verschwindet,
die Gesteine eine höhere krystallinische Ausbildung an. Der
Zug talkiger Gesteine von Urseren und der noch ausgedehntere
im Vorderrheinthal werden in der Gegend des Oberalpsee's durch
eine Querzone von Glimmerschiefer und Gneiss getrennt. Diese
letzteren Gesteine bilden nördlich vom See dieselben prallen
Felswände wie an der Teufelsbrücke; alle Berge in dieser Rich-
tung zeigen vollkommene Tafelstruktur. Das Streichen ist h. 6.,
das Fallen 70 bis 80 Grad gegen S. Im Sixmadun herrscht
noch der eine grosse Gotthard -Fächer, dessen centralen Theil
jene Kette einnimmt. Die Scheitellinie des Fächers läuft über
den Kamm, sehr wenig nördlich der Badus-Spitze. Jener wilde
hohe Felskessel, dessen Tiefe der Toma-See erfüllt, wird von
h. 5 streichenden, fast vertical stehenden Gneiss-Tafeln umgeben,
zwischen welchen sich der Rhein bei seinem Austritt aus dem
See eine tiefe Rinne gebildet, durch welche das Wasser sogleich
300 F. herabstürzt. Bei den in dem Hochthale zwischen dem
Badus und dem Cavradi ruhenden Seen fallen die (h. 4 strei-
chenden) Gneiss - Schichten mit grossen Flasern weissen und
schwarzen Glimmers 75 Grad gegen N. Ueber gleiche, gleich-
gelagerte Schichten führt der Sohlenpass, zu welchem man von
O. nur wenig, von W. her bedeutend ansteigen muss.
Das Tavetscher und das Dissentiser Thal besteht
wesentlich aus Gneiss und krystallinischen Schiefern. Welchen
Einfluss auf die Schichtenstellung hat das am Sixmadun begin-
nende grosse Längenthal des Vorderrheins ? Er spaltet in zwei
getrennte Fächer den einen grossen Gotthard - Fächer, dessen
Breite vom Tessin über die Badus-Spitze bis zur Nordseite des
Maderaner Thals etwa 30 Km. beträgt. In der Rheinthal-
Sohle stehen nämlich die Schichten senkrecht, an den nördlichen
wie an den südlichen Gehängen wenden sie die Köpfe dem Thale
385
zu, fallen ins Hochgebirge ein, in welchem sie sich wieder senk-
recht aufrichten, um an den entgegengesetzten Gehängen, näm-
lich im Etzli und Maderaner Thal, und im Piora Thal die Fall-
richtung zu wechseln. Das Streichen der Schichten im Tavetsch
und in der Thalweitung von Dissentis ist nicht ganz constant,
indem es zwischen h. 5 und 6-f- schwankt. Wie die beiden Ge-
birgsketten nördlich und südlich des Rheinthals, so streichen die
sie bildenden Schichten, so auch viele Gänge körniger Ge-
steine, welche an mehreren Orten zwischen den Schichten er-
scheinen (auf dem Gipfel des Cavradi, im Tobel von Sedrun, an
der Rosein-Brücke). Die gleichförmigen Glimmergneiss-Schich-
ten des Sixmadun verwandeln sich gegen 0. theilweise in Talk-
und Chlorit-Gesteine, aus welchen schon ein Theil des am öst-
lichen Ende des Oberalpsees sich erhebenden Berges Calmot be-
steht. Das Gestein ist theilweise reiner Talk - Chlorit - Schiefer
(Lavetzstein) — liniendicke Lagen von silberglänzendem Talk
wechseln mit papierdünnen Schichten dunkelgrünen Chlorit's ab —
und wird dann als Ofenstein gebrochen (am östlichen Abhänge
des Calmot's und in der Rheinschlucht nahe bei Ruäras) und
durch das ganze Oberland versandt. Die kalkreichen Schichten
treten bei Tschamut auch auf das rechte Rheinufer hinüber, bil-
den den gegen N. sich vorschiebenden Fuss des Cavradi, die
breite Bergwand, welche die Oeffnungen der Thäler Cornera und
Nalps trennt; ihre südliche Grenze liegt in der Val Nalps bei
der Alphütte Perdatsch, in Medels etwas unterhalb des Dorfs
Curaglia, läuft über die Vorhöhe des Muraun, und setzt die Gar-
vera-Felsen zusammen. Auch der Fuss der nördlichen Berge
auf der linken Rheinseite besteht aus talkreichen Gesteinen; sie
bilden jenen bogenförmigen Bergrücken, welcher vom Krispalt
gegen O. sich wendet, erreichen eine ansehnliche Verbreitung am
Culm de Vi, wo sie im Sedruner Tobel, dem Drun, aufgeschlossen
sind, finden sich nördlich von Dissentis wieder an der Ausmün
dung der Thäler Lumpegna und Rosein. Längs des Rheinlaufs
von Tschamut sind überall talkige Schichten in senkrechter
Stellung entblösst, zwischen denen der Fluss meist in tiefer
Schlucht fliesst. Die Schichten, welche die Thaltiefe und die
untern Theile der Abhänge zusammensetzen, bilden also eben-
falls einen Fächer, dessen Blätter indess nach unten divergiren.
Während die talkführenden Gesteine auf der linken Flussseite
nur bis an die Oeffnungen der Thäler reichen, hier meist ein
386
körniges Gefüge besitzen, herrschen auf der rechten Seite zäher
dichter Talkschiefer und Gneiss, deren schwer zerstörbare Masse
die südlichen Thäler verschlossen, bis sich das Wasser in engen
Schluchten Wege bahnte. Das Gebiet talkiger Gesteine vom
Calraot bis zur Rosein-Schlucht bietet eine nicht geringe Mannich-
faltigkeit vielfach in einander übergehender Gesteine dar. So
besteht die Vorhöhe des Krispalt's, welche sich nach Ruäras
zieht, sowie die Rheinschlucht bei der Thurmruine Puntaningen
aus feinschiefrigem Talkgneiss — in die Flasern des lichtgrünen
Talks mengt sich auch dunkelgrüner Chlorit — h. 6. Weiter
hinauf in der Rheinschlucht bei der auf einer aussichtsreichen
Matte gelegenen Capelle Sta. Brigitta ist das Gestein dicht und
schwankt zwischen Talkschiefer und grünem Schiefer, unterge-
ordnet erscheint hier Hornblendeschiefer. Gegen Tschamut stellt
sich Glimmerschiefer im Thale ein, doch die Gesteine der nörd-
lichen und südlichen Höhen sind talkig. Zwischen kulissenartig
hervortretenden senkrechten Wänden von Talkgneiss (h. 6|)
stürzt der Cornera- Rhein hervor. Bei Sedrun (sowie auch in
der Ebene von Dissentis) entblösst der Rhein nahe der Ober-
fläche anstehende Schichten von Talkschiefer, zum Beweise, dass
unter den Alluvionen jener Thalweitungen in geringer Tiefe die
Gebirgsschichten anstehen. Bei Surrhein (Tavetsch) senken sich
die Schichten von Talkgneiss 40 bis 50 Grad gegen das süd-
liche Hochgebirge. Weiter gegen S. richten sich die Schichten
schnell senkrecht empor, die Felsen in der Nalpser Schlucht er-
innern auffallend an diejenigen von Cornera. Nahe den Hütten
Perdatsch tritt im Talkgneiss eine schmale Schicht Quarzit-ähn-
lichen Gneisses ein, dicht erfüllt mit vielfach zerbrochenen,
schwarzen Turmalin-Nadeln. — Zwischen Dissentis und Mompe
Medels fliesst der Rhein in einer unter der Thalebene etwa
100 Meter eingeschnittenen Schlucht. Bei der Brücke fallen
die Schichten des talkreichen Gneisses 68 Grad gegen S., h. 4j.
Höher am Abhänge gegen Mompe hinauf ist das Fallen nur
45 Grad gegen S. (h. 7), wird aber wieder steiler über dem
Dorfe, wo der Weg nach Medels hineinführt. Ueber der gegen
350 Meter senkrecht abstürzenden Mittelrhein -Schlucht stehend,
überzeugt man sich, dass dieselben Schichten, welche in der
Tiefe 60 bis 80 Grad gegen S. fallen, höher empor gegen die
Gebirgsoberfläche sich allmälig gegen N. umbiegen, so dass
sie hier viel flacher gegen S. fallen. Der breite Abhang, in
387
welchem die gewölbte Vorhöhe des Muraun's gegen 4000 F.
zum Rhein abstürzt, besteht aus h. 6 streichenden Talkgneiss-
Schichten — in der untern Hälfte der Höhe dünnschiefrig, in
der obern Hälfte sehr grobkörnig mit faustgrossen Feldspath-
linsen, wenig Quarz, ausser Talk auch etwas schwarzem Glim-
mer, — welche am Fusse des Berges sehr steil nach S., weiter
hinauf sich flacher senken, an der Bergkante nur 15 bis 20 G.
Die nördlich fallenden Schichten der linken Thalseite sind am
Ausgang des Strim-Thals bei Sedrun entblösst, es ist hellgrauer
Talkschiefer (h. 7) etwa 60 Grad gegen N. In diesen Schichten
öffnet sich nördlich von Sedrun ein wüstes schwer zugängliches
Tobel, das Drun, in die Masse des Culm de Vi tief einschneidend.
Das herrschende Gestein im Drun ist Talkchloritschiefer (h. 7),
zwischen dessen fast senkrechte Schichten sich mit gleichem
Streichen zahllose, gangähnliche Massen eines körnigen, weissen,
feldspathreichen Gesteins einschieben — ein kleinkörniges Ge-
menge von Feldspath und lichtgrünem Talk. — Die Gänge,
1 bis 3 Fuss und darüber mächtig, treten so dichtgeschaart auf,
dass ihre Gesammtmächtigkeit jener des Schiefers im Drun kaum
nachstehen möchte; sie sind nicht völlig ebenflächig, sondern
etwas wellig, schwellen an, ziehen sich zusammen. In ihnen
finden sich mit grünem Chlorit-Sande erfüllte Drusen, welche in
Begleitung von Adular, Kalkspath, Apatit (selten), Stilbit, Berg-
flachs die schönsten Sphene geliefert haben. Das Wasser des
Drun's ist eines der wildesten im Oberlande; indem der Schiefer
zerstört wird, verlieren auch die gangähnlichen festen Massen
ihren Halt, stürtzen herab und wirken, indem sie vom Wasser
fortgeführt werden, zerstörend auf die Fruchtebene von Sedrun.
Aus Talkgneiss — bis zollgrosse weisse Feldspath -Zwillinge,
kleine gleichfarbige Oligoklase, wenig kleinkörniger Quarz, viel
lichtgrüner Talk, wenige kleine dunkelgrüne Chloritblättchen —
besteht der südliche Theil des Culm de Vi, welcher sich in zwei
Aeste theilend einen kreisförmigen Kessel umschliesst, dessen
enge Oeffnung bei Bugnei liegt. Der Fuss des Berges, an
welchem der Weg von Sedrun nach Mompe Tavetsch hinführt,
besteht aus dünnschiefrigen morschen Schichten (Talkschiefer
zum Theil dem Thonschiefer ähnlich, h. 5 bis 6, 38 bis 55 G.,
gegen N., zuweilen fast senkrecht). Höher hinauf, wo die beiden
Aeste des Culm de Vi sich oberhalb des Drun's zu einem Fels-
kamm vereinigen, weicht der Talk dunklem Magnesiaglimmer.
388
Der hier beginnende, in senkrechte Tafeln sich erhebende Glim-
mergneiss bildet den dachförmigen Berggrath, dessen First bis
zu dem 3330 Meter hohen Oberalpstock ansteigt. Besonders
lehrreich ist das Studium der Gesteine, welche im N. der Thal-
weitung von Dissentis anstehen, wegen ihres Schwankens in Be-
zug auf Schieferung und mineralogische Zusammensetzung. Ein
feinkörniger Talk - Hornblende - Gneiss, wie ihn die Strasse an
vielen Orten z. B. an der Brücke Stallusa, an der Mündung des
Lumpegna- Thals entblösst, scheint als das Urgestein betrachtet
werden zu dürfen, welches bald zurücksinkt in einen völlig dich-
ten Schiefer, bald in schnellen Uebergängen grobkörniges Gefüge
annimmt, hier neben Oligoklas Feldspath und Quarz dort viel-
leicht nur Oligoklas und wenig Quarz enthält. Die Mehrzahl
der Gerölle der Ebene von Dissentis, welche von den nördlichen
Bergen kommen, sind grobkörniger Gneiss: weisser Feldspath in
Körnern bis ~ Zoll gross, Oligoklas nur an der sehr feinen
Streifung auf der Spaltungsfläche von jenem zu unterscheiden,
Quarz in kleinkörnigen Partien, häufig brauner Titanit, dunkel-
grüner Glimmer und Talk, theils in Flasern, theils in gerundeten
Gruppen. In Betreff der Menge der verschiedenen Bestandtheile
und ihres Korns herrscht vielfacher Wechsel. Einen grosskörni-
gen Chlorittalk- Gneiss mit rothen Feldspathkörnern und Quarz
sieht man oberhalb der Rosein -Brücke. Unterhalb derselben
gegen Sumvix herrschen dunkle nicht schiefrige Gesteine, welche
indess durch häufige Schichtungsklüfte ihre metamorphische
Natur zu verrathen scheinen. Das Gemenge besteht vorwiegend
aus schmutzig grünen Oligoklas -Körnern, wenigem Feldspath,
Quarz, schwärzlichem Glimmer, liniengrossen gelben Titaniten.
An den durch die Strasse gemachten Entblössungen von der
Stallusa-Brücke bis gegen Sumvix zeigen sich viele Gänge oder
gangähnliche Ausscheidungen, theils von Quarz mit chloriter-
füllten Höhlungen und Klüften, theils von weissem oligoklasreichem
Gestein. Diese Gänge folgen zuweilen den Schichtklüften,
häufiger erscheinen sie als unregelmässig gewundene Bänder,
stets licht auf dunklem Grunde. Wo Schichtung zu erkennen,
ist das Streichen h. 5, das Fallen über 50 Grad gegen N. Eine
Ausnahme von dieser Fallrichtung bildet die Oeffnung der Ro-
sein-Schlucht, welche die Strasse auf einer der schönsten Brücken,
welche etwa 70 Meter über der Tiefe schwebt, übersetzt. Hier
herrscht ein massiger dichter Dioritschiefer mit Schnüren von
389
Epidot. Die Schichtung fällt an der Felswand zur Linken der
Schlucht 60 Grad gegen S., an derjenigen zur Rechten steht
sie senkrecht. Zwischen den Bänken des Dioritschiefers schieben
sich in gleicher Lagerung zahlreiche 1 bis 3 Fuss mächtige
Gänge eines lichteren kleinkörnigen Gesteins ein: vorzugsweise
bestehend aus Oligoklas und feinkörnigem Quarz, wenig Feld-
spath, Magnesiaglimmer und Talk. Einige Gänge bestehen
lediglich aus Quarz.
So erhalten die Felsen der Rosein - Schlucht eine grosse
Aehnlichkeit mit denjenigen des Drun's, welche dadurch noch
auffallender wird, dass auch hier durch den Bau der neuen
Strasse mineralienreiche Lagerstätten — Quarz, Kalkspath, Adu-
lar, Sphen, Epidot — sind aufgeschlossen worden. Sie finden
sich auf der östlichen Seite der Schlucht in Querklüften, welche
etwa 10 bis 20 Schritt fortsetzend, die Schichten und zwischen-
gelagerten Gänge senkrecht gegen die Falllinie durchschneiden,
und mit Chlorit-Sand erfüllt sind. Unzweifelhaft spielen die
Gänge im Drun und Rosein eine Rolle bei der Entstehung jener
Mineralien. Dem Gebiete der talkigen Gesteine im Thale von
Tavetsch und Dissentis gehören noch folgende Mineralien an:
Magneteisen, in Oktaedern bis j Zoll gross, ist häufig
im Talkschiefer der Rheinschlucht, namentlich im Tavetsch.
Anatas findet sich in der Thalschlcht des Mittelrheins
(Ruinas), bei Surrhein gegenüber Sedrun, bei der Kapelle Sta.
Brigitta, in der Cornera- Schlucht. Alle diese Orte liegen un-
mittelbar am Rhein auf der Streichungslinie der Schichten.
Brookitin äusserst kleinen Kry stallen begleitet zuweilen
die Anatase.
Eisenglanz in Begleitung von Rutil, Anatas, Quarz,
Adular, Kalkspath findet sich in horizontalen Klüften eines fein-
schuppigen Talk -Glimmerschiefers (h. 6-f- senkrecht) auf einer
ostwestlich streichenden, ziemlich schmalen (von N.— S. etwa
50 Schritte messenden) Zone in der Cornera- Schlucht, sowohl
auf der rechten, als auch vorzugsweise auf der linken Seite am
Fusse des Cavradi. Die Rutil - bedeckten Eisenglanz - Krystalle
dieses Fundorts übertreffen an Schönheit alle anderen*).
*) Früher beschäftigten sich in der guten Jahreszeit beständig
10 bis 15 Männer mit dem Aufsuchen der Eisenglanze, theilweise unter
Lebensgefahr, indem sie sich mittelst langer Stricke an den senkrechten
390
Turnerit findet sich in Begleitung von Anatas und Quarz
auf Talkschiefer gegenüber Ruäras.
Die kalkführende Schichtenmasse von Tavetsch und Dissentis
wird umgeben von Glimmergneiss — aus dessen Gemenge Talk und
Chlorit keineswegs ganz ausgeschlossen sind — in conförmer Lage-
rung, so dass also im N. und S. die Schichten des Glimraergneisses
entweder senkrecht neben den talkreichen verlaufen, oder diese in
steiler Stellung überlagern. Eine scharfe Grenze beider Gesteine ist
nicht zu beobachten. — Ein ebenschiefriger feldspatharmer
Glimmergneiss setzt den Berg Cavradi mit Ausnahme seines
nördlichen Fusses zusammen. Hier streichen die Schichten
h. 4j bis 5, je höher man sich erhebt, um so steiler nach S.
fallend — auf dem Gipfel 76 bis 78 Grad. Auf diesem, wel-
cher wegen seiner rings isolirten Lage vortrefflich geeignet ist,
das Quellgebiet des Vorderrheins zu überschauen, schiebt sich
ein ca. 3 F. mächtiger Granitgang zwischen den Schichten des
Granat-führenden Gneisses ein; sein Gestein ist ein grobkörniges
Gemenge von weissem Feldspath und Oligoklas, Quarz, zoll-
grossen Blättern silberglänzenden Kaliglimmers und kleinen leu-
citöedrischen Krystallen von rothem Granat. Blöcke solchen
Granits findet man mehrfach sowohl in unserm Gebiete, als in
der Centraizone überhaupt zerstreut. Sie rühren stets von solchen
Gängen oder Ausscheidungen her. Es erscheint der Erwähnung
werth, dass die körnigen Varietäten, welche so vielfach aus den
krystallinischen Schiefern (darunter manche Kaliglimmer führende)
der Alpen hervorgehen, wohl silberglänzenden Talk, vorwiegend
Magnesiaglimmer und Hornblende, niemals aber Kaliglimmer
enthalten — der vielmehr allein auf Ganggranite beschränkt
ist. — Die Glimmergneiss - Schichten des Tavetsch bieten wenig
westlich von den Maigels-Seen, am östlichen Abhänge des Badus
eine überaus merkwürdige Mineral - Lagerstätte dar. Zwischen
den senkrechten Schichten (h. 4) des Gneiss mit schwarzem und
weissem Glimmer liegt als Kluft- Ausfüllung eine Masse theils
derben, theils krystallisirten Granats — es ist der bereits
Rome de L'isle bekannte Hyacinth von Dissentis. — Mit den
Granaten findet sich graublauer, meist derber, -doch zuweilen
Felsen des Cornera- Rheins herabliessen. Jetzt werden jene Krystalle
nicht mehr so hoch bezahlt, dass die Leute angereizt würden, neue An-
brüche aufzusuchen.
391
wohl auskrystallisirter Epidot, lichtbräunlich-grüner
Epidot in wohlgebildeten, flächenreichen Krystallen, Quarz
und körniger Kalkspath, welch letzterer die granatreichen
Platten bedeckt, doch leicht sich abspalten lässt. Diese bräun-
lichrothen Granaten vom Badns haben schon Saussure's beson-
dere Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil sie im Innern theils
aus graublauem Epidot, theils aus Quarz und Kalkspath oder
aus einem Gemenge dieser drei Stoffe bestehen, über welches
die Granat-Masse zuweilen nur eine dünne Hülle bildet.
Schwarzer Turm al in in kleinen Krystallen hat sich ge-
funden am Cavradi und in der Roseinschlucht.
Das Strim-, Etzli- und Mad er an er-T hal. Die
geognostische Zusammensetzung der nördlichen Tavetscher Zweig-
thäler ist so übereinstimmend, dass eine Schilderung des Strim
auch für die westlichen kürzeren Thäler gilt. Der gegen N.
nur wenig mächtigen talkigen Schichten, welche an der Oeffnung
des Strim's anstehen, geschah bereits Erwähnung. Alsbald folgt
Glimmergneiss (h. 6|-) schon hier in nahe vertikalen Schichten.
An den steilen Wänden des durchaus steinigen Thals ragen gleich
mächtigen Rippen festere Gesteinsbänke zwischen morschen hervor.
Der in der untern Thalhälfte herrschende Gneiss ist mittelkörnig :
weisser Feldspath, fast gleichfarbiger, etwas trüber Oligoklas,
Quarz in feinkörnigen Partien, bräunlich - schwarzer Magnesia-
Glimmer und wenig lichtgrüner Talk. In der Mitte des Thals
findet sich eine steile Felsterrasse, welche sich in den westlichen
Thälern wiederholt und einer Zone grobkörnigen Gneisses mit
zollgrossen Feldspath - Krystallen ihre Entstehung dankt. Diese
Felsen tragen deutliche Gletscherschliffe, während sich jetzt die
Eismassen bis in den Hintergrund des Thals zurückgezogen
haben. Je mehr man sich demselben nähert, desto mehr nehmen
die Schichten ein körniges Gefüge an — in weit höherem Grade
als in der Sixmadun- Kette. — Am häufigsten enthält das Ge-
menge vorwiegend schneeweissen Oligoklas (bis \ Zoll gross),
viele graue gerundete Quarzkörner, Magnesiaglimmer in einzelnen
Blättchen oder blättrigen Kugeln. Der Feldspath scheint in den
meisten dieser körnigen Gesteine zurückzutreten, zuweilen fehlt
derselbe ganz. Neben dem schwarzen Glimmer erscheint Horn-
blende, bei deren reichlicherem Eintritt der Quarz verschwindet.
Viele Handstücke aus Strim würde ma